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2041 St.Winterzürich
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eBook259 Seiten3 Stunden

2041 St.Winterzürich

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Über dieses E-Book

St.Gallen, Winterthur und Zürich im Jahr 2041: Die Schweizer Megastadt St.Winterzürich! Daniel, ein einfacher Mitarbeiter der Stadtverwaltung erwacht nach einem Traum, der viel mehr ist, als er vermuten kann. Abgelenkt durch die Verlockungen des modernen Alltags, ignoriert er alle Zeichen und arbeitet bloss noch auf seinen Traumjob bei Moonaspace hin. Die Firma bietet Mondflüge an und plant den Ausbau der Mondsiedlung, um mehr Lebensraum für die Menschen zu schaffen. Durch die Liebe gerät er an die Basol-Familie, denen unter anderem auch Moonaspace gehört. Das Leben scheint perfekt, doch die Basol-Familie hat Geheimnisse. Fast zu spät erkennt er, dass er selbst eine wesentliche Rolle in einem Konstrukt von Lügen spielt. Ein Konstrukt, geschaffen von einer Familie, deren Macht weder ihr Weltkonzern, noch das immense Vermögen begründet.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum31. März 2014
ISBN9783847657422
2041 St.Winterzürich

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    Buchvorschau

    2041 St.Winterzürich - M.L. Hagmann

    Kapitel 1 - 2041: Kein Internet, was für ein Alptraum

    Nach einem anstrengenden Arbeitstag legte sich Daniel Pelican in sein Bett. Sein m-pate, eine Art Smartphone, erkannte die Situation und sagte: „Möchtest du vor dem Schlafengehen auch heute die Abendnachrichten anschauen?"

    Daniel antwortete: „Warum nicht."

    Während Daniel das m-pate von der Halterung an seinem linken Unterarm löste und es auf den Nachttisch legte, lief bereits die Sendung.

    Die Nachrichtensprecherin berichtete: „Erneut ist es am Rande von St.Winterzürich zu einem Anschlag auf einen Move-Zeppelin gekommen, bei dem mindestens zehn Menschen ihr Leben liessen und Waren im Wert von mehreren Millionen Franken zerstört wurden. Der Zeppelin des weltgrössten Versorgungsunternehmens geriet aus noch ungeklärten Gründen von seinem Kurs ab und flog über den Luftraum des Insics-Quartiers im Osten der Stadt, wo er abgeschossen wurde. Die Antiterroreinheit der Stadt warnte erst gestern wieder vor dieser konservativen, extremistischen Gruppe und liess verkünden, dass man intensiv an einer Lösung des Problems arbeite."

    Betrübt über die Nachrichten reduzierte Daniel die Lautstärke. Spätestens beim nächsten Werbeblock waren seine hellbraunen Augen seit mehr als zehn Minuten geschlossen, weshalb das m-pate die Nachrichten ausschaltete. Daniel schlief ein und träumte.

    Ich stehe an der Reling, auf der Dachterrasse eines Zeppelins und schaue nach unten auf den riesigen Gastank. Vor uns schweben noch weitere Zeppeline. Unser Zeppelin ist nur ein Glied in einer Kette von Zeppelinen. Auch hinten reicht die Zeppelin-Kette bis zum Horizont. Mein Blick fällt auf das Heck unseres Zeppelins. Ich sehe zwei im Wind wehende Fahnen mit dem Strichcode-Logo des Move-Konzerns darauf. Jedes Kind kennt dieses Logo, der Schriftzug darunter ist eigentlich überflüssig, denn die Move-Zeppeline prägen schliesslich das Himmelsbild jeder grösseren Stadt.

    Hier oben gefällt es mir. Ich mag es, den Wind auf meiner Haut zu spüren. Hier habe ich nicht mehr das Gefühl, ein mittelloser Landstreicher zu sein, der auf einem Heutransporter zum nächsten Kaff reist. Doch eigentlich bin ich genau das, einfach zeitgemässer. Über mir schiessen ständig Flugzeuge aus allen Richtungen vorbei und fliegen auf das gleiche Ziel zu wie ich. Ein Flugticket könnte ich mir niemals leisten, genau wie alle anderen hier oben.

    Die Frauen mit ihren langen Haaren sind längst alle rein gegangen. Trotz meiner kurzen schwarzen Haare, wird es mir langsam zu stürmisch hier draussen. Ich gehe zum Treppenhaus. Im Vorbeigehen sehe ich auf der Infotafel, dass es auch Zeit dafür wird. Wir sind schon fast bei meiner Haltestelle - oder besser beim Abladeplatz eines Warencontainers, der am nächsten an meinem Ziel liegt.

    Das Treppenhaus führt durch den Gastank nach unten zur Kabine. Von innen betrachtet sieht der Tank noch gewaltiger aus als von oben. Ich gehe weiter.

    Unten angekommen, fühle ich mich eher wieder wie ein Landstreicher. Die Passagierbeförderung ist für Move eben nur eine Nebeneinnahmequelle. Ich sehe einen Eil-Container, der auf einer Bahn vom hinteren Zeppelin kommt und unseren Zeppelin vorne gleich wieder verlässt. Vollautomatisch bewegen sich auch andere Container zu den entsprechenden Ladeluken, wo sie später zu Boden gelassen werden.

    Eine Rollbahn bringt auch mich die wenigen Meter zu meiner Ladeluke. Fast gleichzeitig trifft der Warencontainer dort ein. Auf dem Dach des Containers klappt sich eine Glaskabine auf. Über eine Brücke gehe ich mit anderen Passagieren in diese Glaskabine. Keiner spricht ein Wort. Sobald alle Augen gescannt sind, öffnet sich die Luke unten am Zeppelin und wir werden zusammen mit dem Container zu Boden gelassen. Noch aus der Luft kann ich unser Ziel erkennen. Es ist ein rotes Einkaufszentrum mit grünen Fenstern, unweit vom Regierungshügel entfernt.

    Gleich nach dem Aufsetzen, öffnet sich die Türe und alle verlassen leicht beschämt die Glaskabine, während Mitarbeiter des Einkaufszentrums schon die Waren aus dem Container entladen. Wenn wir schon den Warenstrom nutzen, dürfen wir ihn keines Falls behindern. Auch ich gehe schnell und mit gesenktem Blick nach draussen.

    Jetzt stehe ich auf einer Klippe. Vor mir liegt dieser wunderschöne, blaue Fluss. Der grobe Sand unter meinen Füssen sieht gelblich aus. Auch die grösseren Steine, die bis zum Ufer dieses reissenden Flusses reichen, haben die gleiche Farbe. Der Himmel ist wolkenlos und ich kann von hier oben sehr weit sehen. In einiger Entfernung kann ich Dunst erkennen - dort liegt wahrscheinlich eine Stadt.

    Oh nein, was mache ich hier? Ich müsste doch eigentlich arbeiten! Oder bin ich auf einer Geschäftsreise? Ich schaue mich um und da sehe ich ein Auto. Ein BMW M6 Cabrio in rot-metallic von 2006, die Erstausführung eines absoluten Klassikers im Originalzustand. Das ist ein Oldtimer, zwölf Jahre älter als ich mit meinen 24 Jahren. Bin ich etwa doch zum Vergnügen hier? Warum bin ich hergekommen?

    Ich muss in meinem Kalender nachschauen, was ich hier soll. Den linken Daumen lege ich auf meinen linken kleinen Finger, dann bewege ich sie in die Richtung der übrigen Finger meiner linken Hand.

    Zu hektisch! Während sich das m-pate aufklappt rutscht es von meinem Unterarm über meine Hand hinaus. Ich höre ein furchtbares Reissgeräusch und das m-pate löst sich aus seiner Halterung an meinem Arm und fliegt über die Klippe hinaus. Ich habe keine Chance es noch zu halten.

    Um Himmels Willen, was soll ich jetzt nur tun? Auf dem m-pate war alles! Mein headQnetz-Account, mein Ausweis, mein Geld, mein Rückflugticket, sogar mein Navigationsgerät! Jetzt ist alles weg! Ohne GPS weiss ich nicht mal wo ich bin und niemand kann mir helfen. Ich muss das m-pate wiederfinden! Auf dem Boden liegend versuche ich das Gerät auf einem Steinvorsprung zu finden. Ich rutsche, kann mich aber im letzten Moment an einem Strauch festhalten.

    Ich stehe wieder auf festem Untergrund und da kommt es mir in den Sinn. Ich habe ja diesen Sorgenfrei-Zusatzvertrag abgeschlossen. Zum Glück habe ich daran nicht gespart. Sobald sich das Gerät, egal wie lange und aus welchen Gründen auch immer ausschaltet, kommt ein unbemanntes Fluggerät - eine Drohne - um mir innert Minuten, weltweit Ersatz zu liefern.

    Beim Sturz hat sich das m-pate sicher ausgeschaltet. Selbst wenn nicht, hat es sich nach dem Aktivieren der Airbags neu gestartet. Also brauche ich nur abzuwarten, es bleibt mir eh nichts anderes übrig.

    Da, über dem Fluss, ist ja schon die Drohne. Gleich wird sie hier sein. Nicht stehen bleiben, na los, komm schon her! Nein, nein, was machst du da? Nicht umdrehen! Nein, warum fliegst du jetzt wieder weg?!

    Oh, dieses elende, alte Teil. Es hat sich neu gestartet, sonst wäre die Drohne gar nicht erst aufgetaucht. Aber dann hat der veraltete, störungsanfällige Sensor, der meine Vitalfunktionen messen sollte, keine Meldung darüber gemacht, dass sich das m-pate nicht an meiner Seite befindet. Stattdessen muss das m-pate der Drohne gemeldet haben, dass beim Unfall nichts passiert ist, darum ist die Drohne wieder zurückgeflogen. Hätte ich mir bloss einen teureren Vertrag geleistet, dann hätte die Drohne den Unfall genauer untersucht.

    Egal, das nützt jetzt auch nichts. Dann muss ich eben das alte m-pate bergen. Mit dem Ast in meiner Hand komme ich ran. Ja, mit der Spitze habe ich einen Riemen der Halterung erwischt. Vorsichtig hebe ich das m-pate hoch. Der Ast bricht! Im dümmsten Moment. Das m-pate fällt - und landet im Wasser! Diesem Scheissteil macht das natürlich nichts, es ist schliesslich wasserfest und treibt auf seinen Airbags dem Fluss entlang - wo auch immer der hinführt. Aber ich bin verloren! Selbst wenn mich jemand vermisst, ohne mein GPS Signal wird mich niemals jemand finden - und das Signal treibt jetzt dem Fluss entlang!

    Etwas ist in meiner Hosentasche. Ich nehme den Gegenstand hervor doch ich erkenne ihn nicht. Wenn ich es mir recht überlege, kenne ich die Form dieses Gegenstands. Seine Umrisse kommen immer wieder in den Apps vor, wenn Sicherheit optisch dargestellt werden soll. Natürlich, es ist ein altmodischer Schlüssel! Vielleicht ist er so alt wie der Oldtimer, das BMW Logo passt schon mal. Ich gehe auf das Auto zu. Warum bleiben die Türen verschlossen? Ich trage den Schlüssel doch auf mir. Neben dem Logo sind zwei Plättchen auf dem Schlüssel angebracht, die von breiten Kerben umrahmt sind. Aus dem Nichts erklingt plötzlich die Stimme meiner Ahnen und sagt mir, das seien Knöpfe. Also drücke ich auf den einen Knopf. Ich kenne kein Gerät, dessen Knöpfe so fest gedrückt werden müssen, doch anscheinend mache ich es halbwegs richtig, immerhin öffnet sich der Kofferraumdeckel. Bald finde ich den richtigen Knopf und das Auto öffnet sich. Ich sitze auf dem Fahrersitz und drücke das Gaspedal, aber es erfolgt keine Reaktion. Das verstehe ich nicht. Meine Urgrossmutter hat auch ein Auto aus dem Anfang des Jahrtausends, darum weiss ich doch, wie die Beschleunigungsregelung bei diesen Oldtimern funktioniert. Das Gaspedal ist schliesslich genau da wo ich es erwartet habe.

    Erst kürzlich habe ich dieses Fantasygame gespielt, dort musste der Schlüssel in ein so genanntes Schlüsselloch um die gewünschte Funktion auszulösen. Vielleicht ist in diesem Auto auch so etwas ulkiges und überflüssiges verbaut worden, um den Motor zu starten. Wo könnten es die Konstrukteure versteckt haben? Dort glänzt etwas Verchromtes, das nicht so recht zum Rest passen will. Ich beuge mich über die Mittelkonsole und öffne mit dem Schlüssel eine Klappe. Warum fallen da jetzt Handschuhe aus dem Fach?

    Ich krieche über die Mittelkonsole zurück, da stosse ich mir den Kopf an. Über meine Ungeschicktheit muss ich lachen. Warum hängt da ein umrahmtes Glasteil von der Decke und ist mir im Weg? Die Stimme meiner Ahnen meint, das sei ein Innenspiegel. Keine Ahnung was das sein soll. Es nutzt diesen Effekt, der bei Gebäudefassaden zu tragen kommt. Wie das beim Bewegen eines Fahrzeugs helfen soll, ist für mich unverständlich.

    Als ich mir den Kopf stiess, habe ich allerdings noch so etwas Verchromtes gesehen - aus unerfindlichen Gründen seitlich hinter dem Lenkrad versteckt. Die Ahnen meinen, es sei das Zündschloss. Ich drehe den Schlüssel im Zündschloss und der Motor springt an. Wenn ich das Gaspedal betätige, macht das Auto ein kraftvolles Geräusch - aber fortbewegen tut es sich trotzdem nicht. Wenigstens ist das Display in der Mitte des Armaturenbretts zum Leben erwacht. Wie ich sehe, hat da wohl jemand am GPS-Navi gespart. So braucht mich das Auto natürlich auch nicht zu fragen, wo ich hin will. Es weiss schliesslich selber nicht wo es ist - und ich weiss das auch immer noch nicht.

    Die Stimme der Ahnen rät mir, den Schalthebel auf der Mittelkonsole nach rechts zu drücken. Das tue ich, auch wenn ich mich während dessen sorge, den Hebel unter dieser Kraftanwendung abzubrechen. Jetzt fährt das Fahrzeug endlich los.

    Ich fahre mit offenem Verdeck dieser Küstenstrasse entlang und muss sagen, dass die Arbeit beim Start, diese Freude am Fahren wirklich wert gewesen ist.

    Da ist wieder dieses Villenviertel, das mich schon auf der Hinfahrt beeindruckt hat. Wie kann ich es erkennen, wenn ich nicht mehr weiss, wo ich hergekommen bin? Meine Schwester Mila sitzt auf dem Beifahrersitz und schlägt vor, anzuhalten. Ich weiss nicht wo sie hergekommen ist, aber das stört mich nicht. Es geht weiter und eigentlich finde ich, dass sie recht hat. Fremde Menschen helfen einem heutzutage nicht mehr oft, aber wenn jemand seinen Internetzugang verloren hat, erkennt wohl jeder diese Not und ist bereit zu helfen. Ich steige aus und gehe zum Eingangstor. Es ist verschlossen und ich sehe weit und breit niemanden.

    Zurück im Auto sitzt da plötzlich Sarah neben mir. Das sie Milas Platz eingenommen hat ist ganz selbstverständlich für mich. Sarah sagt: „Das ist wohl eine Ferienanlage, die derzeit niemand nutzt."

    Wahrscheinlich hat sie recht. Diesmal starte ich den Wagen problemlos und fahre weiter. Es tauchen immer mehr Häuser auf. Das muss ein Vorort sein. Ich komme dem Dunst der Stadt immer näher. Komisch ist nur, dass hier keine Menschenseele ist. Es ist totenstill. Ich sehe keine Autos, keine anderen Verkehrsmittel, keine Menschen auf der Strasse und auch nicht in den Häusern. Da bin nur ich, ganz alleine in diesem Auto. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie eine Strasse ganz für mich alleine. Trotzdem sieht es hier nicht verlassen aus, eher so, als käme nächstens jemand um die Ecke gelaufen. Nur nicht gerade jetzt. Ich verstehe es nicht. Dann fahre ich eben weiter Richtung Innenstadt.

    In der Mitte der leeren Strasse fahre ich über eine Brücke und sehe vor mir auf einem Hügel das Regierungsgebäude. Weiter hinten stehen zahlreiche Wolkenkratzer. Hier in der Innenstadt muss doch jemand sein! Oder verliere ich langsam meinen Verstand? Ich fahre weiter.

    Auf meinem Weg komme ich an einem roten Einkaufszentrum mit grünen Fenstern vorbei. Hier bin ich doch schon einmal gewesen. Aber wann und warum? Klar, ein Zeppelin hat mich hier abgeladen. Darum erkannte ich auch gleich diesen auffallenden Regierungshügel.

    Der Platz vor dem Regierungsgebäude ist leer. Dennoch habe ich ein Bild vor Augen, eine Erinnerung an diesen Ort, wo der Platz menschenüberfüllt ist. Obwohl es die Verkehrsschilder strikt verbieten, fahre ich nach vorne durch und parke direkt vor dem grossen Turm.

    Auf dem Platz stehen Gurtabsperrpfosten, die dabei helfen sollen, eine grössere Menschenmenge nacheinander ins Regierungsgebäude zu schleusen. Doch auch hier gibt es keine Menschen. Für eine Touristenattraktion nicht anstehen zu müssen, wäre normalerweise traumhaft, aber heute würde ich doch gerne mal wieder ein paar Menschen sehen.

    Ich gehe rein. Im Vorbeigehen bemerke ich einen Souvenir-Shop mit diversen Postkartenständern. Erst jetzt merke ich es: Die vielen kleinen Postkarten-Bildschirme zeigen nichts an. Keine Hologramme, keine Filme. Es gibt keine Elektrizität an diesem Ort!

    Daneben steht ein Regal mit Schneekugeln. Die Schneekugel mit dem Abbild des Regierungshügels fasziniert mich. Mit einer roten, kitschigen Schrift steht „Ottawa" auf ihrem Sockel.

    Ich gehe weiter, eile durch die Gänge, immer auf der Suche nach einem anderen Menschen. Ich betrete ein Sitzungszimmer. Ein Warnschild verbietet es eindringlichst, die Linie zu diesem Raum zu überschreiten - die erste Warnung dieser Art im Gebäude. Ich will natürlich keine Probleme mit den Behörden, schon gar nicht in einem fremden Land.

    Es ist als habe ich für diesen Moment keine Kontrolle über meinen Körper, denn mein Bein verselbständigt sich und schreitet über die Linie. Das andere Bein geht nach und obwohl es mir völlig widerstrebt, bewegt sich mein Körper einfach zu einer Vitrine im Innern des Sitzungszimmers. In der Vitrine liegen historische Dokumente, die den Bewohnern dieses Landes anscheinend sehr wertvoll sind. Ich sträube mich innerlich dagegen, was meine Hand da gerade tut. Sie greift sich eines dieser Dokumente und holt es aus der Vitrine. Eigentlich hätte ich mich das niemals getraut. Das habe ich eigentlich auch nicht, meine Hand hat es quasi selbständig getan und trotzdem bin ich jetzt irgendwie stolz darauf. Ich schaue zurück zur Vitrine und sehe den Sensor, auf dem das Dokument gelegen hat. Er hätte Alarm schlagen müssen und jemand hätte kommen sollen.

    Das hier kann kein Stromausfall sein, die Sicherheitssensoren wären weiter mit Notstrom versorgt worden, doch sie sind tot. Mir fällt nur ein Grund ein, warum der ganze Strom abgeschaltet werden sollte und das ist ein beunruhigender: Bombenalarm! Ich renne nach draussen, setzte mich ins Auto und fahre los.

    Um meinen Verdacht zu prüfen, berühre ich ohne nachzudenken mit dem linken Daumen, meinen kleinen linken Finger und will so mein m-pate öffnen, da kommt es mir wieder in den Sinn. Das m-pate habe ich ja verloren!

    Inzwischen hat die Dämmerung eingesetzt. Glücklicherweise verfügt der BMW über Lichtsensoren, so bleibt mir das Suchen nach dem entsprechenden Knopf erspart. Ich fahre und fahre, aber in den Häusern um mich herum brennt nirgends Licht. Auch am Himmel sehe ich nichts - keine Zeppeline, keine Helikopter, nicht einmal ein Flugzeug. War es doch kein Bombenalarm? Ich halte an und steige aus. Vor mir steht ein Wolkenkratzer des Move-Konzerns.

    Ich gehe durch die Eingangshalle und schon bald ist da ein Warnschild. Zutritt nur für Mitarbeiter, lese ich. Diesmal fällt es mir schon leichter, das Schild zu missachten. Ich gehe zu den Aufzügen, die wegen des ausgefallenen Stroms natürlich nicht funktionieren. Gleich daneben ist die Tür zum Treppenhaus. Ich wünschte, ich könnte mir ein iD’ leisten, das würde mir das Treppensteigen ersparen. Doch bei mir reicht es eben nur für ein m-pate und selbst das habe ich verloren. Etwas nicht Beschreibbares, drängt mich immer weiter nach oben. Es ist wie ein Zwang, dem ich nicht entkommen kann.

    Die oberste Etage sieht aus wie alle anderen Etagen davor. Sie ist komplett ausgehöhlt. Teils ragen noch Leitungen aus dem Boden und auch Abdrücke von Stellwänden sind zu sehen, doch ansonsten gibt es im ganzen Gebäude gar nichts. Jemand hat sich sogar die Mühe gemacht, die Deckenverkleidungen und Bodenbeläge abzubauen.

    Ich gehe zur einen Fensterfront. Aus der Nähe erkenne ich eine Folie, die an den Fenstern klebt. Ich löse eine Ecke ab und ziehe an der Folie. Jetzt habe ich den freien Blick auf eine Millionenmetropole. Trotz der Dämmerung sehe ich in der ganzen Stadt kein einziges Licht brennen. Es sieht aus wie eine moderne Geisterstadt. Ich kann es nicht glauben.

    Ich gehe einen Schritt vom Fenster zurück und schaue an die Decke. Im ganzen Raum blieb die Deckenverkleidung um die Fenster herum erhalten. Teils sehe ich sogar in die Decke eingebaute Lampen. Jetzt verstehe ich es. Wenn man dieses Haus von aussen betrachtet, sieht es dank dieses Tricks bewohnt aus. Doch hier ist niemand. So weit ich es beurteilen kann, ist in der ganzen Stadt kein einziger Mensch. Nur die Hüllen der Gebäude sind noch da.

    Ich will gerade gehen, da sehe ich im Augenwinkel etwas aufblitzen. Ich gehe zurück ans Fenster und weit entfernt sehe ich eine glänzende Tarnschutzfolie über einem Quartier. Keine Frage, das muss ein Insics-Viertel sein.

    Habe ich noch etwas übersehen? Ich renne zur gegenüberliegenden Seite, doch es sieht gleich aus. Auch die Fensterfront im Osten zeigt nichts Auffälliges. Dann reisse ich die Folie von einem Fenster der Westfront. Da ist ein Zeppelin! Es ist der letzte Zeppelin in einer Kette und er steigt gerade auf. Gleich darauf gehen die letzten Lichter des Flughafens aus. Jetzt sehe ich nur noch eine Lichtquelle. Es sind die Scheinwerfer, welche die Move-Fahnen des letzten Zeppelins beleuchten. Die Zeppelin-Kette setzt sich in Bewegung, dem Fluss entlang.

    Die Zeppeline werden immer kleiner und ich fühle mich völlig allein. Ich sehe nur noch eine Chance für mich. Ich muss mein Glück bei den Insics versuchen.

    Ja, die Insics sind gefährlich. Sie schiessen jedes Flugobjekt über ihrem Luftraum ab. Ständig erzwingen sie mit Terroranschlägen mehr Land und breiten sich aus. Niemand scheint sie aufhalten zu können. Inzwischen haben sie eigene Territorien auf dem ganzen Globus. Es heisst, sie leben nach eigenen Werten und ohne den technischen Fortschritt der letzten zwanzig

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