Vom Glück des poetischen Lebens: Erinnerung an André du Bouchet, Yves Bonnefoy und Philippe Jaccottet
Von Wolfgang Matz
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Über dieses E-Book
André du Bouchet, Yves Bonnefoy und Philippe Jaccottet waren die letzten einer großen Generation der französischen Lyrik – als Dichter ganz verschieden, doch freundschaftlich eng verbunden und in gleicher Intensität der wirklichen Welt, der Erfahrung jedes einzelnen Tages zugewandt. Untrennbar vom Bild dieser drei Dichter ist deshalb auch die südfranzösische Landschaft zwischen der Drôme und der Haute-Provence, die ihnen gemeinsam war, die ihr Werk prägt und die auch dank ihrer Dichtung ein Land der Poesie bleibt.
Wolfgang Matz erinnert in seinem Essay aus langjähriger Vertrautheit als Leser und Übersetzer an drei einzigartige Dichter und ihr Werk, an die Fähigkeit der Poesie, auch das Leben desjenigen zu verändern, der mit ihr umgeht, an eine »Auffassung von Poesie«, nach der, in Philippe Jaccottets Worten, »die Arbeit des Schreibens und die Form des Lebens, die Art, wie man sich im Leben verhält, untrennbar miteinander verbunden sein müssen«.
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Rezensionen für Vom Glück des poetischen Lebens
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Buchvorschau
Vom Glück des poetischen Lebens - Wolfgang Matz
»Nur wahre Hände schreiben wahre Gedichte«, heißt es in einem Brief von Paul Celan: »Ich sehe keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Händedruck und Gedicht.« Dass die Poesie sich vom griechischen »poiesis« ableitet, vom Machen oder Schaffen, ist sicher korrekt, und doch ist Poesie nicht einfach nur Handwerk und nicht einmal nur Kunst. Philippe Jaccottet hat das ausgesprochen, als seine lebenslange »Auffassung von Poesie, nach der die Arbeit des Schreibens und die Form des Lebens, die Art, wie man sich im Leben verhält, untrennbar miteinander verbunden sein müssen«. War es das, was drei dennoch so unterschiedliche Dichter zusammengeführt hat? Und dann, mit allem Abstand, den viel Jüngeren zu ihnen, der zunächst nur jeden einzelnen las und gar nichts wusste von ihrer engen Bindung? Philippe Jaccottet und André du Bouchet begegnen sich 1948, du Bouchet und Yves Bonnefoy 1950, Jaccottet und Bonnefoy treffen einander 1953, in du Bouchets Pariser Wohnung. Nahe bleiben sie sich ein ganzes Leben lang im verbindenden Verständnis einer Poesie, die mehr hervorbringt als Bücher; die auch etwas verwirklichen soll wie ein poetisches Leben. Und das lässt sich fassen in einem Wort, für das es auf Deutsch keine eindeutige Entsprechung gibt: justesse. Angemessenheit, Richtigkeit, das Richtige, das Rechte, all das klingt mit und nicht zuletzt auch die Gerechtigkeit im Sinne eines gerechten Blicks auf jede gelebte Erfahrung, in der Arbeit an einem mot juste, einem richtigen, angemessenen, eben auch gerechten Wort, das diese Erfahrung aussprechen könnte, aussprechen in einem wahren Gedicht. 1966 gehören du Bouchet und Bonnefoy zu den Gründern von L’Éphémère; Celan, dessen Rede »Der Meridian« das erste Heft eröffnet, tritt 1968 in den Herausgeberkreis; Jaccottet ist dieser bedeutenden Zeitschrift aus der Ferne verbunden. In der programmatischen Ankündigung heißt es: »Am Ursprung von ›L’Éphémère‹ steht das Gefühl, es existiere eine Annäherung an das Wirkliche, für die das poetische Werk nichts ist als das Mittel. Mit anderen Worten: Man darf nicht dabei mitwirken, das Werk – Handeln, Überschreiten, Werden – zu reduzieren auf das Wesen eines Gegenstandes, in dem jenes Darüber-Hinaus verschwindet.« Die Begegnung mit den Dichtern und mit einem solchen Anspruch an die Poesie kann das Leben verändern, und sie verändert, wenn man versucht, ihren poetischen Werken in der eigenen Sprache eine neue Gestalt zu geben, ganz gewiss auch den Anspruch an das eigene Tun. Denn die Erinnerung sieht keinen prinzipiellen Unterschied mehr zwischen den Dichtern und ihrem Werk.
Durch einen Quittenbaumgarten
Erinnerung an André du Bouchet
Es ist bei einer Begegnung geblieben, die zweite, die bereits verabredet war, hat André du Bouchets Tod am 19. April 2001 verhindert. Davor und danach: Briefe, Telefongespräche, zwei Bücher nunmehr, die für uns mehr sind als nur Bücher. Und die unvergessliche Erinnerung an einen leuchtenden Nachmittag, an einen Mann von tiefer, ruhiger Herzlichkeit, an einen Ort, der an diesem Tag auch für uns etwas geworden ist wie einer der Orte der Poesie.
Lange Zeit hatte es nur den Dichter gegeben, diesen in Deutschland fast Unbekannten, und wenn jemand ihn dennoch kannte, dann durch Paul Celan, der 1968 einen einzigen Band von ihm übersetzt hat: Vakante Glut. Nur wenige wussten, dass er, umgekehrt, auch Paul Celan ins Französische übertrug, so wie 1967 die großen Hymnen für die von Philippe Jaccottet herausgegebene Hölderlin-Ausgabe in der Pléiade. Trotz Celans Vorstoß blieb André du Bouchet ein rätselhafter Dichter, mit seinen fragmentarischen Texten, in denen die Worte über die weiße Seite rollen wie Kieselsteine über den schroffen Abhang des Ventoux.
Der Berg,
die vom Tag getrunkene Erde, ohne
daß die Mauer sich regt.