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Deeskalieren bis in Grenzbereiche: Selbstbewusstsein, Selbstwirksamkeit, Grenzen im Umgang mit Konflikten, Aggression und Gewalt
Deeskalieren bis in Grenzbereiche: Selbstbewusstsein, Selbstwirksamkeit, Grenzen im Umgang mit Konflikten, Aggression und Gewalt
Deeskalieren bis in Grenzbereiche: Selbstbewusstsein, Selbstwirksamkeit, Grenzen im Umgang mit Konflikten, Aggression und Gewalt
eBook370 Seiten4 Stunden

Deeskalieren bis in Grenzbereiche: Selbstbewusstsein, Selbstwirksamkeit, Grenzen im Umgang mit Konflikten, Aggression und Gewalt

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Über dieses E-Book

Es ist eine Herausforderung, einen Weg in dem Labyrinth von persönlichen und zwischenmenschlichen Spannungen und negativen Emotionen, die mit Konflikten, Aggression und Gewalt einhergehen, zu finden. Dieses Buch ist ein Einblick in meine persönliche Reise durch diese komplexe Materie. Eine Reise, zu der ich motiviert wurde, weil ich einen differenzierten Zugang bevorzuge, jenseits des Ringens um Kontrolle und des Fokussierens auf die körperliche Sicherheit. Schlussendlich führte der Prozess zu Selbstsicherheit, Klarheit im Denken und Sehen als auch zu bewusstem Handeln in derartigen angespannten und turbulenten zwischenmenschlichen Dynamiken. Dieses ist die notwendige Basis, um eine sichere Atmosphäre zu kreieren, wodurch sich Menschen schneller von selbst beruhigen, aber auch um sich empathisch einzustellen, effektiv zu deeskalieren, Grenzen zu setzen und die allgemeine Sicherheit zu wahren.
Dieses Buch bietet theoretische Beschreibungen der typischen Wechselwirkungen in Beziehungen, der individuellen Motivationsgrundlagen und Einflussgrößen auf das Verhalten von Menschen, erläutert die Sensibilisierung für natürliche Ressourcen, wie Intuition und Leistungsfähigkeit, und zugängliche praktische Methoden und Techniken, die das selbstbewusste Deeskalieren bis in die Grenzbereiche (jeder einzelnen Person) ermöglicht.

Für eine praktische Kurzfassung mit einer konkreten Handlungsstruktur steht, für alle die sich das wünschen, das Buch "Aggression selbstbewusst meistern" zur Verfügung.

Die Inhalte sind:
- Aggression sowohl als kognitives Konstrukt als auch auf der Ebene der konkret wahrnehmbaren Phänomene
- Was ist für uns Menschen auf einer fundamentalen Ebene wichtig? Was motiviert uns zu unserem Verhalten?
- Der Unterschied zwischen adäquat abgestimmten Verhaltensweisen und Grenzüberschreitungen sowie Gewalt in Beziehungen
- Aggressionsformen und deren verschiedene Wirkungsmechanismen
- Individuelle und kontextuelle Einflussgrößen für das Entstehen von Konflikten, Aggression und Gewalt
- Wie man Stress als natürlich Ressource konstruktiv einsetzt, aber auch zügelt, falls Unachtsamkeit, Impulsivität und Hektik drohen überhand zu nehmen.
- Intuition für z.B. die Früherkennung nützen
- Haltungen in Beziehungen und wie wir diese flexibel zur Deeskalation und für das Wahren der Sicherheit anpassen (Der interpersonale Circumplex).
- Einen lösungsorientierten, deeskalierenden Gesprächsrahmen gestalten
- Die Aufarbeitung von belastenden Erfahrungen
- Selbstschutz
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum29. Nov. 2021
ISBN9783754358726
Deeskalieren bis in Grenzbereiche: Selbstbewusstsein, Selbstwirksamkeit, Grenzen im Umgang mit Konflikten, Aggression und Gewalt
Autor

Reinier Verbeek

Reinier Verbeek war beim niederländischen Bundesheer als Berufsmilitär und Unteroffizier einer Eliteeinheit, im Sicherheitsbereich und in psychosozialen Einrichtungen tätig. Seit mehr als 15 Jahren unterrichtet, coacht und trainiert er Professionals aus unterschiedlichsten beruflichen Sparten im beziehungsorientierten Aggressionsmanagement und sicheren Umgang mit Gewalt (B.A.S.I.G.®).

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    Buchvorschau

    Deeskalieren bis in Grenzbereiche - Reinier Verbeek

    0. Einleitung

    Bei der Konfrontation mit Konflikten, Aggression und Gewalt hat sich für mich immer wieder die Frage gestellt: Warum gehen Menschen in Beziehungen so destruktiv vor? Warum reagiere ich manchmal so? Tragen wir es alle in uns, unter bestimmten Bedingungen Gewalt auszuüben? Unter welchen Umständen? Sind Aggression und Gewalt zu verhindern? Was hat es mit unserer sogenannten „bösen Seite" auf sich? Gibt es diese überhaupt? Auf jeden Fall war das ein wiederkehrendes Thema in meinen Gedanken, weil ich viel damit zu tun hatte.

    Die Szenen und Bilder von „Aggression und Gewalt, die in meinen Erinnerungen hängen geblieben sind, variieren erheblich: von Situationen am Schulhof, wo wir uns mit anderen Kindern bis aufs Schlimmste „bekriegten und mit Steinen bewarfen (weil sie „anders waren als wir), bis zu den Jugendjahren im niederländischen Athenäum, wo sekkiert, gestritten, gekämpft wurde (den Begriff „Mobbing hat es damals noch nicht gegeben). Dann gab es einige Vorfälle, bei denen ich mit nächtlichen Schlägereien auf der Straße sowie massivem selbst-zerstörerischem Verhalten junger Menschen (damals Altersgenossen) im privaten Rahmen konfrontiert wurde. Später setzte ich mich im professionellen Training mit instrumentalisier-ter Gewalt beim Bundesheer und mit meinen Erfahrungen in dem Kriegsgebiet Bosnien-Herzegowina, Srebrenica, auseinander. Dort hatte ich zusätzlich zu der militärischen Destruktivi-tät auch mit deren katastrophalen, humanitären Begleiterscheinungen wie gewalttätiger Unterdrückung und ethnischer Verfolgung zu tun. In einem weiteren Lebensabschnitt wurde ich, neben alltäglichen Situationen „auf der Straße", mit extremen Formen von aggressivem Verhalten und Gewalt konfrontiert. Bei meiner Tätigkeit im Sicherheitsbereich war es manchmal notwendig unter hohen Anforderungen, enormem Stress und drohendem Verletzungsrisiko zu deeskalieren und körperlich einzugreifen. Im Sozialbereich habe ich u.a. Konflikte unter Arbeitskollegen, Machtmissbrauch von Führungspersonen, verdeckte Machtkämpfe, Mob-bing, aggressives Verhalten von Klienten und den Einsatz institutioneller Gegengewalt erlebt, zum Beispiel unterschiedlichste Zwangsmaßnahmen. Diese waren teils notwendig, um die gefährlichen Verhaltensweisen unter Kontrolle zu bringen. Dieses Verhalten wurde wiederum zumeist durch die wenig greifbaren und komplexen psychischen Störungen der Klienten verursacht. Der Ursprung davon war oft in der Gewalt zu finden, die sie erlebt hatten.

    So wie ich meine Erfahrungen gemacht habe, hat jeder seine unvermeidlichen Begegnungen mit aggressivem Verhalten: beim Einkaufen, im Straßenverkehr oder während der Ausübung des Berufes. Die Motivation, diese vielen, persönlichen Erfahrungen mit Aggression und Gewalt zu ordnen, führte schlussendlich zu diesem Buch. Der Prozess half mir Überblick und Ordnung zu schaffen, welche Strategien bei der Konfliktlösung, zur Deeskalation und für die Sicherheit bei Gewalt effektiv waren. Das Ziel dieses Buches ist, Ihnen den effektiven und sicheren Umgang mit aggressivem Verhalten und Gewalt zu ermöglichen, das Stresserleben zu senken sowie das Sicherheitsgefühl zu erhöhen. Dieses hat nachvollziehbare positive Auswirkungen auf die persönliche Lebensqualität und auch auf unsere Beziehungen zu anderen. Sicherheit zu erleben ist, nach den Grundbedürfnissen Nahrung und Trinken, nun einmal unser Hauptbedürfnis und hat einen enorm großen Einfluss auf unser Befinden und Verhalten.

    Außerdem entsteht durch die Steigerung des Sicherheitserlebens und durch die Kompetenzerweiterung mehr Raum für andere wichtige Sachen, etwa persönliche Ziele und professionelle Aufgaben. Diese geraten bei zunehmendem Druck und bei struktureller Unsicherheit tendenziell aus dem Fokus. Wenn der Umgang mit Aggression und Gewalt besser gelingt und man sich sicher fühlt, eröffnen sich überdies Zugänge und Perspektiven, die Entstehungsmechanismen zu verstehen und scheinbar negative Geschehnisse als positives Entwicklungspotenzial für Individuen und zwischenmenschliche Beziehungen zu sehen und zu nützen: Eine Folgeerscheinung, die mir selbst durch meine Erfahrungen im psycho-sozialen Tätigkeitsbereich mehr und mehr klar wurde. In einem derartigen Arbeitsfeld sind solche differenzierten Sichtweisen und nuancierten Herangehensweisen in Bezug zu „schwierigem" Verhalten äußerst relevant. Wenn wir uns aber unsicher fühlen, tendieren wir instinktiv dazu, schwarzweiß zu denken, und fehlen uns diese Zugänge.

    Neben der Beschreibung von Strategien für den Umgang mit aggressiv-destruktivem Verhalten auf einer Bandbreite von subtiler, passiver Aggression bis hin zu extremeren Formen der gezielten Gewalt werde ich ebenfalls vermerken, wie wir uns als Menschen gegenseitig positiv ergänzen und helfen, in Beziehungen eine Balance zu finden. Mir ist jedoch gleichzeitig bewusst, dass „Ausrutscher, „Auszucker, lautstarke Konflikte und Gewalt nie wirklich auszuschließen sind und zu uns Menschen gehören.

    Ich möchte noch erwähnen, dass sich die Themen Stressmanagement, intuitive Fähigkeiten, Haltung und Gesprächstechniken genauso in „normalen", alltäglichen privaten und professionellen Situationen verwenden lassen. Diese Ressourcen sind für das persönliche Leben und das Führen von sozialen Beziehungen enorm nützlich.

    Wie sich dieses Buch nützen lässt

    Die Inhalte dieses Buches sind nicht zwingend von A bis Z zu lesen. Im Gegenteil: Ein ansprechendes Thema im Inhaltsverzeichnis zu suchen, das Ihre Aufmerksamkeit „anzieht", ist durchaus ein guter Einstieg in das Buch. Die Kapitel sind zwar linear geordnet – die Reihenfolge hat eine gewisse Logik – von theoretischen (Basis-)Ansätzen bis zu den Grenzen der Möglichkeiten für den praktischen Umgang mit den Verhaltensweisen. Die einzelnen Abschnitte könnten aber genauso kreuz und quer gelesen werden. Es ist die Frage, welches Thema einem am relevantesten erscheint: das Stresserleben, die eigene Haltung, Früherkennung, Gesprächstechnik? Was sind unsere persönlichen Ansichten und Meinungen? Worum geht es, wenn es zu Aggression kommt? Was sind die Motive überhaupt?

    Das Ziel dieses Buches ist, dass das Konfliktlösen und Deeskalieren schlussendlich gelebt wird, anstatt nur darüber zu reden. Dafür ist es notwendig, neben den praktischen Strategien ebenso über ein gesundes Selbst-Bewusstsein, Selbstsicherheit zu verfügen und somit Flexibilität und Anpassungsvermögen aufzubringen. Dieses ermöglicht uns in der Praxis so zu arbeiten, dass wir die Nöte des Gegenübers sehen und die Motive verstehen, eine beiderseitige Ebenbürtigkeit anstreben und gleichzeitig zielführende dynamiksteuernde Interventionen einsetzen, ohne dabei die allgemeine Sicherheit aus dem Auge zu verlieren. Im Vergleich: Menschen beherrschen und kontrollieren zu wollen geschieht grundsätzlich aufgrund von Stress, Verunsicherung bzw. Angst, vor allem was die Vorstellungen von hypothetischen Konsequenzen für einen persönlich oder beruflich sein würden, wenn man die Situation nicht unter Kontrolle bringt. Der Anspruch, Kontrolle zu haben, hängt direkt mit den eigenen Bedürfnissen, vor allem jenen der Sicherheit, zusammen. Die Erfahrung zeigt uns aber, dass das menschliche Verhalten sich selten, wenn überhaupt, wirklich kontrollieren lässt und unseren Wünschen und Vorstellungen (Bedürfnissen) entsprechen wird. Wenn wir dies versuchen, beginnen wir genau impulsiv zu handeln, unbemerkt Druck auszuüben oder wir gehen Konfrontationen stets aus dem Weg.

    Durch impulsive Handlungen wird eher die Dynamik gespiegelt, ergänzt und/oder verstärkt und unsichere Situationen kreiert. Für die Druckausübung* unsererseits gilt, dass sich viele Menschen dominierendem Druck zwar fügen, aber ich glaube nicht, dass Menschen in die Knie zu zwingen das Hauptziel sein sollte. Außerdem fügt sich der Mensch grundsätzlich ungerne, weil es ein Gefühl der Machtlosigkeit mit sich bringt. Durch derartige negative Erfahrungen entsteht längerfristig ein weiteres Konfliktpotenzial. Menschen vergessen nun einmal nicht so schnell. Auch entgleisen Situationen eher, wenn Druck ausgeübt wird und sich angespannte Personen herausgefordert fühlen.

    Strukturelles, bedingungsloses kooperatives Aufstellen, Nachgeben und Beschwichtigen sind auch Strategien, um Situationen aus Unsicherheit kontrollieren zu können. Durch Nachgeben zum Beispiel erfolgt ein Mitgehen mit dem Druck. Brechpunkte (Konflikte) werden vermieden und Spannungen kompensiert. Es entsteht dadurch rasch der Eindruck, dass dies eine gute Strategie wäre. Eine nachgebende Haltung bei Druck und Aggression strukturell einzunehmen erweist sich dennoch eher als kontraproduktiv, vor allem wenn wir über eine längere Zeitspanne mit derartigen Menschen tun haben. Es fördert sowohl die Erwartungshaltung als auch das Aggressionspotenzial, weil überhaupt keine Grenzen geboten werden. In der Flexibilität und dem Anpassungsvermögen, also in der Mitte, liegt die Kraft; bei allem Stress und Verunsicherung die Ruhe und Flexibilität zu bewahren ist jedoch die größte Herausforderung.

    Zur Orientierung – die Eckpunkte der verschiedenen Kapitelinhalte

    Im Alltag, vor allem dann, wenn sofort gehandelt werden muss, bleibt wenig Zeit und Raum, sich mit den vielen theoretischen Ansätzen und praktischen Methoden bewusst auseinander-setzen zu können und ruhig zu überlegen, wie man vorgehen möchte. Mit zunehmender Erfahrung entwickeln sich eine Gelassenheit und ein gesteigertes Sicherheitserleben; ebenso ergeben sich mehr Gelegenheiten, in denen zum Beispiel das Wiedererkennen der Aggressionsformen, die Effekte von Interventionen und das bewusste Führen mit Gesprächstechniken möglich ist. Je sicherer und kompetenter man sich fühlt und je mehr man bei sich und ruhig bleibt, desto mehr hat man das Gefühl, über Zeit und Raum zu verfügen. Wenn man sich die Materie zu eigen machen möchte, ist das Reflektieren über die Erfahrungen, eventuell im Nachhinein (Nachbesprechungen), auch sinnvoll. Es sind genau diese Gelegenheiten, bei denen man die theoretischen Inhalte mit den tatsächlichen praktischen Erfahrungen vergleicht. Es werden so allmählich auch neue Strategien entwickelt. Im Lauf der Zeit – und das ist das Hauptziel dieses Buches – wird man die praktischen Werkzeuge auch unter Stress unbewusst, zugleich aber gezielt einsetzen können. Ich wurde oftmals gefragt, wie ich nun eigentlich mit bestimmten Situationen umgehe und warum es durchaus funktioniert, was ich mache. Der Versuch, diese Fragen für mich selbst zu beantworten und die Auseinandersetzung mit meinen persönlichen Erfahrungen (mir war das „Wie und „Warum auch nicht bewusst), spiegelt sich im Endeffekt in vorliegendem Buch wider.

    In Kapitel 1 wird der Begriff „Aggression und dessen subjektive Besetzung thematisiert. Dieses Kapitel erscheint im ersten Augenblick vielleicht abstrakt. Die Inhalte sind jedoch in der Praxis gut erkennbar. Ich beschreibe kurzgefasst die Weise, wie wir die enormen Mengen an vielschichtigen Informationen aus unserer Umwelt ordnen, damit sie einen Sinn ergeben und welche genau diese halbwegs strukturiert wirkende Welt „da draußen bilden. Diese Prozesse haben, und das macht das Thema so interessant, gleichzeitig implizite Nachteile aufgrund der unvermeidlichen Subjektivität, die vor allem bei einem abstrakten Begriff wie „Aggression auftritt und die unsere Vorgangsweisen enorm beeinflusst – das im Gegensatz zu einem weniger abstrakten Begriff, zum Beispiel ein konkretes, materielles Objekt betreffend. In dem Fall treten Verwirrung und Mehrdeutigkeit bezüglich dem, „was es ist, weniger oft auf (z.B. darüber, was ein Sessel ist, sind wir uns normalerweise schon einig, denke ich).

    Im 2. Kapitel werden die Motive für menschliches Verhalten und unter anderem auch die möglichen Ursachen für etwa Konflikte und aggressive Verhaltensweisen erklärt. In diesem Kapitel gehe ich vor allem dem „Warum" des menschlichen Verhaltens in sozialen Beziehungen auf den Grund: der Befriedigung von Bedürfnissen. So wie das erste Kapitel stellt dieses einen wichtigen, theoretischen Unterbau für die anderen Kapitel dar. Es zeigt uns in großen Linien, worum es bei uns auf einer fundamentalen Ebene geht, wenn wir etwa in den Konfliktmodus umschalten, uns aggressiv verhalten. Ebenso wird erkennbar, was eigentlich übrig bleibt, wenn wir die Schicht unserer vordergründigen Verhaltensweisen wegnehmen*.

    Im 3. Kapitel zeigt sich, wie diese für die Bedürfnisbefriedigung dienenden (kommunikativen) Auseinandersetzungen zwischen Menschen ablaufen können. Es geht darum, wie wir „miteinander tun". Hier wird ein Unterschied zwischen rücksichtsvollem und rücksichtslosem Vorgehen gemacht. Diese Vorgehensweisen führen jeweils zu Ausgewogenheit oder Unaus-gewogenheit in zwischenmenschlichen Beziehungen.

    In weiterer Folge widme ich mich ausschließlich den Formen der grenzüberschreitenden Bedürfnisbefriedigung – Aggression und Gewalt. Falls Sie im 3. Kapitel den „Aha-Moment", worum es geht, wenn aggressives Verhalten zutage kommt, noch nicht erleben, wird dieser unweigerlich in den anderen Kapiteln erfolgen, wenn die vielen, sich ergänzenden Puzzlestü-cke zusammenkommen.

    Im 4. Kapitel erläutere ich die vier Aggressionsformen, die bei Menschen zutage treten, wenn sie ihrer Bedürfnisbefriedigung in Beziehungen rücksichtslos nachgehen. Die vielfältigen, auf der Handlungsebene augenscheinlich gleichen Verhaltensweisen werden aufgrund von deren unterschiedlicher Funktion und Bedeutung für die Betroffenen abgegrenzten Kategorien zugeordnet. Die Erfahrung zeigt, dass die Inhalte dieses Kapitels dazu beitragen, dass im „Heat of the Moment" (intuitiv) auf klare Referenzmuster zurückgegriffen werden kann. Es lässt sich besser unterscheiden, womit man es vordergründig zu tun hat. Mit klaren Referenzmustern können reale Gefährdungspotenziale objektiv engeschätzt werden und erscheint einem nicht alles sofort gefährlich, was lautstark ist. Die Erfahrung zeigt, dass Menschen länger handlungsfähig bleiben, sich ihr Stressniveau senkt und sie zur Situation passende, deeskalierende Umgangsstrategien gezielt einsetzen können. Kontraproduktive Vorgehensweisen lassen sich so eher verhindern, was schlussendlich der eigenen Sicherheit zugute kommt. Ich denke, die Aggressionsformen sind gut erkennbar. Diese Modelle schaffen die notwendige Struktur und Klarheit.

    Im 5. Kapitel zeigt sich, unter welchen Umständen, unter Einfluss welcher (inneren) Prozesse und (kontextuellen) Gegebenheiten Konflikte und Aggression entstehen und Menschen impulsiv, destruktiv und sogar gewalttätig vorgehen können. Dieses Kapitel dient vor allem als Gedankenanstoß. Die Beschreibungen entspringen meinen eigenen persönlichen Erfahrungen, die ich in den unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern sammeln konnte. Die Verbindung zu anderen Zielgruppen sind rasch zu legen, es sind durchaus gut erkennbare, allgemeine Mechanismen, die „dahinterstecken". Faktoren wie das Individuum mit all seinen Eigenheiten und Eigenschaften und der Kontext spielen immer eine Rolle beim Zustandekom-men von Konflikten und Aggression.

    Im 6. Kapitel geht es um das grundlegende, regelmäßig zurückkehrende Thema Stress. Stress und Stressregulation bilden eine der wichtigsten Grundlagen für den Umgang mit Aggressionsdynamik und für das Lösen von Konflikten.

    Neben den kurzen Beschreibungen, wie Stress entsteht, welche Funktion er für uns Menschen hat und wie Stressreaktionen unsere Verhaltensweisen beeinflussen, möchte ich Ihnen darlegen, wie die hohe Leistungsfähigkeit (aufgrund der Stresshormone) vor allem in akuten Situationen besser kanalisiert und eingesetzt werden kann. Auch thematisiere ich, welche negativen Effekte chronischer Stress auf uns hat. Das Kapitel bringt Gedankenanstöße, wie anhaltender Stress abgebaut und wie dessen Entstehen entgegengewirkt werden kann.

    In Kapitel 7 fasse ich die für den praktischen Umgang mit Aggressionsdynamik essenziellen Inhalte zusammen.

    In Kapitel 8 behandle ich das Thema „Intuition. In die Prävention aggressiver Entgleisungen versuche ich, aufgrund meiner positiven Erfahrungen, vor allem über diese Ebene zu arbeiten. Die Intuition an sich ist nichts Neues, weil sie bei unseren Entscheidungen und wie wir vorgehen stets eine (zumeist unbewusste) Rolle spielt. Wir können die Intuition aber auch bewusst nützen, wenn wir nur ruhiger und weniger „kopflastig vorgehen, uns nicht ablenken lassen sowie mehr auf unsere inneren Signale hören würden. Intuitive Fähigkeiten ermöglichen uns, die Bedeutung von Situationen frühzeitig zu beurteilen, unsere Ressourcen effizient einzusetzen und die Auswirkungen unserer Handlungen abzuschätzen. Die Intuition lässt sich sogar für die Überprüfung wahrscheinlicher Auswirkungen von Interventionen mittels mentaler Simulation (z.B. für Besprechungen usw.) bewusst verwenden.

    Im 9. Kapitel geht es darum, wie man sich mit der Haltung in Beziehungen positionieren kann, welche Auswirkungen dieses grundsätzlich auf die Beziehungsgestaltung hat und wie sich z.B. angespannte Situationen ausgleichen lassen. Jedoch werden auch mögliche kontraproduktive Auswirkungen bestimmter Haltungsqualitäten durchgenommen. Zur Erklärung verwende ich das Modell von Timothy Leary, „Interpersoneller Circumplex". Ich verbinde die vier Grundhaltungen dieses Modells mit den verschiedenen Aggressionsformen (siehe Kapitel 4), um die Auswirkungen dieser Haltungen ersichtlich zu machen.

    Deeskalierende Gesprächstechniken werden im 10. Kapitel erklärt. Diese rhetorischen Strategien haben ihre Wirksamkeit für die Lösungsfindung bei Konflikten bewiesen. Ein essentieller Bestandteil des Ansatzes ist zum Beispiel, den Fokus nicht zu sehr auf die vordergründigen, manchmal lautstarken Verhaltensweisen oder Probleme zu richten, sondern zu erforschen, welche Motive und Bedürfnisse dahinterstecken. Diese werden mittels rhetorischer Techniken angesprochen und eine passende Lösung auf gleicher Augenhöhe erarbeitet. Gesprächstechniken bilden einen wichtigen Bestandteil für das Umlenken von schwierigen Situationen. Setzt man sie richtig ein, führt dieses rasch zu einer Beruhigung aller Beteiligten, weil die Spannungen gezielt in eine konstruktive Richtung gelenkt und ins Rationale kanalisiert werden.

    Um ein manchmal ambivalentes Thema geht es in Kapitel 11: Befreiungs- und Abwehrtechniken. Ich erläutere meine Sicht der Dinge, was die Wertigkeit dieser Techniken anbelangt. Ich persönlich vertrete die Meinung, dass die Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit vieler Deeskalationstechniken das Gefühl, sich schützen zu können, ist. Damit steigt das Sicherheitserleben, womit Menschen länger handlungsfähig bleiben und sich weniger schnell machtlos fühlen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Belastungen, die von strukturell belastenden Auseinandersetzungen mit schwierigen und aggressiven Menschen ausgehen, dadurch insgesamt verringert werden. Ein grundsätzliches Sicherheitsgefühl hat einen positiven Einfluss auf chronischen Stress. Ich werde in diesem Kapitel einige Kampfkünste, mit denen ich gute Erfahrungen gemacht habe und von denen ich bestimmte Techniken für meinen eigenen Unterricht und die Trainings übernommen habe, kurz beschreiben.

    Im 12. und letzten Kapitel wird die Nachbesprechung und die Aufarbeitung von gewalttätigen Vorfällen thematisiert. Auf beides wird gerne verzichtet (oder schlichtweg vergessen), obwohl das enorm wichtig wäre. Sie ermöglichen eine Optimierung der Strategien und das Verhindern von Nachwirkungen bei denjenigen, die sich entweder unfreiwillig oder aber im professionellen Rahmen (als Teil des Aufgabenbereiches) damit auseinandersetzen müssen. Oft erfährt man von Betroffenen, dass nach einem Vorfall der Alltag rasch die Aufmerksamkeit wieder „verschluckt". Nachbesprechungen und eine adäquate Aufbereitung werden oftmals vergessen oder unter den Tisch gekehrt. Vielleicht möchte man aus Selbstschutz auch nicht mehr daran erinnert werden oder hat Angst vor etwaigen Vorwürfen. Auch stellt das Reflektieren etwa über Gefühle, im Vergleich zu der soeben erlebten, heftigen Situation, bei der viel Adrenalin ausgeschüttet wurde, eine Antiklimax dar, die auf wenig Begeisterung und Motivation stößt. Außerdem ist ein selbstreflektierter Zugang zum eigenen Gefühlsleben unter Einfluss von diesen Stresshormonen beinahe unmöglich. Ist das Stressniveau hoch, drohen Kontrollverlust und ein Überhandnehmen der Emotionen, was in der Kultur eines beruflichen Rahmens nicht gerne gesehen wird. Es gibt immer persönliche Motive und Gründe, Nachbesprechungen nicht durchführen zu wollen oder zu können. Der Nutzen von Nachbesprechungen ist mitunter nicht direkt erkennbar, liegt jedoch auf der Hand. Viele Institutionen und Berufsgruppen nehmen das Thema sehr ernst, aber es gibt Raum für Verbesserungen. Die Botschaft dieses Kapitels ist, bei struktureller Konfrontation mit Aggression Nachbesprechungen zu ritualisieren.


    * Druck ausüben und Ausweichen haben bei ausufernden, unberechenbaren und unüberschaubaren Situationen ihre Berechtigung. Die potenziellen, negativen Auswirkungen in Beziehungen liegen eher in dem strukturellen Einsatz dieser Strategien.

    * Was bleibt von jemandem übrig, wenn er oder sie sich nicht so verhalten würde? Was steckt hinter dem Verhalten, was wird kompensiert, was ist die tatsächliche Motivation? Die Aggression z.B. ist nicht, worum es geht.

    1. Aggression – ein mehrdeutiger Begriff

    Wenn sich Menschen untereinander über die Verhaltensweisen anderer Personen oder Gruppen, mit denen sie in einem negativ besetzten Zusammenhang in Berührung gekommen sind, austauschen, fällt regelmäßig der Begriff „Aggression. Dieser Begriff ist jedoch abstrakt, mehrdeutig und vor allem subjektiv besetzt. Oftmals habe ich die Teilnehmer meiner Schulungen gefragt, was sie unter Aggression verstehen. Die Antworten auf diese Frage waren verständlicherweise so unterschiedlich wie die Menschen, denen ich diese Frage vorgelegt hatte. Neben wenigen „trockenen Definitionen kamen überwiegend persönliche Beschreibungen oder Darstellungen negativer Erfahrungen mit Aggression und Gewalt.

    Im alltäglichen Leben stellen diese groben Zuordnungen, unterschiedlichen (theoretischen) Definitionen und persönlich eingefärbten Zugänge zu der Materie kein wirkliches, großes Problem dar. Die Wahrscheinlichkeit, mit Konflikten und aggressiven Verhaltensweisen konfrontiert zu werden, ist im Vergleich zu bestimmten professionellen Bereichen, wie sozialen Institutionen, Krankenhäusern und Schulen, relativ gering. Außerdem können wir schwierigen und angespannten Menschen im Alltag leichter aus dem Weg gehen und tun das dann meistens auch. Es hat sich aber gezeigt, dass für einen professionellen Umgang mit den – laut diversen Berichten und eigenen Beobachtungen – sich häufenden Aggressionen in den verschiedensten Tätigkeitsbereichen ein Greifbar- und Transparent-Machen des Begriffs „Aggression" vor allem auf der Beobachtungs- und Handlungsebene absolute Voraussetzung ist. In sozialen Institutionen zum Beispiel bringen unsere Vorgehensweisen eine große Verantwortung mit sich. Die Effekte unserer Einschätzungen und demensprechender Vorgangs-weisen haben weitreichende Konsequenzen auf den weiteren Verlauf der Dynamik und auf Beziehungen. Differenzierte und zugängliche Beschreibungen, was der Begriff Aggression auf einer Beobachtungs- und Handlungsebene für uns bedeutet, schaffen klare, abgegrenzte Referenzmodelle. Diese fördern eine objektivere Beurteilung der Gegebenheiten und reduzieren damit die Wahrscheinlichkeit, dass persönliche Bewertungen und Einschätzungen unnötig viel Stress entstehen lassen, impulsive Handlungen erfolgen oder wir überhaupt handlungsunfähig werden. Das Ergebnis davon wäre, dass Situationen eher eskalieren und wir infolgedessen großen Belastungen ausgesetzt sein würden. Auf Basis klarer Referenzmodelle können dagegen Interventionen effektiver eingesetzt werden, weil klar ist, was diese schwierigen Ereignisse von einem verlangen.

    Es war dann auch für mich persönlich eine Herausforderung und gleichzeitig ein großes Anliegen, eine Klarheit und „Greifbarkeit" in der Definitionsgestaltung zu erreichen, die sich an die Erlebens- und Handlungsebene jedes Einzelnen annähert. Vor allem der Zugang zu den Ebenen nahe an der praktischen Realität hat sich bewährt, weil die daran angepassten Interventionen gezielt eingesetzt werden können.

    Aggression und die Abstraktionsebenen

    Um die Frage zu beantworten, wodurch die Voreingenommenheit bei der Beurteilung von Situationen und Verhaltensweisen auftritt und wie wir dieser einigermaßen entgegensteuern könnten, war es für mich sehr hilfreich, die Weise, wie wir Menschen Informationen verarbeiten und ihnen Bedeutung verleihen, genauer anzuschauen.

    Mit unseren Sinnen - Hören, Riechen, Schmecken, Sehen, Tasten - erfassen wir, sowohl bewusst als auch unbewusst, andauernd Reize aus der Umwelt. Nach der Verarbeitung dieses Rohmaterials entspricht das, was wir schlussendlich rückkoppelnd wahrnehmen, in vielerlei Hinsicht nicht mehr dem ursprünglich Erfassten. Wir ordnen die rohen Informationen automatisch kognitiven Modellen zu. Diese Modelle der Umwelt und alles, was sich darin so abspielt, werden unter anderem durch Begriffe oder wörtliche Benennungen repräsentiert. Wenn wir zum Beispiel einem Verhalten den Begriff „Aggression" zuordnen, entspricht das nicht mehr den äußerst vielfältigen Verhaltensmerkmalen und Eindrücken, die wir unbewusst oder bewusst registriert haben. Wir verleihen den erfassten, rohen Informationen stets eine persönliche Bedeutung, was unsere Beurteilung von Situationen und unsere Handlungen beeinflusst.

    Bei uns Menschen ist es so, dass wir mittels kognitiver Prozesse bestimmte Eigenschaften weglassen, verallgemeinern oder verzerren. Wir erreichen damit, dass uns die vielen Phänomene unserer Welt einerseits nicht überfordern, sie andererseits aber eine Bedeutung bekommen (können). Diese Phänomene werden mit individuellen, bedeutungsvollen Modellen verbunden, die unter anderem unsere Erfahrungswerte und Prägungen repräsentieren – zum Beispiel mit dem

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