rüffer&rub visionär / Ein Konto für die ganze Welt
Von Joachim Ackva
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Über dieses E-Book
Seit 2015 gibt es zwar erstmals in der Geschichte global verhandelte, konkrete
Ziele, die 17 UN Global Goals. Doch das Allgemeinwohl ist nicht die Aufgabe nationaler Regierungen. Der nächste Schritt liegt bei der Zivilgesellschaft, bei jedem Einzelnen von uns. Joachim° Ackva fordert, dass jeder Mensch auf ein Konto, welches das UN-Sekretariat verwaltet, freiwillig ein Tausendstel des Privatvermögens einzahlt. Damit könnten alle UN Global Goals entscheidend vorangebracht werden.
Multinationale Umfragen weisen darauf hin, dass viele Menschen dazu bereit sind.
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Buchvorschau
rüffer&rub visionär / Ein Konto für die ganze Welt - Joachim Ackva
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Vorwort
2. Dezember 2015, Genf. Im voll besetzten »Auditorium Ivan Pictet« hat sich ein hochrangiges Publikum versammelt, um die aktuellen Preisträger des Alternativen Nobelpreises zu ehren. Selten stimmt die Adresse eines Ortes so unmissverständlich mit den Inhalten der Veranstaltung überein wie an diesem Abend: »Maison de la Paix«. Deutschlands Umweltministerin Barbara Hendriks und UN-Generaldirektor Michael Møller eröffnen den Anlass, der unter dem Titel steht: »On the Front-lines and in the Courtrooms: Forging Human Security.«
In der darauf folgenden Diskussion der vier Preisträger von 2015 fällt auf einmal die Aussage, die mich elektrisiert: »Die UN wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, um nachfolgende Generationen vor der Geisel des Kriegs zu bewahren. Seither hat es über 170 Konflikte gegeben – und ihr habt die Möglichkeit einer Abschaffung von Kriegen nie diskutiert? Come on, guys, das ist doch unglaublich!« Verlegenes Gelächter und ungläubiges Staunen im Publikum, doch Dr. Gino Strada, Gründer der internationalen Hilfsorganisation »Emergency« weiß nur zu gut, wovon er spricht: Seit den frühen 1990er-Jahren baut er Kliniken in Kriegsregionen und kümmert sich um die zivilen Opfer – 10 % sind Kämpfer der verschiedenen Kriegsparteien, 90 % Zivilisten. Er beendete sein Statement mit der Feststellung: »Nennt mich ruhig einen Utopisten, denn alles ist eine Utopie, bis jemand seine Idee in die Tat umsetzt.«
Einer der wohl meistzitierten Sätze der letzten Jahrzehnte lautet: »I have a dream.« Nicht nur Martin Luther King hatte einen Traum – viele Menschen träumen von einer gerechteren Welt für alle. Und es sind einige darunter – mehr als wir wissen und noch lange nicht genug –, die ihren Traum mit Engagement, Herz und Verstand realisieren. Es sind Pioniere in ihren Bereichen, man mag sie – wie Gino Strada, Martin Luther King, Mutter Teresa oder Jody Williams – durchaus Utopisten nennen. Doch: Jede große Errungenschaft begann mit einer Idee, einer Hoffnung, einer Vision.
Den Funken einer Idee, einer Hoffnung, einer Vision weiterzutragen und damit ein Feuer des persönlichen Engagements zu entzünden, das ist die Absicht, die wir mit unserer neuen Reihe – wir nennen sie »rüffer&rub visionär« – verfolgen. Im Mittelpunkt steht die persönliche Auseinandersetzung der Autoren mit ihrem jeweiligen Thema. In packenden Worten berichten sie, wie sie auf die wissenschaftliche, kulturelle oder gesellschaftliche Frage aufmerksam geworden sind und was sie dazu veranlasste, sich der Suche nach fundierten Antworten und nachhaltigen Lösungen zu verpflichten. Es sind engagierte Texte, die darlegen, was es heißt, eine persönliche Verpflichtung zu entwickeln und zu leben. Ob es sich um politische, gesellschaftliche, wissenschaftliche oder spirituelle Visionen handelt – allen Autoren gemeinsam ist die Sehnsucht nach einer besseren Welt und die Bereitschaft, sich mit aller Kraft dafür zu engagieren.
So vielfältig ihre Themen und Aktivitäten auch sein mögen – ihr Handeln geschieht aus der tiefen Überzeugung, dass eine bessere Zukunft auf einem gesunden Planeten für alle möglich ist. Und: Wir sind davon überzeugt, dass jeder von uns durch eigenes Handeln ein Teil der Lösung werden kann.
Anne Rüffer
Überblick
Seit mehr als zwei Millionen Jahren wandert unsere Gattung Homo über die Erde. Wir modernen Menschen blicken auf 200 000 Jahre Dasein und einige Tausend Jahre der Zivilisation zurück. Nun ist ein neues Zeitalter angebrochen. Wissenschaftler nennen es »Anthropozän», das »von Menschen gemachte«. Der Homo sapiens ist der Hauptfaktor für die Veränderung der Erdphysik geworden, inklusive Klima, biologischer Vielfalt, Kohlenstoff-, Wasser- und Stickstoffzyklus.
»Man kann das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Veränderungen kaum überschätzen«, analysiert das Stockholm Resilience Centre.1 »In einer Generation ist die Menschheit zu einer planetenweiten geologischen Kraft geworden.« Mit der Macht, alles zu verändern, wächst uns Verantwortung zu. Unsere Kraft in eine Bahn zu lenken, die zu Frieden, Wohlstand und Naturerhalt führt, ist die Herausforderung des Anthropozän.
Man mag an dieser Stelle den Kopf schütteln. Frieden? Die Welt gibt mehr für Rüstung aus als im Kalten Krieg. Wohlstand? Für viele nicht erreichbar. Und für die Besitzenden steht ihr Wohlstandszuwachs auf den tönernen Füßen einer globalen Rekordverschuldung. Naturerhalt? Seit 1970 halbierten sich weltweit die Populationen jener Tiere, die das Gewebe der lebenserhaltenden Ökosysteme bilden. Es ist klar: Die bisherige Politik wird der Herausforderung des Anthropozäns nicht gerecht – und sie ist auch bei bestem Willen dazu nicht fähig. Denn die Globalisierung trägt in sich einen strukturellen Managementfehler, der angemessene Zusammenarbeit in globalen Fragen verhindert. Dadurch werden Krisenursachen oft nicht angepackt, das Vertrauen schwindet, die reaktionärnationale Versuchung wächst. Ein wichtiger Schritt zum Beheben dieses Problems wurde bereits getan: Es gibt erstmals in unserer Geschichte global verhandelte, konkrete und menschheitsweite Ziele, die UN Global Goals. Sie wurden auf Betreiben der UN im September 2015 von den Regierungen der Welt beschlossen. Die Ziele stehen nun zumindest auf dem Papier – entscheidend ist, was davon wirklich umgesetzt wird. Nationale Regierungen tragen dazu meist nur begrenzt bei – das globale Allgemeinwohl ist naturgemäß nicht ihre Aufgabe. Daher liegt der nächste Schritt bei uns als Zivilgesellschaft, bei jedem Einzelnen von uns. Wir können den bislang politisch und bürokratisch oft gelähmten UN-Dienst zu einer starken »Globalen Hausverwaltung« ausbauen, welcher die Menschheitsziele fördert und koordiniert. Wir können ihn dazu mit einer neuen Gemeinschaftskasse ausstatten. Was für ein Betrag ist dafür erforderlich? Auf jeden umgerechnet, ist es ein Tausendstel des eigenen Privatvermögens. Beispiel: Wer 1000 Euro besitzt, hätte 1 Euro freiwillig einzuzahlen. Multinationale Umfragen weisen darauf hin, dass viele Menschen bereit sind, diesen Beitrag zu leisten – sowohl Arme wie Reiche. Wer diese Vision real werden lassen möchte, kann ab November 2016 auf ein »Pilot-Weltkonto« überweisen. Jeder Einzahler entscheidet dabei selbst, welche der 17 Global Goals gefördert werden sollen. Damit wirkt die Einzahlung gleichzeitig wie eine Abstimmung über das, was uns wichtig ist. Dieses Pilotkonto wird später dem UN-Generalsekretär António Guterres angeboten, verbunden mit der Bitte, die Einrichtung eines echten UN-Weltkontos zu prüfen. Mit dem Multi-Partner-Trust-Fund-Konzept verfügt der UN-Dienst bereits heute über eine passend skalierbare Infrastruktur.
Das Risiko-Chance-Profil eines UN-Weltkontos: Im schlimmsten Fall ist ein Tausendstel des eigenen Vermögens verloren. Im besten Fall bewirken wir entscheidend mehr globale Kooperation: Der UN-Dienst kofinanziert im Auftrag der Zivilgesellschaft die Menschheitsziele und bewegt viele Staaten, die Krisenursachen gemeinsam mit uns als Zivilgesellschaft anzupacken. Wir schaffen damit einen sichtbaren Leuchtturm des globalen Gemeinsinns. Wir sorgen für mehr Orientierung, Ausgleich, Vertrauen und Stabilität. Wir bewahren uns vor persönlichen Verlusten, die weit höher als ein Tausendstel des Vermögens ausfallen können. Wir beenden den Rückzug der globalen Zivilgesellschaft und schützen unsere persönliche Freiheit vor politischen Verwerfungen. Die kommenden Seiten beschreiben den Ist-Zustand des globalen Managements, den Soll-Zustand und schließlich die resultierenden, persönlichen Maßnahmen für jene, die mitwirken möchten.
Joachim° Ackva, Juli 2016
Der Ist-Zustand
der globalen
Zusammenarbeit
Es gibt weltweit mehr Privatvermögen denn je. Eine für unsere Vorfahren kaum vorstellbare Technik wartet auf unsere Befehle. Wir globalisieren Ressourcennutzung, Warenströme und Informationen, begleiten dies jedoch nicht mit einer passenden Organisation des menschlichen Miteinanders. Wir verfügen über immer mehr Kräfte und werden dennoch ratloser, weil es kaum Strukturen gibt, um sie zielgerichtet auf globaler Ebene zu entfalten.
In der Presse lesen wir Beschreibungen wie die des »ZEIT«-Journalisten Jörg Lau:2 »Zerfall ganzer Staaten(-systeme) wie in Arabien; weltweite Renaissance des Autoritären; Wiederkehr von Tribalismus und Glaubenskriegen; Selbstschwächung des Westens durch einen Kapitalismus, der soziale Unwuchten verstärkt; Flüchtlingsströme als nächste Globalisierungsstufe. Wie in dieser Lage eine freiheitliche Ordnung gedeihen kann, weiß in Wahrheit niemand. Jedenfalls nicht durch Machtgehabe, ›Gleichgewichtspolitik‹ und die übliche ratlose Abfolge von Schurkenknutschen und -bombardieren.« Der Publizist Richard David Precht ergänzt:3 »Wir sind Getriebene und treiben nichts voran. Eine Zukunftsstrategie dagegen ist bei keinem Konfliktherd in Sicht … der gesamte Westen scheint gelähmt … und auch ein paar Milliarden mehr für Entwicklungshilfe sind keine Lösung. Ohne Strategie und kluge Menschen, die sie entwickeln, wird es nicht gehen … Doch bei Google und Facebook werden weiterhin Tausende Genies mit Milliardenaufwand ungezählte kommerziell erfolgreiche Antworten auf nicht gestellte Fragen finden – die wirklichen Probleme der Welt lassen sie stumm.«
Vieles davon trifft sicher zu, doch existiert auch ein konstruktiverer Blickwinkel: Eine Zukunftsvision ist vorhanden – die Weltordnung –, die von Genies wie de Groot, Kant und Einstein vorgedacht wurde. Nur haben wir diese Vision bislang nicht verwirklicht. Dadurch bleibt das globale Geschehen unter den knapp 200 Nationalstaaten unnötig chaotisch. Das Beispiel einer Wohnanlage mag dies illustrieren: Angenommen, 200 Wohnungseigentümer leben in einem Gebäudekomplex mit Grünanlagen und möchten diesen instand halten.
Möglichkeit 1 | Man betraut die einzelnen Wohnungseigentümer mit dieser Aufgabe. Um sich abzustimmen, werden sie endlos konferieren: Was will wer, wann und wo, von wem bezahlt tun? Dach, Fassade, Fenster, Kinderspielplatz, Treppenhaus, Keller, Wasserleitungen, Telekommunikation, Teich- und Baumpflege, Reinigungsdienst, Brandschutz und Müllsammelstelle? Manche werden sich engagieren, andere sich zurücklehnen, wieder andere viel versprechen und wenig halten. Aber das ist erst der Anfang. Die ganz unterschiedlich veranlagten Eigentümer sind weder professionell, noch kann man sie rechenschaftspflichtig für Gemeinschaftseigentum machen. Das alles verletzt eine Grundregel des erfolgreichen Managements: Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung gehören möglichst auf gleiche Ebene. Da diese Regel im vorliegenden Beispiel nicht beherzigt wird, sind die Hausbewohner bald zerstritten, und das Gemeinschaftseigentum leidet. Genau das beobachten wir in unserer planetaren Wohnanlage.
Die Politik nennt gemeinschaftliche Güter »Global Public Goods« (GPGs).4 Darunter fallen z.B. Frieden, Sicherheit, funktionierende Finanz- und Gütermärkte, stabiles Klima oder Regenerationsfähigkeit der Erde. Die meisten von uns wollen diese Gemeinschaftsgüter erhalten. Doch was tun wir? Wir legen sie in die Hände von 193 Regierungen, die naturgemäß nationale Interessen und Kompetenzen vertreten. »Wir leben in politisch paradoxen Zeiten. Denn während jeder (oder fast jeder) weiß, dass die zentralen Krisen, die zu bewältigen sind, globaler Natur sind, gibt es darauf kaum angemessene Antworten. Ob es die globale Finanzkrise ist … ob es die oft verschleierte Krise von Armut und Hunger in weiten Teilen der Welt ist, ob es die ökologische Problematik oder die sogenannte Flüchtlingskrise ist, stets fallen Problemanalyse und politische Reaktion dramatisch auseinander«, diagnostiziert der Politikwissenschaftler Rainer Forst, Leiter des Exzellenzclusters »Normative Ordnungen« an der Goethe-Universität Frankfurt.5 Gleichermaßen paradox wirkt, dass wir zum Er-halt von Gemeinschaftsgütern oft auf Konzerne setzen, die naturgemäß den Profitzwang repräsentieren. Daneben agieren zahllose zivilgesellschaftliche Organisationen, die relativ zur Aufgabe winzig und völlig zerstreut sind, oft um Zuwendungen konkurrieren. Global versuchen Zehntausende von Civil Society Organizations (CSO) mitzureden6 – ebenso gut könnten wir auch eine Handvoll Sand auf eine Dartscheibe werfen. Kompetenz und Verantwortung all dieser Akteure