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Die Burnout-Lüge: Ganz normaler Wahnsinn: Wie man mit Coolness sein leben ruiniert
Die Burnout-Lüge: Ganz normaler Wahnsinn: Wie man mit Coolness sein leben ruiniert
Die Burnout-Lüge: Ganz normaler Wahnsinn: Wie man mit Coolness sein leben ruiniert
eBook198 Seiten2 Stunden

Die Burnout-Lüge: Ganz normaler Wahnsinn: Wie man mit Coolness sein leben ruiniert

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Über dieses E-Book

Das so genannte Burnout-Syndrom wurde zu einem Wort des Jahres 2011 und avancierte zum Synonym für individuelle Überforderung und totale Erschöpfung. Die arbeitspsychologische Perspektive auf den Burnout-Prozess verdeckt allerdings den Blick auf die tatsächliche Reichweite der gegenwärtigen Epidemie: Eine krank machende Dimension der postmodernen Kultur, die jeden erreicht und alle betrifft. Raimund Allebrand entlarvt jene Coolness, die den Menschen seiner selbst entfremdet und ihn abhängig macht von Produkten und Symbolen der Konsumwelt - vom käuflichen Ersatz für die eigene Gefühlswelt. Das Buch demontiert Emotionen, die keine sind, und entdeckt Gefühle, wo keine waren.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum4. Sept. 2012
ISBN9783897975583
Die Burnout-Lüge: Ganz normaler Wahnsinn: Wie man mit Coolness sein leben ruiniert

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    Buchvorschau

    Die Burnout-Lüge - Raimund Allebrand

    Burnout: Meine postmoderne Existenz

    Einer postmodernen Epidemie widmet das Nachrichtenmagazin Der Spiegel einen Aufmacher. Millionen Deutsche leiden demnach unter Burnout. Laut Spiegel sind die Deutschen ein Volk der Erschöpften: Nahezu jeder dritte Zeitgenosse entwickelt innerhalb eines Jahres eine psychische Störung, über vier Millionen Bundesbürger leiden unter behandlungsbedürftigen Depressionen.

    Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts haben sich Krankschreibungen wegen psychischer Belastung fast verdoppelt; die Deutschen schlucken heute zweimal so viele Antidepressiva wie Ende der 1990er-Jahre. Und die Patienten werden immer jünger, heißt es in der zitierten Spiegel-Titelstory, die mit zahlreichen Fallbeispielen aufwartet.

    In den folgenden Monaten wird das sogenannte Burnout-Syndrom zu einem Dauerbrenner des Feuilletons und liefert Stoff für zahlreiche Titel der großen Magazine und Wochenbeilagen. Burnout avanciert offiziell zu einem Wort des Jahres: Zwar ist das Wort und insbesondere die Krankheit schon seit längerem verbreitet, doch ist Burnout zunehmend als Ausdruck der Probleme unserer heutigen schnelllebigen Zeit zu verstehen und verbreitet sich als Begriff derzeit geradezu inflationär, lautet die diesbezügliche Begründung der Gesellschaft für deutsche Sprache vom Dezember 2011.

    Es ist zu befürchten: Zur inflationären Verbreitung des Wortes wird auch meine vorliegende Publikation beitragen, in bescheidenem Umfang. Ob ein schillerndes Phänomen dadurch klarer wird, steht auf einem anderen Blatt. Denn eine Unzahl von Presseartikeln und Buchpublikationen der letzten Jahre zeigt, dass dieses Syndrom offenbar ebenso verbreitet wie schwer zu fassen ist.

    Gab es Burnout nicht immer schon – z.B. in Gestalt der sogenannten Midlife-Crisis früherer Zeiten – und tritt es nicht lediglich jüngst verstärkt ins allgemeine Bewusstsein? Oder handelt es sich um eine innerhalb kurzer Zeit sprunghaft verbreitete Pandemie, die von drastisch verschlechterten Arbeitsbedingungen und prekären Beschäftigungsverhältnissen begünstigt wird? Vielleicht ist es auch lediglich eine Inszenierung der Massenmedien, die zur Steigerung ihres Absatzes ein Phänomen herbeischreiben, das sich dann vermeintlich in der Realität spiegelt. Wie auch immer: Burnout wurde längst zu einem Verwundetenabzeichen der Leistungsgesellschaft.

    Ob und wie weit ein Burnout-Syndrom überhaupt existiert, hängt allerdings in erster Linie ab von Diagnosen und Konzepten, von Definitionen und Konstrukten der Fachleute verschiedener Disziplinen. Beileibe nicht jede Stressbelastung und daraus resultierende Krise führt automatisch in den persönlichen Kollaps. Eine Fixierung auf den beruflichen Aspekt, wie sie seit Beginn der Erforschung des Syndroms stets im Fokus steht, ist ohnehin irreführend. Hier liegt die eigentliche Lüge, wenn Burnout gleichsam als betriebsbedingter Ausfall des Individuums vorgeführt wird, ohne dem gesellschaftlichen Umfeld einer postmodernen Kultur Rechnung zu tragen.

    Denn letztlich geht es immer um das Scheitern eines Lebensplans, um die Enttäuschung eines Selbstkonzeptes der Betroffenen, ähnlich der so genannten Midlife-Crisis früherer Jahre. Ein existenzielles Burnout ist nahezu unvermeidlich, wenn man in einem begrenzten Lebensvollzug nicht findet, was man eigentlich sucht, und mit der Zeit neben Glauben, Hoffnung und Liebe auch den Sinn im Dasein verliert.

    Wer heute an Burnout erkrankt, hat deshalb mit Sicherheit vor langer Zeit auf ein falsches Pferd gesetzt, hat Grenzen und Begrenzungen seines Selbst nicht erkannt und die Verwirklichung seiner Existenz an irrtümliche Bedingungen geknüpft, die sich eines Tages gegen ihn wenden.

    Angesichts ihrer derzeitigen Verbreitung hat die Symptomatik des Burnouts alle Chancen, zum Schlüsselbegriff zu werden; allerdings weniger für das individuelle Scheitern im Beruf. Eher schon wird Burnout zu einer Metapher für den Zustand unserer Kultur im 3. Jahrtausend und zum Paradigma, das eine Grundbefindlichkeit des postmodernen Menschen charakterisieren kann.

    Wer aber ist der Mensch? Zugestanden, im 3. Jahrtausend kommt diese Frage reichlich spät. Und ist zudem nicht sonderlich originell. Denn sie begleitet uns seit geraumer Zeit, genauer gesagt seit Beginn des Denkens. Verschiedenste Antworten wurden im Lauf der Jahrhunderte akzeptiert und verworfen.

    Dennoch ist jeder von uns genötigt, diese Menschheitsfrage wohl oder übel an sich selbst zu richten und mehr noch, sie durch seine eigene Lebenspraxis zu klären, bewusst oder gedankenlos. Sein oder Nicht-Sein, Sinn und Unsinn beweisen wir ständig im täglichen Lebensvollzug. Unter diesem Aspekt bleibt sie sich immer gleich, die Frage nach dem Menschen, der ich selbst bin – und kommt bei aller Beantwortung an kein Ende.

    Was sich allerdings stetig wandelt, sind unsere Lebensbedingungen, die Umstände unserer Existenz. Ändert sich damit auch der Mensch, womöglich in seiner Substanz, vielleicht innerhalb kurzer Zeit? Dieses Thema soll mich auf den folgenden Seiten beschäftigen. Meine Leserinnen und Leser lade ich ein, mich auf diesem Weg einige Stunden zu begleiten.

    Welcher Menschentyp entfaltet sich im sozialen und kulturellen Biotop der Gegenwart? Was sind die Hoffnungen unserer späten Moderne, wo liegen unsere Leiden und Leidenschaften?

    Von drei Seiten her droht das Leiden: Vom eigenen Körper her, der, zu Verfall und Auflösung bestimmt, sogar Schmerz und Angst als Warnungssignale nicht entbehren kann, von der Außenwelt, die mit übermächtigen, unerbittlichen, zerstörenden Kräften gegen uns wüten kann, und endlich aus den Beziehungen zu anderen Menschen.

    Der Autor dieser Gedanken, Sigmund Freud, vergisst hier eine weitere Quelle des Unbehagens in der Kultur, zumindest ist sie ihm einer Erwähnung nicht wert. Jene Behandlung nämlich, die dem Individuum zuteil wird durch sich selbst. Was Leid und Missbehagen betrifft, muss das Verhältnis des Menschen zu sich selbst und damit unsere Beziehung zur eigenen Emotion im Mittelpunkt der Erörterung stehen, heute vielleicht mehr als ehedem.

    In diesem Zusammenhang die schlechte Nachricht zuerst: Zehn Prozent aller deutschen Erwachsenen haben laut wissenschaftlichem Befund keinen Zugang zu Gefühlen. Jetzt die gute: Dies kann sich ändern, wenn man in den Inszenierungen, Produkten und Symbolen der Konsumlandschaft einen käuflichen Ersatz für die eigene Gefühlswelt erkennt und damit jene Coolness, die uns der eigenen Gefühlswelt entfremdet – und somit einem emotionalen Burnout Vorschub leistet.

    Erfahrungen mit Klienten im Coaching meiner Beratungspraxis sowie Gespräche mit Freunden und Kollegen brachten für mich die Frage: Gibt es ein Grundgefühl der Gegenwart, eine Mentalität des 3. Jahrtausends, einen Gesellschaftscharakter der Postmoderne? Anders gesagt: Wo liegt der emotionale Mainstream unseres heutigen Lebens?

    Suchen wir Vagabunden der späten Moderne einen Rückzug auf uns selbst aus Furcht vor sozialer Kälte – oder bringen wir diese als Coolness selbst hervor? Die folgenden Seiten suchen Antworten auf diese Fragen und wollen dabei nicht im Allgemeinen bleiben. Zudem soll die Erörterung lesbar sein, streckenweise unterhaltsam vielleicht. Konkrete Beobachtungen aus dem Panorama der Gegenwartskultur werden im Lauf der Diskussion herangezogen. Gewiss: Manches gleicht einer Karikatur, anderes erinnert an Satire, an absurdes Theater – das Drehbuch schreibt aber immer die Realität.

    Im Folgenden präsentiere ich Erfahrungen und Beobachtungen aus unserer täglichen Begegnung mit Massenmedien und Kulturbetrieb, mit Konsum- und Finanzwirtschaft. Bei manchen Aspekten werde ich länger verweilen, einige Beispiele sind zuweilen detailliert geschildert. Eine Plausibilität zahlreicher Beispiele, wenn sie auch meiner Leserschaft einleuchten, legitimiert hoffentlich den folgenden Versuch einer psychodynamischen Interpretation kultureller Kälte, die ich als ein Symptom des postmodernen Burnouts verstehe. Den Gedankengang des folgenden Essays kann ich in wenigen Worten oberflächlich skizzieren:

    Coolness wurde zu einer postmodernen Überlebensstrategie und begegnet uns allenthalben: in den Giganten des Kulturbetriebs ebenso wie in den Inszenierungen der Erlebniswirtschaft, vor dem Fernseher wie im Internet. Der Wahnsinn einer flächendeckenden Medien- und Eventkultur leistet dem postmodernen Burnout Vorschub und tarnt sich dabei mit scheinbarer Normalität (Kapitel Unsere tägliche Prominenz und Der Trend zum Event).

    Geborgte Leidenschaft ist ein Mainstream, der Leiden um jeden Preis vermeiden will, und deshalb Teile des eigenen Selbst ausgelagert hat. Ein erschöpftes Selbst ist zu eigener Betroffenheit immer seltener fähig und bedient sich stattdessen geborgter Leidenschaften, die außerhalb der eigenen Person stattfinden. Der Rückzug auf sich selbst führt dabei zu narzisstischer Kälte, die als Coolness in Erscheinung tritt und ein kulturelles Burnout vorbereitet.

    Ein Menschentyp, der eigene Emotionen ersetzen muss, macht allerdings beim gekauften Selbst nicht halt. Die Inszenierungen eines spekulativen Marketingcharakters bedrohen Wirtschaft und Gesellschaft – sie provozieren das Burnout einer sozialen Eiszeit.

    Wenn bisher und im Folgenden des Öfteren von Postmoderne die Rede ist, so wird dieser Begriff anfangs des 3. Kapitels näher erläutert. Nicht zufällig steht er in enger Beziehung zu anderen Schlüsselwörtern dieses Essays, wie etwa Coolness und Leidenschaft, Narzissmus und Burnout. Kurz gesagt: Nach meiner Einschätzung ist das gegenwärtige coole Zeitalter ein Burnout der Moderne. Eine narzisstische Dekompensierung führt dabei zahlreiche Menschen drastisch an ihre Grenzen. Dies zu verdeutlichen ist Anliegen der folgenden Seiten.

    Allerdings: Manche geben sich etwas zu leicht damit zufrieden, über den nur allzu bekannten Orientierungsverlust des modernen Menschen, die daraus folgende Schwächung der sozialen Bindungen, die Privatisierung der Existenz und den Niedergang des öffentlichen Lebens zu klagen (Ehrenberg 2008: 18).

    Diese Gefahr besteht, und ich will ihr so weit wie möglich nicht erliegen. Nostalgie einer besseren Zeit oder Sehnsucht nach klaren Verhältnissen sind nicht das Motiv meiner Darstellung. Nicht ein Blick zurück steht im Mittelpunkt der Diskussion. Meine Frage auf den folgenden Seiten gilt der künftigen Dimension unserer Gesellschaft zwischen sozialer Polarisierung und einem kulturellen Burnout, das immer deutlicher zutage tritt.

    Unsere tägliche Prominenz

    Der Kerkeling-Effekt – Holzweg nach Santiago – Ich bin dann mal weg – Schein-Riesen der Medienlandschaft – Reality oder Illusion? – Deutschland sucht den Superstar – Unsere tägliche Prominenz

    Der Kerkeling-Effekt

    Die Wanderimpressionen des deutschen Entertainers Hape Kerkeling auf dem spanischen Jakobsweg machen als Bestseller von sich reden. Sein Titel Ich bin dann mal weg! hält sich hundert Wochen lang auf Platz eins der Sachbuchlisten. Mit diversen Printausgaben und Hörbüchern erzielte der Comedian seit dem Jahr 2006 eine Gesamtauflage von mehr als vier Millionen Exemplaren. Damit ist dieser Erlebnisbericht das meist verkaufte deutschsprachige Sachbuch überhaupt, sozusagen das Buchereignis der letzten Jahre.

    Über Kerkelings Reiseziel und den Weg durch Spaniens Nordwesten nach Santiago de Compostela wird man hier jedoch nicht unbedingt klüger. Allerdings ist das Buch flüssig geschrieben und stellt geringe Ansprüche an die Konzentration des Publikums, somit die ideale Bettlektüre. Den mehrfach preisgekrönten Verfasser hat man im Fernsehen mit teils köstlichen Persiflagen erlebt, als sympathischer Entertainer sind seine Popularitätswerte bei Unterhaltungssendungen garantiert, deshalb empfiehlt sich sein Pilgerbuch auch als Geschenk im Freundeskreis: Donnerwetter, Jakobsweg, hätte man gar nicht erwartet vom Hape!

    Aus einem anfänglichen Geheimtipp wird somit ein millionenfacher Bestseller und allein die Tatsache dieser flächendeckenden Präsenz sorgt bereits für Gesprächsstoff. Ein Band, dessen Verbreitung mit dem Telefonbuch und der Bibel konkurrieren kann, muss nahezu unverzichtbar sein. Das Phänomen des Buchautors Kerkeling verdient deshalb einige Beachtung.

    Weniger allerdings der Inhalt einer Publikation, die mit dem Symbolwert der Pilgerstraße spielt, ohne ihre historische oder spirituelle Dimension ernst zu nehmen. Nicht etwa der vermeintlich in Santiago de Compostela begrabene Patron des katholischen Spanien wird hier zum Motiv eines beschwerlichen Fußweges, sondern ein Fernsehstar auf der Suche nach sich selbst – der allerdings seinen Urlaub auch anderswo verbringen könnte. Entsprechend erfährt der Leser so gut wie nichts über Spanien und seine historische oder aktuelle Szenerie. Nach überstandener, bald kurz- und bald langweiliger Lektüre weiß er hingegen so manches über einen postmodernen Pilger, der in erster Linie Geschmack findet an der Wirkung seiner eigenen Person.

    Kerkeling outet sich als sogenannte Couch-Potato und erwartet von sich keine sportlichen Höchstleistungen. Auf dem Pilgerweg will er die Folgen eines Hörsturzes überwinden, der ihn zeitweise aus

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