Die Organisation der Zukunft: Neue Konzepte zur Organisationsgestaltung
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Buchvorschau
Die Organisation der Zukunft - Christiana Nicolai
Organisation
Kapitel 1: Neuere organisatorische Konzepte
1.1 Aktuelle Situation
Wir gehen heute davon aus, dass es sich bei der modernen Welt, in der Unternehmen agieren, um eine VUCA-Welt handelt. Der Begriff VUCA setzt sich zusammen aus
volatility (Volatilität),
uncertainty (Unsicherheit),
complexity (Komplexität) und
ambiguity (Mehrdeutigkeit).
Eine volatile Welt ist instabil und durch ständige, häufig nicht vorhersehbare Veränderungen gekennzeichnet. In dieser Welt sind Prognosen für die Zukunft, die auf Erfahrungen aus der Vergangenheit beruhen, oft nicht mehr sinnvoll möglich. Gleichzeitig werden entscheidungsrelevante Tatbestände immer umfangreicher und immer weniger in ihrer Bedeutung einschätzbar. In solchen Situationen ist es besonders schwer, Strukturen und Prozesse eines Unternehmens passend oder auch überhaupt zu gestalten.
In den letzten Jahren sind zahlreiche neue Konzepte zur Organisationsgestaltung entstanden.¹ Und ständig kommen weitere hinzu, während über andere – zunächst hochgelobte – gar nicht mehr gesprochen wird.
Die Sichtweise, was eine gute Organisation ausmacht, verändert sich mit der Zeit; es gibt Modewellen, die aufkommen und wieder abebben. Unternehmen, die sich dem Zeitgeist anpassen, werden von der internen und externen Öffentlichkeit oft weniger kritisch betrachtet. Sie können zudem Probleme mit den (noch vorhandenen) organisatorischen Schwächen und der noch nicht komplett gelungenen praktischen Umsetzung der neuen Vorgehensweisen begründen.²
Neue organisatorische Konzepte verbreiten sich in der Praxis wesentlich langsamer als in der Theorie. Oft versprechen sich Unternehmen keine nennenswerten Verbesserungen oder sie stellen fest, dass das Konzept bei näherem Hinsehen gar nicht wirklich neu ist. Außerdem ist es schwierig, die zentralen Grundgedanken und deren sinnvolle Anwendbarkeit zu überprüfen, da es zwischen den Organisationskonzepten erhebliche inhaltliche Überschneidungen gibt. Sie übernehmen Teile und Ideen von anderen Konzepten und sind deshalb nicht eindeutig gegeneinander abgrenzbar.
Deshalb warten Unternehmen häufig zunächst Erfolgsmeldungen anderer Unternehmen ab, bevor sie solche Neuerungen selbst einführen. Somit gibt es eine zeitliche Verzögerung, eine sog. Umsetzungslücke, zwischen der Zunahme der Publikationen zu einem neuen Organisationskonzept einerseits und dessen großflächiger Umsetzung in der Unternehmenspraxis andererseits.
Allen neuen Konzepten zur Organisationsgestaltung gemeinsam ist der konsequente Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnik.
Hinzu kommen die folgende Entwicklungen, die die Schwerpunkte bilden:³
Modularisierung, d.h. es werden kleine und überschaubare Unternehmenseinheiten gebildet. Deren Vorgesetzte erhalten oft umfangreiche Entscheidungsbefugnisse und Verantwortung.
Die Modularisierung und die damit einhergehende Dezentralisierung werden auf allen Unternehmensebenen und in allen Bereichen und Prozessen umgesetzt. Die Verbindung der Module zur nächsthöheren Ebene wird durch Zielvereinbarungen und definierte Regelgrößen hergestellt. Schnittstellenprobleme sollen auf diesem Wege verringert und die Reaktionsfähigkeit verbessert werden.
Prozessorientierung bedeutet, dass Unternehmen sich weg von starker Verrichtungsorientierung hin zu Objektorientierung wenden. Die Objekte sind dabei allerdings nicht nur ihre Produkte oder Dienstleistungen, sondern damit sind auch Kunden, Kundengruppen und Marktregionen gemeint. Verrichtungen werden passend zu den Kundenwünschen zu einem Prozess zusammengeführt und einem Prozessverantwortlichen übertragen. So gibt es weniger Schnittstellen. Kosten, Zeit und Qualität sollen mit dieser Vorgehensweise optimiert werden.
Selbststeuerung und Teamarbeit sind weitere wichtige Aspekte. Entscheidungen und Verantwortung werden zunehmend auf teilautonome Arbeitsgruppen und auf agile Teams übertragen. Die Mitgliederzusammensetzung wechselt je nach Auftrag. Ein Team verfügt über alle notwendigen Qualifikationen und ist das Basiselement der Organisation. Die Beteiligten stimmen sich untereinander ab und erfüllen die vorgegebene Aufgabe gemeinsam.
Unternehmensübergreifende Wertschöpfungsketten führen dazu, dass Unternehmen nicht mehr nur sich selbst im Blickfeld haben. Sie bilden sowohl auf der Beschaffungs- als auch auf der Kundenseite unternehmensübergreifende Wertschöpfungsketten mit ihren Geschäftspartnern.
Lebenslanges Lernen wird nicht nur auf die Mitarbeiter projiziert. Das Unternehmen selbst wird als Einheit gesehen, die sich ständig verbessern und neuen Gegebenheiten anpassen muss.
Im Zusammenhang mit neuen Organisationskonzepten fällt häufig auch der Begriff hybride Organisation. Ein Hybrid ist ein Mischwesen, welches nicht eindeutig zuzuordnen ist.
Bei hybriden Organisationen entstehen durch die Verschmelzung von Elementen aus Markt und Hierarchie neue organisatorische Strukturen.⁴ Man will einerseits bestimmte Prozesse im Unternehmen – „in der Hierarchie" – halten. Gleichzeitig erscheint eine vollständige Integration aus verschiedenen Gründen nicht sinnvoll, etwa, weil bestimmte Kompetenzen, Technologien, Kontakte zu Kunden oder personelle und finanzielle Ressourcen fehlen. Deshalb baut das Unternehmen seine Kontakte zum Markt – vor allem zu Zulieferern und Konkurrenten – aus und bildet mit anderen Unternehmen regionale und überregionale Kooperationen. Die Grenzen zwischen dem eigenen und den anderen Unternehmen verschwimmen, es entsteht ein Mischwesen, ein Hybrid.
Die folgenden Ausführungen geben einen Überblick über die bekanntesten Konzepte, ausgewählt nach ihrer praktischen Bedeutung und ihrem Bekanntheitsgrad:
Modulare Organisation
Fraktale Organisation
Netzwerkorganisation
Virtuelle Organisation
Lean Management
Agiles Arbeiten
Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Konzepte nicht immer eindeutig voneinander abgegrenzt werden können und inhaltliche Überschneidungen in den Beschreibungen nicht vermeidbar sind.
1.2 Modulare Organisation
Das Konzept der Modularisierung wird seit langem bei komplexen technischen Systemen angewandt. Man zerlegt eine Gesamtheit in mehrere kleine, überschaubare und weitgehend geschlossene Einheiten, die man als Module oder Segmente bezeichnet. Sie sind kombinierbar und über definierte Schnittstellen miteinander verbunden.
Diese Vorgehensweise lässt sich auch auf die organisatorische Gestaltung von Unternehmen übertragen. Dazu bildet man Module, die konsequent an den Prozessen und den Anforderungen der Kunden ausgerichtet sind. Auf diese Weise sollen Schnittstellenprobleme, die durch Hierarchien und Abteilungsgrenzen entstehen, verringert werden. Das Ergebnis sind vergleichsweise unkomplizierte Strukturen, die dazu beitragen sollen, Fehlerraten, Kosten und zeitlichen Aufwand zu reduzieren. Zu diesem Zweck wird jedes