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Die Stunde der Politiker: Corona - der Anfang vom Ende
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Die Stunde der Politiker: Corona - der Anfang vom Ende
eBook300 Seiten4 Stunden

Die Stunde der Politiker: Corona - der Anfang vom Ende

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Über dieses E-Book

Es ist der Sonntag vor Weihnachten 2020 als Peter, ein sechzigjähriger, ehemaliger Business Manager aus München, alleine mit einer Flasche Champagner zu Hause vor dem Kamin sitzt. Er versucht sich zurückzuerinnern, wie das alles begonnen hatte, fast genau vor einem Jahr. Damals, als dieses Corona Virus zum ersten Mal aufgetaucht war. Denn, wie viele Menschen, versucht auch Peter herauszufinden, warum sich das alles danach zu einer solchen Welle von noch nie dagewesenen Maßnahmen und Ereignissen entwickeln konnte. In deren Verlauf er innerhalb eines Jahres alles was er gewonnen, wieder verloren hatte. Und das war nicht wenig, denn er hatte Millionen gewonnen und vielleicht sogar die Liebe seines Lebens gefunden. Was sich aber in Rekordgeschwindigkeit, wie dieses ganze, global vernetzte Riesenuhrwerk der freien Marktwirtschaft, in seine kleinsten lokalen Zahnrädchen, einfach aufgelöst hatte. An dessen Ende Peter, wie die meisten Menschen arbeits-, und mittellos, entrechtet und enteignet, ungläubig zurückblickt. Auf dieses Schauspiel, wie diese ganze Welt, wie er sie kannte, einfach wie ein Kartenhaus in sich zusammengebrochen war. Inszeniert und dirigiert von den Zauberlehrlingsstöcken der hunderttausenden Politiker dieser Welt, die durch dieses Virus die Macht und Aufmerksamkeit widererlangten, die sie längst verloren geglaubt hatten. Dabei beschäftigt ihn nicht so sehr die Frage nach dem "Wie", sondern hauptsächlich "Warum" das alles passiert war. Und er findet nicht zuletzt durch Sonja einige überraschende Antworten.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum15. Mai 2020
ISBN9783750237230
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    Buchvorschau

    Die Stunde der Politiker - Michael Kern

    Die Stunde der Politiker Corona – der Anfang vom Ende

    Die Stunde der Politiker

    Corona – der Anfang vom Ende

    Michael Kern

    Dies ist eine fiktive Erzählung aus einer erdachten Zukunft. So sind auch sämtliche Handlungen und Zitate teils bekannter Personen in dieser Geschichte frei erfunden.

    Das Spannende am Ende ist sein Anfang

    Das Spannende am Ende ist sein Anfang

    So saß auch Peter da, zu Hause, an seinem Schreibtisch. An diesem Sonntag, dem 20. Dezember, kurz vor einem denkwürdigen Weihnachten 2020. Welches wahrscheinlich nicht nur er für lange Zeit nicht mehr vergessen würde. Um eben zu ergründen, warum und wie es zu all dem gekommen war, was diese Weihnacht jetzt zu einer derart außergewöhnlichen Zeit gemacht hatte; im Vergleich zu allen anderen, die er bis jetzt erlebt hatte. Peter versuchte, wie wahrscheinlich viele andere, sich daran zu erinnern, wann und wie das alles angefangen hatte – ja richtig, damals fast auf den Tag genau vor einem Jahr …

    Er füllte sein Glas mit dem Champagner der halbvollen Flasche aus dem Sektkühler auf und ließ sich, schwer und ermattet von den Erinnerungen, in seinen Stuhl fallen, um sich zum Anfang zurück zu versetzen, zu den Ereignissen, die passiert waren, als alles so harmlos begonnen hatte …

    Eigentlich waren sie ja schon so gut wie weg vom Fenster gewesen – also von der ersten Reihe zumindest. Ihre Bedeutung hatte in den letzten dreißig bis fünfzig Jahren Schritt für Schritt immer weiter abgenommen, genauso wie ihr Image. Natürlich waren sie noch immer permanent im Fernsehen und in den Nachrichten zu sehen und zu hören, und es wurde auch sicherlich noch vielerorts, so wie immer, von vielen Menschen über sie gesprochen. Aber es war nicht mehr so wie bis noch zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, wo alles eng verbunden war mit der existenziellen Lage des Einzelnen. Früher war es bedeutsam, ob man in Deutschland, Ungarn, Schweden oder Griechenland lebte, in welchem Nationalstaat und unter welchen politischen Führern. Heute beeinflusste das nicht einmal mehr die Entwicklung der Welt im Allgemeinen.

    Es waren ja hauptsächlich die Älteren, die sich noch intensiv über sie unterhielten und ihre Veranstaltungen besuchten, sowie ein Teil der Beamten, einige Aktivisten und Arbeitslose. Oder auch Randgruppen und Minderheiten, die sich noch Hilfe von ihnen erhofften, einem letzten Strohhalm gleich. Den Berufstätigen, egal in welchem Land, fehlte dazu meist die Zeit, weil sie entweder zwei bis drei Jobs brauchten, wenn sie – warum auch immer – einfacher bewertete Tätigkeiten verrichteten. Andererseits, wenn sie das Glück hatten, zur Creme der weitaus Überbezahlten zu gehören, jetteten sie um die Welt, hetzten von Termin zu Termin. Völlig unerheblich, ob beruflich oder privat. So viel Geld wollte verwaltet, abgesichert, international zu niedrigsten Zinsen, bei höchster Wertsteigerung angelegt sein, um so luxuriös wie möglich zwischen Zermatt und den Seychellen verbraucht zu werden. Was nicht immer einfach war, denn die Politiker konnten ihnen, auch wenn sie sie noch so sehr an diesem Schauspiel beteiligten, meist nicht wirklich dabei helfen – zumindest nicht offiziell. 

    Und die Jungen? Na gut, die ganz Jungen, also so bis zum Ende ihrer Schulzeit, waren zum Großteil noch nie wirklich an Politik interessiert gewesen. Sie mussten sich um die Feierlichkeiten zu ihrem sechzehnten Geburtstag kümmern. Sie hatten genug Probleme mit ihrer sexuellen Entwicklung und den sich daraus ergebenden Verstrickungen. Außerdem mussten sie sich über alles für ihre Altersgruppe Wichtige permanent am Laufenden halten, um ja überall ganz vorne dabei sein zu können. Genauso wie das für alle jungen Menschen nach der Schule oberste Priorität hatte. Denn sie galten immerhin als die Gestalter ihrer Zukunft. Dabei konnten ihnen die politischen Parteien und deren Politiker schon seit Langem weder helfen noch als Vorbilder irgendwelche Führungsfunktionen erfüllen. Nicht einmal in der opportunistischen Art und Weise, die seit Jahrtausenden in allen Kulturen gang und gäbe war. Junge Menschen im Erwachsenwerden hatten sich gerade gegen ihre politischen Führer aufgelehnt, um sich im Kampf mit ihnen und ihren Ansichten zu messen. Je nachdem, in welcher Welle sie sich gerade befanden. Also: Wenn die Politik, das Establishment, die Alten zur Zurückhaltung, zum Rückzug in die biedere Häuslichkeit riefen, dann wollten die Jungen den offenen Kampf, um die Welt zu erobern. Wie auch umgekehrt, wenn die Politiker zu Aufbruch und Aktion mahnten. Denn dann forderten die Jungen erst mal detaillierte, intellektuelle Aufklärung und Besinnlichkeit beziehungsweise flüchteten sie sich verträumt in romantische Welten.

    Oder aber, wie seit der Erfindung mobiler Telefone und der massenhaften Darstellung jeglicher Geschehnisse auf allen Arten von Bildschirmen, lebten und agierten sie seither hauptsächlich in all ihren Bildern und Stories. Auf ihren Displays, die sie mittlerweile überallhin, von morgens aufstehen, zum Pinkeln in die Toilette, den ganzen Tag über auch beim Essen, beim Geschlechtsverkehr und beim Arbeiten, bis mit zum Einschlafen – begleiteten. Ohne Pause, außer vielleicht während des Duschens oder zum täglichen kurzen Aufladen. Sie wurden wie Zombies magisch von ihnen geführt, und von den „Messages, die diese elektronischen Wundergeräte ihnen pausenlos sandten. Sie glaubten immer stärker an diese neuen Führer, die ihnen ja zweifelsohne durch die millionenhafte Bestätigung von   „Likes ganz klare Botschaften in einfacher, einprägsamer Form von maximal zweihundert Zeichen schickten. Für die ganze Wahrheit gabs ja dann die uneingeschränkte Möglichkeit, den auch noch so größten Schwachsinn, je nach Intellekt, selbst für den größten Vollidioten aufzubereiten. Um das in abenteuerlichsten Videobotschaften aller Art auf      YouTube ungehindert in die immer „aufgeweichteren Gehirne, der immer größeren Schar der „Displaygeschädigten einzutrichtern.

    Und die Politiker? Ja, die spielten schon mit in diesem Theater, aber eben mehr so auf der Stufe von Promis aller Art und Couleur. Genauso wurden sie auch in den Medien dargestellt. OK, vielleicht nicht so sehr in den Nachrichtensendungen der gesetzlichen Sender, doch wer guckte die in normalen Zeiten schon, außer den braven Oberspießern. Selbst die schalteten danach nur allzu gerne auch mal auf die „Privaten um. Sodass sich nach einiger Zeit dann die Botschaften vom braven Olaf oder dem neuen Outfit von „der Mutti, auf einer Ebene mit den knackigen Ansagen vom Dieter, dem knappen Auftritt von der Daniela und den hochintellektuellen Texten vom Alpenhansi mischten. Wie auch in den Zeitungen die neueste Schlagzeile: „Pocher schlägt Wendler doppelt so dick und viel weiter vorne war als: „Spahn schlägt Erhöhungen für rezeptpflichtige Arzneimittel vor.

    Für die Comedians und Kabarettisten dienten sie natürlich teilweise als Vorgaben für die zu pointierenden Figuren in ihren Parodien. Selbst diese Art der Vorstellung nahm aber an Anzahl und Prestige, wie ebenso an Sendezeit, immer weiter ab. Auch hier waren ausufernde Sendungen mit ständig wachsender Zahl von C-Promis (das sind Leute, die wirklich gar nichts können und sich damit profilneurotisch überall permanent zur Schau stellen) fast schon omnipräsent. Nun gut, vielleicht bot das Fernsehen einmal pro Woche auf einem weniger populären Sender oder im Zweiten, irgendwann nach zweiundzwanzig Uhr, mal für eine Stunde gesellschaftspolitisches Cabaret an, in dem auch die Politiker eine gewisse Rolle spielten. Das musste aber wirklich genügen. Letzteres kam aber natürlich nicht einmal annähernd an die Quoten der täglichen TV-Highlights heran; täglich mindestens drei Stunden zur besten Sendezeit, irgendwelchen C-Promis beim Kakerlakenmampfen beizuwohnen, oder eine halb nackte Blondine bei ihrer aufsehenerregenden Auswahl nach dem perfekten Männerarsch, per Online-Voting zu unterstützen.

    Ja, es war schon wirklich hart für den „Fern-Seher sich zu entscheiden, ob man den Bauern bei seiner Auswahl der richtigen Frau beobachten sollte. Ein gesellschaftlich äußerst wichtiges Thema, wenn man sich morgens im Büro mit den Kollegen über Allgemeines unterhalten wollte; oder ob man bei der bösen Heidi mitfiebern durfte, welche der dürren Kleiderstangenzicken am Ende von fünf Stunden nervtötenden Schwachsinns heute kein Foto von der weltwichtigsten Kreischhexe bekam. Dagegen war das einzige, noch einigermaßen präsentable Format für gewisse Politiker, also die bekannten, medientauglichen eben, denn die SPD Vorsitzenden mit Doppelnamen erfüllten beide Kriterien nicht, die Talkshows. Wo sie von wirklich wichtigen, äußerst bekannten Starmoderatoren hin und wieder gezielt eingeladen wurden, um zu aktuellen Themen möglichst respektlos befragt beziehungsweise vorgeführt zu werden. So zum Beispiel: „Ist die Sozialdemokratie noch gesellschaftsfähig? Oder: „Ist die Politik noch Herr der Lage?" etc.

    Aber was hätten sie auch tun können, die Herren und Damen Politiker? In Zeiten der weltumspannenden Globalisierung, der Globalisierung von Geld und Wirtschaft; der fortschreitenden Globalisierung von Mode, Verhalten, Handeln, Festen? Zum Beispiel, feierten immer mehr Deutsche Thanksgiving. Warum? Die meisten wussten noch nicht einmal, weshalb dieser amerikanische Feiertag gefeiert wurde. Nur eben, dass man dabei alle Arten von amerikanischen Accessoires zur Schau stellte und Truthähne verspeiste. Immer mehr Asiaten feierten Weihnachten, obwohl sie keine Christen waren und damit auch nichts am Hut hatten! Ja nicht einmal die ursprünglichsten Bräuche blieben einem Land und seiner Bevölkerung manchmal noch erhalten, oder alleine und ursprünglich vorbehalten. Denn, worüber verfügten der Staat und seine Politiker noch? Außer wie seit Ewigem und wie in jedem Staat immer das Gleiche: Natürlich viel zu viel Geld durch viel zu hohe Steuern, für viel zu wenig Leistung! Grund und Boden? Kaufte man sich auf dem Immobilienmarkt und bei den Banken! Züge, Straßen, Post, Strom, etc.? Alles entweder schon privatisiert oder kurz davor! War es wichtig, ob man in diesem oder jenem Land wohnte? Sah man sich nicht längst sehnsüchtig den Globus an und überlegte, wohin man in ein paar Jahren in der Rente auswandern sollte? War man als Student überhaupt noch vermittelbar, wenn man nicht zumindest ein Auslandssemester absolviert hatte? Verdiente man als Arzt oder Ingenieur nicht gerade in diesem oder jenem Land so viel mehr, dass man dahin einfach auswandern sollte wie so viele? Hatte nicht sogar der Minister gesagt, man dürfe sich nicht mehr nur auf den Staat und seine gesetzliche Rente verlassen? War nicht die Entwicklung der Aktienkurse der internationalen Börsenkonzerne wichtiger für den persönlichen Wohlstand als das Bruttosozialprodukt des eigenen Staates? Inwieweit war BMW noch ein deutsches Unternehmen? Oder hing auch GM nicht schon weit mehr vom chinesischen Markt ab als vom Amerikanischen?

    Ja, die Grenzen waren fast grenzenlos und weltumspannend offen für Waren und Menschen jeglicher Art. Verbunden einzig und allein durch das neue Hauptprodukt Informationen. Diese bestimmten, unfassbar von jeglichen Politikern oder Institutionen, digital von Google aufbereitet, mittels Microsoft auf den Geräten von Apple und Samsung implementiert, Form und Takt des Geschehens aller Menschen weltweit. Siemens wollte nicht länger Kühlschränke und Kaffeemaschinen bauen. Mit Stahlverarbeitung verdiente man schon lange kein Geld mehr. Die nationalen Währungen, die vertrauten Münzen und Scheine des klassischen Geldes, standen auch schon kurz vor dem Aus. Die letzten arbeitenden Menschen sollten von Industrie 4.0 abgelöst werden. Und die Intelligenz stand gar vor dem unbegrenzten Durchbruch zur Künstlichkeit. Wofür konnte man, sollte man bei diesem gigantischen Schauspiel irgendwelche Staaten oder Politiker brauchen?!

    Aber dann kam „Das Virus" und mit ihm die Stunde der Politiker.

    Das hatte aber auch Peter, der eigentlich über eine sehr scharfe Beobachtungsgabe verfügte, erst viel später begriffen …

    Advent, Advent die Lunte brennt…

    … und tut sie das zur Weihnachtszeit, hört keiner hin, weil bis zur Bombe ist’s noch weit …

    Peter war als Ingenieur und weltoffener, da international erfahrener Business Manager, der sich regelmäßig über die jeweiligen Nachrichten der Länder informierte, mit denen er täglich geschäftlich rund um den Globus zu tun hatte, nicht nur über das tägliche Weltgeschehen gut informiert. Er verfügte auch über ein recht umfangreiches Allgemeinwissen sowie eine gute Beobachtungs- und Kombinationsgabe.

    Will heißen, dass Peter als studierter Metallurge und Kaufmann nicht nur über einen hohen Bildungsstandard verfügte, sondern dass er auch privat, und in seinem beruflichen Werdegang, immer größten Wert auf eine möglichst breite Offenheit in seinem Denken und Handeln gelegt hatte. Deshalb war er ein sehr widersprüchlicher Mensch, was auch sein recht unsteter, aber ebenso erfahrungsreicher Lebenslauf dokumentierte. Beruflich hatte er sich aber bis Weihnachten letzten Jahres, nach allen bisher durchlebten Höhen und Tiefen, relativ sicher gefühlt. So kurz vor seinem sechzigsten Geburtstag, wo er schon auf das in greifbare Nähe rettende Ufer des sicheren Hafens der Pensionierung schielen durfte. Privat fühlte er sich am Beginn seiner letzten Lebensphase, alleinstehend, nach zwei gescheiterten Ehen, doch manchmal ziemlich einsam. Zu seinen nicht nur örtlich weit entfernt lebenden Söhnen pflegte er einen eher dürftigen Kontakt. Die meisten seiner nicht unerheblichen Anzahl an Kontakten waren jedoch größtenteils auf seinen Beruf zurückzuführen und damit relativ oberflächlich und vor allem endlich.

    Den intensivsten Austausch pflegte er, seit dem Tod der Eltern vor fast zehn Jahren, zu seiner Schwester Dora, die noch immer in Kratstein lebte. Sie war mit ihrer Familie, deren Freunden und dem engeren Umfeld das Letzte und Einzige, was ihm, wie durch eine Verbindung mit einer unsichtbaren Nabelschnur an seine Heimat, noch ein Gefühl von zu Hause geben konnte. Sie war als Pflegedienstleiterin im dortigen Seniorenstift tätig. Ihr Mann Herbert war der örtliche Polizeihauptmann. Sie hatten zwei Töchter und alles andere, was sonst noch zu einem durchschnittlichen, anständigen Leben, wie er es von seiner Kindheit her gekannt hatte, gehörte. Er fuhr gerne zu ihnen nach Österreich. Er fühlte sich dort mehr als Familienmitglied und zu Hause als irgendwo sonst. Aber er reiste genauso gern nach ein paar Tagen wieder ab nach München, Frankfurt oder Braunschweig, wo auch immer er sonst gerade seinen Wohnort hatte oder geschäftlich bedingt hinmusste.

    Er lebte still und redlich, sein Geld verdienend, zwar relativ gefahrlos und ohne besondere Höhen und Tiefen, aber doch auch relativ inhaltsleer und nichtssagend, so vor sich hin. Immer im gleichen Trott bereitete ihm das Arbeiten wenig Mühe, da es in seinem Alter von einer wohltuenden Routine bestimmt wurde. Jedoch brachte sein Job auch keine neuen Motivationsschübe mehr, da er ziemlich perspektivenlos schon auf die Rente guckte. Oder er war wie meistens irgendwo auf der Welt unterwegs auf Dienstreise. Das hieß im Klartext: stundenlanges Herumhocken in Lounges auf irgendwelchen Flughäfen, Abendessen mit Kollegen und Kunden, an guten Tagen ein Buch lesen in einer Hotelbar. Falls er doch wieder einmal zu Hause war, brachte er seine Sachen in Ordnung, traf sich endlich wieder einmal mit Freunden und ging vielleicht mal auf einen Berg. Oder er plante eine Radtour in den Biergarten, ein Wochenende an die See oder eine Skitour im Winter; wie nach Griechenland in eine schöne Bucht für zwei Wochen im Frühsommer oder Herbst, um die Seele dort einfach baumeln zu lassen.

    Mit Frauen war, abgesehen von kurzzeitigen Affären mit gelegentlichen oder auch regelmäßigen Treffen, wenn es sich beiderseitig einrichten ließ, seit Jahren nichts Ernstes mehr dabei gewesen. Das war den Frauen, die Peter dabei kennengelernt hatte, offensichtlich genauso wenig wert und ausreichend wie ihm. Für höhere Ziele hatte man in seinen Kreisen für gewöhnlich kein wirkliches Bedürfnis mehr. So wie man auch weder den Willen noch den Aufwand aufbringen mochte, seine Angewohnheiten noch einmal nach irgendjemand anderem als sich selbst auszurichten. Man wollte auch kein Risiko mehr eingehen. Außerdem wusste man in diesem Alter nach all den Enttäuschungen schon zu viel und erahnte schon im Anfang all das Negative, das einen in Zukunft erwartete. Man war zufrieden mit einem schönen Abend, mit einem einigermaßen zufriedenstellenden sexuellen Erlebnis. Das höchste der Gefühle, das man sich erlaubte, war mal ein verlängertes Wochenende am Gardasee oder ein paar Tage zum Skilaufen. Erfüllt war dieses Leben zwar nicht unbedingt, aber es war praktisch und vor allem funktionierte es relativ reibungslos und gut. Deshalb war Peter doch einigermaßen zufrieden damit, was er erreicht und wie er sich alles so eingerichtet hatte. Denn auch ihm würde die Endlichkeit und Bedrohung dieser Existenz, wie vielen Menschen, wohl nur in Zeiten von lebensbedrohlichen Krisen, eindrucksvoll bewusst werden.

    Aber welche Krisen? Wo man doch alles so gut abgesichert hatte! Trotz oder wegen der geschäftlichen Sauferei und Fresserei, hatte Peter meistens sogar seine Laufschuhe dabei, um auf Dienstreisen im Hotel immer mal wieder wenigstens für eine Stunde aufs Laufband zu gehen. Er absolvierte sogar regelmäßig ganz ordentlich seine Vorsorgeuntersuchung. Was sollte da schon lebensbedrohlich werden können?

    Das schien ja so unmöglich, so unvorstellbar und weit weg zu sein, bis letztes Jahr zu Weihnachten. Ja, wer hätte sich das letzte Weihnachten vor einem Jahr auch in seinen kühnsten Träumen so dramatisch ausmalen können?! Der Dow Jones stand wie fast alle Börsenindizes auf Höchststand. Die Leute kauften wie verrückt für die bevorstehenden Feiertage ein. Alle Kreuzfahrschiffe, die Skigebiete und Restaurants waren über den Jahreswechsel ausgebucht. Der Winter war wieder mal viel zu warm, aber die Umweltaktivisten nervten seit Monaten mit ihren Protesten, weswegen auch die meisten Feuerwerke abgesagt waren. Australien hätte eigentlich ohnehin keines gebraucht, weil der halbe Kontinent seit Tagen brannte. Die Engländer hatten die Schnauze voll von dem Zirkus um den Brexit, deshalb sollte der wilde Boris jetzt endlich einen Schlussstrich darunter machen. Die Demokraten wollten in Amerika wirklich dem Präsidenten mit einem Impeachment ans Bein pinkeln. Einige Experten warnten vor einem neuen Börsencrash a la 2008. Der Siegeszug der Elektromobilität stand vor dem Durchbruch, auch wenn es niemand kümmerte, wo das ganze Lithium und Kobalt dafür herkommen sollte.

    Und in China war in irgendeiner nordöstlichen Provinz irgendein neuer Virus aufgetreten, an dem sogar schon einige gestorben waren. Natürlich waren die Presse und sämtliche Nachrichtendienste weltweit auf diese Sensation aufgesprungen. Es gab mittlerweile die wüstesten Verschwörungstheorien und Geschichten darüber. Die wildeste hatte Dora an Weihnachten, welches Peter wie immer selbstverständlich bei ihnen in Österreich verbracht hatte, erzählt. Sie hatte die Geschichte natürlich von Elena, ihrer Heimleiterin, und wohl auch besten Freundin. Die beiden verbrachten ja, wie Herbert, ihr Mann, auch immer wieder feststellte, mehr Zeit miteinander als mit ihren Männern. Aber es lag nicht nur an der gemeinsamen Zeit, die sie durch ihre enge Zusammenarbeit im Seniorenzentrum so zusammengeschweißt hatte, sondern auch an ihrer gleichen Auffassung von Hingabe und Professionalität, mit der sie das Heim führten. Dadurch waren sie im Laufe der Jahre zu wirklich mehr als nur Freunden geworden. Da Elena ursprünglich aus Weißrussland stammte, wo sie noch immer Kontakt zu früheren Freunden pflegte, war sie natürlich immer bestens über die russischen und weißrussischen Nachrichten informiert. Und als frühere Medizinerin – sie konnte zu ihrem Leidwesen ihr Studium damals nach dem politischen Umbruch nicht beenden – informierte sie sich gerne aus dem Internet über alles Interessante von russischen Ärzten und Wissenschaftlern. So gelangte sie zu dieser abenteuerlichen Verschwörungstheorie, dass dieses Virus, das natürlich aus einem geheimen Labor für chemische Kampfstoffe stammte, von ausländischen Agenten gezielt in China platziert worden war, um deren Wirtschaftsmacht endlich mal wieder zurückzustutzen. Aber warum dann irgendeine Stadt in Hubei? In Peking und Schanghai war offensichtlich noch alles in Ordnung, und in den Wirtschaftshochburgen in Guangzhou und Shenzhen lief alles wie immer auf Hochtouren.

    Andere Gerüchte kramten wieder einmal die alten Geschichten von Schweine- und Vogelgrippe aus. Auch den gewohnten Vorwurf, dass die Chinesen ja bekannt dafür waren, alles, was sich irgendwie bewegte, auch zu essen, und das in hygienisch ekelerregendster Weise. Anders als wir zivilisierten Europäer und Amerikaner, die das hormon-hochgezüchteste Rindfleisch nur nach intensivster Nitratbehandlung, bei absolut pinkroter Farbe, blutlos und sauber, direkt aus der Plastikfolie verspeisten. So behauptete eine ganz wüste Story, dass die Entstehung des Virus auf eine ganz widerliche lokale Spezialität in dieser nordwestlichen Provinz von China zurückzuführen wäre, bei der frisches Fledermausblut zur Geschmacksverfeinerung über ein Gericht gegossen wurde. Ja, der menschlichen Fantasie sind bei nichts irgendwelche Grenzen gesetzt.

    Das war auch Peter völlig klar, besonders in diesem Fall. Denn Peter liebte chinesisches Essen. Also nicht das, was in Deutschland in chinesischen Restaurants meistens in dieser klebrigen, süßsauren Soße serviert wurde. Nein, es war die enorme Vielfalt all dessen, was er bei seinen zahlreichen geschäftlichen Tätigkeiten aus den unterschiedlichen Regionen Chinas, in den vielen Restaurants, in denen er mit seinen ortskundigen Kollegen von Hongkong und Shenzhen, bis nach Shenyang und Changchun verkehrte, kennengelernt hatte. Er war seit über 20 Jahren sehr oft, manchmal auch für längere Zeit, in den verschiedensten Regionen Chinas unterwegs. Vor einigen Jahren hatte er es sich ernsthaft überlegt, ob er nicht zumindest für einige Jahre nach China zum Arbeiten umziehen sollte. Er hatte einmal sogar eine Freundin in Schanghai gehabt und viele Bekannte dort, meistens aus seinem beruflichen Umfeld. Vor allem das Nachtleben, das reichhaltige Angebot an verschiedensten Lokalen und der freundschaftliche Umgang mit seinen chinesischen Kollegen und Freunden hatten es ihm angetan. Aber nach zwei bis drei Wochen hatte er immer genug davon, und er sehnte sich dann doch wieder nach einer Wanderung durch einen stillen herrlich duftenden Wald, nach einer Fahrradtour durch die Auenlandschaft entlang eines fröhlich gurgelnden Flusses oder einem ruhigen Mittagsschläfchen auf einer stillen, schönen Almwiese, wenn ihm zum Zirpen der Grillen die Augen langsam zufielen. Während er sich in Schanghai, in Shenyang oder sonst wo in China immer fragte, was er außer Weggehen, Essen und Trinken, Feiern, Karaoke und Shopping, anderes noch tun konnte oder sollte. Diese Aktivitäten waren im Wesentlichen die einzige Freizeitbeschäftigung dort, wofür aber neben den mindestens 60 bis 70 Stunden Arbeit pro Woche ohnehin kaum Zeit blieb.

    Doch selbst bei der Arbeit hatte er das Problem, dass sie ihn in China eigentlich nur als Metallurgen in der Entwicklung, der Fertigung oder in der Qualität haben wollten, nicht aber im Businessmanagement oder im Vertrieb, denn Chinesisch hatte er, auch wenn er sich bemüht hatte, doch nie lernen können. In der Fabrik oder in der Entwicklung wollte er aber nicht arbeiten, hatte er nie gewollt. Ihn hatten immer schon die theoretischen Eigenschaften und Vorgänge an den Metallen mehr interessiert als der direkte Umgang damit. Der Gestank und der Lärm erschienen ihm auf Dauer äußerst unangenehm. Deshalb war er schon recht früh nach Beendigung seines Studiums in seiner Berufsauswahl erst in die Entwicklung und dann ins Business Development und Management gegangen. Ihn interessierten vornehmlich die Theorie und die Zusammenhänge dahinter, was stets mit Zahlen und deren Kombination verbunden war. So hatte er sich sein Studium nicht zufällig mit der Arbeit in der Statistikabteilung einer großen Versicherungsgesellschaft verdient.

    Von da her rührte auch sein Verständnis für Zahlen, für die Bedeutung von Kennzahlen und seine Vorliebe, Vorgänge und Situationen anhand von Zahlen zu erfassen. Zahlen erzählten für ihn Geschichten, erklärten Vorgänge und machten Abläufe lebendig. Doch mit seinen fast 60 Jahren zählte er mit

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