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tristan & Ramona: vier geschichten über die liebe
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tristan & Ramona: vier geschichten über die liebe
eBook357 Seiten5 Stunden

tristan & Ramona: vier geschichten über die liebe

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Über dieses E-Book

Vier Frauen. Vier Geschichten über die Liebe.
Sonia: Ich hab einfach kein Glück mit Männer. Hatt ich genau genommen auch noch nie.
Rebecca: Wer jetzt denkt Liebeskummer, liegt damit gar nicht so verkehrt, obwohl ganz das richtige Wort ist es auch wieder nicht.
Ramona: Der Freund meiner Freundin ist mein Freund. Die Freundin meines Freundes ist mein Feind.
Lotta: Ich habe das Gefühl, er ist direkt aus dem Himmel in mein Leben gefallen – und in mein Bett.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum26. Okt. 2021
ISBN9783754174074
tristan & Ramona: vier geschichten über die liebe
Autor

ann brondhem

Ann Brondhem lebt in Hamburg.

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    Buchvorschau

    tristan & Ramona - ann brondhem

    mit der Seele suchend

    Ich hab einfach kein Glück mit Männern, sagte ich, zu Verena umgewandt. Sie lag auf der Rückbank, die nackten Füße gegen das rechte Seitenfenster gestemmt. Hatt ich auch genau genommen noch nie.

    Okay?, sagte sie, mit diesem typischen kleinen Grinsen, das ich in den nächsten Wochen noch so oft bei ihr sehen sollte. Und wahrscheinlich fand sie es eine ziemlich merkwürdige Antwort auf die Frage, ob ich einen festen Freund habe.

    Ellen fing an zu lachen. Nah, Mädle! Lass dich net täusche! Unsere kleine Sonia hier jammert nämlich immer ganz gern mal ein bisschen, wenn's ums leidige Thema Kerle geht. Aber immer auf höch­stem Niveau.

    Stimmt ja gar nicht!, protestierte ich.

    Doch, doch doch!, sagte Ellen. "Nur dass es bei ihr in Wirklichkeit immer dieses Ding ist... Ach was weiß ich, an jedem Finger zehn. Weil Sonia... Sonia nämlich nicht bloß einen festen Freund hat, sondern obendrein auch meistens immer noch einen Liebhaber. Plus jede Menge..."

    "Pfff!"

    One-Night-Stands. Ach komm, sag was du willst!, sagte Ellen und knuffte mich liebevoll auf den linken Oberarm. "Für mich warst du jedenfalls schon immer sowas wie die... Ach was weiß ich! Das leuchtende Vorbild oder so. Die letzte Hoffnung. Für alle Mädels."

    Der erste Eindruck: so wichtig! Und für Verena war das ja praktisch der erste Eindruck, den sie von mir bekam, wir hatten ja gerade erst angefangen, uns kennenzulernen. Und dann kam Elli mit ihren Geschichten. Andererseits ist es natürlich schon auch immer hochinteressant mitzukriegen, wie andere Leute dich wahrnehmen – im Gegensatz zu dem, wie du dich selbst siehst und dein Leben. Und in diesem Falle war es eben auch deshalb besonders interessant, weil diese bestimmt liebgemeinte, aber eben nicht nur schmeichelhafte Charakterisierung nun ausgerech­net von Ellen kam. Sie ist meine älteste Freundin, wir kennen uns schon ewig, schon unser halbes Le­ben. Ach, mehr als das halbe Leben, wir sind zusammen aufgewachsen, praktisch. Zuerst war's Pony und Barbie, und später dann Party, Kiffen und Jungs. Und zusammen Abi ma­chen. Auf'ne Art war Elli die Schwester, die ich nie hatte.

    Weswegen jetzt?, fragte Verena. Sie hatte sich aufgesetzt und ihren Kopf zwischen den beiden Sitzen hindurch nach vorn geschoben, ihr Oberarm lag auf meiner linken Schulter. Also wofür jetzt, letzte Hoffnung?

    Na, dafür halt, sagte Ellen und machte eine Kopfbewegung, als würde sie mit dem Kinn darauf deuten. Das Ganze so. Liebööö!

    Liebeee!, rief Verena lachend und patschte mir dabei auf den linken Oberarm. Voll fett!

    Yeah!, rief Elli. Und Sex natürlich! Böp, böp, böp! Und dabei drückte sie auf die Hupe, dreimal.

    Oh fuck, nee, sagte ich und legte die Hände vors Gesicht. Denn ich hatte bereits zu diesem Zeitpunkt ein ganz bestimmtes Gefühl, worauf das alles hier hinauslaufen würde.

    Kaum zu glauben, dass das erst vier Wochen her ist. Und jetzt ist es schon wieder vorbei, einfach so: Zack, Ferienende! Und du sitzt heulend im Flieger und starrst aus dem Fenster. Oder auf die Rückenlehne des Vordersitzes. Oder auf die Fotos in deinem Mobiltelefon. Oder in dein Reisetagebuch.

    Zu Anfang des Urlaubs hat man ja immer dies Gefühl, man würde eintauchen in einen paradiesischen Zustand völliger Zeitlosigkeit. So dies Ferien-auf-Saltkrokan-Feeling, wie in den Sommerferien damals mit Mama und Oma in Dänemark. Und Ferienende, das findet ja wahrscheinlich jeder doof. Oder gibt's das? Leute, die es toll finden, wenn die Ferien vorbei sind, so nach dem Motto: Oh super, jetzt schön wieder arbeiten gehen! Ja wohl eher nicht. Also kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen.

    Vorhin haben wir noch zusammen gefrühstückt, Verena war vorbeigekommen, und nach dem Frühstück fuhren meine beiden Mädels mich zum Flughafen und halfen mir beim Einchecken. Anschließend saßen wir noch zusammen in der Halle und warteten, bis mein Flug dran war.

    Ach, war das geil, Leute!, sagte Ellen. Gelle? Sie legte die Arme um Verenas und meine Schultern und küsste uns nacheinander auf die Wange. Eine anstrengende, aber auch sehr schöne Reise.

    Ja, ich fühl mich auch komplett… amorph, meinte Verena und seufzte. Dabei kommen wir doch gerade erst aus dem Urlaub.

    Ich mich auch, sagte ich. Mir war schon den ganzen Morgen schlecht (Mama würde sagen: wie Buttermilch und Spucke), und ich hatte deswegen auch kaum was gegessen. Aber dafür hatte ich extra viel Make-up aufgelegt.

    Vielleicht 'ne leichte Irritation der kleinen rosa Festkörperchen, sagte Verena lachend.

    Ja, vielleicht. Könnte sein.

    Und zudem dann auch noch Urlaub vorbei und Auftritt Ernst, wie in Ernst des Lebens.

    Na, ich bin jedenfalls scheißfroh, dass Michi nichts gemerkt hat, sagte Ellen. Von daher glaube ich, ich kann mir meine Beichte sparen.

    Kann ja noch kommen.

    Mensch, hör auf! Sowas soll man nicht beschreien.

    Dann wurde mein Flug aufgerufen, und die beiden brachten mich noch bis zum Securitycheck. Wir verabschiedeten uns tränenreich voneinander, obwohl es in Wirklichkeit ziemlich lustig war: Ellen umarmte mich, Verena umarmte mich, Verena umarmte Ellen.

    Ach Gott ach Gott!, sagte sie und winkte mit beiden Händen ab. Ich bin heut ganz konfus. Ich flieg doch gar nicht weg.

    Ich spüre eine Erschütterung der Macht, sagte Ellen lachend. Sie umarmte mich und küsste mich noch einmal. Hierbleiben du musst!

    Ist das auch ein Spezialgebiet von dir?, fragte ich Verena, mit einem Lächeln, das wahrscheinlich etwas verunglückt aussah.

    Manchmal, ja. Sie probierte ihr Lächeln. Und es wirkte, zumindest bei mir. Es kommt auf die Umstände an, gell? Die Umgebungsvariablen sind ja das A und O bei solchen Sachen.

    So, kommt her, Mädels, jauchzte Ellen. "Einmal noch Po-Ebene per tutti!"

    Die letzte Umarmung. Verenas Gesicht ganz nah vor mir. Nur ein riesiges Auge, tiefblau.

    "She's lookin' at you, kid. Sie küsste mich, ganz zart, mitten auf den Mund. Und das nächste Mal machen wir dann einfach alles anders, flüsterte sie mir ins Ohr. Ich fühlte ihre Hand auf meinem Po, zum letzten Mal. Von Anfang an."

    Okay. Von Anfang an.

    Dann ging ich durch die Sicherheitsschleuse.

    Tschü'üs!, rief Ellen von der anderen Seite und winkte überschwänglich. Bis ba'ald! Und ruf an, wenn du da bist, hörst du!

    Und damit war alles vorbei. Unser Superduper-Mädelsurlaub war zu Ende und alles andere auch. Als ich im Flugzeug saß, das erste Mal allein seit mehr als vier Wochen und mit meinen ganzen Erinnerungen, rollten mir unablässig die Tränen. Ich konnte sie nicht stoppen, sondern immer nur wegwischen.

    Und es waren wirklich megageile Ferien, von Anfang an. OK, auf dem ersten Stück durch Österreich hat es geregnet, und wir waren alle drei noch ein wenig müde, so: muffelig und ein bisschen maulfaul. Aber zwei Stunden später waren wir schon über den Brenner und freuten uns wie die Schneeköniginnen, weil uns die liebliche Sonne des Südens anlachte. Und wir dann alle so: Yippie yeah! Mädelsurlaub!

    Jetzt fangen die Ferien so richtig an, verkündete Ellen. Sommer. Sonne. Sex.

    Sommer und Sonne sind schon da, sagte ich und setzte meine Sonnenbrille auf. Ziemlich viel davon.

    Fehlt also bloß noch – Sex!, meinte Ellen grinsend. Und bitte auch gerne viel davon! Oder hat jemand Gegenvorschläge? Ich rollte schon so leicht mit den Augen, als sie das sagte, so nach dem Motto: Oh bitte nicht das wieder! Das konnte Ellen aber nicht sehen. Die müssten dann allerdings auch mit S sein, fügte sie hinzu.

    Wieso?, fragte Verena.

    Wieso wieso?

    Wieso müssen die mit S sein?

    "Par ordre du mufti, sagte Ellen und machte sich mit dem Zeigefinger einen Schnurrbart. Und so sammelten wir dann bis zur nächsten Pipi-Pause einen ganzen Haufen von Gegenvorschlägen, alle mit S: Shoppen, Strand, Sizilien, Sightseeing, Stracciatella, Siena usw. Mein Vorschlag Sixtinische Kapelle wurde von Ellen ausgebuht (Langweilig!"), Verenas bunga bunga dagegen fand Gnade vor ihren Augen.

    "Hä? Bunga bunga geht ja nun wohl gar nicht", protestierte ich.

    Aber sicher doch, meinte Verena, das ist hier sozusagen Volkssport.

    Geht nicht! Ist nicht mit S.

    Und Ellen dann meinte: Peace, Mädels. Ich subsumier das mal unter Sex, dann passt's schon.

    Dieser Mädelsurlaub war Ellens Idee. Ich wollte ja ursprünglich eigentlich mit Jan in die Ferien fahren, aber mein beknackter Freund hatte mal wieder andere Pläne. Insofern passte es mir dann natürlich ganz gut, als Elli anfragte, von wegen mal wieder zusammen in Urlaub fahren und Italien, und ich sagte spontan ja. Zum einen, weil Urlaub mit Ellen sowieso immer schon toll war. Wüst, aber toll. Und zum anderen fand ich es nach diesem erneuten Debakel mit meiner Urlaubsplanung völlig evident, dass ich mir ganz dringend einmal über ein paar Sachen klarwerden musste. Und bei so einem vierwöchigen Urlaub im sonnigen Süden würde ich ja wahrscheinlich massig Zeit haben: also zum einen, in Ruhe nachzudenken, wie es für mich eigentlich weitergehen sollte mit Jan, oder ob überhaupt, und zum anderen natürlich auch ein bisschen zu entspannen und mich zu regenerieren.

    Dritte im Bunde war Verena, eine Freundin und Arbeitskollegin von Ellen aus Innsbruck. Ich kannte Verena vorher noch nicht, wir waren uns mal flüchtig begegnet, als ich Elli in Innsbruck besucht habe, das war alles, und in solch einer Konstellation in Urlaub zu fahren, ist natürlich schon immer Risiko. Aber es stellte sich dann ziemlich schnell heraus, dass wir zwei gut miteinander auskommen würden, im Prinzip schon gleich am allerersten Tag. Ich fand sie gleich von Anfang an supersympathisch und schloss sie sofort ins Herz.

    Es waren wirklich wunderschöne Ferien, the best Urlaub ever. Und was das Wichtigste war: Ich war in diesen vier Wochen mental völlig weg von allem, was mich zuhause bedrückte. Meistens jedenfalls. Es gab auch so Depri-Momente, aber meistenteils war ich einfach happy und wunderbar entspannt. Oder eben völlig bunga bunga (O-Ton Verena), was dann so ungefähr das gleiche bedeutete.

    Insofern ist die Situation jetzt schon irgendwie ziemlich paradox. Denn hätte Jan mich nicht versetzt, hätte es unseren supertollen Mädelsurlaub nie gegeben. Nichts von alledem, was passiert ist, wäre jemals geschehen. Nur dass ich jetzt auf 'ne Art eben noch viel unglücklicher bin als vorher.

    Kurz hinter der Grenze fuhren wir auf die Raststätte, für Pipi-Pause und Fahrerwechsel, und weil Ellen sich Zigaretten kaufen wollte. Sie rauchte zwar eigentlich schon ewig nicht mehr, außer beim Kiffen vielleicht noch und eben in den Ferien.

    Also i'ich, ich brauch jetzt erstmal Fortuna, sagte sie und zog los Richtung Tankstelle. Und als sie kurz darauf zurückkam, rief sie schon von weitem: Die haben hier gar nicht Fortuna! MS heißen die hier, die Zigaretten.

    Fortuna ist Spanien, sagte Verena.

    Stimmt! Jetzt wo du's sagst, meinte Ellen und zündete sich eine Zigarette an. Ist ja aber auch kackegal, wie die heißen. Zigaretten sind Zigaretten. Obwohl so'n büschen Fortuna könnt ich natürlich auch gut gebrauchen, fügte sie hinzu, ließ die Zungenspitze kurz aufblitzen, und dann lachte sie dieses kleine debile dreckige Lachen, wo du schon gleich weißt: OK, der Feierdrachen fährt gerade schon wieder hoch.

    Irgendwie war das bei Elli schon immer so, dass sie so völlig ausrastete, wenn wir zusammen im Urlaub waren oder auf einem Festival. Oder wenn sie mich in Hamburg besuchen kam. Und sie es dann immer so darstellte, als wäre ich diejenige welche. Böse Sonia!

    Und auch dieses Mal war sie anscheinend wild entschlossen, die Sau rauszulassen. Was insofern erstaunlich war, als sie ja in einer festen Beziehung ist, wie wir alle drei übrigens, mehr oder weniger. Aber Elli eben mehr: Sie war schon seit fünf Jahren mit Michi ein Paar, und die beiden wohnten ja sogar zusammen. Und schon seit längerem war immer die Rede von Kind und von Heiraten und Hochzeitsglocken, vor allem in letzter Zeit. Aber Ellis Credo ist irgendwie schon immer gewesen: Urlaub is Urlaub, und da gelten andere Tabus.

    "Also mein planning für diese Ferien ist einfach ein bisschen Detox, sagte ich, ein bisschen Wellness, ein bisschen Strand."

    Boarr, langweilig!, rief Elli und stampfte mit dem Fuß auf.

    Bisschen Lesen. Schlafen. Gut essen.

    Oarr, Mann! Das sind Oma-Ferien, echt!, sagte Elli und stampfte gleich nochmal mit dem Fuß auf. Sie war ernsthaft enttäuscht.

    Ja. Herrlich. Superlangweilig, sagte ich grinsend. (Soni-Maus, ist dir auch schön langweilig? war dann die nächsten vier Wochen immer so die Standardfrage, wenn Ellen mich aufziehen wollte.) Aber vor allem will ich diesmal nicht wieder dieses übliche Chaos. Keine dämlichen Flirts, keine besoffenen Typen nachts im Apartment. Keinen Mount-Everest-Sex.

    Was ist Mount-Everest-Sex?, fragte Verena.

    "Wieso Mount Everest? Weil er da ist", sagten Elli und ich gleichzeitig.

    "Das ist so'n running gag zwischen Sonia und mir", sagte Ellen.

    Ah ja!

    Also Gag würd ich das nicht nennen, sagte ich.

    Jaja. Nur dass erfahrungsgemäß ja meistens du diejenige bist, die als erstes damit anfängt.

    Achso, jetzt ist alles meine Schuld. Ja, klar.

    Ja, genau. Du bringst immer all meine ganzen schlechten Angewohnheiten zum Vorschein, sagte Ellen lachend. So wie rauchen zum Beispiel. Ich rauch echt nur noch, wenn ich mit dir zusammen bin. Sonst nie.

    Lass mich da mal schön raus! Wenn du rauchen willst, rauch. Und wenn du in den Ferien rumpoppen willst wie eine Beknackte, kannst du das gerne tun. Nur ich kann da diesmal glaub ich gepflegt drauf verzichten.

    "Ich nicht! Ich muss das ganze Jahr schon immer verzichten. Aber jetzt – sind Ferien! C'est les vacances les filles!"

    "Worauf musst du denn verzichten?", fragte ich. Aber das war auch eher eine rhetorische Frage: Elli Feierdrachen reitet wieder.

    Ellen ging nach dem Abi damals zum Physikstudium nach Freiburg, während ich in Hamburg blieb. Und seit fünf Jahren lebt sie jetzt in Innsbruck. Dort hat sie promoviert, und dort hat sie auch ihren Freund kennengelernt, Michael. Trotzdem blieb unser Kontakt immer total eng, und bis heute besuchen wir uns immer noch ganz oft oder fahren zusammen in Urlaub.

    Verena ist auch Physikerin und arbeitet an dem gleichen Forschungsinstitut wie Ellen und ihr Freund. Sie kommt auch aus Deutschland, aus dem Hochschwarzwald, weshalb sie mit diesem wahnsinnig niedlichen Dialekt spricht, wenn sie denkt, sie spräche das reinste Hochdeutsch.

    D's kleine Vreni ist halt a richtigs Schwarzwaldmädle, meinte Ellen, wobei sie Verenas Akzent ziemlich perfekt nachmachte.

    Stimmt ja gar net!, sagte Verena lachend. Was du immer redst!

    Doch doch! Sie kommt nämlich so echt total vom Dorf, sagte Ellen grinsend. Aus Hinterzarten am Titisee.

    Wäwäwä!, machte Verena, so leicht angepisst.

    Das ist gleich um die Ecke von Sankt Blasien. Kein Witz!

    Ach, die Ellen tut mich immer aufziehen damit, sagte Verena und lachte mich strahlend an, während sie gleichzeitig versuchte, Elli zu hauen. Aber net, dass ich jetzt die ganzen Ferien hindurch für euch das Schwarzwaldmädle spielen muss. Da hätt ich nun absolut keinen Bock dazu. Und wenn, wär ich außerdem sowieso eher so der Waldbauernbub. Sie kniff Ellen in die kleine Speckrolle an der Hüfte.

    Touché, kommentierte Ellen trocken, und Verena gnickerte.

    Das blieb dann natürlich Verenas nickname für den Rest der Reise: Waldbauernbub. Selber schuld, würde ich sagen. Und es passte einfach auch zu gut: jung klein muskulös, rotzfrech – obwohl sie für einen Buben vielleicht ein klein wenig zu viel Busen hat.

    Ellens nickname auf der Reise war Mamma Ellen oder einfach la mamma, weil sie sich immer total fürsorglich um alles Organisatorische kümmerte und außerdem unsere gemeinsame Kasse verwaltete.

    Ich war il dottore, klar, schon weil ich für alle kleinen Wehwehchen zuständig war.

    Dottore Sonia isse die mit die bittere pille und mit die condomi, meinte Ellen immer, um mich ein bisschen aufzuziehen, weil ich ihnen angeblich ständig Vorträge halten würde über Safe Sex. Obwohl, Verena nannte mich meistens Kleine, dabei bin ich a) einen halben Kopf größer als sie und 2. die Älteste von uns dreien.

    Selbstverständlich hatten wir unsere Reise nicht bis ins Kleinste durchgeplant, aber ganz grob einen Masterplan gab's schon: Wir wollten nach Sizilien und dort dann herumcruisen, die Insel erkunden bis hinüber nach Palermo und auch das Binnenland. Liparische Inseln, wenn die Zeit es erlaubt. Außerdem Strandleben, baden, feiern, joggen, lesen. Lecker essen. Und shoppen natürlich, klar: Wir sind schließlich Mädchen (O-Ton Elli). Für die Rückfahrt wollten wir uns dann ein bisschen Zeit nehmen, ein paar Städte abklappern, Neapel, Rom, Florenz usw., aber die Hinfahrt runter nach Sizilien wollten wir in einem Rutsch machen.

    Und da'as, hatte Ellen am Vorabend unserer Abfahrt noch gemeint, wird ein richtiger Höllentrip. Ein 24-Stunden-Höllentrip!

    In Wirklichkeit war die Fahrt dann das absolute Gegenteil von Höllentrip: sehr sehr angenehm, vollkommen gechillt, fast ein wenig hypnotisch. Wie ein langer, schöner Trip. Wir hatten praktisch von Anbeginn eine superschöne Stimmung miteinander, total locker und fröhlich. Und Verena und ich hatten die ganze lange Autofahrt Zeit, um uns ein bisschen näher kennenzulernen und miteinander warm zu werden. Wir befanden uns ja noch in dieser allerersten Kennlern-Phase. Wo dann aber einfach ziemlich schnell klar war, dass es passt mit uns beiden.

    Die meiste Zeit quasselten wir äußerst angeregt über alles Mögliche. Manchmal auch ernsthaft, klar, aber meistens war es eben einfach nur superlustig, komplett gaga und laa lala. Wir machten jede Menge Quatsch. OK, beim Autogrill war ich die Einzige, die es lustig fand, aber über die Po-Ebene zum Beispiel konnten wir uns stundenlang amüsieren, wie die kleinen Kinder. Und manchmal wurde es dann auch ein bisschen versaut, klar, wir sind ja schließlich schon große Mädchen.

    "Hehehehe, gackerte Ellen, guckt mal, Mädels: der Laster. Der ist aus Poland. Sie konnte sich wirklich königlich darüber amüsieren. Der kommt bestimmt aus Hinterzarten, was ja bekanntlich die Hauptstadt von Poland ist", fügte sie grinsend hinzu und streckte Verena die Zunge raus.

    Wäwäwä!

    Unterwegs nach Hinterzarten! Aber wer weiß, vielleicht ist er ja auch auf dem Weg nach St. Blasien. Wie auch immer, ich fühl misch jedenfalls jetzt schon ganz popo-popolisch.

    Von wegen popo-popolisch, sagte ich grinsend. Du bist rollig wie eine Lernschwester. Verena musste so lachen, als sie das hörte, sie konnte sich kaum wieder einkriegen.

    Könnte sein. Könnte durchaus sein. Obwohl eigentlich vertrittst du ja die Medizinberufe hier. Jetzt bekam ich die Zunge gezeigt. Guck, da steht's sogar schon dran, fügte sie hinzu, als wir unter einer dieser Signaltafeln hindurchfuhren. "Per traffico intenso! Schätze, das bedeutet genau das, was ich denke, dass es bedeutet. Ist also genau unsere Richtung."

    "Da steht auch controllo elettronico della velocità. Schätze, das heißt: mach mal halblang auf Italienisch."

    Ach weißt du, lang oder halblang, ich bin da ganz offen, sagte Elli. Und wieder das reizende kleine dreckige Lachen.

    Unser Höllentrip verlief mehr oder weniger planmäßig, ohne größere Staus oder sonstige Probleme, so dass wir gegen Abend kurz vor Rom waren. Wir fuhren auf die Raststätte, für Pipi-Pause und um Don Vito vollzutanken.

    Jetzt sind wir schon so richtig im Süden, find ich, meinte Verena, als wir nach dem Tanken beim Wagen standen und rauchten. Die Vegetation undsoweiter und wie alles aussieht, das ist echt schon so Südeuropa, finde ich. Da konnte man ihr nur zustimmen. Bella Italia! Ellen hatte dann die glorreiche Idee, dass wir doch einfach zum Abendessen nach Rom hineinfahren könnten.

    Ich mein, wir kommen doch so oder so erst morgen früh auf Sizilien an, sagte sie. Und dann doch lieber so, oder?

    Und dagegen ließ sich ja nun wirklich nichts einwenden. Also gesagt getan, fuhren wir nach Rom und in einen phantastischen Sonnenuntergang hinein und verbrachten unseren ersten Abend in der Ewigen Stadt. Wir fanden ein schickes kleines Restaurant, das auch Pizza anbot, und wo wir auf einer Terrasse unter Platanen draußen sitzen konnten. Das Lokal war halb leer, genau wie die Stadt. Offenbar waren viele Einheimische schon in den Ferien.

    Die sind bestimmt alle auf Sizilien, meinte Ellen. Könnte doch sein.

    Es war jedenfalls eine tolle Atmosphäre, beinahe ruhig und friedlich, wenn man bedenkt, dass wir ja mitten im Zentrum waren, fast so, als könnten wir der großen Stadt beim Atmen zuhören.

    Beim Essen sprachen wir noch ein bisschen weiter über unsere gemeinsame Reise und unsere jeweiligen Vorstellungen. Ich wollte Strand, ein bisschen Spaß und im Übrigen Oma-Ferien. Verena wollte auch an den Strand, sie musste aber auch ein bisschen was arbeiten, weil sie einen Aufsatz fertigschreiben wollte, den sie für eine Fachzeitschrift vorbereitete.

    Außerdem will ich alle Caravaggios sehen. Und in die Oper will ich auch.

    Schätze, wir haben da also weitgehend Konsens, was das Unterhaltungsprogramm anbetrifft, oder?, sagte Ellen. "Die vier großen S: Sonne, Strand, Shoppen und – bunga bunga!" Die beiden letzten Worte sang sie förmlich und wackelte dabei mit dem Hintern.

    O menno, sagte ich lachend, ich wusste es!

    Ach komm! Sei ein Schatz, Darling, flehte Ellen und flatterte mit den Augenlidern. Nur einen ganz klitze-klitzekleinen Urlaubsflirt für misch. Mit dieser Babe-goes-Vamp-Nummer konnte sie mich schon immer zum Lachen bringen.

    Ach mach doch, was du willst, Hasi! Nur bitte nicht wieder solche Dramen wie auf Lesbos.

    Was war Lesbos?, fragte Verena mit unverhohlener Neugier.

    "Mhmmm, Lesbos war legendär", sagte Ellen schwärmerisch und schloss für einige Sekunden die Augen im Gedanken an unseren letzten gemeinsamen Urlaub vor vier Jahren.

    Was war Lesbos?, wiederholte Verena und sah mich fragend an. Lesbisch?

    Nichts. Nichts-nichts, sagte ich lachend und legte die Hand über die Augen. Lesbos war gar nichts. Ich will nur noch vergessen.

    "Hehehehehe, kicherte Ellen. Sag isch legendär, mein isch legendär. Dat Land der Grieschen mit der Möse suchen." Und in wenigen anschaulichen Zügen gab sie Verena einen kurzen Abriss über unsere Reise auf die griechischen Inseln.

    "Oooh, es war echt so geil! Irgendwie haben wir die ganze Zeit nur mit Wölfen jongliert. Du vor allem, ma chère, wenn ich dich daran erinnern darf. Und waren ansonsten dauer-stoned. Und wahrscheinlich wären wir da völlig versackt, wenn uns die Vermieterin nicht am Ende rausgeschmissen hätte."

    Na, da kann ich mich ja auf was gefasst machen, sagte Verena und zog die Nase kraus.

    Okay, sagte ich. "Lesbos war extrem. Aber es war nicht so extrem."

    "Aber ziemlich extrem, sagte Ellen. Weißt du noch Jannis? Jannis Galanakis? Der Mann mit den goldenen Fingern, hab ich immer gesagt. Wo ich dachte, das wäre so eine Art Lustzauber-Balsam, womit er mich da einschmiert, während er mich die ganze Zeit auf Griechisch zusäuselte. Dabei war es nur ganz ordinäres Olivenöl."

    Kannst du Griechisch?, fragte Verena.

    Nah, naturlich nichtoss!

    Und wie habt ihr euch verständigt?

    Hehehe, das war mehr so – intuitiv. Er sprach Griechisch und liebte Französisch. Besser wie umgekehrt, würd ich sagen. Elli lachte. Dann trommelte sie mit beiden Händen auf den Tisch und stand auf. So, nun aber genug der heiteren Reminiszenzen. Ich geh jetzt noch mal schnell Lulu machen und dann können wir, oder?

    Ellen ging zur Toilette, und Verena rückte ihren Stuhl näher zu mir heran.

    Jetzt sag einmal: Ist das alles nur Gered oder meint sie das ernst?, fragte sie.

    Was denkst du?

    Ich weiß net. Sag du's mir, du kennst sie schon länger.

    Sie meint das todernst. Ellen findet, im Urlaub wäre alles erlaubt.

    Naja, irgendwie stimmt es ja auch, sagte Verena und grinste verschmitzt.

    Und das war schon immer so bei ihr. Urlaub mit Ellen ist immer so ein bisschen wie Kegelclub: oberwitzig, aber auch oberpeinlich manchmal, ungefähr so peinlich wie Springbreak in Lloret de Mar.

    Oder Lesbos extrem, sagte Verena.

    Oder Lesbos extrem. Und wir mussten beide von Herzen lachen. Dann kam Elli vom Klo zurück.

    "What's up, Mädels?"

    Wir reden gerade über dich, sagte Verena.

    Nur Gutes, hoff ich.

    Naja, wir diskutieren deinen sexualrevolutionären Weltaufstandsplan.

    Hehehe! Meinen Welturlaubsplan meinst du, sagte Ellen. Ich kann nix dafür. Bin isch Triebnatur, weissu?

    Jaja, von wegen, Triebnatur. Oversexed bist du.

    "Hehehe! Ja, genau. Oversexed and underfucked. Und vor allem underfucked. Ich bin so underfucked, in Wirklichkeit müsste die Krankenkasse meinen Urlaub bezahlen."

    Na denn: Lasset die Spiele beginnen!, sagte ich.

    "Jo! Panem et circenses, würd ich sagen."

    Wir mussten die ganze Zeit so lachen, als wir zum Auto zurückgingen, dass uns fast die Tränen herunterliefen.

    Die Nachtfahrt von Rom nach Reggio di Calabria war dann die zweite Hälfte unseres Höllentrips. Zuerst waren wir noch total aufgekratzt und unterhielten uns über dies und das. Um die Fahrerin wachzuhalten, klar, aber es gab auch so unendlich viel zu erzählen. Und insbesondere Verena und ich hatten natürlich auch Bock darauf, uns gegenseitig so ein bisschen auszufragen. Später hielten wir uns mit Singen und Ratespielen bei Laune, diese Art Spiele, die wir schon gespielt hatten, als wir zusammen Ferien auf dem Ponyhof gemacht haben, nachts im Bett. Wir grölten das Biene-Maja-Lied und natürlich immer wieder Pippi Langstrumpf, Ellis Version: Hej, Pippi Langstrumpf, ich mach, was mir gefällt.

    Als ich wieder dran war mit Fahren, war es dann schon tierisch spät. Ellen lag auf dem Rücksitz und schlief. Verena gab sich noch eine Zeit lang redlich Mühe, mich zu unterhalten, aber schlief dann auch ein. Ich kam mir vor wie in einem Roadmovie: allein durch die Nacht brausen, warm und südlich, das Autoradio dudelt leise italienische Schnulzenmusik. Der neue Kitsch! Und wahrscheinlich hörte ich da dann auch zum ersten Mal Cercavo Amore, das in Italien gerade der absolute Top-Hit war und stets und ständig und überall lief, und das dann sowas wie unsere Hymne werden sollte. Aber das konnte ich da natürlich noch nicht wissen.

    Montag 16. Juli 2012

    Auch ich in Arkadien! Benvenuti a Sicilia! Gestern morgen in Innsbruck bei Regen losgefahren, und keine 24 Stunden später sind wir schon da! Die Fahrt war lang, aber sehr nett.

    Elli dreht schon wieder ein bisschen am Rad (oversexed + underfucked) Aber was soll's, wenn sie unbedingt will. Sind schließlich Ferien. Und auch ich bin bereit, alles von mir abfallen zu lassen

    Kaum waren wir in Messina von der Fähre runter, nahmen wir erstmal einen Cappuccino und futterten die A-Klasse-Sandwiches, die Ellen uns besorgt hatte.

    Hehehe, ich sorge für euch wie eine Mutter, sagte sie, und Verena meinte: Mamma Ellen! und prägte damit Ellis nickname für den Rest unserer Reise.

    Verena hatte sich aus ihrem schwarzen Schnuffelanzug aus Nicki-Stoff geschält, den sie auf der Fahrt getragen hatte, und zeigte der dankbaren Welt ihre schlanken braunen Beine.

    O, wie's scheint, haben Madame schon etwas vorgearbeitet, meinte Ellen und tätschelte Verenas Oberschenkel, worauf die nur trocken meinte: "Bräunungscreme. Gives you a

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