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Vermisst: Im dunklen Wald
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eBook263 Seiten3 Stunden

Vermisst: Im dunklen Wald

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Über dieses E-Book

In einer naturbelassenen Aulandschaft verschwinden immer wieder Menschen spurlos. Nachdem die 17jährige Jasmin von einem Schulausflug nicht mehr nach Hause kommt und die Suche der Polizei ohne Erfolg bleibt, beschließen ihre Freunde, die Suche nach dem Mädchen auf eigenen Faust aufzunehmen und verirren sich selbst im dunklen Wald. Ein Kampf auf Leben und Tod entbrennt.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum14. Apr. 2020
ISBN9783750232969
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    Buchvorschau

    Vermisst - Florian Wächter

    Hinweis:Vermisst

    Alle Figuren und Örtlichkeiten sind frei erfunden. Bei Ortsnamen, und auch denen von lebenden Personen, kann es zu Übereinstimmungen kommen, diese sind aber nicht beabsichtigt.

    „Wer allein in den Wald geht, kommt darin um."

    (Eine Volksweisheit, die aus einer längst vergessenen Zeit stammt, in der undurchdringliche Wälder das Bild des Kontinents prägten.)

    Der Autor wünscht Ihnen viel Vergnügen beim Lesen.

    Prolog

    Sie lief. Ohne bestimmtes Ziel. Wohin ihre bloßen Füße sie trugen. Morsche Zweige zerbrachen unter ihrem Gewicht, spitze Steine bohrten sich in ihre Sohlen. Sie stolperte, fiel hin, rappelte sich schluchzend auf und rannte weiter. Sie hatte keine Ahnung, wie lang sie unterwegs war, doch sehr weit konnte sie nicht gekommen sein, als sich die Nacht ihrem Ende zuneigte und der Morgen dämmerte. Verzweifelt blickte sie zum Himmel auf. Der Schutz der Dunkelheit war verwirkt. Wohin jetzt? Sie sah sich hektisch nach allen Richtungen um, suchte nach einem geeigneten Versteck. Endlich fand sie eines, verkroch sich mit angezogenen Knien und klopfendem Herzen im hohlen Baumstamm einer alten Eiche. Es roch nach vermodertem Holz. Es war feucht und kalt. Sie zitterte am ganzen Leib. Wegen der Kälte und wegen des geglückten Fluchtversuchs, der Aufregung. Dann weinte sie bittere Tränen der Verzweiflung. Sie hatte ihren Papa sterben sehen. Es war niemand da gewesen, der sie in den Arm genommen und getröstet hätte. Die Monster, die wenig Menschliches an sich hatten, hatten ihre Mama von ihr getrennt. Sie wusste nicht, was sie mit ihr gemacht hatten, wusste nur, dass Mama noch lebte, als sie von diesen Kreaturen von ihr fortgerissen worden war.

    Nun war sie auf der Flucht vor den Bestien, die dafür verantwortlich waren, dass ihr Vater tot war. Sie hatte Angst, dass die Verfolger sie finden und zu ihrem Lager zurückbringen könnten, wo ihr Leiden sich fortsetzen würde. Lieber würde sie sterben, wenn die Häscher sie nochmals erwischen sollten, aber noch lebte sie.

    Dreimal im Laufe des Tages hörte sie, wie die Zweige knackten, als sich die Ungeheuer ihren Weg durchs Unterholz bahnten, um ihrer Fährte zu folgen, die sich in unmittelbarer Nähe verlor. Als der Sturm aufzog und den Stamm des alten Baumes zum Ächzen brachte, gaben die Verfolger auf. Nachdem sich der Regen gelegt hatte, harrte sie noch eine Weile in ihrem Versteck aus, bevor sie es wagte, vorsichtig herauszukriechen. Sie blickte mit bangem Herzen nach allen Richtungen und überlegte, wohin sie sich wenden sollte. Alles sah irgendwie gleich aus in diesem schrecklichen Wald. Sie konnte lediglich erahnen, woher sie gekommen war und eilte in entgegengesetzter Richtung davon.

    1 Am Rand der Au, 24. Juni

    „Was ist denn da drüben los? Karl-Heinz Silberschmied schirmte seine Augen gegen die tief stehende Sonne ab. So konnte er die lange Wagenkolonne besser sehen, die sich am anderen Ende des Feldes den Forstweg entlang wälzte. „Verdammt, Franka, komm schnell her! Das musst du dir angucken!

    Seine Freundin steckte den Kopf bei der Tür des Wohnmobils heraus. „Was ist denn so wichtig, dass es nicht warten kann, Karlo?" In der rechten Hand hielt sie ein Küchenmesser, mit dem sie gerade Kartoffeln geschnitten hatte, die sie untertags von einem Feld geklaut hatten.

    „Ich glaub, das sind Bullen. Jede Menge Bullen … eine ganze Armee!"

    Franka riss ihre dunklen Augen weit auf, sprang die Treppe herunter und stellte sich neben ihn. „Du hast recht. Manno, das ist echt abgefahren. Da muss was passiert sein."

    Sie beobachteten staunend, wie etwas mehr als ein Dutzend Wagen nach und nach im Wald untertauchten, bis nur noch eine riesige Staubwolke an sie erinnerte.

    „Die werden doch nicht etwa wegen uns hier sein?"

    Karlo lachte. Es war ein knapper Laut, der von Unsicherheit geprägt war. „Nee, das glaub ich nicht. Wegen dem bisschen Gemüse? Franka! Da kommt vielleicht ein Dorfbulle auf dem Fahrrad, aber nicht ´ne ganze Legion."

    Im selben Moment vernahmen die beiden jungen Leute das Rattern von Rotorblättern und wendeten ihre Köpfe in Richtung des nahegelegenen Dorfes. Ein Helikopter tauchte über den letzten Häusern auf und wurde rasch größer; und je näher er kam, umso lauter wurde das Geräusch.

    „Scheiße!, rief Franka. „Der kommt genau auf uns zu! Instinktiv ging sie hinter dem Camper in Deckung und zog ihren Freund mit sich. Die Neugier bewog die beiden jedoch dazu, hinter dem Gefährt hervor zu spähen.

    Der Polizeihubschrauber flog knapp über dem Boden, sodass die Ähren des Feldes vom Druck durcheinandergewirbelt wurden. Es war ein furchteinflößender Anblick, wie er mit gesenkter Schnauze auf sie zuraste. Er erinnerte die beiden an einen wütenden Stier, der in der Arena mit gesenkten Hörnern auf den Matador losging. Karlo und Franka zogen ihre Köpfe ein.

    „Lass uns abhauen!" Die junge Frau wollte zum Waldrand laufen, um im Dickicht unterzutauchen.

    Er bekam ihren Arm zu packen und hielt sie zurück. „Spinnst du? Bleib da! Wenn die sehen, dass du wegrennst, denken sie, wir hätten was ausgefressen! Das Fluggerät knatterte über ihre Köpfe hinweg, wirbelte jede Menge Feinstaub auf und verschwand hinter den Baumkronen. Das Getöse entfernte sich rasch. „Siehst du, sagte Karlo, als nur noch ein feines Brummen zu hören war. „Die ganze Panikmache für nix."

    Franka riss sich los. „Von wegen Panikmache, herrschte sie ihren Freund an. „Du weißt genau, dass die Bullen nach uns suchen. Wir sollten von hier verduften. Wütend ging sie auf den Eingang zu. Dabei warf sie ihre Rasta-Locken in den Nacken.

    Er heftete sich an ihre Fersen. „Franka, sei vernünftig. Kein Mensch sucht uns in Österreich. Wir sind hier am Arsch der Welt. Denk mal nach. Die deutsche Polizei hat doch kein Interesse international nach uns zu fahnden. Dafür sind wir nicht wichtig genug."

    Im Wohnmobil drehte sich Franka zu ihm um. Als sie seine zerzauste, dunkle Mähne sah, musste sie grinsen. „Wäre aber ganz schön aufregend; Wir beide auf der Flucht, gegen den Rest der Welt, wie Bonnie and Clyde."

    Karlo seufzte. „Ja, aber du weißt, wie die Geschichte für die zwei endete."

    „Komm her zu mir, Clyde. Ich will es noch ein letztes Mal tun, bevor die Kugeln uns zerfetzen." Mit diesen Worten zerrte sie ihn auf das ungemachte Bett.

    ***

    „Hörst du das Knistern im Wald? Ich glaube sie kommen." Franka flüsterte, um die Rehe nicht zu verschrecken. Mit einer vorsichtigen Bewegung nahm sie die Beine von der Kiste und beugte sich erwartungsvoll in dem Klappstuhl vor, der ein leises Quietschen von sich gab.

    „Ja, aber ich glaube nicht, dass Rehe Taschenlampen benutzen", zischte Karlo.

    Jetzt sah auch sie das unstete Funkeln und Leuchten. Lichtfinger durchschnitten das in Dunkelheit gehüllte Dickicht. „Wer ist das, Karlo?"

    „Keine Ahnung. Aber es gefällt mir nicht."

    „Ich hab Angst." Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, senkte sich wie ein kühler Hauch über ihn und bescherte ihm eine Gänsehaut.

    Er spürte, wie sie nach seinem Arm suchte, ergriff ihre Hand und zog sie hoch. Als beide standen, bereit in die relative Sicherheit ihres Campers zu flüchten, erfasste sie ein Strahl und eine Gestalt brach aus dem Unterholz hervor. Dann noch eine und noch eine, immer mehr schienen daraus hervor zu quellen.

    „Wer ist da?", fragte Karlo. Seine Stimme klang gepresst. Vor Schreck hatte seine Lunge für einen Moment aufgehört, das zu tun, wofür sie gemacht war; zu atmen.

    „Polizei! Die Vorderste der Gestalten näherte sich ihnen rasch und hielt unmittelbar vor dem Pärchen an. „Was machen Sie hier? Die Stimme klang barsch, befehlsgewohnt.

    Immer mehr Leute drängten aus dem Wald und begannen sie einzukreisen. Franka und Karlo erkannten hauptsächlich Uniformen. Die Gesichter waren unkenntlich, da sie noch immer von dem Licht geblendet wurden.

    „Wir campen hier nur, Herr Wachtmeister."

    „Ihre Papiere, wenn ich bitten darf?"

    „Ja, klar." Franka eilte in das Wohnmobil, um die geforderten Ausweise zu holen. Das Poltern ihrer Schritte drang zu den Männern heraus. Dann hörte man, wie einige Schubladen hektisch geöffnet wurden.

    Karlo blieb stehen und versuchte seine Lähmung abzuschütteln. „Sind Sie auf der Suche nach etwas Bestimmten, Herr Wachtmeister?"

    „Bezirksinspektor Teigl. Kein Wachmann", bemerkte der Polizeibeamte knapp und richtete seine Aufmerksamkeit auf die offenstehende Tür des Campers. Frankas Silhouette tauchte soeben im hell erleuchteten Türrahmen auf.

    „Hab sie! Sie hastete die Treppe herunter. Warum sie sich so beeilte, konnte sie sich selbst nicht erklären. Die Warnung ihres Freundes kam ihr in den Sinn. Wenn sie sich nicht beruhigte, dann machten sie sich nur verdächtig und das Letzte, was sie brauchen konnten, waren Schwierigkeiten mit der hiesigen Polizei. „Hier sind sie. Sie bemühte sich um eine ruhige Stimme, aber ihre Hände zitterten, als sie dem Ordnungshüter die Ausweise entgegenstreckte.

    „Immer mit der Ruhe, junge Frau, entgegnete dieser und nahm die Eu-Pässe von ihr entgegen, schlug den ersten auf und lenkte das Licht darauf. „Franka Rotter?, fragte er.

    „Ja, das bin ich", antwortete sie gehorsam und tastete nach der Hand von Karlo.

    Er schloss seine Finger um ihre und drückte sie. Bonnie and Clyde, dachte er, während er hoffte, dass er mit der Annahme Recht behielt, dass sie auf keiner Fahndungsliste standen. Franka bekam den Ausweis ausgehändigt, dann war er an der Reihe.

    „Sie wissen schon, dass das hier kein Campingplatz ist, Herr Silberschmied", klärte ihn der Polizist auf.

    „Entschuldigen Sie, Herr Bezirksinspektor. Wir werden sofort wegfahren." Karlo war erleichtert und gleichzeitig bemüht, es auf keinen Konflikt ankommen zu lassen. Angesichts der Übermacht wohl eine kluge Entscheidung. Inzwischen waren sie von mindestens zehn Uniformierten umringt.

    „Haben Sie etwas getrunken?"

    „Nur eine Flasche Wein", gestand er.

    Der Exekutivbeamte gab ihm seinen Pass zurück. „Dann ist es wohl besser, wenn Sie bis morgen warten, meinte der Polizist. „Ausnahmsweise belasse ich es bei einer Ermahnung.

    „Was ist denn eigentlich los? Wonach suchen Sie?" Franka hielt die Spannung nicht mehr aus. Sie verlangte nach Aufklärung.

    „Wir sind auf der Suche nach einem vermissten Mädchen. Jasmin Gruber, siebzehn Jahre, helles Haar, mit Jeans und hellgrünem T-Shirt bekleidet. Vielleicht haben Sie etwas gesehen?" Er hielt ihnen eine foliierte Farbkopie eines Fotos unter die Nasen. Ein hübsches Mädchen war darauf abgebildet.

    Beide schüttelten zeitgleich die Köpfe. Bis auf einen Spaziergänger mit Hund waren sie den ganzen Tag niemanden begegnet. „Tut uns leid, die ist uns nicht aufgefallen, antwortete Franka. „Wie ist denn das passiert, … ich meine, wie ist sie denn verschwunden, diese Jasmin?

    „Bei einem Schulausflug. Ihre Lehrer haben sie gegen Mittag als vermisst gemeldet. Wie lange sind Sie schon hier?"

    Die beiden tauschten einen kurzen Blick, bevor Karlo antwortete. „Äh, es muss nachmittags gewesen sein, … kurz bevor dieser Helikopter kam."

    „Ja, der hat uns einen riesen Schreck eingejagt, ist direkt über unsere Köpfe hinweg geflogen, sagte Franka und kassierte dafür einen leichten Rempler mit dem Ellenbogen von ihrem Freund. „Äh, weil wir dachten, hier wären wir ungestört. Die Natur genießen, die Stille und so, … Sie wissen schon.

    Sie glaubten auf dem Gesicht des Mannes ein Grinsen zu erkennen. „Alles klar, Frau Rotter, Herr Silberschmied, ich wünsche Ihnen eine angenehme Nachtruhe. Und falls Sie das Mädchen sehen, oder Ihnen irgendetwas Ungewöhnliches auffällt, dann rufen Sie unverzüglich eins drei drei."

    Er tippte zum Abschied auf die Stirn, als wollte er salutieren, und wandte sich seinen Leuten zu. „Alles kehrt! Wir durchkämmen den Wald in diese Richtung! Lockere Formation, Männer, und haltet die Augen offen!"

    Karlo und Franka sahen den Polizisten nach, wie sie zwischen den Bäumen untertauchten. Bald hatte sie der Wald verschluckt und kein Laut drang mehr zu ihnen vor.

    „Scheiße, das arme Ding. Hast du gesehen, wie hübsch sie war, Karlo?"

    Er nickte. „Jasmin, ein schöner Name."

    „Was ihr wohl zugestoßen ist?"

    „Ich fürchte nichts Gutes. Hoffentlich wird sie bald gefunden."

    2 Die Anhalterin, vier Wochen später

    Simon Breuer, 52 Jahre, hellhäutig und bis auf einen graumelierten kurzgeschorenen Haarkranz fast kahl, steuerte seinen alten Volvo vorsichtig über die rumplige Schotterstraße und versuchte den Schlaglöchern, so gut es ging, auszuweichen. Das Navi hatte ihn in diese gottverlassene Gegend gelotst. Zum Teil war er selbst schuld an dem Dilemma, in dem er nun steckte, denn er hatte geglaubt, eine Abkürzung durch den Wald nehmen zu können. Doch irgendwie hatten er und sein elektronischer Co-Pilot sich gehörig verzettelt.

    Der ständige Wechsel von Sonnenschein und Schatten zauberte eine rasch wechselnde Abfolge von wirren Mustern auf die Frontscheibe, sodass er die Gestalt am Straßenrand erst bemerkte, als er auf gleicher Höhe mit ihr war.

    Sie hat gewinkt!

    Er trat auf die Bremse und sah in den Seitenspiegel. Eine junge Frau lief durch die aufgewirbelte Staubwolke auf den Kombi zu. In ihrem luftigen, hellblauen Sommerkleidchen, das um ihre schlanken, nackten Oberschenkel flatterte, wirkte sie in dieser naturbelassenen Einöde schrecklich fehl am Platz. Als sie den Wagen endlich erreicht hatte, beugte sie sich auf der Beifahrerseite zum offenen Seitenfenster herein und nahm schnaufend Blickkontakt mit dem Fahrer auf.

    „Gott sei Dank, keuchte das Fräulein außer Atem. „Könnten Sie mich ein Stück mitnehmen?

    Er sah in ihr verschwitztes, hübsches Gesicht, das von der Vorhut eines kinnlangen, blondgefärbten Pagenschnitts umrahmt wurde. „Bitte" zu sagen, war wohl aus der Mode gekommen. Die jungen Leute von heute hielten alles für selbstverständlich.

    „Wo willst du denn hin?", fragte er mit einer Selbstsicherheit, als würde er jeden Tag hier lang fahren.

    „Erst mal raus aus dieser Wildnis", krächzte sie mit trockener Kehle und hustete den Staub aus den Lungen.

    Dafür hatte er vollstes Verständnis. Ihm ging es da nicht anders. Vielleicht konnte sie ihm ja weiterhelfen. „Steig ein." Er räumte den Beifahrersitz ab und warf seinen Laptop auf die Rückbank neben eine Fotoausrüstung.

    Das Mädchen kletterte in den Wagen und ließ sich seufzend auf den Sitz sinken.

    „Was machst du so allein in dieser, … wie hast du es gleich nochmal bezeichnet? …Wildnis?" Er war neugierig. So etwas passierte einem nicht alle Tage.

    „Mein Freund, Charly, und ich haben mit meiner besten Freundin, Jenny, eine Spritztour unternommen, … wollten nur mal so in der Gegend rumfahren. Jedenfalls haben wir uns in die Haare gekriegt, … weiß gar nicht mehr, worum es eigentlich ging, … und ganz nebenbei hat mir diese Schlampe gesteckt, dass sie hinter meinem Rücken mit Charly herummacht, zeterte sie drauf los. „Können Sie sich so etwas vorstellen? Meine beste Freundin, … diese falsche Gurke, … treibt es mit meinem Lover und lässt sich von uns in der Gegend herumkutschieren, als wäre alles in bester Ordnung! Also bin ich raus aus dem Auto und habe den beiden eine schöne Zukunft gewünscht!

    Simon starrte das Mädchen irritiert an. Ihr Redeschwall hatte ihn unvorbereitet getroffen. Vor allem ihre direkte, offene Art entsetzte ihn. Offenbar nahm sie kein Blatt vor den Mund

    „Warum fahren wir nicht?", fragte sie stirnrunzelnd und deutete durch die schmutzige Windschutzscheibe auf die Schotterpiste. Ihre grünen Augen funkelten ihn angriffslustig an.

    „Ich hab keine Ahnung, wo wir sind. Mein Navigationsgerät übrigens auch nicht, und ich hatte gehofft, du würdest den Weg kennen", gestand er kleinlaut.

    Sie zuckte mit den Schultern. „Ich hab auch keine Ahnung, wo wir sind. Irgendwo in der Silberau! Mein Gott ich hab nicht auf den Weg geachtet, … wegen dem ganzen Stress … und so."

    „Wo kommst du denn her?", erkundigte er sich.

    „Aus Eberaudorf."

    „Aha!" Simon gab den Ortsnamen in sein Navi ein.

    „Route berechnet, tönte es kurz darauf aus dem Gerät. „Folgen Sie der Straße sechs Kilometer.

    „Na dann mal los", brummte er hoffnungsvoll und legte den ersten Gang ein.

    Er beobachtete aus dem Augenwinkel, wie sich seine schwitzende, staubige Beifahrerin umständlich anschnallte und überlegte, wann das letzte Mal ein weibliches Wesen auf diesem Platz gesessen hatte. Es war schon eine halbe Ewigkeit her. Er konnte sich gar nicht mehr erinnern. Der Anblick tat jedenfalls gut, auch wenn sie nicht in dem Alter war, dass man sie für seine Gefährtin halten konnte. Demnach ging sie eher als seine Tochter durch. Doch in dieser Einöde konnte sie sowieso niemand sehen, also spielte das alles keine Rolle.

    Die junge Frau, er schätzte ihr Alter auf etwa 18,19 Jahre, schlüpfte aus den Sneakers und stemmte ungeniert ihre bloßen Füße gegen das Armaturenbrett. Dabei rutschte ihr hellblaues, weiß geblümtes Chiffon-Kleid hoch und entblößte ihre gebräunten Oberschenkel. Sie bemerkte seinen neugierigen Blick, interpretierte ihn jedoch falsch.

    „Mir tun die Latschen weh, von dem Herumgerenne in der Hitze", entschuldigte sie sich stöhnend und bettete den Kopf auf der Nackenstütze.

    Der Fahrer seufzte statt einer Antwort übertrieben laut. Er musste aufhören, sie zu beobachten, sonst würde er seinen Wagen noch gegen einen Baum lenken.

    „Ich heiße Simon."

    „Hi, Simon!", trällerte sie lächelnd, dann sah sie aus dem Fenster und genoss mit zusammengekniffenen Augen den Fahrtwind, der ihren Kurzhaarschnitt verwirbelte.

    „Hast du auch einen Namen?", fragte er leicht verärgert.

    „Kathi", antwortete sie einsilbig.

    Der Mann verlangsamte das Tempo und hielt das Auto vor einer Weggabelung an. Das Navi schwieg beharrlich. „Links oder rechts? Was meinst du, Kathi?"

    „Links", kam es wie aus der Pistole geschossen. Simon vertraute der weiblichen Intuition und nahm den linken Weg. Der Zustand der Fahrbahn verschlechterte sich jedoch zusehends. Nach einigen Kilometern ging sie in tiefe Spurrillen über und endete schließlich an einer riesigen Lichtung mit einem Hochstand am gegenüberliegenden Waldrand.

    „Bei der nächsten Möglichkeit rechts halten", meldete sich die elektronische Frauenstimme plötzlich zu Wort, während der Wagen ausrollte.

    Kathi prustete los und schlug sich gackernd auf die Schenkel. Simon runzelte erst verärgert die Stirn, was ihr Lachen noch verstärkte, und stimmte endlich in das Gelächter ein. Er stieg aus und holte aus dem Kofferraum zwei kleine Flaschen Mineralwasser, ging wieder nach vorne und reichte der

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