Kommissar Herbst und der Rüde Rüdiger
Von Waldemar Paulsen
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Buchvorschau
Kommissar Herbst und der Rüde Rüdiger - Waldemar Paulsen
[Titel] - ggf. raus
Waldemar Paulsen
Kommissar Herbst
und der Rüde Rüdiger
Ein St. Pauli-Krimi
[Klappentext] - ggf. raus
St. Pauli 1975
Das einträgliche Geschäft mit Lust und Laster hat in diesem Jahrzehnt Hochkonjunktur.
Der Autor hat zum dritten Mal den sachlichen, unaufgeregten Kommissar Max Herbst mit maßgeblicher Unterstützung seines neuen Praktikanten zur Lösung eines Tötungsdelikts im Rotlichtmilieu eingesetzt. Die Spur führt zu dem agierenden Zuhälterkartell, das es sich zu eigen macht, die Rentenkasse durch Schutzgelderpressung aufzufüllen.
Nach zwei Misserfolgen mit den vorherigen Praktikanten handelt es sich bei dem Neuen nunmehr um Rüdiger; dem Boxer- Rüden Rüdiger, den Herbst von einer verflossenen Liebe übernommen hat.
Zwischen Kommissar Herbst und seinem Dienststellenleiter kommt es häufiger zu Kontroversen.
Die Gedanken und Handlungen des Herbst s bezüglich seiner kriminalistischen Arbeit sind real geschildert und keinesfalls überzogen oder unrealistisch., denn der Autor war dabei. Die Handlung zeigt Ereignisse, die sich so ähnlich zugetragen haben könnten…
Der Roman liest sich in drei Sprachen: Im St. Pauli- Duktus, im Polizeideutsch und im Volksmund wie Martin Luther ihn beschrieb:
Schauet dem Volke auf s Maul…
Motto
Entweder sie erwischen dich oder du sie,
eine Pausentaste dazwischen gibt es nicht.
Ist halt das Spiel, das Gesetz auf St. Pauli
Kapitel 1
Er fuhr seit Nächten immer und immer wieder bei beginnender Dunkelheit in dieser lauen Sommernacht am Montag, dem 18. August 1975, mit einem knallgelben, klapprigen VW-Polo durch die Straßen St. Paulis und nicht wie gewohnt, mit seinem ganzen Stolz, dem frisch vom Band gerollten Mercedes 560 SEL in silbermetallic. Über die Davidstraße, an der Polizeistation vorbei, bog er in die Friedrichstraße ein und am Hans-Albers-Platz nach links in die Gerhardstraße in Richtung Erichstraße, als er ihn endlich sah:
Eier-Otto, diesen üblen Luden, den Baracken-Elvis, dieser Schmock, der sich angeregt mit einer Animierdame des Cabarets „Reitstall" unterhielt. Seine Motorik ließ deutlich erkennen, dass er merklich betrunken war. Er wankte von rechts nach links, hielt sich zwischendurch immer wieder mal an dem an der Hausmauer befestigten Zigarettenautomaten fest, während er die Frau zutextete.
Er dibberte und dibberte unaufhörlich in einer Lautstärke, dass diverse Passanten ihr Augenmerk auf diese beiden Personen richteten.
Der Fahrer drehte den Kopf nach links, um von Eier- Otto nicht erkannt zu werden, obwohl er zwecks Tarnung eine flachsblonde Mini-Pli- Perücke trug und sich einen hellblonden Schnurrbart unter die Nase geklebt hatte. Sicher ist sicher, dachte er. Dann parkte er den Polo direkt am Fahrbahnrand neben die Hofeinfahrt von Puff- Uwe` s Bordell. Es war eine Gegend, die rundherum vom Sozialen Wohnungsbau der Jahrhundertwende geprägt war. Die Fensterscheiben bestanden aus dünnem Einscheibenglas.
Im frostigen Winter leckten die alternden Prostituierten in den Koberfenstern bei Langeweile die Eisblumen von den Scheiben.
Langsamen Schrittes ging er einmal um den Block und über die Herbertstraße wieder zurück in die Gerhardstraße, wo er einen Moment innehielt. Er stellte sich an die Ecke und peilte die Lage. Eier-Otto verabschiedete sich lautstark gestikulierend von der Animierdame und ruderte steifbeinig im Zickzackkurs mit ausgebreiteten Armen in Richtung des geparkten gelben Polos.
Nachdem die Animierdame wieder im „Reitstall" verschwunden war, folgte der Polo-Fahrer dem trunkenen Eier-Otto, während er noch einen flüchtigen Blick auf seine Rolex mit Brillantkranz warf. Das Zeiteisen war sein ganzer Stolz. Er hatte es einem Hehler für sechs Riesen abgeschwatzt; natürlich mit Zertifikat. Das Schmuckstück war nicht in der Sachfahndungsdatei des Polizeicomputers gelistet, hatte ein Streifenbeamter des Nachbarreviers ihm gesteckt. Dieser hatte sich den Dienst mit einem halben Riesen verdient gemacht. 500 waren nun auch mal Strom, der nicht zu verachten war.
Um 23:30 Uhr versuchte Eier-Otto in Höhe des geparkten Polos` s auf dem Gehweg geradeaus zu gehen.
Er benutzte die gesamte Breite des Weges und erinnerte an einen Seemann, der sich bei Windstärke acht mühsam bemühte, auf einem Schiffsdeck vom Heck Richtung Bug zu gehen.
Durch das flackernde Licht einer Straßenlaterne konnte der verfolgende Fahrer des Polo s die Konturen Eier-Ottos deutlich erkennen. Er warf einen hastigen Blick zu beiden Seiten der Erichstraße, die zu dieser Uhrzeit am Montag nicht mehr so stark von Freiern frequentiert wurde.
Aus Richtung Davidstraße kam ein torkelndes Pärchen, dass gerade in Höhe seines Polo s wankte. Der Polo- Fahrer sah die dreckigen Gesichter des Paares. Die schattigen Augen, die eingefallenen Wangen. Die Haut war zerfurcht, die Zähne nur noch Rudimente eines einstmals vollständigen Gebisses. Die braunen Augen der Frau blickten aus tiefen Höhlen. Die körperlichen Entzugserscheinungen waren deutlich zu erkennen. Sie krampften und zuckten wie Alkoholiker, zeigten deutliche Wesenszüge, als wenn die Weiße Dame, Kokain und Heroin, sie besucht hätte. Der Kopf des Mannes kippte immer wieder nach unten, als wenn er jeweils einen Schalter umgelegt hatte. Es war wohl das dumpfe Gefühl der Ausweglosigkeit. Häufig war die Habe weniger, als in den Rucksack passte, weil Drogen mit Obdachlosigkeit einhergingen.
Der Polo- Fahrer reunte weiter die Hausfassaden der Erichstraße ab. Die Koberfenster von Puff- Uwe s Bordell waren unbesetzt, Die Dirnen schienen allesamt beschäftigt zu sein. Ihm war schon bewusst, dass er so unangenehm wie eine Cobra sein konnte. Einen Moment hielt er inne, bis die Drogenkonsumenten Eier- Otto passiert hatten und weiter in Richtung Balduinstraße getorkelt waren.
Er zielte auf den Schädel von Eier-Otto und krümmte mit dem rechten Zeigefinger den Abzugshebel der Pistole durch, die einen aufgeschraubten Schalldämpfer besaß. Bevor das Geschoß die Pistole mit einem leisen plopp verließ, stolperte Eier- Otto einige Sekunden zuvor über eine abgesenkte Gehwegplatte und kam ins Straucheln.
Otto spürte einen heftigen Schlag an den linken Oberarm; hart und trocken, als wenn ihn ein scharfkantiger Stein getroffen hätte.
Er vernahm keinen Schmerz, während er sich schnaufend und prustend in den Innenhof von Puff-Uwe s Bordelleinheiten schleppte.
Eier- Otto keuchte stolpernd vorwärts, sein linker Arm fühlte sich wie gelähmt an. Warmes Blut tropfte nicht aus seinem Hemdsärmel, nein, es floss in Strömen den Arm hinunter und von dort auf das Hofpflaster. Er ließ sich, eine deutliche Blutspur hinter sich lassend, in einer dunklen Hausecke flach ins Gebüsch fallen. Otto war nicht mehr Herr seiner Sinne. Von Minute zu Minute verschwand alles wie hinter einer Nebelwand; wurde düster…
Der Schütze schien seine Spur verloren zu haben. Eier-Otto brach in Schweiß aus, fühlte sich verlorener denn je. Er dachte an die Reaktionen, während ihn die Wut packte.
Also schön, ich habe verstanden. Mit der Partie ist es aus. Sie ist ja eine scharfe Braut, die Biggi. Ihre üppigen Brüste und dazu der knackige Arsch, wie reife Kokosnüsse. Alle diese Attribute hatten auf ihn wie eine Einladung gewirkt. Mollige bedeuten mehr Spielzeug, mehr Spaß, sinnierte er. Ich hatte gedacht, dass auch ein freundschaftliches Beisammensein Spaß machen würde.
Nein, ich wollte sie nicht abgraben, aber, wenn ich eines gelernt habe: Niemand schenkt dir etwas, du musst es dir einfach nehmen, ist leider so. Ein Irrtum meinerseits? war der widersprüchliche Gedanke von Otto, dessen Atem flacher wurde.
Seine Augenlider wurden schwer, er hatte Mühe, sie offen zu halten. Er ahnte Schreckliches, als zöge sich ein unsichtbares Netz immer enger um ihn zusammen.
Aus der Ferne tönte ein deutlich hörbares Signalhorn. Polizei, Feuerwehr oder Rettungswagen; er wusste es nicht?
Eier- Otto hörte kräftige, näherkommende, klackernde Absätze auf dem gepflasterten Innenhof, wühlte sich mit letzter Kraftanstrengung tiefer in das Gestrüpp, um sich zu verstecken, während der Schütze mehrmals in die Blutspur von Otto latschte. Der Geruch des Todes lag in der Luft…
Kapitel 2
Montag, 18.08.1975, 21:00 Uhr, Hamburg- St. Georg, Nobelbordell „Blauer Engel".
Es war die Erste und teuerste