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Die verendete Geschichte
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eBook268 Seiten4 Stunden

Die verendete Geschichte

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Über dieses E-Book

Eine satirische Auseinandersetzung mit den verschiedensten Lebensstationen, besondere Personen werden auf ihrem Lebensweg für ein kurzes Stück begleitet. Eine abwechslungsreiche Reise durch die absurde Geschichte des Daseins. Viele Branchen bekommen ihr Fett weg.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum27. Dez. 2014
ISBN9783738010206
Die verendete Geschichte
Autor

Anno Dazumal

Schreibt seit über 15 Jahren Romane, Satiren, Gedichte, Geschichten und Liedtexte.

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    Buchvorschau

    Die verendete Geschichte - Anno Dazumal

    1. Akne X - Ungelöste Rätsel: Der Leerkörper

    „Hartzlich willkommen in unserer Zauderschule! Ich bin Euer Lehrer, Herr Ipotter, stellte sich ein relativ junger Mann den vor ihm sitzenden Schülerinnen und Schülern vor. Gelächter kam auf. „Sehr witzig. Nur gut, daß Ihr meinen Vornamen nicht wißt. Jedenfalls eins gleich zu Beginn: Ihr lernt hier nicht für das Leben, sondern einzig und allein für die Schule. Beginnen wir mit einer Versteigerung, äh, Steigerung: Wie lauten die Steigerungen des Wortes „leer? erkundigte sich Herr Ipotter. „Leer, Lehrer, Lehrling, antwortete Heiko Bold. Wieder war Gelächter zu hören. „Ganz genau. Immer schön lachen, denn das ist ja bekanntlich gesund. Meine Damen und Herren, vielleicht sollte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie sich in der 11. Jahrgangsstufe eines Gymnasiums befinden und dank der Politik in zwei Jahren diese Schule mit der Hochschulreife, dem Abitur verlassen werden, ließ der Lehrer verlauten. Eiskaltes Schweigen herrschte im gut beheizten Raum. Die Stimmung war sogleich auf dem höchsten Tiefpunkt angekommen. Genau das hatten die jungen Leute nicht hören wollen. Schließlich wußten sie, daß selbst sie als vermeintliche Elite des Landes zukünftig mehr mit dem Arbeitsamt als mit dem Postamt zu tun haben würden. Auch Herr Ipotter fühlte sich unwohl in seiner Haut, was nicht etwa daran lag, daß er von einer Schönheitsoperation kam, oder lieber eine Frau gewesen wäre. Er hatte den Auftrag erhalten, die Klasse zu motivieren und Begeisterung zu entfachen, doch das war alles Andere als einfach. „Wie Ihr sicherlich wißt, gehöre ich hier zu den jüngeren Lehrern, die noch eher Verständnis für Euch und Eure Sorgen und Probleme haben. Also, was liegt Euch denn auf dem Herzen? versuchte er es auf die kumpelhafte Tour. „Ich habe Spielschulden! „Ich bin drogenabhängig. „Ich habe noch drei Leichen im Keller und weiß nicht wohin damit. Nach jenen Antworten wußte Stefan Ipotter, daß er in dieser Klasse keinen leichten Stand haben würde. Er kam sich so verloren vor wie ein Sozialarbeiter unter lauter Strafgefangenen, die ihn nicht ernst nahmen und am liebsten nichts mit ihm zu tun haben wollten. Na ja, so abwegig war jener Vergleich wiederum gar nicht, denn schließlich handelte es sich bei der Schulpflicht auch um einen Zwang, man konnte also nicht wirklich behaupten, daß die jungen Leute freiwillig auf den viel zu kleinen und unbequemen Stühlen saßen. „Bin ich hier wirklich richtig? dachte sich der Lehrkörper verzweifelt, denn der Funke wollte einfach nicht überspringen. Vor ihm saßen 25 junge Menschen, die später einmal die Führungspositionen des Landes besetzen sollten, doch aus seiner Sicht handelte es sich dabei lediglich um verzogene, pubertäre Gören und Vandalen, die nichts außer Blödsinn im Kopf hatten und überhaupt nicht wußten, was von ihnen erwartet wurde. Vielleicht war es aber auch einfach nur so, daß Stefan Ipotter der falsche Mann am falschen Platz war. Er war ein Langweiler, einer, dem man nicht länger als eine halbe Stunde zuhören konnte ohne einzuschlafen und er konnte nicht gut erklären. Nein, es war keineswegs so, daß er als Lehrer ein totaler Versager gewesen wäre, da gab es weitaus schlimmere Gestalten, die unter Anderem auch an der Zauderschule ihr Unwesen trieben. Jedoch war Herr Ipotter ebenfalls nicht gerade der Lehrer, den man auf Oberstufengymnasiasten, die ihre Nasen ja doch schon relativ hoch trugen, loslassen hätte sollen. So brachte er die erste Doppelstunde langweilig routiniert über die Runden und war erleichtert, als er das Klassenzimmer nach dem Gong schleunigst verlassen konnte. „Na, das kann ja heiter werden, murmelte Reiner Dapfel nach der Veranstaltung angeödet. „Es hätte auch schlimmer kommen können. Herr Ipotter ist zwar ein Langweiler, aber wenigstens kein Sadist so wie unser ehemaliger Sportlehrer Klaus Thaler, entgegnete Georg Elklang. „Der hätte lieber öfter alkoholfrei als hitzefrei nehmen sollen", lästerte Carola Ster. Die Stimmung in der Klasse war weder gut noch schlecht, sie war schlut oder gecht, aber sie war da. Ein Jahr Herr Ipotter. Wer würde das ohne bleibende Schäden überleben?

    Mercedes Demenz

    „Na, wie war es in der Schule? wollte die Mutter wissen, die wieder einmal fürchterlich aufgetakelt auf dem Sofa lag und deren Alkoholkonsum dem örtlichen Getränkehändler das Überleben sicherte. „Langweilig wie immer, waren die Worte von Hilde Menz. „Gut so. Wieso sollte es Dir besser gehen als mir? befand die Vogelscheuche, die sich einen weiteren Schluck aus der Pulle gönnte. „Mama, ich bin nicht krank, so wie Du. Ich bin jung, das Leben liegt noch vor mir und wartet sehnsuchtsvoll auf mich, während der einzige Mann, der auf Dich wartet, Jim Beam ist, machte Hilde deutlich. Da erhob sich das Couchmonster langsam und sprach salbungsvoll folgende Worte der Verhöhnung, äh, Versöhnung: „Aber Hildelein, warum denn so aggressiv? Erzähl mir doch lieber erst einmal, wer Euer Klaßlehrer ist. „Herr Ipotter. „Oho. Ist er jung? Sieht er gut aus? „Keine Ahnung ob er Jungs ißt und ob er noch gut sieht. Jedenfalls trägt er keine Brille und er ödet mich an. Nach jenen Worten schickte sich Hilde Menz an, den Raum mit der alkoholgeschwängerten Luft zu verlassen, doch ihre Mutter hatte das übliche Lallbedürfnis, weshalb sie ihr hinterher torkelte und einmal mehr grandios von der Treppe herunterfiel. „Ja, ja, und die Politiker haben nichts Besseres zu tun, als die Minderjährigen vor dem Alkohol zu schützen. Die sollten sich lieber um die wirklichen Problemfälle kümmern, kam Hilde in den Sinn, bevor sie sich in ihrem Zimmer einschloß, um ihre Ruhe zu haben. Das Leben war nicht leicht für ein 17jähriges Mädchen und eine alkoholabhängige Mutter war nicht unbedingt das, was man sich zum Geburtstag wünschte, aber nachdem drei Entziehungskuren phänomenal gescheitert waren, hatte Hilde die Hoffnung auf Besserung längst aufgegeben. „Dich soll doch der Alko holen! hatte sie ihrer Mutter einst während eines fürchterlichen Streits an den Suffkopf geworfen, doch das hatte jene mißverstanden und sich an einen Typen namens Arco rangemacht. Überhaupt, die Männer! Fast jeden zweiten Abend kam Heide Menz mit einer anderen männlichen Schnapsleiche nach Hause, um ihre sexuellen Triebe zu befriedigen. Anfangs hatte sie noch einigermaßen ansehnliche Männer mit heimgebracht, mittlerweile kamen nur noch Penner. Auch wegen denen sperrte sich Hilde regelmäßig in ihrem Zimmer ein, denn früher war es öfter mal vorgekommen, daß so ein „Bierpatriot „versehentlich in ihr Zimmer geschwankt war und sich, im Glauben es handele sich bei ihr um ihre Mutter, mit ihr paaren hatte wollen. Kurz und gut, Hilde hatte es nicht leicht und dementsprechend sehnsuchtsvoll wartete sie auf ihren 18.Geburtstag und auf den Tag, an dem sie das schöne Haus, in dem sie seit vielen Jahre lebte, endlich verlassen konnte. „Weißt Du, es wird immer schlimmer mit der Schnapsdrossel. Sie rülpst, furzt und pöbelt, manchmal erkennt sie mich nicht und will mich aus ihrem Haus rausschmeißen. Ich kann wirklich gut verstehen, warum mein Vater sie vor acht Jahren verlassen hat, erzählte die Schülerin ihrer besten Freundin Erna Tur. „Jeder Spuk hat mal ein Ende. Vielleicht sollte Deine Mutter sich wirklich besser einen Betreuer suchen, schlug Erna vor. „Ja genau. Am besten einen von den Typen, die hier immer die Klospülung ruinieren, so daß es im ganzen Haus stinkt. Daheim meine Mutter und ihre widerlichen Sauf- und Bettbrüder und in der Schule die Schlaftablette Ipotter. Das wird ein schreckliches Jahr, befürchtete Heide. „Ach was! Das schaffst Du schon. Außerdem hast Du in einem Jahr Deinen Führerschein und dann kannst Du viel öfter von daheim weg. Deine Mutter darf den Mercedes eh nicht nutzen und für Dich ist er genau das richtige Auto. „Die versäuft ihn bestimmt noch, bevor ich ihn bekomme. Am liebsten würde ich einfach abhauen. „Cool bleiben. Alles halb so wild. Schließlich haben wir da ja auch noch ein paar ganz süße Jungs in der Klasse über uns. „Ach ja, die Jungs, ..." schwärmte Hilde. Es folgte ein zweistündiges Frauengespräch über Männer, Klamotten, Make-up, Make-down, Drogen, Neuigkeiten, Artigkeiten, Altigkeiten, Dummheiten, Musik, Dessous und Tampons.

    Das Direk-Tor

    Natürlich hatte auch Stefan Ipotter einen Vorgesetzten, den man ihm vor die Nase gesetzt hatte. Direktor Tenguß war ein ruhiger, besonnener Mann, doch leider auch jähzornig und launisch. Schon des Öfteren war er mit Herrn Ipotter aneinandergeraten und nach wie vor war das Verhältnis der Beiden nicht das Beste, aber auch nicht das Zweitbeste, es lief eher unter ferner liefen. Herr Ipotter ignorierte seinen Chef so gut es ging und solange es gut ging, ging es ihm gut. Viktor Tenguß war streng, hielt sich aber für gerecht und unfehlbar, weshalb er auch fast nie fehlte. Die Schülerinnen und Schüler mochten ihn nicht sonderlich, aber das störte ihn wenig, denn sein Interesse galt in erster Linie den hübschen jungen Frauen und die hatten schnell erkannt, daß es sich immer wieder auszahlte, wenn man dem Herrn Direktor ein freundliches Lächeln oder auch mal ein Höschen zuwarf. Wann immer sich eine blendend aussehende Frau über irgendeinen Lehrer, eine angeblich zu schlechte Note, über schmutzige Toiletten oder freche Mitschüler beschwerte, stand Direktor Tenguß auf, um seinen Mann zu stehen und für Recht und Ordnung zu sorgen. Die Arbeit in der Schule tat ihm gut, denn bei sich zu Hause hatte er nichts zu sagen. Seine Frau hatte nicht nur Bügeleisen und Zügel fest in der Hand, sie machte ihn auch tagtäglich mit perfiden Psychotricks so fertig, daß er ein absoluter Befürworter der Ganztagsschule war und am liebsten auch an den Wochenenden Unterricht gegeben hätte. Sein Unterricht war anstrengend, denn er witterte überall Feinde. Die schönsten Frauen bekamen die besten Noten, die Jungen übersah er geflissentlich und die weniger attraktiven Mädchen ließ er ebenfalls links liegen. Mit anderen Worten: Viktor Tenguß war ein ganz normaler, völlig typischer Direktor eines Gymnasiums, wobei ich eine Schülergruppe natürlich nicht unterschlagen darf, der er ebenfalls seine besondere Aufmerksamkeit schenkte: Dabei handelte es sich um die Söhne und Töchter von wohlhabenden Eltern, welche wiederum der Schule alljährliche eine enorme Menge an Spendengeldern zukommen ließen. So kam es, daß manchmal die dümmsten Schüler die besten Noten bekamen, oder wenigstens das Klassenziel erreichten, obwohl sie nicht mal genügend Stroh im Kopf hatten, um dort oben ein Feuerchen zu machen. Solange Papi immer wieder mal einen dicken Scheck rüberwachsen ließ, hatte Direktor Tenguß überhaupt kein Problem damit, die geistigen Spastiker der Bonzen durchzuwinken. Nun aber hatte er ein ernstes Wörtchen mit einer jungen Referendarin zu reden und in jenes Gespräch wollen wir uns jetzt einklinken, wobei wir den Sabber, der Ficktor aus dem Mund lief und den Knüppel in der Hose, den er hoffentlich im Sack ließ, gutmütig übersehen. „Liebes Fräulein Rischke, ich weiß, Sie kommen frisch aus dem Studium und ich bin mir auch im Klaren darüber, daß es für Sie sehr schwer ist, sich an eine so aufmüpfige Klasse wie die 8b zu gewöhnen, aber mit Weinkrämpfen werden Sie dort nichts erreichen, gab der Direktor zu verstehen. „Das sind Freudentränen. Ich mußte so lachen, als ein Schüler Sie parodiert hat, das war einfach genial, erwiderte die Referendarin. Auf einmal flippte Tenguß aus: „Wer war die Sau? Ans Kreuz mit ihm! Wer wagt es, mich zu parodieren? Aber ich werde mit diesen marodierenden Schülerhorden schon noch fertig werden, eigenhändig werde ich all diejenigen verprügeln, die es wagen, sich über mich lustig zu machen! schrie der erregte Mann. „Na, da werden Sie bestimmt alle Hände voll zu tun haben, Herr Kollege, mutmaßte der Biologielehrer Michael Tern, der älter als Tenguß war und nicht sonderlich viel Respekt vor jenem hatte. „Halten Sie doch die Klappe, Sie Kaulquappenschänder! Sie können mich mal! rief ihm der Direx hinterher. „In die Irrenanstalt bringen, fügte Herr Ipotter hinzu und mit jenen Worten hatte sich der junge Mann selbst in die Schußlinie begeben. Tenguß lief feuerrot an und wollte auf seinen Untergebenen einprügeln, doch bevor es soweit kommen konnte, erlitt er einen Herzinfarkt und ging von dannen.

    Muten gorgen!

    Es war einer jener Tage wie aus dem Bilderbuch: Hilde Menz verließ am frühen Morgen ihr Zimmer, stolperte bereits auf der Treppe über eine der obligatorischen Alkoholleichen, wobei sie sich nicht sicher war, ob es sich bei dem übelriechenden Ekelpaket um ihre Mutter oder deren nächtlichen Begatter handelte und rollte schmerzhaft die Treppe herunter. Another day in paradise. Draußen schien die Sonne sich hinter dicken, schweren grauen Wolken gemütlich eine Ruhepause zu gönnen und drinnen lag überall der Müll rum, der für einen wunderbaren modernden Duft sorgte, welcher wiederum Hilde motivierte, das Haus so schnell wie möglich zu verlassen. Nachdem sie sich den Schlaf aus dem Gesicht gewaschen und gewisse unaufschiebbare wichtige Geschäfte zu ihrer vollsten Zufriedenheit erledigt hatte, verließ sie den Prachtbau, der einer billigen Kneipe immer ähnlicher wurde und ließ damit ihr bemitleidenswertes Familienleben hinter sich. Doch in der Schule angekommen, erreichte sie die für manche erfreuliche Nachricht sogleich: „Ding dong, der Rex ist tot! jubilierte einer der Fünftkläßler und hüpfte erfreut in der Gegend herum. „Das wurde aber auch allerhöchste Zeit. Ich konnte diesen Polizeischnüffelhund eh nie leiden, gab Hilde zu. „Doch nicht der Rex, Du dumme Kuh! Direktor Tenguß ist gestorben, klärte Heiko Bold sie auf. Da konnte Hilde nicht anders, sie mußte einfach grinsen. „Na das ist doch endlich mal eine gute Nachricht. Wie ist das passiert? erkundigte sie sich. Und so erfuhr auch sie die wundersame Geschichte vom plötzlichen Ableben des Schulvorstehers. „Schön langsam wird mir Herr Ipotter sympathisch, meinte Reiner Dapfel anerkennend. „Ich finde Harry Potter zum Kotzen, widersprach Brigitte Reisen. „Ich meine doch unseren Lehrer, den Zauderlehrer und nicht den englischen Zauberlehrling. „Ach so. Reiner Müll, was Du da absonderst. „Ich heiße Reiner Dapfel. „Schon gut, aber deswegen wird der Unterricht auch nicht interessanter. Unsereins hätte den Rektor auch zur Weißglut getrieben, versicherte Brigitte, die unter ihren Mitschülern den spitzen Spitznamen „Bigitte" innehatte, da sie sowohl Männer als auch Frauen ranließ und verschwand.

    Als Herr Ipotter in der vorletzten Stunde in der 11.Klasse unterrichtete, erhoben sich die jungen Leute, als er den Raum betrat und applaudierten ihm stehend. „Vielen Dank für diesen herzlichen Empfang, begrüßte Stefan Ipotter sein Publikum und nahm erst einmal gerührt und geschüttelt ein Vollbad in der vollauf begeisterten Menge. „Nachdem wir jetzt unseren größten Feind besiegt haben, wollen wir uns wieder der französischen Grammatik widmen, verkündete er und so verflog die Begeisterung ob seiner heroischen Tat genauso schnell wie sie gekommen war. Nein, jener Lehrer hatte einfach nicht das Zeug zum Volkstribun und so entschlummerte Hilde einmal mehr sanft, träumte von dem Typen, in den sie gerade verknallt war und mit ihr hörten viele Andere nicht zu, sondern widmeten sich wichtigeren Dingen. Den Lehrer störte das wenig, denn immerhin fünf Leute arbeiteten mit und das genügte ihm völlig. Auch er hatte nach dem Tod des Direktors ein Problem weniger, schließlich war es Tenguß gewesen, der ihn immer wieder in Schwierigkeiten gebracht hatte, doch auch im Lehrerkollegium gab es einige Personen, mit denen Herr Ipotter so seine Probleme hatte. Das lag einmal daran, daß der junge Mann nicht gerade interessant, intelligent oder unterhaltsam war, aber ein weiterer Grund dafür war, daß sich an der Schule einige Gestalten tummelten, die sich zwar Pädagogen schimpften, aber keinen blassen Schimmer davon hatten, wie man Wissen vermittelt. So kam es relativ häufig zu Streitereien im Kollegium, die hin und wieder sogar in einer wüsten Prügelei ausarteten. Aber das war nichts Besonderes, denn an anderen Schulen lief es oft genauso ab, auch wenn das weder die Eltern noch die Medien hören und schreiben wollten. Schließlich ist Einbildung eine beliebte Bildung und für die Väter und Mütter war das Wichtigste, daß die Kinder aus dem Haus waren.

    Time to say good Brei

    Es war eine gigantische Beerdigung, denn die ganze Stadt war auf den Beinen, um dem überall hoch angesehenen, verblichenen Direktor Viktor Tenguß die letzte Ehre zu erweisen. Wunderbare Grabreden wurden gehalten, unzählige Krokodilstränen vergossen, die größten Kritiker des Krepierten stellten sich als seine treuesten Verbündeten dar und es wurde so viel gelogen, daß sich die Balken der Kirche derartig bogen, daß das Gotteshaus beinahe eingestürzt wäre. Seine Ehefrau, die ihn jahrzehntelang terrorisiert hatte, heulte wie eine Boje und die Schülerinnen und Schüler stimmten Trauerlieder an, obwohl sie sich Tage vorher noch jubelnd in den Armen gelegen waren, nachdem sie vom plötzlichen Ableben des Direktors erfahren hatten. Die Schizophrenie hielt also einmal mehr Einzug in die Wirklichkeit und so gab es ein pompöses Begräbnis mit allem Drum und Dran, sogar das Kultusministerium hatte einen Staatssekretär vorbei geschickt, der eine heftig benickte Rede hielt, in der er den großen Schulvorsteher als „herausragende Persönlichkeit würdigte, wobei von der Leiche zum Glück nichts aus dem Sarg herausragte, was jedoch andere Gründe hatte, auf die ich noch zu schreiben kommen werde. „Mein allerherzlichstes Beileid, gnädige Frau, säuselte Herr Ipotter, doch die Ehefrau des Abgekratzten würdigte ihn keines Blickes. „Sie haben meinen Mann auf dem Gewissen, zischte sie. „Aber nicht doch. Ich habe das Faß nur zum Überlaufen gebracht, die vorbereitende Zermürbung haben ja dankenswerterweise Sie übernommen. „Was erlauben Sie sich! Ich habe meinen Mann geliebt. „Sie haben ihn nach Belieben psychoterrorisiert. Sogar mir gegenüber hat er sich negativ über sie geäußert. „Sie Ekel! Erst bringen Sie meinen Mann ins Grab und jetzt wollen Sie auch noch mich über den Jordan schicken. Da bleibt mir ja die Spucke weg. „Immer mit der Ruhe, Frau Tenguß. Sie werden schon wieder ein Opfer finden, dem sie die letzte Lebensfreude aus den Gliedern saugen können, verabschiedete sich der Lehrer und trottete davon. Empört blickten ihm viele Beerdigungsgäste hinterher, doch das Raunen der Menge verebbte recht schnell wieder, denn es folgten die üblichen Beileidsbezeigungen, die überwiegend heuchlerisch und nicht ernst gemeint waren. Danach begab sich die feine Gesellschaft zum Leichenschmaus und diejenigen, die sich schon immer gefragt hatten, warum das Beerdigungsmahl jenen merkwürdigen Namen hatte, wurden darüber aufgeklärt, denn sie verspeisten, natürlich ohne es zu wissen, den toten Körper des Schuldirektors. „Also so ein himmlisches Mahl habe ich bisher noch nie genossen. Das hätte Ihr Gatte noch erleben sollen, befand der Staatssekretär, nachdem er sich mit der Zunge die Lippen geleckt hatte. „Man kann nicht alles haben, entgegnete die Witwe knapp. Sie freute sich im Stillen darüber, daß sie sich ein paar hundert Euro gespart hatte, indem sie den Trauergästen statt eines tierischen Bratens ihren toten Gatten vorsetzen hatte lassen. Natürlich hatte der Koch zuerst protestiert, doch dann hatte er die Herausforderung, Menschenfleisch zuzubereiten, freudestrahlend angenommen, denn so eine Möglichkeit bekam man höchstwahrscheinlich nur einmal im Leben. „Wirklich sehr delikat. Was ist das, das wir gerade gegessen haben? wollte Biologielehrer Tern wissen. „Ach, das war ein veredelter Wildschweinbraten, blockte die Witwe ab. „Unmöglich. Ich weiß wie Wildschwein schmeckt. „Dann war es halt ein anderes Tier. Spielt doch keine Rolle. Hauptsache, es hat allen geschmeckt. „Da haben Sie allerdings Recht", gab er klein bei und ließ sich noch einen Nachschlag bringen. Hätte der gute Mann gewußt, daß er da mit sichtlichem Genuß seinen einstigen Rivalen, der ihm immer eine Koksnasenspitze voraus gewesen war, verspeiste, so wäre er garantiert in schallendes Gelächter ausgebrochen und hätte mit noch mehr Appetit zugelangt. Nur der alten Mutter des Direktors schien der Braten nicht so recht zu munden, was aber lediglich daran lag, daß sie ihre richtigen falschen Zähne im Altenheim vergessen hatte.

    Was hast Du hier zu suchen?

    Du brauchst Dich gar nicht zu verstecken, ich habe Dich bereits entdeckt. Du hast also diese Seiten bis hierher gelesen. Was fällt Dir eigentlich ein? Wer glaubst Du denn überhaupt, daß Du bist? Ja, ich weiß schon, Du hast mit Hilde Menz mitgelitten, weil sie eine alkoholkranke Mutter hat, aber warum leidest Du nicht mit ihrer Freundin Erna mit, die sich die ganze Scheiße tagtäglich anhören muß? Du hast Dich darüber gefreut, daß jener unsympathische Direktor aus dem Verkehr gezogen wurde, aber hast Du vielleicht schon mal daran gedacht, daß da ein unendlich trauriges Enkelkind seinen über alles geliebten Großvater verloren haben könnte? Du bedauerst die jungen Leute von der 11. Klasse, die den langweiligen Unterricht von Ipotter ertragen müssen, aber warum leidest Du nicht mit Stefan, der die gelangweilten Gesichter der Schülerinnen und Schüler ertragen muß? Du mokierst Dich hier darüber, daß das Wort Leichenschmaus wörtlich genommen wurde, aber denkst Du eigentlich auch an die Vegetarier, die jenen Happen nicht genießen durften, weil alle geglaubt hatten, daß es sich um Tierfleisch handelte? Was erlaubst Du Dir eigentlich? Liest hier so eine kranke Geschichte und erwartest wohl auch noch Ernsthaftigkeit, Logik, Sinn und Verstand? Blätterst hier durch das Werk eines Irren und erlaubst mir nicht mich zu irren oder einmal mehr geistig zu verirren. Es zwingt Dich doch niemand, diese Scheiße hier zu lesen. Komm schon, wirf diese Blätter in den Papierkorb und widme Dich wichtigeren Dingen! Ich kann auch ohne Dich leben!

    So, das war also jetzt etwas, das sich jede Autorin und jeder Autor im Grunde des eigenen Herzens wünscht, doch niemand traut es sich: Leser/in beschimpfen. Glaub mir, es ist toll, Dich so frontal anzugehen, denn Du kannst Dich nicht wehren. Klar, Du kannst jetzt aufhören zu lesen, aber mal ehrlich: Wir wissen doch Beide, daß Du das nicht tust, sonst wärst Du nicht an dieser Stelle hier angelangt. In Wirklichkeit wollen wir Beide überhaupt nicht wissen, wie diese Geschichte weitergeht. Ist ja auch egal, ob Hilde Menz endlich einen Freund kriegt und ob ihre Mutter Werbung für Brauereien machen wird. Spielt auch keine Rolle, ob Herr Ipotter endlich eine Frau findet, die ihn nicht mit Fesseln am Bett festbindet. Ich muß Dich enttäuschen, denn dieses Buch hier ist die Ausgeburt des Schwachsinns. Diese Geschichte, die eben erst begonnen hat, ist nur eine von vielen und zum Schluß wird die ganze Scheiße auch noch kräftig durcheinander gerührt, Du kannst Dich also noch auf jede Menge Irrsinn gefaßt machen. Also, werte Leserin, geschätzter Leser, überlege Dir

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