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Brüder und Schwerter
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eBook277 Seiten3 Stunden

Brüder und Schwerter

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Über dieses E-Book

Die junge Königin Mia muss sich als neue Herrscherin über Sacre den Schwierigkeiten des Wiederaufbaus der Stadt, die einst Weya, Göttin des Licht und des Weizens geweiht worden war, stellen. Keine leichte Aufgabe, denn sie kann als einfaches Mädchen aus dem Walde Rockwutt weder auf Erfahrung zurückgreifen noch auf eine gut gefüllte Schatzkammer. Auch die Verbrechensquote steigt in Sacre ins Unermessliche.
Während ihr Freund Tak die Bruderschaft der Mönche vorantreibt, schmieden die auferstandenen Toten Pläne, um ihren Hass auf Tak und alles Neue freien Lauf zu lassen. Sie gründen "dBoBdmK", die Bündelschaft ohne Brüder dafür mit Körnern und trachten dem jungen Mönch nach seinem Leben.

Sacre steht in dieser humoristischen Fantasy kurz vor dem Zerfall.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum19. März 2021
ISBN9783753177113
Brüder und Schwerter
Autor

Marcel Schmickerath

Marcel Schmickerath, geboren 1988 in Düren, studierte Mathematik und Informatik an der RWTH Aachen. 2014 erschien sein erster Roman "Die Häldengilde" im Laufe seines Studiums. 2021 erschien sein Roman "Zahlen der Magie", in dem die Welt der Zahlen mit der Fantasywelt - genannt Tunuss - verschmolz. Obwohl man annehmen könnte, sein Hintergrund sei "trocken" und "theoretisch", erschafft Marcel Schmickerath in seinen Büchern außergewöhnliche Charaktere, die in einer fantasievollen und humorvollen Welt leben. Die Reihe "Die Reisen des Phil", basierend auf Theologie, Mythologie und Dämonologie, bildet hier eher eine Ausnahme. Zu seinen literarischen Vorbildern zählen Terry Pratchett und Markus Heitz.

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    Buchvorschau

    Brüder und Schwerter - Marcel Schmickerath

    Prolog

    Das All ist wie die See, wild und ungestüm. Manchmal sanft und gemächlich.

    Wind und Regen lassen die Oberfläche erbeben. Lassen sie Wellen schlagen. Macht aus der scheinbar harmlosen See eine gewaltige Naturgewalt, der nichts und niemand widersteht.

    Während die Oberfläche erbebt und ahnungslose Schiffe in die Tiefe reißt, bleibt die Tiefsee unberührt. Doch auch hier trügt der Schein. Auch in der Tiefe lauern Gefahren, die man nicht auf den ersten Blick sieht.

    Was man von seinem Kutter nicht zu sehen vermag, lungert dort unten in der Dunkelheit, wartet geduldig darauf, dass jemand dorthin hinabsteigt. Überall gibt es Löcher und Höhlen, in denen sich Leben versteckt, das auf anderes Leben lauert. Überall gibt es Versteckmöglichkeiten für abstruse Ungeheuer.

    Neben Grotten und kargen Landschaften gibt es ebenso Oasen des Lebens. Bunte Riffe, voller idyllischem Miteinander.

    Es sind Schätze der Natur. Wenn wir sie nicht alle sehen, so gibt es sie dennoch. Vielleicht sind sie gerade deswegen in völliger Harmonie. Wie man es sehen mag, sie verdienen es, vor den Ungeheuern der Tiefe bewahrt zu werden.

    Inmitten der finsteren Tiefe dieses Sees, in dem die Riffe aus Planeten bestehen, erleuchtet von den warmen Quellen einzelner Sterne, gibt es eine Luftblase, in der sich etwas regt. In einer Luftblase, tief unten im See des Otymp, wohnen die Götter. Von dort aus bewachen sie die See und ihre Riffe. Von dort, wo die Götter wohnen, kann man ein jedes dieser Riffe sehen. Hier hört man das Rauschen des Meeres am deutlichsten.

    Ein solches Riff hatte die Form eines Torus und genoss die seichte Strömung, die es umschloss.

    Einfach Tunuss, der große blaue Donut, zog sanft seine Bahn um Sol, die Sonne seines Sonnensystems. Begleitet wurde er von seinem Mond, Luna, welcher ihn in Form einer Acht treu umkreiste.

    Weya, Göttin des Weizens, blickte über die Schulter auf den Torus herab. Es war ein Jahr her, als sie den See Otymp, Heimatstädte der Götter, verlassen hatte, um auf dem kleinen blauen Planeten für Ordnung zu sorgen.

    Sie drehte einen Weizenhalm in ihrer Hand. Ein Jahr. Was war schon ein Jahr für eine Göttin? Ein Jahr war für eine Göttin nicht mehr, als ein amüsanter Lidschlag. Für den Weizen jedoch, war ein Jahr mehr, als sein Leben lang war. Er wurde gesät, spross aus dem Boden und genoss ein oder zwei warme Sonnenstrahlen. Dann wurde er geerntet und verarbeitet. Es war ihr Geschenk für die Bewohner von Tunuss.

    Und was war ein Jahr für die, die sie mit ihrem Weizen segnete? Bedeutete für sie ein Jahr genauso wenig wie ihr? Oder ebenso viel wie ihrem Weizen? Vielleicht sogar mehr? Reichte ihnen ein Jahr, um aus ihren Fehlern zu lernen, ihre Gesellschaft neu zu ordnen? Hatten sie einen Weg gefunden, Vergangenheit und Gegenwart im Glanz einer glorreichen Zukunft zu vereinen? Hatten die Einwohner von Sacre ihren Glauben an ihre Göttin, der Göttin, der sie einst ihre Stadt weihten, zurückerlangt? Hatten sich die von ihrem Sohn, dem Fürst der Finsternis, verfluchten Seelen einfinden können? Hatte die ewige Finsternis oder gar ihr Wandeln auf Tunuss einen wesentlich größeren Schaden hinterlassen, als sie es je in Erwägung gezogen hatte?

    Sie drehte sich um und richtete ihr Augenmerk auf ihr Spiel. Das Spiel der Götter. Das Spielfeld sah wie das Bild jenseits der Götterblase im See Otymp aus. Nur nahm Tunuss wesentlich mehr Platz darauf ein. Kleine Figuren standen der Oberfläche. In allen vier Himmelsrichtungen war eine Stadt mit dem Namen Sacre abgebildet.

    Die Götter spielten. Sie spielten ihr Lieblingsspiel.

    Die Würfel fielen.

    „So ein Mist, ausgerechnet eine Elf", sprach Aio, Gott des technischen Fortschritts.

    Ein Entenkopf in einer Tunika schnatterte schadenfroh. Nack. Nack. Nack.

    „Du brauchst nicht zu lachen, Dyck."

    Dyck war der Gott derer, die gerne einen Entenkopf hätten. Er sah aus wie ein stattlicher Mann mit kräftigen Muskeln, nur eben mit dem Kopf eines Erpels.

    Nack. Nack. Nack.

    „Er hat recht, dein kleiner freier Händler landet in Sacre, sprach Weya. „Du weißt, was das für dich bedeutet. Mir gehört die Stadt seit rund etlichen Jahrhunderten.

    Nack. Nack.

    „Dies kostet dich weitere einhundert deiner Gläubigen."

    „Wie soll das vonstattengehen? Ich nenne keine hundert Gläubigen mehr mein Eigen."

    Oink, Herr über die Schweine und deren Priester, wirkte auf den ersten Blick wie ein schlichter Hirte. Doch er hatte es in sich. „Du hattest noch nie einen richtigen Anhänger, Aio. Du bist zu bescheiden, um ein Gott zu sein. Die Sterblichen sind viel zu sehr mit dem Fortschritt selbst beschäftigt, als dass sie dich für jenen preisen. Solange niemand zu dir aufschaut, bist du für mich kein wahrer Gott des Otymp."

    „Wie kannst du so etwas behaupten? Es geziemt sich nicht. Mir gehörte einst das große Fürstentum Bana. Mit all den erfindungsreichen Elfen und Menschen. Mein Reich und meine Sterblichen waren das Mächtigste, das je auf Tunuss wandelte."

    „Doch du hast es verloren. Und deine letzten Anhänger - wobei ich sie nicht einmal so nennen mag - sitzen im Wald von Rockwutt und beten einen harmlosen Pflaumenbaum an. Sieh dir die Schweine an. Wie oft am Tag rufen sie meinen Namen? Selbst Barbaren ehren ihre Gottheiten und verspotten sie nicht. Du solltest dieses Spiel aufgeben, Aio. Du hast bereits zu viel verloren."

    „Oink! Tadel ihn nicht!" Die Göttin des Weizens suchte einen Weg die anbahnende Diskussion zu umgehen. Eine Auseinandersetzung zwischen Göttern konnte für einen jeden schwerwiegende Folgen mit sich ziehen. Der dreiunddreißigeindritteljährige Krieg, vor über dreihundert Jahren, war da nur ein Puppenspiel.

    Nack. Nack?

    „Es erfüllt mich mit Trauer, Dyck, dass auch du deine Tempel in Sacre verlierst. Aber so sind nun einmal die Spielregeln. Es ist meine Stadt."

    Nack?

    „Ich werde darüber nachdenken. Es ist möglich, dass ich dir deine große Quietscheente gestatte. Wenn es den Frieden unter uns Göttern bewahrt, so soll es so sein. Dann sollst auch du, Aio, da ich für meine Milde unter den Sterblichen bekannt bin, dieses eine Mal Aussetzen."

    „Das ist gegen die Regeln! Die Hexen des Tartaros sollen dich richten, Weya!"

    „Es ist amüsant, gerade von dir solche Worte zu vernehmen, Oink. Wo du doch nie Wert auf Regeln legst. Ich erinnere dich nur zu gerne an die Asse in deinem Ärmel während unseres Kartenspiels. Doch auch dir bleiben ein paar der Hirten und all die Schweineställe in deinem Namen erhalten."

    Die letzten Worte eröffneten eine offene Debatte unter den Gottheiten. Jeder forderte, einen Teil seiner Macht in dem kleinen Reich aufrecht zu erhalten. Jeder von ihnen hatte über die Jahrhunderte hinweg mindestens einen Tempel dort erbauen können. Niemand wollte nun auf eben diesen verzichten.

    So auch Pfosten, Herr der Vorschlaghammer. „Die Schmieden sind mein!" Der graubärtige Gott schlug mit einem immensen Hammer auf den Boden. Die Götterblase erbebte unter der Wucht des Hammers. Blitze zuckten hervor. Der Boden riss in Zwei und mit ihm ein paar der Säulen.

    „Also gut, sprach die Göttin. „Ein jeder darf einen Teil seiner Gläubigen bewahren. Doch wisset, dieses Reich ist das Meinige. Nicht das Eure.

    Dyck stimmte ihr bei. Es gab noch weitere Reiche auf Tunuss. Und einige waren wesentlich vielversprechender für einen Erpel, der kurz vor der Mauser stand. Er dachte an den Schnattersee, was für eine traumhafte Landschaft und dieses beruhigende Blau. Er sollte dort noch einmal schwimmen gehen, am besten wartete er, bis Issi dort einkehrte. Eine wunderschöne Gottheit, die jedoch eine dunkle Seite hatte. Vor allem dann, wenn sie den Erpel beim Baden erwischte. Leider spielte Issi nicht gerne mit ihnen, sie spielte lieber ihr eigenes Spiel.

    „Aber, räumte Weya ein, „die Tempel, die durch die Ereignisse im letzten Jahr so arg beschädigt wurden, dass sie einzustürzen drohen, werden abgerissen, um keine Sterblichen zu gefährden. Als niemand ihren Worten widersprach, nahm sie die Würfel zur Hand und ließ sie über das Spielfeld rollen. Als sie gefallen waren, brach ein lautes Stöhnen unter den Göttern aus.

    „Eine Sieben?, wunderte sich Aio. „Du kannst doch nicht schon wieder in Sacre landen. Willst du dort etwa noch mehr Tempel errichten lassen? Du könntest ruhig mal auf Drako landen…

    Sie setzte die Kapuze auf ihr blondes Haar. „Oink, bitte halte während meiner Abwesenheit meinen Sohn Rüdiger im Auge." Sie wandte sich ab und blickte erneut auf den Planeten jenseits der Götter blase herab.

    Ein Jahr. Was hatte sich in einem Jahr dort unten geändert? Konnte sie es wagen, einmal nach dem Rechten zu sehen?

    Weya löste sich in Licht auf. Ein Schwarm goldig glänzender Käfer machte sich auf in Richtung Tunuss. Die Neugierde trieb den funkelnden Schwarm an.

    Ein zurückhaltendes Kichern war zu hören, als sie an den kleinen Mönch mit dem beinahe kahlen Kopf dachte.

    Trümmerhaufen im Morgenrot

    Ein lauer Wind streifte über die Felder von Sacre. Goldener Weizen, Weizen für den das Reich berühmt war, neigte sich sachte hin und her.

    Weit und breit ausschließlich Weizen. Weizen umschloss das Königreich wie ein schützender gelber Mantel, der vor etwas schützte, das gar nicht existierte oder es bedrohte. Wie ein Regenmantel, der vor Regen schützt, ohne dass Regen eine Gefahr darstellt.

    Hitze staute sich auf dem Pfad zwischen den Halmen. Die Luft flackerte. Verzerrte den ein oder anderen Bauernhof am Horizont.

    Für einen Außenstehenden schien es, als bestände das Königreich nur aus Weizenfeldern, doch das stimmte nicht. Es gab eine Stadt im Königreich von Sacre. Die größte Stadt von ganz Sacre. Und weil es die einzige Stadt im ganzen Land war, war sie zur Hauptstadt ernannt worden.

    Sacre - die Stadt der Göttin.

    Somit war Sacre Königreich und Stadt zugleich. Derzeit jedoch, war es weder das Eine noch das Andere. Denn die Hauptstadt befand sich in einer mehr als bloß angeschlagenen Verfassung. Besser gesagt: in einer Trümmerphase.

    Es geschah vor einem Jahr, im Jahr des schielenden Drachen, als der Fürst der Finsternis, Halbgott und riesige umher wandelnde Rüstung zugleich, die Stadt seiner Mutter, der Göttin Weya - Göttin des Weizens-, heimgesucht hatte. Sein inbrünstiger Zorn auf alles, was im Namen seiner Mutter lebte und wandelte, und das sehnliche Verlangen nach Rache an jenen, die ihn einst in seiner letzten Schlacht zum Ende des dreiunddreißigeindritteljährigen Krieges, der in Wirklichkeit genau genommen dreiunddreißig Jahre, vier Monate, zehn Tage, acht Stunden, zwanzig Minuten, zwanzig Sekunden und dreihundertdreiunddreißig und eindrittel tausendstel Sekunden gedauert hatte und mit dem Ausruf des damaligen Herrschers über das Königreich Dego mit den Worten: „Es reicht, das Töten macht keinen Spaß mehr!" endete, hintergangen hatten, war Sacre zum Verhängnis gefallen. Etliche der Gebäude, darunter vor allem Tempel, deren Gottheiten nicht einmal im See des Otymp bekannt waren, fielen ihm zum Opfer.

    Im letzten Augenblick, gerade als sich sein Zorn gegen den Tempel der Göttin Weya selbst wandte, gelang es ihr, diesen und vor allem ihre einst so innig geliebten Bürger von Sacre vor einem gänzlichen Ende zu bewahren. Sie wies ihren Sohn zurecht und nahm ihn mit sich in die Heimatstädte der Götter. Dort sollte er die nächsten hundert Jahre in seinem Zimmer über sein Handeln nachdenken. Sie war es auch, die die von dem Fürsten verbrannten und unfruchtbar gewordenen Ackerflächen des Reiches, wieder mit ihrem goldigen Weizen segnete. So, wie sie es einst getan hatte, als ein jeder Einwohner Sacres ihr allein seine ewige Treue geschworen hatte. Doch sie rang ihren Kindern ein Versprechen ab. Die Stadt Sacre sollte wieder zu einer angesehenen Stadt werden, in der die Sterblichen gerne und sicher lebten.

    Da die Stadt zu einem einzigen Haufen aus Trümmern geworden war, sah sich die neue Herrscherin über Sacre genötigt, schwere Geschütze aufzufahren. Sie hatte aus einer der angesehensten Städte auf Tunuss, nämlich aus Drako, Hauptstadt des Königreiches Dego, Hilfe zukommen lassen. Nennen wir es Hilfe, denn der Begriff Fachpersonal oder gar Spezialist wäre in diesem Falle nicht allzu angemessen gewesen.

    Pete war einer dieser Gehilfen. Er studierte die Zahlen der Magie an der großen Universität von Drako. Er und einige seiner Kommilitonen waren dabei ein weiteres Bauwerk abzureißen. „Sind die Rüben alle dort, wo sie sein sollten?"

    „Ja, Pete", bestätigte sein engster Freund Dürr, der seinem Namen alle Ehre machte.

    „Exakt dort, wo sie nach unseren Berechnungen sein sollten?"

    „Ja, Pete."

    „Bist du dir wirklich sicher, dass ALLE exakt dort platziert wurden, wo ich es dir gesagt habe?" Manchmal war es bei Dürr besser, noch einmal nachzufragen, um sich zu vergewissern. Auch das Nachfragen der Nachfrage, sollte in Erwägung gezogen werden. Denn Dürr gehörte zu der Sorte Studenten, die sogar selbst glaubten, für ihre Prüfung ausreichend gelernt zu haben, um dann doch durch die Wiederholung der Wiederholungsprüfung durchzurasseln, nur um dann durch Einsatz aller Tränendrüsen den Dozenten vom Gegenteil zu überzeugen.

    „Ja, Pete."

    „Gut."

    „Allerdings… Dürr senkte verlegen seinen Blick. „Naja…, versuchte er einen neuen Anlauf. „Also ich meine… Nein, wir meinen… Also eigentlich meinen nur die Anderen… Die Anderen meinen, dass wir alles genau so gemacht haben, wie du es uns gesagt hast. Was ich… ich meine… was wir… ähm… Was sie allerdings nicht wissen ist, ob deine Berechnungen auch immer so sind, wie sie sein sollten."

    „Was soll das denn heißen?"

    „Die letzte Sprengung, mein ich… ähm… wir… sie. Meinen sie."

    „Was soll damit sein?"

    „Naja… Also wir hatten die Sprengrüben genau dort platziert, wo du es uns gesagt hattest. Aber es ging in gewisser Weise schief…"

    „Du meinst den Tempel der Fruchtbarkeitsgöttin Dieva?"

    „Ja genau. Der mit all den Störchen darin."

    „Nur, weil alle Gebäude um den Tempel herum eingestürzt sind und der Tempel selbst noch immer ohne einen Riss in den Himmel ragt, soll ich daran schuld sein?"

    „Ja genau. Es klingt ein wenig nach einem… Vorzeichenfehler, meinst du nicht auch?"

    „Möglich, gab Pete von sich. „Aber dieses Mal habe ich alles mehrfach durchgerechnet. Immer wieder kam ich auf die gleichen Koordinaten. Es sollte keine Schwierigkeiten geben.

    „Ähm… gut… Es geht auch weniger um Schwierigkeiten, eher um Überraschungen…"

    „Also sind wir so weit?", fragte Pete.

    „Ich denke schon… Die Rüben sind angebracht und die Priester evakuiert."

    „Sehr schön."

    „Vorsichtshalber haben wir auch alle anderen Gebäude in den angrenzenden beiden Straßen evakuieren lassen."

    „Findest du das nicht ein wenig übertrieben?"

    „Naja. Eigentlich wollte ich… ähm, wollten wir… sie. Eigentlich wollten sie, zuerst die ganze Stadt evakuieren. Aber das fand dann Knoppe… ähm… ich, für völlig übertrieben."

    „Na schön. Fangen wir an. Pete hob die Hände an den Mund und rief einem Studenten ein paar Steinbrocken weiter vor ihnen zu: „Knoppe! Wir können zünden!

    Der angesprochene Knoppe nickte. Er krempelte die Ärmel seines blauen Gewandes nach oben und begann mit kreisenden Armen vor sich her zu brabbeln. Man konnte es für Zählen halten. Doch Knoppe zählte nicht. Er zauberte.

    Die ausgesprochene Zauberformel zündete die Sprengrüben. Erst zischten nur ihre Zünder, dann knallte, knatterte und klirrte es aus allen Ecken.

    Eine Rübe nach der Anderen detonierte, wirbelte Unmengen an Staub auf. Alle starrten und gafften, als die Sicht auf das Gebäude wieder klarer wurde.

    Der Tempel des Gottes Dyck, Gott derer, die gerne einen Entenkopf hätten, stand noch immer an seinem Platz. Gerade so, als wäre nichts geschehen.

    „Ähm, Pete?", fragte Dürr.

    „Was?!" Der Student und Beauftragte des Sprengkommandos wirkte angespannt.

    „Ähm… ist das normal? Also, ich meine… Sollte er so stehenbleiben?"

    „Nein. Eigentlich nicht."

    „Also wieder ein kleiner Vorzeichenfehler?"

    „Nein. Die anderen Gebäude stehen doch noch alle."

    „Ein doppelter Vorzeichenfehler? Sowas fällt nicht einmal den Besten auf."

    „Dürr! Ich weiß, was ich tue."

    „Ähm, okay… "

    Plötzlich knarrte es. Der Tempel setzte sich in Bewegung. Er wankte zur Seite und stürzte gegen das Mauerwerk neben ihm. Dann ging alles ganz schnell. Haus an Haus stürzte der Reihe nach in sich zusammen, wie eine lange Kette aus Dominosteinen. Überall krachte und rumpelte es, bis schließlich die gesamte Straße in Trümmern lag. Am Kopf blieb ein Haus stehen, das aussah wie eine gewaltige Quietscheente. Gelbe Käfer flogen um sie herum.

    „Ähm… Pete?"

    „Nein, das war keine Absicht." Kam er seinem Freund zuvor.

    „Okay."

    „Ich denke, ich habe lediglich eine Unbekannte bei den Berechnungen übersehen. Mehr nicht."

    „Oh, okay… Weißt du schon welche?"

    „Nein. Dann wäre sie doch nicht unbekannt, oder?"

    Wenige Häuser weiter, rumpelte ein Karren voller Wissen über das unebene Pflaster von Sacre. Es war sehr altes Wissen. Weises Wissen. Wissen, welches vor hunderten von Jahren gelebt hatte. Es hatte sich durch Menschen und Elfen im Fürstentum Bana manifestiert und unerreichte Erfolge verzeichnen können.

    In dem ehemaligen Reich, Bana, schufen die beiden Rassen - in völliger Harmonie - die größten und sagenhaftesten Erfindungen, die je das Licht von Tunuss erblickt hatten. Sie entwickelten die mächtigsten Kriegswaffen, die Aigolems, welche ungeschlagen und unüberwindbar als Kriegswaffen eingesetzt wurden. Sie schufen nicht nur Waffen, sie schufen auch die Bürokratie, die Herrschaft des Zimmers. Man sagt, viele ihrer Entdeckungen und Werke übertrafen ein jegliches Vorstellungsvermögen. Manche waren so meisterhaft, dass ganz Tunuss auf ewig dem Verlust dieses glorreichen Wissens nachtrauern würde, wenn es denn wüsste, was ihm entgangen war. Anderes Wissen hingegen hätte nie entdeckt werden sollen, doch da sind die Meinungen durch aus verschieden…

    All das ruhmreiche Wissen der Bananer (Der Name Bananer klingt fruchtig, aber die Einwohner Banas waren weder gelb noch hingen sie untätig auf Bäumen herum.) war in der großen Bibliothek von Bana zusammengetragen worden. Doch als das Reich zerfiel und das Gesetz der größten gemeinsamen Bibliothek eintrat, brannte in nur einer Nacht all ihr sorgsam zusammengetragenes Wissen nieder und war für immer verloren. Das Gesetz der größten gemeinsamen Bibliothek, kurz ggB, besagt: Wann immer zwei exakt gleich große Bibliotheken in zwei unterschiedlichen Paralleluniversen existieren, die einzig und allein das gesamte Wissen eines Planeten enthielten, brennen früher oder später beide nieder.

    Alles Wissen von und um Bana war also verloren? Nein, nicht alles. Ein paar der kostbaren Bücher konnten von einem fleißigen und furchtlosen Bibliothekar vor ihrem Ende in den Flammen bewahrt werden. Dieser strebsame Mann - eigentlich ein Kobold, der Wert auf seine Abstammung legte und daher nicht gerne als Goblin bezeichnet wurde, ein Kobold, der sich an Objekte klammerte - nannte sich Lork. Jahrhunderte lang führte Lork seine Bibliothek in den Ruinen von Bana nach ihrer Zerstörung weiter. Ewig wartete er auf einen neuen Kunden. Doch als hundert Jahre später niemand die Gedenkstätte des Wissens betreten hatte, zog der einfallsreiche Kobold es vor, seinen Beruf zu wechseln.

    Über mehrere Jahre hinweg wandelte er sich von einem durchschnittlichen Herrn der Bücher zu einem profitgierigen Händler. Einem freien Händler. So versprach er sich mehr Kundschaft. Denn frei klang immer gut. Ein freier Händler zu sein, bedeutete in seinem Fall mehr als nur ein klangschöner Name. Es gab keine Gesetze auf Erden, die für den kleinen Kobold galten. Nicht bloß, weil es niemanden mehr gab, der in Bana Gesetze erlassen konnte, sondern vor allem, weil nicht einmal das Leben selbst ihn aufhalten konnte.

    Nichts war umsonst, wie er immer zu sagen pflegte. Auch nicht die Rettung literarischer Werke vor den Flammen. Der Tribut, den er dafür gezahlt hatte, war nichts Geringes als sein Leben. Der eiserne Wille und die unentwegte Hoffnung auf neue

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