Rossi: Jörg Roßkopf – Die Biografie
Von Ulf Krämer
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Über dieses E-Book
Die von Roßkopf autorisierte Biografie schildert hautnah und spannend seinen Weg vom Jugendspieler bis zum Bundestrainer. Ausschlaggebend für seinen Erfolg war eine Kombination aus Talent und harter Trainingsdisziplin, mit der sich Roßkopf auch nach Rückschlägen und Verletzungen wieder in große Form brachte.
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Buchvorschau
Rossi - Ulf Krämer
KG
KAPITEL 1
»Mich kann heute
keiner schlagen«
Europameisterschaften 1992 in Stuttgart
Ein angenehmer Sommertag im Juli 2011, der Marktplatz in Darmstadt ist um neun Uhr morgens noch kaum belebt. Einige wenige Passanten tummeln sich um den alten Brunnen, an dem ich mit Jörg Roßkopf verabredet bin. Nicht weit entfernt von hier liegt die Heimat des Mannes, der das deutsche Tischtennis verändert hat wie kein Profi vor oder nach ihm.
Ich war noch nie zuvor in dieser hessischen Stadt, und genauso wenig habe ich Roßkopf bis heute persönlich getroffen. Als Kind hat er mir einst ein Autogramm gegeben, doch das ist fast 20 Jahre her. Dennoch erkenne ich ihn sofort. Pünktlich steht er im Schatten der alten Häuserfront gegenüber.
Vor einigen Wochen ist Jörg Roßkopf 42 Jahre geworden. Seine aktive Karriere ist beendet, als Bundestrainer spielt er aber nach wie vor eine entscheidende Rolle im DTTB. Ich freue mich, ihn zu sehen, und auf das bevorstehende Gespräch. Man hat mir in der Vorbereitung viel Positives über ihn erzählt, wie sympathisch und entspannt er doch sei. Ich möchte mir lieber selbst ein Bild machen, versuche, unvoreingenommen zu sein. So will ich auch schreiben, es dem Leser überlassen, sich eine Meinung zu bilden. Doch ich merke schon nach wenigen Minuten: Das wird nicht einfach.
Wir gehen frühstücken. Das Buchprojekt habe ich am Tag zuvor mit Michael Bachtler und meinem Bruder Achim als Ansprechpartner der Firma JOOLA besprochen. Ich stelle unsere Vorstellungen und mein Konzept vor. Dann beginnt Roßkopf zu erzählen. Er ist locker, gut gelaunt und dabei sehr fokussiert. Er weiß ganz genau, was er will und sagt. Ein Markenzeichen seiner Karriere macht sich auch in diesem ersten Gespräch bemerkbar. Jörg Roßkopf ist bei allem, was er anpackt, konzentriert und zielstrebig. Ich bin erleichtert und zugleich von den Worten gebannt. Mag für viele Menschen Tischtennis eine langweilige Randsportart sein, ein Waisenknabe im Vergleich zu Fußball oder Formel 1. Doch was Roßkopf in seiner Karriere geleistet und erlebt hat, ist überragend, und seine Erfahrungen heben sich weit von denen ab, die andere ihr Eigen nennen dürfen. Er ist bereit, sie mit uns zu teilen. Seine Erinnerungen beginnen in Stuttgart, einem der Meilensteine seiner Karriere.
Die Stimmung in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle könnte an diesem 20. April 1992 nicht besser sein, schwankt irgendwo zwischen Vorfreude und Enthusiasmus. Doch die Zuschauer warten nicht etwa auf einen Auftritt des damals populärsten deutschen Sportlers, Boris Becker. Hier tritt gleich ein junger Mann aus Hessen gegen einen Belgier an. Die Bälle sind kleiner, aber schneller und vor allem werden sie mit viel Rotation gespielt – was es für Laien immer wieder schwer macht, Tischtennis zu verstehen. Heute ist der letzte Tag der Europameisterschaften, nur noch ein Spiel steht auf dem Programm. Traditionell endet die EM mit dem Endspiel im Herreneinzel. Zum ersten Mal nach Erich Arndt 1962 in Berlin steht wieder ein Deutscher im Finale. Arndt musste sich damals Hans Alser aus Schweden geschlagen geben. Nun hat Jörg Roßkopf die Chance, es besser zu machen. Dabei hat alles recht durchwachsen begonnen.
Nachdem Jörg Roßkopfs drei Jahre zuvor in Dortmund an der Seite von Steffen Fetzner Weltmeister im Doppel geworden war, sind 1992 in Stuttgart alle Augen auf den neuen Vorzeigesportler in Tischtennis-Deutschland gerichtet. Mit einem solchen Erfolg im Rücken steigen die Erwartungen: sowohl beim Publikum, das zum zweiten Mal in kürzester Zeit ein Großevent vor der Haustür hat, als auch bei den Sponsoren und vor allem dem Verband. Natürlich sind auch die Ansprüche von Roßkopf selbst sowie bei seinen Vertrauten gestiegen. Jedes Jahr zu Saisonbeginn trifft er sich mit Michael Bachtler und dem Teamcoach der Nationalmannschaft Zlatko Cordas, um die Aussichten für das kommende Jahr zu formulieren. In einem Protokoll des Gesprächs von 1991 steht als Ziel für 1992 unter anderem der Gewinn der Europameisterschaft im Einzel sowie im Doppel vermerkt. In der Mannschaft ist mindestens das Finale anvisiert. Ehrgeiziger geht es nicht, denn gegen die Topfavoriten aus Schweden – angetreten mit dem Superstar der Szene Jan-Ove Waldner, dem aktuellen Weltmeister Jörgen Persson und Einzel-Titelverteidiger Mikael Appelgren – muss wirklich alles zusammenkommen, um überhaupt eine Chance zu haben.
Doch schon in der Gruppenphase verliert das deutsche Team überraschend deutlich gegen Frankreich. Auch Roßkopf muss beide Spiele abgeben. So trifft man als Gruppenzweiter bereits im Halbfinale auf die großen Schweden, denen man sich erst im Finale hatte stellen wollen. Trotz der klaren Außenseiterrolle hat Roßkopf mit seinen Teamkollegen Steffen Fetzner, Peter Franz, Torben Wosik und Georg Böhm die Sensation im Hinterkopf. Doch der Brocken ist zu groß. Bis auf das Doppel gehen die Spiele ziemlich klar an die Schweden. Immerhin gelingt im Spiel um Platz drei die Revanche gegen ersatzgeschwächte Franzosen. Dass man das Finale verpasste, ist dennoch eine kleine Enttäuschung, der bald die nächste und wesentlich größere folgen sollte.
Natürlich ruhen die Hoffnungen vor allem auf dem Weltmeister-Doppel von 1989, Roßkopf und Fetzner. Nach Dortmund könnte in Stuttgart ein weiterer Titel vor heimischem Publikum gewonnen werden. Die Ernüchterung kommt bereits im Viertelfinale, in dem die beiden überraschend deutlich mit 12:21 und 18:21 den Jugoslawen Slobodan Grujic und Ilja Lupulesku unterliegen. Der Titel geht am Ende mit den Siegern Jörgen Persson und Erik Lindh erneut an Schweden. Das Scheitern der beiden deutschen WM-Helden ist eine herbe Enttäuschung. Zumindest der Einzug ins Halbfinale war von den meisten erwartet worden. Die Veranstaltung scheint nicht mehr zu retten, denn die letzte Chance ist nun das Einzel. Doch dort sind andere die Favoriten.
Um das junge deutsche Team vor dem Trubel in Stuttgart zu schützen, ist die Mannschaft außerhalb der Stadt einquartiert. In die Schleyerhalle fährt man nur für die Spiele oder zum Training. Die öffentliche Aufmerksamkeit ist groß in diesen Tagen, die Fans reisen aus ganz Deutschland an, um das europäische Tischtennis auf dem Zenit seiner Leistungsstärke zu bewundern. Jörg Roßkopf empfindet es heute als Privileg, dass er solche Spiele in Deutschland erleben konnte – an einem Tisch vor 8.000 oder 10.000 gefesselten Zuschauern, die ihre Emotionen, positive wie negative, lautstark kundtun. Roßkopf weiß um seine damalige Stärke zuhause. Er hat in Deutschland immer gut gespielt. Vor allem die Gegner kennen das. Die immer wiederkehrende Anfeuerung: »Auf geht’s, Rossi, auf geht’s«, nervte, wie ihm einige hinter den Kulissen verrieten. Viele Spieler sind vor eigenem Publikum nervös und lassen sich zusätzlich unter Druck setzen, doch Roßkopf fühlt sich zuhause besonders motiviert. »Er hat immer viel von seinen Fans profitiert und in Deutschland oft gut gespielt«, erinnert sich Jörgen Persson.
Auch außerhalb der Heimat wird Roßkopf längst als einer der besten Tischtennisspieler der Welt geschätzt. Wegen seiner Heimstärke haben ihn gerade bei einer Europameisterschaft im eigenen Land viele auf dem Zettel. Es hat sich herumgesprochen, dass er in Deutschland nur schwer zu schlagen ist. Dennoch spricht nach der Auslosung nicht viel für ihn. Favoritensiege vorausgesetzt, wartet im Achtelfinale der Tscheche Petr Korbel, gegen den Roßkopf während seiner gesamten Karriere nie gern gespielt und nur selten gewonnen hat. Im Viertelfinale würde er auf einen weiteren Angstgegner treffen, Mikael Appelgren, und im Halbfinale auf niemand anderen als Topfavorit Jan-Ove Waldner. Schlechter hätte es kaum kommen können. Doch bevor er sich mit den Schweden messen kann, muss erst einmal Petr Korbel bezwungen werden, und das ist schwer genug.
Die ersten beiden Sätze gehen mit 10:21 und 15:21 klar verloren, und Roßkopf steht in dem Best-of-five-Match früh mit dem Rücken zur Wand. Mit einem Ausscheiden wäre die Pleite des Teams komplett, denn alle anderen deutschen Akteure haben sich schon vor der Runde der letzten sechzehn verabschiedet. Doch Jörg Roßkopfs Einstellung ist geprägt von Willen und Ehrgeiz. Auch bei einem Rückstand von 0:2-Sätzen weiß er, dass er noch lange nicht geschlagen ist – erst recht nicht in Deutschland. Was beinahe pathetisch klingt, ist ganz nüchtern die Ausgangslage. Auch seine Gegner wissen um die mentale Stärke Roßkopfs, seinen Kampfgeist und seine Beharrlichkeit. Erst muss der Matchball verwandelt werden gegen diesen Mann, vorher ist das Spiel niemals gewonnen. »Das war so ein bisschen wie dieses Zitat von Gary Lineker«, vergleicht Roßkopf heute. »22 Mann verfolgen einen Ball und am Ende gewinnen immer die Deutschen. So hat sich das für einige angefühlt, wenn sie gegen mich gespielt haben.« Und Roßkopf kämpft. Er dreht das Spiel tatsächlich und gewinnt den fünften Satz schließlich sicher mit 21:14. Das Viertelfinale ist erreicht, und nicht nur das.
Der Europameister von 1988 und 1990, Mikael Appelgren, ist raus! Stattdessen steht der englische Abwehrspieler Chen Xinhua im Viertelfinale. Das Spielsystem des gebürtigen Chinesen hat Jörg Roßkopf immer gelegen, und der klare 3:0-Sieg überrascht keinen. Anders läuft das zweite Viertelfinale zwischen Jan-Ove Waldner und dem Kroaten Zoran Primorac. In einem spannenden Spiel gelingt dem Kroaten eine kleine Sensation, denn er räumt den großen Favoriten in fünf Sätzen aus dem Weg. Keiner der großen Schweden, die seit 1982 alle Europameister gestellt haben, hat also das Halbfinale erreicht. Stattdessen finden sich dort ein Pole, ein Belgier, ein Kroate und ein Deutscher – ein Indiz für die ungeheure Dichte von Weltklassespielern in Europa in den neunziger Jahren. Den Sieger einer Europameisterschaft zu tippen, war damals ein riskantes Geschäft. Selbst ein überragendes Talent wie Jan-Ove Waldner gelang nur 1996 der Triumph bei einer EM. Das machte den Reiz der großen Turniere aus. Die Spieler kannten sich gut, wussten um ihre Stärken und Schwächen und trieben sich aufgrund des hohen Konkurrenzkampfes zu immer stärkeren Leistungen an.
Die Ausgangslage für Roßkopf ist nach dem Viertelfinale plötzlich eine ganz andere. Statt Waldner wartet Primorac und das lässt die Erwartungen steigen, denn von den vier Halbfinalisten hat noch keiner einen großen Titel geholt. Wieso also nicht Roßkopf? Womöglich hätte man seine Chancen anders eingeschätzt, hätte die Öffentlichkeit von seiner Verletzung gewusst. Eine Zerrung im Arm behindert ihn, zwischenzeitlich muss er das Training aussetzen. Doch davon haben nur die medizinische Abteilung und der Trainerstab Kenntnis. Er möchte keine Entschuldigungen für die Niederlagen in der Mannschaft und im Doppel suchen. Außerdem ist Tischtennis Kopfsache. Seine Gegner sollen nicht von seiner kleinen Schwäche wissen, schon gar nicht gegen Ende des Turniers. Er steht im Halbfinale. So eine Chance will er sich nicht nehmen lassen oder sie durch zu viel Gerede über ein eventuelles Handicap schmälern.
Das Spiel gegen Primorac verläuft ähnlich wie das Achtelfinale. Zwar gewinnt Roßkopf den ersten Satz, doch die nächsten beiden Durchgänge gehen verloren. Er ist so nah dran am Einzug ins Finale bei seiner Heim-EM, aber Primorac wirkt in dieser Phase des Spiels überlegen. Trotz des frenetischen Engagements des Publikums gelingt es dem Kroaten immer wieder, das druckvolle Spiel Roßkopfs zu kontern. Bei 14:14 scheint alles ausgeglichen, doch die nächsten drei Punkte gehen an Zoki, wie ihn die Kollegen nennen. 1:2 nach Sätzen und 14:17 bei Aufschlag Primorac. Auf den Rängen macht sich Sorge breit, der Traum vom deutschen Europameister könnte platzen. Am Ende stünden ein dritter Platz in der Mannschaft sowie im Einzel. Nach den gestiegenen Erwartungen der letzten Jahre zu wenig für eine Europameisterschaft im eigenen Land.
Doch daran denkt Roßkopf in diesem Moment nicht. Was interessieren ihn die vergangenen Tage? Das Spiel hier und jetzt zählt, und um das wird er bis zum letzten Ballwechsel kämpfen. »Primorac wusste, dass die letzten Punkte für ihn die schwersten werden würden«, sagt Roßkopf rückblickend. Getrieben von den Fans kommt er zurück, führt 20:18. Mit einer harten Rückhand, einem so typischen Schlag für ihn, holt er sich den Satz. Der Vorteil liegt nun klar auf seiner Seite, und er nutzt ihn. Zwar gestaltet Primorac das Spiel noch lange offen, doch er kann Roßkopf nicht mehr halten. Der Deutsche zieht mit 21:16 ins Finale von Stuttgart. Mit diesem Spiel ist die EM plötzlich ein riesiger Erfolg – schon jetzt. Die nicht immer idealen Leistungen der Doppelkonkurrenz und des Mannschaftswettbewerbs interessieren nur noch wenige. So schnell geht das im Sport. Siege ersticken jede Kritik.
Tischtennis hatte sich in den Jahren zuvor verändert, erlebte einen wahren Boom. Roßkopf ist der Vorreiter in Deutschland. Auf ihn projizieren sich die Erwartungen von Verband, Sponsoren und Zuschauern. Der Europameistertitel wäre für alle die Krönung der vergangenen fetten Jahre und Aussicht auf mehr. Der Aufwärtstrend soll fortgesetzt werden, obwohl einige bereits ahnen, dass es nicht einfach wird, den Hype von 1989 am Leben zu halten. Für Roßkopf ist das alles im Moment nebensächlich. Vor dem bisher größten Einzel seiner Karriere denkt er nicht an Verband, Sponsoren und Verträge. Ihn treiben sein Ehrgeiz und der Hunger auf diesen Titel.
Die Vorbereitung auf das Spiel der Spiele läuft ab wie immer, ist längst ein festes Ritual, das Roßkopf auch vor einem Finale nicht verändert. Anfahrt vom Hotel zur Halle, Beläge kleben und einspielen. »Wichtig sind die vertrauten Leute in der Nähe sowie ein bisschen Ruhe vor dem Spiel«, sagt er. Nach der letzten taktischen Absprache mit den Trainern klebt Roßkopf noch einmal seine Beläge, wärmt sich auf, um auf Betriebstemperatur zu kommen, und wirft einen kurzen Blick in die Halle. So holt er sich einen ersten Eindruck, versucht, die Stimmung aufzunehmen. Alle freuen sich auf das Traumfinale mit ihrem Star Jörg Roßkopf. Er kennt inzwischen die Situation, vor mehreren tausend Anhängern zu spielen. Doch vor einem Spiel baut er eine innere Distanz auf, will die Emotionen nicht zu nah an sich herankommen lassen. Das ist wichtig, um die Kontrolle zu behalten, vor allem in negativen Momenten. Er hat in wichtigen Spielen nie seinen Schläger vor Frust gegen den Tisch geschlagen, nie laut seiner Wut Luft