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Der unbekannte Zille: Die Biografie
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eBook166 Seiten1 Stunde

Der unbekannte Zille: Die Biografie

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Über dieses E-Book

In den 1930er Jahren verfasste der einflussreiche Publizist Erich Knauf (1895 - 1944), der freundschaftlich wie beruflich eng mit Erich Kästner und Erich Ohser (alias e. o. plauen) verbunden war, eine Biografie über den Berliner Zeichner Heinrich Zille. In feuilletonistischer Manier zeichnete Knauf ein ebenso kurzweiliges wie differenziertes Porträt des Künstlers und seiner Zeit. Bis heute hat der Text nicht an Aussagekraft und Relevanz verloren, insbesondere aufgrund seiner bisweilen ungewöhnlichen Perspektive auf den bekannten Künstler. Denn Erich Knauf betrachtete nicht nur Zilles Kunstschaffen erfrischend kritisch. Ebenso nahm er sich der exzessiven Selbstvermarktung des Künstlers in dessen letzten Lebensjahren und den verfälschenden Vereinnahmungen seines Werkes an. Trotz seines ungewöhnlichen Blickes auf den Zeichner und seiner literarischen Qualität wurde das Manuskript bis heute nicht verlegt. Die nationalsozialistische Diktatur vereitelte das Vorhaben des regimekritischen Autors, der 1944 hingerichtet wurde. Aus Anlass des 120. Geburtstages von Erich Knauf erscheint das Manuskript nun erstmalig in Gänze und mit erläuternden Texten des Schriftstellers Wolfgang Eckert und des Kunsthistorikers Pay Matthis Karstens.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum20. Jan. 2017
ISBN9783864082245
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    Buchvorschau

    Der unbekannte Zille - Erich Knauf

    Kurzbiografien

    Wolfgang Eckert

    Vorwort: „Und wenn die Kunde zu euch kommt, dass ich tot sei, glaubt es nicht."

    In den 1970er Jahren des vergangenen Jahrhunderts fiel mir ein regionales Heimatblatt in die Hände, worin sich ein Kreuzworträtsel befand. Unter Fünf senkrecht las ich: Schriftsteller, in Meerane geboren. Mit geschwellter Brust trug ich meinen Namen ein. Aber er passte nicht. Es fehlte ein Kästchen zu Eckert. Ich kaufte mir das nächste Blatt und hoffte, dort eine Berichtigung zu finden. Etwa in der Art: „In unserem letzten Kreuzworträtsel ist uns leider ein Fehler unterlaufen. Bei der Lösung Fünf senkrecht fehlt zu Eckert ein Kästchen." Aber stattdessen las ich unter Fünf senkrecht: Knauf. Noch nie gehört! Mein aufgekommener Ruhm versank vorzeitig.

    Dann wollte es der Zufall, dass ich in Erich Kästners Buch „Da samma wieda! (1969) den Artikel „Eine unbezahlte Rechnung las, in dem Knauf erneut genannt wurde und ich bestürzt von der Art seines Todes erfuhr.¹ Ich schrieb Erich Kästner (1899–1974), da ich mehr über Knauf wissen wollte, und er antwortete mir, er habe Knauf immer mit Plauen in Verbindung gebracht und nichts von seiner Geburtsstadt Meerane gewusst. Es wäre schön, schrieb er, wenn in Meerane eine Straße oder ein Platz nach ihm benannt würde.² Das geschah nicht. Aber seit Jahren gibt es im Kunsthaus zu Meerane eine kleine Dauerausstellung über sein Leben und Sterben. Am Ende seines Briefes teilte mir Kästner die Anschrift von Knaufs Witwe, Erna Knauf, mit. Sie wohnte in Berlin-Tempelhof in der Badener Straße.

    So begann meine Bekanntschaft mit ihr, die zunächst aus Briefen bestand. Aber es zeigte sich bald, Briefe allein reichten nicht aus, um mehr über das Leben Erich Knaufs und sein tragisches Ende zu erfahren.

    Mein Antrag beim Sekretariat des Schriftstellerverbandes der DDR, nach West-Berlin einreisen zu dürfen, wurde ohne unnötige Fragerei gestattet, wohl auch, weil ich in dem Antrag als Begründung genannt hatte, über Erich Knauf schreiben zu wollen, der von den Nazis hingerichtet wurde. Ein Problem entstand jedoch: Erna Knauf war nach einem Schlaganfall rechtsseitig gelähmt und auf einen Rollstuhl sowie fremde Hilfe angewiesen. Wenige Tage vor meiner Einreise rief sie mich an und bat mich, eine Woche später zu kommen, da ihr im Moment nicht wohl sei. Was sie nicht wissen konnte: Ich musste nun erneut einen Antrag stellen und es dauerte wieder Wochen bis zur Genehmigung. Sie verstand das nicht. Schließlich erkannte man auch im Schriftstellerverband die Situation und ich erhielt eine Einreisemöglichkeit für ein halbes Jahr. Ich hätte nun jeden Tag zu Erna Knauf reisen können. Als Nichtrentner ein Privileg.

    Den ersten Tag meines Besuches werde ich nicht vergessen. Erna Knauf erhob sich mühsam, von einer Freundin gestützt, aus ihrem Sessel und überreichte mir ebenso mühsam ein neben ihr auf dem Tisch stehendes Sektglas. Ich habe es später nicht gewagt, sie zu fragen, ob ihr weißes Haar damals, als sie von der Ermordung ihres Mannes erfuhr, plötzlich gekommen war. In ihren Augen las ich, sie war auf dem Wege, mir Vertrauen zu schenken. Bis dahin wusste ich etwas vom Leben Erich Knaufs und ahnte – wir, die es nicht erlebt haben, können nur ahnen – was Erna Knauf 1944 durchgemacht haben musste. Was ich damals nicht wusste: Der West-Berliner Kultursenat hatte kein Interesse am Nachlass Erich Knaufs gezeigt. Und so gab Erna Knauf diesen mir. In einem West-Berliner Rundfunksender hörte ich später, sie habe den Nachlass aus Enttäuschung über das mangelnde Interesse in die „Ostzone" gegeben. Ein Zufall also erneut für mich.

    Der Nachlass Erich Knaufs machte mich von einem Betrachter zu einem Betroffenen. Seine Bücher erstaunten mich durch die untrügliche Beurteilung der Zeit, in der sie spielten. Als ich seinen Abschiedsbrief las, mit empfindsamen Worten kurz vor dem Ende auf ebenso durch die Zeit empfindsam gewordenes Papier geschrieben, an den Seiten eingerissen und mit durchsichtigem Klebeband zusammengehalten, entschloss ich mich, Knauf und sein Werk aus der Vergessenheit zu holen, in die er durch den Lauf der Zeit gesunken war. Im Aufbau Verlag fand ich in Dr. Gotthard Erler einen verständnisvollen Unterstützer meiner Pläne. Fördernd dabei war: Er stammte aus dem kleinen Dorf Waldsachsen am Rande Meeranes und hatte deshalb ähnliches regionales Interesse an dem Meeraner Erich Knauf. Wir erarbeiteten die Herausgabe von Knaufs Werken mit einem Nachwort von mir. Aber wieder wollte es der Zufall, diesmal ein ungünstiger, dass unser Plan scheiterte. Die DDR ging unter. Ein neuer westdeutscher Verlagschef fegte, wahrscheinlich unter dem trügerischen Wahn, neue Besen kehren gut, das fertige Vorhaben von seinem Tisch. Mir blieb nur, das noch Erhaltene aus den Trümmern zu retten und dank des Chemnitzer Verlages und seines Leiters Dr. Klaus Walther dort eine Biografie über Erich Knauf unter dem Titel „‘Heimat, deine Sterne …‘ – Leben und Sterben des Erich Knauf" herauszubringen.³ Wenigstens etwas war gerettet. Westdeutsche Verlage hatten das Projekt mit der Begründung abgelehnt, Knauf sei nicht bekannt, so verkaufe sich das Buch nicht.

    Der Titel „Heimat, deine Sterne" ging auf eine Melodie Werner Bochmanns zurück, zu welcher Erich Knauf den Text geschrieben hatte. Die Nazis machten daraus einen Front-Hit. Er hat Erich Knauf nicht das Leben gerettet.

    Erich Knauf wurde am 21. Februar 1895 in der Meeraner Philippstraße 3 geboren. Sein Vater Heinrich war Schneidermeister und Mitglied der SPD, die Mutter Thekla Tochter eines Hauswebers. In Meerane überwogen die Textilarbeiter und die Mechanisierung der Webereien nahm ihren Aufschwung. In eng stehenden Häuserzeilen, alle im Karree gebaut, lebten Arbeiter und kleine Angestellte dicht beisammen. Am Rand der Stadt wohnten die Fabrikanten in ihren Villen. Im Realgymnasium war der kleine Erich Knauf unter Fabrikantensöhnen der beste Schüler. Oft schickte ihn sein Vater zu säumigen Kunden, um den ausstehenden Schneiderlohn einzuholen. Aber statt Geld erhielt er meistens nur Naturalien als Ausgleich, damit er nicht ganz mit leeren Händen nach Hause kehrte. Einst brachte er mit seinem Schulfreund, dem später als Maler in Dresden lebenden Otto Griebel (1895–1972), Nahrungsmittel für die 1903/04 streikenden Textilarbeiter nach Crimmitschau. Nahe der Gaststätte Feldschlößchen ertappte sie ein Gendarm und zertrat mit seinen Stiefeln die Nahrungsmittel vor ihren Augen. Einen besseren Geschichtsunterricht über soziales Verhalten konnte es für den kleinen Erich Knauf nicht geben. Otto Griebel hat diese Episode in seinem Erinnerungsbuch „Ich war ein Mann der Straße" festgehalten.

    1908 geht Heinrich Knauf mit seiner Familie im Auftrag der SPD nach Straßburg. Doch er konnte sich dort nicht behaupten und zog noch im selben Jahr nach Gera, wo ihn seine Partei dringender benötigte. Aber die kurze Zeit in Straßburg und der Eindruck des Münsters brachte den kleinen Erich Knauf so weit, die Eltern und seine Geschwister mit dem Bekenntnis zu überraschen, er möchte Schriftsteller werden. Darauf erntete er nur Gelächter. Vorerst erlernte er den Beruf eines Schriftsetzers. In Gera beeinflusste ihn die Bekanntschaft mit dem späteren Reiseschriftsteller Edgar Hahnewald (1884–1961). Der war elf Jahre älter als Knauf. Er befasste sich damals schon mit dem Schreiben von Manuskripten, die in den 1920er Jahren zu Veröffentlichungen von Heimatschilderungen ohne Heimattümelei führten. Er hatte linke Anschauungen, die ihn nach dem Machtantritt der Nazis zur Emigration zwangen. In seinem Schaffen war er vom Aufklärer Seume inspiriert. Sein Einfluss war entscheidend für Knaufs schriftstellerische Ziele. Und wahrscheinlich lernte Knauf durch Hahnewald Seumes „Spaziergang nach Syrakus" (1803) kennen und wurde neugierig auf diese Region. 1914 geht er mit Freunden auf Wanderschaft nach Italien und kehrt über Griechenland und die Türkei wieder nach Hause zurück. Unterwegs wird er vom Beginn des Ersten Weltkrieges überrascht und kurz danach zum Kriegsdienst eingezogen. Sein Weg führte bald in ein Strafbataillon. Einen Befehl beim Exerzieren zum Sturmangriff hatte er in der Manier des braven Soldaten Schwejk so ernst genommen, dass er bis ins nächste Dorf rannte. Seine Vorgesetzten aber hatten keinen Sinn für solche Späße.

    Nach dem Ende des Krieges besuchte Knauf die Volkshochschule Schloß Tinz der SPD bei Gera. Der Einfluss seines Vaters und Edgar Hahnewalds sowie die Kriegserlebnisse bestimmten diesen Weg. Während des Studiums wird er erneut durch ein politisches Ereignis überrascht: den Kapp-Putsch. Er wird Stoßtruppführer und ist so maßgebend an der Zerschlagung des Kapp-Putsches beteiligt. Seine Enttäuschung über den Umgang mit dem Putschversuch, besonders über die indifferente Haltung der SPD, führt ihn zur linken Abspaltung dieser Partei, der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD). Von 1920 bis 1922 übernimmt er die Leitung des Presseamtes der Thüringischen Landesregierung. Er arbeitet nebenbei für die Thüringer Presse und schreibt Theaterrezensionen.

    Seine Kritiken waren bei Regisseuren und Schauspielern geachtet und gleichzeitig gefürchtet. Wenn sie ihn im Parkett des Theaters sitzen sahen, flüsterten sie sich zu: „Er ist da!" Von Kind an, auch durch eigene Erlebnisse gegen soziale Ungerechtigkeiten erzogen, blinzelte Knauf bei seinen Beurteilungen nicht, eine Eigenschaft, die ihm später zum Verhängnis werden sollte. Auch äußerlich muss er auf die Spießer wie ein Haudegen gewirkt haben. Er trug Ledergamaschen, Lederjacke und offene Hemdkragen.

    1922 zieht Knauf ins vogtländische Plauen und wird verantwortlicher Feuilletonredakteur der sozialdemokratischen Volkszeitung für das Vogtland. Sechs Jahre wird er dort bleiben, die Spießer durch scharfe, klug erkennende Beobachtung seiner Umwelt erschrecken und die Kunstsinnigen erfreuen. Es sind ästhetisch anspruchsvolle Artikel, wie sie in solchen Regionalzeitungen nicht häufig vorkommen. Während seiner Tätigkeit lernt er den aus Untergettengrün bei Plauen stammenden Karikaturisten Erich Ohser (1903–1944) kennen. Er verhilft ihm zur Veröffentlichung seiner satirischen Zeichnungen in der Plauener Volkszeitung. Und da Ohser mit Erich Kästner befreundet ist, einige Bücher von ihm illustrierte, druckt er auch Kästners neue Gedichte, rezensiert seine Arbeiten. Die drei Erichs – Knauf, Ohser und Kästner – kommen einander näher. Ohser wird später unter dem Druck der Nazis seinen Namen in das Pseudonym „e. o. plauen ändern müssen. Er wird bekannt werden durch seine Bildserie „Vater und Sohn, die seine politischen Karikaturen in den Hintergrund drängt. Aber ohne den politisch zeichnenden Ohser entsteht nur ein lückenhaftes Bild über ihn.

    1928 wird für Erich Knauf wohl das entscheidende Jahr in seiner Entwicklung zum Schriftsteller. Er erhält ein Angebot als Schriftleiter der Büchergilde Gutenberg in Berlin. Seine Frau, die er unter ihrem Mädchennamen Gertrud Meyer während seiner Plauener Zeit geheiratet hatte, geht nicht mit ihm. Sie kann sich offenbar nicht aus der Enge Plauens

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