Das reale Leben der Helden: Wie Bücherhelden in unseren Alltag eindringen
Von Grad Lord
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Über dieses E-Book
Grad lässt sich in den Bann des Mystikers ziehen und arbeitet an sich selbst und seiner Vorstellung der Welt. Dabei begegnen ihm Motive und Figuren aus Werken, die er in seiner Kindheit und Jugend gelesen hat.
Grad ist angestachelt und begibt sich nun auch selbst auf die Reise der Mystik, um sein Seelenheil zu finden. Immer dabei sind die Motive, die er im Leben gelesen oder gesehen hat. Die Frage nach dem richtigen Lebensweg, nach Wiedergeburt und Paralleluniversen begleitet ihn. Auf der Suche nach seiner Familie und seinen Geschwistern findet er das wahre Glück, nur um dann alles zu verlieren.
Von den Motiven der Bücher lässt er jedoch nicht ab...
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Buchvorschau
Das reale Leben der Helden - Grad Lord
Kapitel 1: Von Zauberei & Vornamen
Aus unerklärlichen Gründen wurde ich nicht nach China beordert, sondern mit meinem Chef zusammen von einem Tag auf den anderen entlassen. Die Strategie des Unternehmens hatte sich geändert. Da wir doch einigen anderen Managern ein Dorn im Auge waren, standen wir beide auf der Straße. Leider hatte ich, aus Vorsichtigkeit, meinen Arbeitsvertrag so ändern lassen, dass es eine zweimonatige Kündigungsfrist gab. Während mein Chef mit Geld überhäuft wurde, wurde ich mit einer einfachen Kündigung und ohne Handschlag hinausbefördert.
Interessanterweise zog sich der Kampf ums Geld durch mein gesamtes Leben. Bereits meine Eltern und Großeltern hatte immer Sorge davor, Geld zu verlieren. Auch ich war immer mit Geld in Konflikt: Ich hatte Probleme, Überweisungen zu tätigen, da es mir immer weh tat, Geld abzugeben. Das Elternhaus hatte mich geprägt. Dann fing ich auch noch nach dem Studium im Ausland an, zu arbeiten. Dort, wo man ungefähr 25% von dem verdienen kann, was ein abgeschlossenes Studium in Deutschland in diesem Bereich einbringt. Ich erinnere mich daran, als ich meinen Bruder darum bat, mir etwas zum Flughafen zu bringen, das ich bei Ebay ersteigert hatte. Mein Bruder, Studienabbrecher der sozialen Arbeit, lehnte dankend ab, als ich ihm die Bahnfahrkarte zum Flughafen bezahlen wollte. Seine Worte waren: „Lass stecken! Ich verdien‘ eh mehr als du." Für einen Mann wie mich, mit 35 Untergebenen, war das schon ein heftiger Schlag ins Gesicht.
Im Nachhinein betrachtet scheint es doch so zu sein, dass der Kampf ums Geld mein Leben geprägt hat. Überall musste ich mich abstrampeln, bin über meine Schmerzgrenze auch oft hinausgegangen, habe mich vor allem psychisch zu einem gewissen Teil verschlissen. Dies war als Investition für eine bessere Zukunft gedacht: Ware (bzw. Zeit) gegen Geld und Stress.
Nachdem meine Frau und ich aus Hongkong zurück gezogen waren, trafen wir uns mit einer Bekannten von mir. Sie war meine frühere Arbeitskollegin, Zuza, und wir kannten uns gut. Aber wir hatten schon längere Zeit nichts mehr von einander gehört: Sie wurde gegangen und kam bei der Konkurrenz unter, ich war in diese Zeit in verschiedensten Ländern Asiens unterwegs.
Es war mein erster Job und wir saßen zusammen im Büro. Sie war genau der Mensch, den ich mochte: verrückt, laut, einfach ein klasse Typ. Sie war zwar nicht immer einfach und gerne auch berühmt und berüchtigt, da sie so gar nicht die Eigenschaften einer Dame verkörperte. Trotzdem konnte sie gut mit Kunden umgehen und auch im Unternehmen war sie angesehen.
Was noch an ihr auffällig war, war ihre trockene Haut, die sie vor allem im Gesicht und an den Händen hatte. Es schien jedoch, dass ihre Haut und deren Trockenheit sehr starken und spontanen Schwankungen unterlag. Während sie an einem Tag aussah wie meine Schwester, die als Kind stark unter Neurodermitis litt, sah sie am nächsten Tag wieder ganz normal aus.
Schon damals hatte sie mir erzählt, dass sie ihre Ekzeme und sonstigen Hautkrankheiten davon hätte, im früheren Leben als Hexe verbrannt worden zu sein. Die alten Brandwunden kamen wieder auf. Ich hielt wenig bis garnichts von solchen Dingen, aber jede darf ja glauben, was sie will.
Zuza und meine Frau hatten sich bei der Schwangerschaftsgymnastik wieder getroffen. Jetzt saß sie vor mir mit ihrem Mann. Er war mir neu. Den Ex-Freund hatte ich noch getroffen, bevor ich nach Asien gezogen war. Wie ich wusste, hatten die beiden damals Probleme mit der Familienplanung gehabt. Es wollte einfach nicht funktionieren, soviel die beiden sich auch um ein Kind bemühten. Dies belastete ihre Beziehung stark.
Ohne dass ich überhaupt eine Frage stellen musste, begann Zuza auf ihren runden Schwangerschaftsbauch zu schauen und ihn zu streicheln. Eine Erklärung hatte sie auch parat: „Nur durch ihn bin ich schwanger. Mit einem Anderen wäre das nicht gegangen."
Nachdem wir zu viert, zwei schwangere Frauen mit zwei werdenden Vätern, am Küchentisch platz genommen hatten, begann Zuza zu erzählen. Sie erzählte, wie die Beziehung mit ihrem Ex in die Brüche gegangen war und wie es dazu kam, dass sie gleich darauf mit dem über zwanzig Jahre älteren Vlad zusammen kam. Er war zu diesem Zeitpunkt noch verheiratet, hatte eine Frau und eine erwachsene Tochter.
Sie erzählte, dass sie Vlad während eines mystischen Treffens kennengelernt hatte. Bei einem dieser Treffen hatte es zwischen den beiden gefunkt, und das wohl so heftig, dass beide ihr bisheriges Leben über den Haufen geschmissen hatten. Nach nur zwei Wochen war Zuza schwanger. Wie sie sagt: „Er hat gezaubert, um alle Geister zu vertreiben. So wie jetzt auch."
Erst jetzt bemerkte ich, dass ihr Mann seine Augen geschlossen hatte. Das Gesicht als Grimasse stark verzogen schnaufte er und schob irgendwelche eigenartigen Dinge durch die Gegend. Als wenn er irgendetwas zu Boden drücken würde. Ok, jeder hat seine Macke.
Desweiteren war Vlad zwar zwanzig Jahre älter und ging stolz Richtung Rentenalter, trotzdem sah er fast schon jünger aus als seine schwangere Frau. Er hatte eine Haut wie ein Baby, bei dem fast 60-jährigen waren fast keine Falten auf seinem Gesicht zu erkennen. Vlad hatte das Alter meiner Eltern, trotzdem sah er viel jünger aus. Einzig die Haare seien gefärbt, erzählte uns Zuza.
Im Laufe des Abends kamen wir auf meinen zweiten Vornamen zu sprechen. Ich hatte ihn von meinem Taufpaten bekommen, den ich im Leben genau dreimal gesehen hatte. Wie ich erfahren musste, bestand keinerlei Interesse an mir (wiederum eine Sache, die mich in meinem Leben lange begleitete). Da ich nach alter Tradition römisch-katholisch getauft und erzogen bin, war mir bekannt, was ein Taufpate eigentlich für eine Funktion haben sollte. Ein Taufpate sollte die elterliche Funktion übernehmen, sofern den Eltern etwas passiert. Dieser Brauch ging weit zurück und wurde im Mittelalter sicherlich oft benötigt. Mein Taufpate sah das dann wohl genauso.
Verwunderlich ist für mich bis heute die Tatsache, dass ich genau dreimal in meinem Leben mit meinem zweiten Vornamen konfrontiert war: das erste Mal im bei der Ausschreibung meiner Taufe. Der Pfarrer hatte sich den Namen so so undeutlich aufgeschrieben, dass er mich danach gleich zweimal taufen musste – einmal falsch als Grad Javar, einmal richtig als Grad Javier. Das zweite Mal kam ich mit meinem zweiten Vornamen beim Einschreiben an einer deutschen Universität in Berührung. Die Dame aus dem Studentenbüro erzählte mir, dass sie mich nicht einschreiben könnte, da der Studienplatz auf einen Grad Javier Lord. Nachdem ich versucht hatte, ihr zu erklären, dass ich dies ja sei, zeigte ich ihr meinen Personalausweis. Die Dame holte zum Gegenangriff aus und zeigt mir mein Abiturzeugnis mit dem Namen Grad Lord. Ich musste also erst mein Abiturzeugnis ändern lassen – Dank der deutschen Demokratie.
Zum dritten Mal passierte es bei meiner Hochzeit. Diesmal auf einem Standesamt in Osteuropa. Ich gehe davon aus, dass der Standesbeamte ein Basketballfan gewesen sein musste. Es gibt für mich keine andere Erklärung, warum man meinen Namen sonst als Grad Jabber Lord lesen konnte. Nur zur Info: Kareem Abdul-Jabber war in den 70er und 80er Jahren der Basketballspieler, der in der Nordamerikanischen Profiliga die meisten Punkte erzielt hatte. Dieser Rekord ist bis heute gültig.
Ich hatte bereits öfter darüber nachgedacht, den Namen streichen zu lassen. Allerdings hatte ich es bis dato nicht getan. Es gab immer wichtigere Dinge in den Momenten, in denen für so etwas Zeit gewesen wäre. Ich denke, viele Menschen kennen das.
Dann kam die Frage von Vlad: „Willst du damit etwas machen?"
„Du meinst, den Namen ändern."
„Nein, ob du das schlechte Gefühl loswerden willst."
„Liebend gern."
Danach fing Vlad wieder an, Luft auf den Boden zu drücken und unsichtbare Wände zu verschieben. Nach ein paar Minuten fragte er mich, wie ich mich jetzt fühlen würde, wenn ich an meinen zweiten Vornamen dachte. Meine Antwort: „Ist doch irgendwie egal"