Lebendige Seelsorge 4/2020: Gottesnacht
Von Verlag Echter und Matthias Sellmann
()
Über dieses E-Book
Das Themenheft 'Gottesnacht' unterstützt Sie in dieser Vergewisserung. Es bietet Ihnen eine anspruchsvolle These an: Ja, es ändert sich etwas. Gott ist immer stärker abwesend. Er will neu gesucht und neu gefunden werden. Geistliche Trockenheit ist keine Ausnahme mehr (vgl. Interview). Im Heft finden Sie empirische Belege und theologische Argumente. Eindrücklich ist die Präsentation von vier spirituellen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Sie sind Seismografen für einen Paradigmenwechsel geistlichen Lebens. Denn alle vier bauen ihre Mystik zentral auf der Erfahrung auf, dass Gott sich zurückzieht: Dietrich Bonhoeffer, Madeleine Delbrêl, Chiara Lubich und Mutter Teresa.
Möge die Lektüre für Sie zur Chance werden, sich in Ihrer Gottesbeziehung neu zu verorten. Wir wissen es aus vielen anderen Lebensbereichen: Wachstum braucht Nächte. Was also zeigt sich, wenn Er sich verbirgt? Was soll wachsen, was wird vergehen?
Mehr von Verlag Echter lesen
Geist & Leben 1/2023: Zeitschrift für christliche Spiritualität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeist & Leben 2/2022: Zeitschrift für christliche Spiritualität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLebendige Seelsorge 1/2023: Sport & Spiritualität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeist & Leben 3/2018: Zeitschrift für christliche Spiritualität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLebendige Seelsorge 2/2020: Der Synodale Weg Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeist & Leben 2/2021: Zeitschrift für christliche Spiritualität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLebendige Seelsorge 6/2021: Riskante Seelsorge Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLebendige Seelsorge 4/2021: 50 Jahre Pastoralreferent*innen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeist & Leben 4/2022: Zeitschrift für christliche Spiritualität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungeninspiration 2/2020: Macht Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLebendige Seelsorge 3/2020: Catholic Women - Ein internationales Frauenheft Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenInspiration 2/2021: Wahrheit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeist & Leben 1/2020: Zeitschrift für christliche Spiritualität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLebendige Seelsorge 5/2022: Seelsorge Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeist & Leben 1/2019: Zeitschrift für christliche Spiritualität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLebendige Seelsorge 4/2022: (Junge) Ökumene Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeist & Leben 4/2021: Zeitschrift für christliche Spiritualität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLebendige Seelsorge 4/2018: Mehr als Begegnung - Die Jugendsynode 2018 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeist & Leben 3/2020: Zeitschrift für christliche Spiritualität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeist & Leben 1/2024: Zeitschrift für christliche Spiritualität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenInspiration 3/2020: Künste Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenInspiration 3/2021: Ich – Du – Wir Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLebendige Seelsorge 5/2020: Freundschaft Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungeninspiration 1/2020: Komplexe Welt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLebendige Seelsorge 1/2019: Laudato si' Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLebendige Seelsorge 5/2019: Abschied von der Volkskirche? Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLebendige Seelsorge 5/2021: Sterben und Beerdigen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenInspiration 3/2019: Leerstelle Kirche Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLebendige Seelsorge 6/2020: ... wegen Corona Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeist & Leben 3/2023: Zeitschrift für christliche Spiritualität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Ähnlich wie Lebendige Seelsorge 4/2020
Ähnliche E-Books
Entleerte Geheimnisse: Die Kostbarkeit des christlichen Glaubens Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeist & Leben 1/2019: Zeitschrift für christliche Spiritualität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEinführung in das Christentum - für heute 3: Der Glaube an den Heiligen Geist Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenApokalypse: Bilder des Schreckens, Bilder der Hoffnung: Visionen für heute Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSternstunden und Schandflecke der Kirchengeschichte: Licht- und Schattenseiten in 36 Episoden Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenJungfrauengeburt?: Die Geschichte von Maria und ihrem Sohn Jesus Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBerühre die Wunden: Über Leid, Vertrauen und die Kunst der Verwandlung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBeten: Beziehung zum ganz Anderen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMartyria: Den Glauben bezeugen in der Welt von heute Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenStreiten wir für Religion: Glauben in der digitalen Welt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNur begrenzt frei?: Katholische Theologie zwischen Wissenschaftsanspruch und Lehramt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTräume beginnen zu leben: Große Christen des 20. Jahrhunderts Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Mitte des Lebens finden: Im Geheimnis des Glaubens Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen"Auch der Unglaube ist nur ein Glaube": Arnold Stadler im Schnittfeld von Theologie und Literaturwissenschaft Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHumanismus und Christentum Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMit Freundinnen im Gespräch: Christliche Frauen aus zwei Jahrtausenden Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWenn wir die Heiligen fragen könnten: Was sie uns heute sagen würden Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUmkehr der Kirche: Wegweiser im Neuen Testament Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSakramente - immer gratis, nie umsonst Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBedingungslos anerkannt: Der Beitrag des Glaubens zur Persönlichkeitsbildung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGottes Wort in der Geschichte: Reformation und Reform in der Kirche Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMit der Bibel die Messe verstehen: Band 2 Die Feier der Eucharistie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGottes Freundschaft suchen: Predigten, geistliche Gedanken und Gebete Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Kirchenaustritt: Rechtliches Problem und pastorale Herausforderung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEigentlich ist Ostern ganz anders: Hoffnungstexte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVon Humanae vitae bis Amoris laetitia: Die Geschichte einer umstrittenen Lehre Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNeue Predigten aus den Morgenmessen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKirchenkrise: Wie überlebt das Christentum? Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Botschaft von Amoris laetitia: Ein freundlicher Disput Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZum Thema "Kirche" Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Christentum für Sie
Der Schlunz Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Die Bibel: Revidierte Einheitsübersetzung 2017. Gesamtausgabe. Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Kinderbibel Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Stephen Hawking, das Universum und Gott Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Das Buch Henoch (Die älteste apokalyptische Schrift): Äthiopischer Text Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGestalten des Bösen: Der Teufel – ein theologisches Relikt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGemeinsames Leben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenCherubinischer Wandersmann (Geistreiche Sinn- und Schlussreime): Mystische und religiöse Gedichte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPardon, ich bin Christ: Neu übersetzt zum 50. Todestag von C. S. Lewis Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Roadtrip mit Gott: Leben ist Freiheit und jeden Tag ein Abenteuer Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Heilige Gral und Sexualmagie: Die Geheimlehre des Gral Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Das Gespräch mit Gott: Beten mit den Psalmen Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5glauben-hoffen-singen: Liederbuch der Freikirche der S.-T.-Adventisten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKreuzeswissenschaft: Studie über Johannes vom Kreuz Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHeilsame Worte: Gebete für ein ganzes Leben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLeben in der Nachfolge: Texte von Dietrich Bonhoeffer Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVon der Freiheit eines Christenmenschen: Einer der bedeutendsten Schriften zur Reformationszeit Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Der ungezähmte Mann: Auf dem Weg zu einer neuen Männlichkeit Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Berufung: Eine neue Sicht für unsere Arbeit Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Der Fall Jesus: Ein Journalist auf der Suche nach der Wahrheit. Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Lust auf Land: Biblische Seiten des Landlebens Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Rebell - Martin Luther und die Reformation: Ein SPIEGEL E-Book Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAugustinus: Die Bekenntnisse - Confessiones: Eine der einflussreichsten autobiographischen Texte der Weltliteratur Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Vaterunser: Ein Gebet für alle Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDieses Kreuz: Weil die Liebe stärker ist Bewertung: 1 von 5 Sternen1/5Compendium Wortschatz Deutsch-Deutsch, erweiterte Neuausgabe: 2. erweiterte Neuausgabe Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Amoris Laetitia - Freude der Liebe: Mit einer Hinführung von Christoph Kardinal Schönborn Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBibel trifft Koran: Eine Gegenüberstellung zu Fragen des Lebens Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLiest du mich noch?: 69 Methoden zum Bibellesen mit Gruppen. Ein Ideenbuch für Mitarbeitende Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Rezensionen für Lebendige Seelsorge 4/2020
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Lebendige Seelsorge 4/2020 - Verlag Echter
Nacht-Erfahrungen
Theologie und Spiritualität einer Lebenswirklichkeit
Angst, Schwermut und Trostlosigkeit sind Teil jedes menschlichen Lebens. Weil Gott den ganzen Menschen in seiner leibseelischen Wirklichkeit ansprechen und erlösen will, müssen diese Nacht-Erfahrungen auch eine Bedeutung für den christlichen Glauben haben. Stephan Lüttich
Die Dunkelheit der Nacht versinnbildlicht die negativ geprägte, bedrückende und bedrängende Seite menschlicher Lebenswirklichkeit. Bei der spontanen Assoziation wird die Nacht zuerst als Finsternis, als Ort des Schreckens und der Bedrohung, als Wirkungsort von unheimlichen, vielleicht kriminellen Gestalten begriffen. Das ist aber nur ein Aspekt. Die Nacht ist auch die Zeit des stärkenden Schlafes und des Vergessens, die Zeit der schutzgebenden Dunkelheit, der Bergung vor den Feinden. In ihrer Stille bietet die Nacht den Raum für die Begegnung zwischen Menschen, sei es im intensiven Gespräch oder in der erotischen Vereinigung.
Auch die Religionsgeschichte weiß um die Nacht als ambivalentes Bild. In nahezu allen Religionen ist die Nacht einerseits Wirkungsbereich bedrohlicher Dämonen und Totengeister. So kennt etwa die altägyptische Religion die Vorstellung eines Kampfes, den der Sonnengott Re Nacht für Nacht mit den Chaosmächten der Finsternis zu bestehen hat. Und die bis heute geläufige Idee der mitternächtlichen Geisterstunde oder Johann Wolfgang von Goethes klassische Schilderung der Walpurgisnacht, in der sich Hexen und Zauberer vergnügen, beziehen sich auf uralte Motive der nordischen Mythologie.
Andererseits ist die Nacht aber auch eine privilegierte Zeit für das Gebet und die Offenbarung der Gottheit. So sind die spätantiken Mysterienkulte im hellen Licht des Tages schlicht nicht vorstellbar. Auch die jüdische Bibel erzählt gerade an wichtigen Schlüsselstellen von nächtlichen Begegnungen mit Gott, die sowohl das erschreckendübermächtige als auch das vertrauensvollbergende Moment in der Gotteserfahrung des Volkes Israel zum Ausdruck bringen. Der Islam kennt diese religiöse Dimension der Nacht ebenfalls. So widmet der Koran eine ganze Sure der sogenannten „Nacht der Bestimmung", in der Muhammad zum ersten Mal die göttliche Offenbarung empfängt.
Diese Doppeldeutigkeit der nächtlichen Dunkelheit hat sich in der Kulturgeschichte der Menschheit, in Literatur, Malerei und bildender Kunst vielfältige Ausdrucksformen geschaffen. Von den romantischen Nachtbildern Caspar David Friedrichs bis zu Edward Hoppers Ikonen moderner Nächtigkeit, vom Abschied der Liebenden in Shakespeares Romeo und Julia bis zu Arnold Schönbergs Quartett Verklärte Nacht, von den verstörenden Nacht-Gedichten Georg Trakls bis zu den erschütternden Bekenntnissen von Georges Bernanos Landpfarrer zieht sich die Beschäftigung mit der Nacht durch alle Epochen, durch alle Formen und Stilarten menschlichen Kunstschaffens.
Stephan Lüttich
geb. 1974, Dr. theol., nach Tätigkeit im Bistum Hildesheim jetzt Abteilungsleiter bei der Klosterkammer Hannover, einer staatlichen Stiftungsverwaltung.
DIE NACHT ALS ORT GOTTES
Der christliche Glaube dechiffriert das Dunkel der Nacht als Ort Gottes. „Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt", dichtet Jochen Klepper 1937 vor dem Hintergrund äußerster existentieller Not in seinem bekannten Weihnachtslied: Angst, Trauer und Verzweiflung sind ein Raum, den Gott mit seiner Gegenwart erfüllen will. Und seine Gegenwart erhellt diese Nacht. Aber nicht wie ein greller Scheinwerfer, der alle dunklen Ecken und alle finsteren Winkel ausleuchtet. Das Dunkel der Welt und des Lebens bleibt dunkel, auch wenn es von Gott erlöst ist. Das Leiden wird nicht abgetan. Es kann und darf für Christenmenschen Erfahrungen geben, in denen alle Vorstellungen von Gott auf furchtbare Weise zerbrechen. Aber das Entscheidende ist: Da, wo die Geschichte der Glaubenden voller Hoffnungslosigkeit ist, wirkt Gott als einer, der durch Nacht in das aufgehende Licht führt.
Die Nacht als Raum des Übergangs und Ineinanders von negativ-angstvoller und positiv-beglückender Erfahrung ist ein locus theologicus. Das inhaltliche Zentrum und damit die Berechtigung, ja die Verpflichtung, auch die Nacht-Seite Gottes anzuschauen, sind von der Offenbarung vorgegeben. Weihnachten und Ostern, die Hauptfeste des Christentums, sind Nachtfeste: „Zusammen sind diese beiden Feste der Anfang unserer Erlösung, zusammen verheißen sie den Tag, auf den wir im Glauben warten. Weil sie beide den Anfang des Sieges eines ewigen Tages, zusammen den Sieg eines neuen Anfangs bedeuten, darum sind beide Feiern einer allerheiligsten Nacht" (Rahner, 401). Schon im Weihnachtsgeheimnis spiegelt sich eine starke Spannung: Die Nacht der Not und Armut des Stalls ist gleichzeitig die Nacht des „Gloria in excelsis Deo, das den Hirten auf dem Feld verkündet wird; die improvisierte Geburt des hilflosen Säuglings ist gleichzeitig die glorreiche Ankunft des erwarteten Friedenskönigs. Und diese Spannung findet sich aufs Äußerste gedehnt in der Pascha-Nacht Christi, die sich vom Abend von Getsemani bis zum Morgen der Auferstehung erstreckt. Die Polarität von Angst und Sieg, Verlassenheit und Erfüllung, Leiden und Herrlichkeit, Tod und Auferstehung wird von der Ambivalenz der Nacht-Metapher umfangen. Ein kantiges, sprachlich herausforderndes Zitat des zu Unrecht nur wenig rezipierten jesuitischen Theologen Erich Przywara fasst diese Polarität zusammen und macht gleichzeitig deutlich, dass es sich dabei um eine Grundstruktur des christlichen Glaubens überhaupt handelt: „Es ist […] die Osternacht. Die Nacht vom Karfreitag her: das Versunkensein in den Widersinn eines durch Seine Schöpfung getöteten Gottes. Die Nacht zum Ostermorgen hin: das Entrücktsein in den Über-Sinn einer durch die Tötung Gottes in Gott hinein erlösten Schöpfung. Es ist darum die ‚wache Nacht‘ […]. Wachheit negativ: als schärfstes Bewußtsein der aufgerissenen Abgründe. Wachheit positiv: als Nacht, die schon Tag ist. Es ist Nacht, in der das Abgründige des Geschöpfes […] und das Grundlose Gottes […] unergründlich eins sind. […] Die Nacht der ‚Gottverlassenheit‘ ist das entscheidende ‚Gott alles in allem‘
(Przywara, 70f.).
NACHT-ERFAHRUNGEN
Negative menschliche Erfahrungen sind immer zweideutig. Sie können den gläubigen Menschen von Gott entfernen oder ihm helfen, jenseits aller vordergründigen Erwartungen an das Leben zu einer größeren menschlichen und religiösen Reife zu gelangen. Unbedingt festzuhalten ist, dass die Erfahrungen von Traurigkeit, Niedergeschlagenheit und Selbstzweifeln nicht per se ein Zeichen für eine Trennung von Gott sind. Es gilt sie zu deuten und zu gestalten. Dann können sie als wichtige Etappe eines geistlichen Weges verstanden werden.
Dabei ist wichtig, diese spirituellen Nacht-Erfahrungen vom Krankheitsbild der Depression abzugrenzen. Eine klinische Depression ist natürlich keine Frage mangelnder positiver Deutungsversuche des Betroffenen oder der fehlenden Gewissheit des christlichen Glaubens. Eine Depression muss von kompetenten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Ärztinnen und Ärzten behandelt werden.
Nacht-Erfahrungen im Sinne eines spirituellen Wachstumsprozesses sind etwas Anderes. Romano Guardini hat Ende der 1920er Jahre einen großen Essay über den „Sinn der Schwermut veröffentlicht. Für Guardini zeichnen sich Menschen, die unter Schwermut leiden, durch eine besondere Empfindsamkeit, ja Verwundbarkeit aus: „Diese Verwundbarkeit stammt […] aus einer durch innere Vielfältigkeit der Anlagen bedingten Sensibilität des Wesens. […] Diese Sensibilität macht den Menschen verwundbar durch die Erbarmungslosigkeit des Daseins […]; das Leiden überall; das Leiden der Wehrlosen und Schwachen, das Leiden der Tiere, der stummen Kreatur … Im letzten kann man es nicht ändern. Es ist unaufhebbar. […] Verwundend sind die Armseligkeiten des Daseins; daß es oft so häßlich ist, so platt
(Guardini, 71f.). Auch Guardini weiß, dass menschliche Nacht-Erfahrungen zweideutig sind. Die Verwundbarkeit, die er beschreibt, schmerzt. Sie lässt die Schwermütigen leiden. Gleichzeitig erschließt sie ihnen aber eine besondere Tiefe des Lebens und des Daseins überhaupt. Diese Tiefe bleibt für all jene verborgen, die sich nur an der Oberfläche bewegen und Verzweiflung und Angst wegerklären wollen oder mit vordergründigen Ablenkungen zu verdrängen suchen.
So offenbart sich eine unerwartet positive Seite der Schwermut. Guardini ist davon überzeugt, dass der Mensch mit einer Neigung zur Schwermut „das Leid der Vergänglichkeit [erfährt]: Daß das Geliebte weggenommen wird. Daß der Nachbar des Schönen der Tod ist. […] Aber wie in äußerster Gegenwehr dazu ist da die Sehnsucht nach dem Ewigen, Unendlichen; nach dem Absoluten. […] Schwermut ist Ausdruck dafür, daß wir begrenzte Wesen sind, […] Wand an Wand mit Gott" (Guardini, 85ff.).
MYSTIK DER DUNKLEN GEGENWART GOTTES
Für Guardini enthüllt sich in der Nacht-Erfahrung die menschliche Sehnsucht nach Vollkommenheit und Unendlichkeit. Und hier eröffnet sich eine überraschende Anschlussfähigkeit im Hinblick auf eine religiös indifferente oder sogar anti-religiös eingestellte Gesellschaft. In Situationen existentieller Not und Betroffenheit hilft es nicht, auf das Dasein eines „lieben Gottes" hinzuweisen, der schließlich doch alles zum Guten wenden werde. Ein solches von keiner Erfahrung gedecktes Behaupten wird vielmehr eher dazu führen, dass Menschen, die es ohnehin schwer haben, einen Zugang zum Glauben an die Existenz Gottes zu finden, sich ganz vom Christentum abwenden.