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Aus der Mitte der Dunkelheit
Aus der Mitte der Dunkelheit
Aus der Mitte der Dunkelheit
eBook166 Seiten2 Stunden

Aus der Mitte der Dunkelheit

Von epubli

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Über dieses E-Book

Mara Dissen nimmt Sie mit auf einen Streifzug durch die dunklen Seiten der menschlichen Seelen...

Schulleiterin Kello ist machtbesessen und erfolgsverwöhnt. Getrieben von der Alkohol-und Spielsucht ihres Mannes plant sie Raub und Betrug, um überleben zu können. Skrupellos benutzt sie den Schüler Jan, einen brutalen Schläger, für ihren Plan, nicht ahnend, dass sie auf Schritt und Tritt beobachtet wird.

Kaltblütig agierende Menschen treffen aufeinander und schrecken vor keiner Grausamkeit zurück. Brutal stürzt Kello unaufhaltsam in die Abgründe der Gesellschaft, doch die wahren vernichtenden Katastrophen stehen allen erst noch bevor...
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum17. März 2014
ISBN9783844289053
Aus der Mitte der Dunkelheit

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    Buchvorschau

    Aus der Mitte der Dunkelheit - epubli

    KAPITEL 1

    «Besuch für Sie.»

    Keine unangenehme Stimme, nicht kalt, nicht herrisch, keine Emotionen. Sie erreicht mich nicht.

    Sechs Quadratmeter Wohnfläche: Klo in der linken hinteren Ecke, das Waschbecken in scheinbar gebührendem Abstand von ca. 20 cm daneben. Ich soll mir also nach der Entleerung die Hände waschen. Es ist schon komisch, dass man beim Bau meiner Einzimmerwohnung auf solche Feinheiten geachtet hat. Viele meiner Nachbarn haben diese Form von Hygiene nie eingehalten. Ich seit Jahren nicht mehr.

    Ich schaue mich in meiner Wohnung um und registriere voller Selbstzufriedenheit eine gewisse persönliche Note. Ein Regal mit Büchern und exotischen Reiseandenken. Bilder, die ich gemalt und mit Tesafilm an der Wand befestigt habe. Sie sind grauenvoll. Ich kann nicht malen, aber ich liebe meine Bilder.

    Über all die Jahre habe ich mir eine wunderschöne Angewohnheit aus meinem ersten Leben bewahrt. Einmal pro Woche lasse ich mir ein kleines Blumensträußchen schicken. Mein Blick bleibt an den Anemonen hängen. Sie stecken in einer Vase aus wasserdichtem Gummi und zieren meinen kleinen quadratischen Holztisch. Nein, mehr noch; sie strahlen Wärme in meine ganze Wohnung aus und lassen die Schlichtheit meines Bettes, meines Schrankes, ja sogar die schwere Eisentür vergessen.

    Selbst wenn man mich ließe, hier möchte ich keinen Besuch empfangen. Hier ist meine Welt, hier ist mein Leben. Es hat lange, viel zu lange gedauert, meine Wohnung als mein Eigentum anzunehmen. Jetzt möchte ich sie mit niemandem mehr teilen.

    «Kommen Sie, Frau Kello.»

    Die Stimme meiner Lieblingswärterin reißt mich aus meinen Gedanken. ‹Lieblings›–Wärterin. Sie ist wohl doch kein emotionsloses Wesen. Sie hat sich mir zum Liebling gemacht. Wir leben beide noch.

    «Wer ist es denn?», frage ich mit einer Stimme, die vom vielen Schweigen seltsam rau klingt und mich erschreckt.

    «Es ist nicht ihr Mann», stößt sie mit einem heiseren Lachen hervor. «Ihr Besucher ist nüchtern.»

    Das steht ihr nicht zu. Ich sollte sie maßregeln, darin war ich mal gut. Hier interessiert das niemanden.

    «Sie kriegen ja nicht viel Besuch. Na ja, haben aber immer noch mehr Zulauf als der eine oder andere unserer ‹Gäste›», plappert sie vor sich hin.

    «So einen hatten wir aber noch nicht», sinniert meine Lieblingswärterin Simone. «Er hat was und ist doch gruselig kaputt.»

    Mein Interesse ist geweckt. Ich wundere mich, dass ich zu solchen Empfindungen noch in der Lage bin. Freue mich, erschrecke mich, will es von mir drängen, frage: «Hat er seinen Namen gesagt?»

    «Nun kommen Sie, reden Sie mit ihm oder lassen Sie es bleiben, auch hier gibt es Freiheiten. Wollen Sie nun oder wollen Sie nicht?»

    Ich betrete den Besucherraum und pralle zurück. Ich möchte schreien «bringen sie mich in meine Wohnung», bekomme jedoch keinen Laut hervor, glaube zu ersticken.

    Er sitzt da, der gleiche mir ins Gedächtnis eingebrannte Blick: Abweisende Arroganz, Unnahbarkeit und hinter allem eine Spur von gefährlicher Feigheit. Ich möchte auf ihn einschlagen. Meine Hände ballen sich zu Fäusten. Ich nehme die Alarmbereitschaft meiner Wärterin wahr, lasse meine Hände sinken.

    Sein Oberkörper ist steil aufgerichtet, soll Tatkraft und Willensstärke ausdrücken.

    Der Rollstuhl steht ihm nicht.

    «Warum sitzen Sie im Rollstuhl?», presse ich fiebernd hervor. Warum habe ich nicht gefragt Was wollen sie hier? Habe ihn nicht angeschrien, verschwinden sie, auf Rollen oder auf eigenen Beinen.

    Sein Blick verändert sich. Meine Frage hat ihn getroffen. Schwäche zeigen war ihm schon immer verhasst.

    Nach endlos schmerzendem Schweigen beantwortet er meine nicht gestellte Frage.

    «Ich möchte Ihnen die Wahrheit der Ereignisse aufzeigen.»

    «Ihre gefühlte Wahrheit ist nicht meine gelebte», zische ich ihn an.

    Jetzt endlich kommt der Satz: «Verschwinden Sie», brülle ich.

    Meine Lieblingswärterin hebt die Augenbrauen.

    «Ich werde wiederkommen, oft wiederkommen. Wie sind hier die Besuchsregeln? Gibt es eine zeitliche Begrenzung?», fragt er ohne auf mein Hausverbot einzugehen.

    Warum klärt sie ihn so ausführlich auf? Warum nimmt sie nicht wahr, dass ich diesen Menschen nie wieder empfangen möchte.

    «Um Ihr Interesse zu wecken, habe ich ein paar Gedanken festgehalten. Lesen Sie! Ich bin morgen wieder hier.»

    Wie bin ich in meine Wohnung zurückgekommen? Die eng beschriebenen Seiten liegen zerrissen vor meinem Bett. Warum habe ich sie überhaupt mitgenommen? Einzelne Wortfetzen starren mich an. Tu es nicht, sagt meine innere Stimme, bin hypnotisiert von einem Namen, der längst ausgelöscht ist, durch mich. Er sollte mich nicht mehr verfolgen und tut es doch immer wieder. Wieso ist ausgerechnet dieser Name von meiner Zerstörungswut verschont geblieben?

    Langsam beginne ich die einzelnen Fragmente wieder zusammenzusetzen.

    Mit jedem Wort wird mir schmerzhaft bewusst, dass ich mich meinem Besucher nicht entziehen kann, ja, dass ich seinem Besuch sogar entgegenfiebere. Ich werde mich auf seine Version der Geschehnisse einlassen, ohne mich ihr anzuschließen, schließlich war er, mein Kollege Wolter, einer der Hauptbeteiligten.

    Nach einer qualvoll langen Nacht schleppe ich mich in die Druckerei, meinem Arbeitsplatz und verrichte die gleichen stereotypen Arbeiten wie jeden Tag. Ich will es nicht anders, habe geistig anspruchsvollere Tätigkeiten abgelehnt ebenso wie Formen der Weiterbildung. Ich habe Bildung genossen, weitere Bildung bringt mir für meine Zukunft hier an diesem Ort nichts ein.

    Das Mittagessen schmeckt mir heute nicht. Scheinbar bin ich aber die einzige deren Geschmacksnerven auf Abschalten gestellt sind. Meine Tischnachbarn schaufeln in sich hinein, die üblichen lauten Gespräche sind verstummt. Ich fiebere dem Besuch von Wolter entgegen. Das Gefühl macht mich wütend, möchte es wegdrücken, kann es nicht.

    Plötzlich steht meine Lieblingswärterin vor mir: «Haben Sie keinen Hunger? Sie haben ja kaum was gegessen; schmeckt doch lecker, Frau Kello», spricht sie mich fast fürsorglich an.

    «Das hat der Rollstuhltyp, Wolter, Walter oder wie auch immer der heißt für Sie abgegeben.

    Sie sollen es lesen. Er will in zehn Tagen wiederkommen. Komischer Kauz.» Meine Wärterin schüttelt den Kopf und legt mir eine provisorisch zusammengeheftete Mappe mit eng beschriebenen Seiten auf den Tisch.

    Ich schiebe meinen Teller zur Seite, starre lange auf die Mappe. Nehme sie wie in Trance, halte sie mit gespreizten Fingern weit von meinem Körper entfernt und schleppe mich in meine Wohnung.

    Erschöpft schmeiße ich mich auf mein Bett. Es stört mich, dass die Eisentür nicht verschlossen ist, um diese Zeit nicht verschlossen sein darf.

    Ich kralle mich in meinem Kopfkissen fest, versuche mich zu wehren und taste doch langsam die Ränder meines Tisches ab, bis ich die Mappe erfühlen kann. Langsam fange ich an zu lesen und bin schockiert, wie schnell mich bereits die ersten Sätze in die Vergangenheit katapultieren.

    KAPITEL 2

    «Sie ist da.»

    «Wer?», fragte Herr Schiesser, scheinbar eher gelangweilt als interessiert. An Spekulationen, Intrigen, Grüppchenbildungen, die nur dem jeweiligen inneren Kreis etwas zu bieten hatten, nahm er nie teil. Man täuschte sich jedoch, wenn man annahm, dass er die jeweiligen Strömungen nicht genau wahrnahm. Auf ihn war Verlass. In schwierigen Situationen blieb er ruhig, auch wenn man ihm ansah, dass auch er mit zunehmendem Alter an seine Grenzen stieß.

    «Na, unsere neue Chefin, Frau Kello», flüsterte Frau Retlaw. Aufgeregt fistelte sie an ihrem Rocksaum herum, ein Rock, den sie selbst genäht hatte, der aber bei ihren Schülern, wie auch ihre gesamte Art sich zu kleiden, nicht ankam. Hektische rote Flecken breiteten sich vom Hals über ihr Gesicht aus.

    «Sie sollten sich bei Veränderungen nicht immer gleich so aufregen, überhaupt sollten sie alles viel gelassener sehen. Ein paar Jahre wollen oder müssen Sie doch noch durchhalten», sprach Frau Ehlers beruhigend auf sie ein. Sie unterschied sich nicht nur durch ihre besonnene Art von Frau Retlaw, sondern hatte sich bei Schülern mit ihrer Frische und pragmatischen Art Sympathien erworben.

    «Für mich ist die nicht neu. Kenne die schon vom Studium her. Viel Spaß kann ich nur sagen», murmelte Wolter und gab sich keine Mühe, seine grenzenlose Abneigung gegen Menschen zu verbergen. Gut gekleidet, heute mal nicht overdresst, saß er kerzengrade auf seinem Stuhl, den er immer einnahm. Kein anderer wagte darauf Platz zu nehmen. Seine Arme, sein Nacken ließen erahnen wie er seinen Körper zu Höchstleistungen angetrieben hatte. Die Verfallserscheinungen waren jedoch nicht zu übersehen.

    «Die ist cool», gluckste Selina aus Klasse 8 in der Pausenhalle pubertär hervor.

    «Na, wenigstens nicht so’n alter Knacker», war der einzige Kommentar von Jan.

    Frau Kello war aufgeregt, sehr aufgeregt. Sie hatte sich auf ihren ersten Tag als Schulleiterin nicht wirklich vorbereitet. Wie sollte sie auch. Sie hatte keine Ahnung, was sie erwartete. Sie wollte heute nur nett sein. Machtansprüche würde sie später stellen.

    Auch alle anderen wollten nur nett sein. Wäre Frau Kello nicht so aufgeregt gewesen, wären ihr schon an diesem Tag die kleinen Unterschiede zwischen nett sein und nett sein wollen in ihrem neuen Umfeld aufgefallen.

    Sie beendete den aufregenden Tag mit dem Gefühl, zukünftig mit einem kompetenten Kollegium und Dezernenten die schulpolitische Landschaft gestalten zu können.

    Alles andere was sie beabsichtigte, würde sich zeigen und brauchte Zeit. Es gelang ihr, die Beklemmung, die sich schwer um ihre Brust legte, zu ignorieren.

    Der Alltag nahm brutal von Frau Kello Besitz.

    «Kannst du nicht mal früher nach Hause kommen? Es geht mir auf die Nerven, stundenlang deine Mutter um mich herum wuseln zu sehen. Vielleicht fällt dir hin und wieder mal ein, dass du eine kleine Tochter hast», brüllte Herr Kello.

    «Vielleicht fällt dir hin und wieder ein, dass du Vater bist. Dann müsstest du meine Mutter nicht ertragen», schrie Frau Kello zurück. «Und noch etwas, hättest du ein bisschen mehr Format, würde es mich nach Hause ziehen. Stattdessen muss ich mir intelligente Gesprächspartner außerhalb dieser vier Wände suchen.»

    Die zehnjährige Tochter klammerte sich am Arm der Mutter fest. Es war nicht auszumachen, ob sie die Wucht dieses Satzes verstanden hatte, den Streit aber sehr wohl.

    Frau Kello machte gute Arbeit, sehr gute sogar.

    Innerhalb kürzester Zeit hatte sie sich die Anerkennung der Kollegen erkämpft. Sie vertrauten ihrem Drang zum selbstauferlegten Perfektionismus. Er verlieh ihnen persönlich Sicherheit, denn er ließ nicht zu, dass Kollegen mit unerwarteten Problemen konfrontiert wurden.

    Sie hatte sich stets unter Kontrolle. Ihre sportliche, schlanke Figur gab ihr die Kraft, auch in außergewöhnlichen Situationen Haltung zu bewahren. Nur selten wurde ihre Stimme laut. In solchen Fällen war man jedoch fest davon überzeugt, dass sie die richtige Tonlage der jeweiligen Situation angepasst hatte. Frau Kello verstand es, sich den Anlässen entsprechend von sportlich bis elegant zu kleiden. Dafür wurde sie von vielen ihrer Schülerinnen geliebt, aber auch dem Kollegium gefiel dieser selbstsichere Stil, denn man sprach sehr schnell in anderen Schulen, Institutionen, Ämtern, ja auch in der Presse von der neuen Chefin, was der Schule positive Aufmerksamkeit einbrachte.

    Frau Kello war machtbesessen. Dessen war sie sich voll bewusst und sie war bereit, jedes Mittel einzusetzen, um ihre Machtposition weiter zu festigen und auszubauen. Man sollte ihr voll vertrauen, musste ihr voll vertrauen, um ihren gut durchdachten Plan umsetzen zu können. Sie war

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