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Kuba
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eBook449 Seiten5 Stunden

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Über dieses E-Book

"Ich glaube, dass meine Geschichte jemandem helfen und dessen Selbstbewusstsein stärken kann. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, sie mit anderen zu teilen und nicht alles für sich zu behalten."

Mit elf Jahren wurde Jakub "Kuba" Blaszczykowski Zeuge, wie sein Vater seine Mutter erstach. Bis heute sprach der bei Borussia Dortmund unter Vertrag stehende polnische Nationalspieler nur ungern und selten überseine Vergangenheit. Erst jetzt bricht er sein Schweigen und erzählt der Journalistin Malgorzata Domagalik von seiner tragischen Kindheit, von den Problemen des Erwachsenwerdens und seinem mühsamen Kampf mit den Dämonen der Vergangenheit. "Kuba" teilt uns mit, wie man mit dem Schicksal zurechtkommt, seine Vorurteile bekämpft und berichtet über die Licht- und Schattenseiten im Leben eines Profi-Fußballers.
SpracheDeutsch
HerausgeberStiebner Verlag
Erscheinungsdatum5. Okt. 2015
ISBN9783767920347
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    Buchvorschau

    Kuba - Jakub Blaszczykowski

    I.

    CHARAKTER PLUS KÖNNEN IST GLEICH SPIELER

    „Klar musste ich mich durchboxen. Ich war ein kleiner Blondschopf unter ausgewachsenen Jungen."

    ERIC CANTONA

    Ich habe meine Hausaufgaben gemacht und zur Vorbereitung auf dieses Buch Hunderte, wenn nicht Tausende Seiten über Menschen gelesen, die etwas mit Fußball zu tun haben. Fußballer und Trainer. Von Pep Guardiola und Alex Ferguson über Zlatan Ibrahimovic und Iker Casillas bis zu Ryan Giggs und Eric Cantona. Vor allem Cantonas Biografie hat mich sehr beeindruckt. Ein genialer rechter Mittelfeldspieler. Im Leben kompromisslos und unberechenbar. Einer, der Champagner trank, wenn andere zum Bier griffen – oder auch andersherum. Und wahnsinnig in den französischen Fußball verliebt. Ich kenne keinen anderen, der so wie er über Fußball gesprochen hätte: „Für einen perfekt ausgeführter Freistoß muss man mitunter genauso viel üben wie ein Musiker für die Ouvertüre der Zauberflöte." Gleichzeitig galt er als einer der männlichsten und härtesten.

    Zu meiner Pflichtlektüre gehörten auch Autobiografien polnischer Fußballer, unter anderem von Wojciech Kowalczyk, Igor Sypniewski und Andrzej Iwan. Dabei interessierten mich weniger die nackten Fakten, geschossene und vergebene Tore (die vielleicht noch am ehesten) oder Statistiken, sondern vielmehr die Menschen als solche, ihr psychologisches Porträt, wie es im Fachjargon heißt.

    Als sich herumgesprochen hatte, dass wir ein Buch über Błaszczykowski schreiben, meldeten sich sofort, wie vorherzusehen, uneigennützige Ratgeber. Ihnen möchte ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen, denn einige ihrer Hinweise erwiesen sich in der Tat als hilfreich. Die meisten Stimmen jedoch rieten: Über dieses kannst du ruhig schreiben, von jenem lass lieber die Finger. Lobe ihn nicht, denn dann wird man dir vorwerfen, nicht objektiv zu sein (in gewisser Hinsicht bin ich es auch nicht, aber das ist das Recht eines jeden Autors und Fans). Es gab auch Ratschläge, die mehr von einer Drohung hatten: Tu ihm nur nicht unrecht. Und ironische Nachfragen, wie: Und du schreibst wirklich ein Buch mit einem Fußballer?

    Ich habe mich an die Fakten gehalten und die Worte, mit denen meine Gesprächspartner über Monate hinweg ein Porträt von Kuba zeichneten, nicht verfälscht. Ein mitunter subjektiver Blick kämpfte mit dem objektiven. Ich verheimliche nicht, dass ich meinen Helden mag, bewundere und achte. Ich schätze ihn für das, was er bis jetzt aus seinem Leben gemacht hat. Trotzdem habe ich mich auf Schritt und Tritt bemüht, den Professionalismus über persönliche Sympathien zu stellen.

    Ich habe Charakterzüge an Błaszczykowski entdeckt, die nicht einfach sind. Paradoxerweise sind es aber gerade die, die ihn menschlich machen. Markant. Dreidimensional. Warum ich das sage? Weil ich den Eindruck bekam, dass irgendwo zwischen den Fakten und dem statistischen Verlauf seiner Karriere der Mensch Kuba in den Hintergrund zu geraten drohte. Schließlich verdankt sich die Tatsache, was für Tore er schießt, wie viel Kilometer er während eines Spieles läuft und welche Art von Spieler er ist, nicht nur dem Können, sondern auch dem Charakter. Aus diesem Grund entwickelte ich für die Geschichte über den Spieler Kuba kurzerhand die einfache Gleichung: Charakter plus Können ist gleich Spieler.

    Einen Beweis, wie gut sich diese These verteidigen lässt, fand ich in der Gestalt von Eric Cantona. Je länger ich mich mit den Lebensläufen von Cantona und Błaszczykowski beschäftigte, desto mehr Gemeinsamkeiten fand ich zwischen beiden Fußballern und Menschen. Dieser Vergleich mag viele überraschen, aber vermutlich wissen auch nicht alle, dass der französische Mittelfeldspieler einst ein unscheinbarer Blondschopf war, der nur eines wollte: Fußball spielen. „Als ich ein kleiner Junge war, träumte ich davon, einmal in einem Stadion mit achtzigtausend Zuschauern zu spielen", erinnert sich Cantona. Błaszczykowski spielt in solchen Stadien. Derzeit, diese scherzhafte Anmerkung sei erlaubt, tragen beide trotz des Altersunterschieds fast den gleichen Bart. Den bedrohlichen Blick teilen sie auch. Und was ist mit dem Charakter?

    Wie in jedem Lebensbereich, so können auch im Fußball Charakter und Persönlichkeit den Weg zum Ziel erleichtern oder erschweren. Je stärker der Charakter eines Spielers ist, desto größer ist auch die Herausforderung für die, die ihm in seiner Profilaufbahn begegnen. Jeder dieser wahrhaft großartigen Spieler kann sich glücklich schätzen, wenn er einen sportlichen Lehrmeister hatte oder hat, der keine Scheu vor Stars hat, sondern mit ihnen umzugehen weiß. Dann kann er wie ein Freund, sogar wie ein Vater für sie sein und, wenn es sein muss, auch ein strenger Richter. Genauso wichtig ist, dass der potenzielle Profifußballer jemanden trifft, der das außergewöhnliche Talent in ihm entdeckt, bevor jemand anders das Gegenteil behauptet.

    Ich hatte die Fahrt zum BVB-Match nach Dortmund immer wieder vor mir hergeschoben. Als Borussia im Viertelfinal-Rückspiel am 9. April 2013 in der dreiundneunzigsten Minute den 3:2-Siegtreffer gegen Málaga erzielte und damit ins Halbfinale der Champions League einzog, bekam ich eine SMS von Kuba: „Jetzt musst du aber kommen."

    Vierzehn Tage später flog ich nach Dortmund zu jenem denkwürdigen, dramatischen und packenden Spiel gegen Real Madrid am 24. April 2013. Es wurde ein fantastischer Sieg für den BVB und für Robert Lewandowski, dessen vier Tore gegen die Königlichen in die Geschichte eingingen. Nach dem Match warteten wir in der VIP-Lounge auf die Sieger. Angehörige und Bekannte. In der Ecke saß die hübsche Ewa Piszczek. Alle waren glücklich und hatten das Gefühl, den Helden des Abends sei Dank, einem historischen Ereignis beizuwohnen. Das Champions-League-Finale schien greifbar nah. Dann kam Lewandowski. Selbst die spanischen Fans sparten nicht mit Bravorufen und Worten der Bewunderung. Und er? Schweigsam, fast durchsichtig. Robert machte ein paar Fotos von sich, wir unterhielten uns kurz und nach einer Weile bat er seine Verlobte, sie möchten nach Hause fahren. Sieht so die Siegesfeier nach einem solchen Spiel aus? Sie hätte bestimmt anders ausgesehen, wenn die Helden nicht so müde gewesen wären. Nach der Dopingkontrolle kam Kuba und setzte sich an unseren Tisch. Wohin? Natürlich an den Rand – heute würde ich mich darüber nicht mehr wundern. Ob er an der Unterhaltung teilnahm, kann ich nicht sagen. Der damalige polnische Nationaltrainer Waldemar Fornalik war da, Błaszczykowskis Schwiegervater Andrzej Gołaszewski und viele Leute, die Kuba gut kennen. Und er? Freute sich, war stolz auf seine Kameraden, aber vorbei ist vorbei. Ausschlafen, Interviews geben und … daran denken, dass das Wichtigste noch vor ihnen lag. Ich bemerkte zum ersten Mal, dass Błaszczykowski ein Meister im Herunterspielen eigener Erfolge zu sein schien. Selbst der größte, aber eben schon errungene, verliert sofort an Wert, nur deshalb, weil er hinter ihm liegt. Vorbei ist vorbei. Und alles beginnt wieder von vorn. Ich habe oft gehört, wie er diese Gedanken anderen mitteilte. Wieder so eine Vereinbarung mit sich selbst. Eine unbefristete. Schließlich darf man nicht vergessen, dass das, was heute hilft, ein Profifußballer zu sein, auch im späteren Leben – ohne Ball – von Nutzen sein kann.

    „Man muss schon in jungen Jahren hart arbeiten, denn im Alter von einundzwanzig oder dreiundzwanzig ist es zum Lernen schon zu spät. Ich sehe das auch in der polnischen Liga. Europa ist uns ständig voraus. Als ich vor acht Jahren in die Bundesliga wechselte, gab es diesen großen Graben noch nicht. Gleichzeitig ist es für Polen heute viel leichter, ins Ausland zu kommen. Die Auftritte unseres Dreiergespanns in der Champions League in der Saison 2012/13 haben den Wert unserer Fußballer in Europa gesteigert. Diesen Effekt müssen wir nutzen. Was bedeutet: Hart arbeiten muss man nicht erst nach dem Umzug ins Ausland, sondern schon in der polnischen Liga. Egal wo man spielt, und selbst wenn man der beste Spieler der Mannschaft ist. Bei Borussia muss man niemanden zu irgendetwas überreden. Ich komme vor dem Training in den Kraftraum und da übt schon die halbe Mannschaft. Obwohl sie nicht müsste. Allen ist bewusst, dass viele Konkurrenten nur auf einen schwachen Moment warten. Deshalb machst du dich an die Arbeit, damit dieser schwache Moment gar nicht erst kommt. Einfache Rechnung, nicht wahr? Ich empfehle also, weniger zu nörgeln und mehr zu arbeiten. („Przegląd sportowy, Februar 2014) Błaszczykowski fügt hinzu: „Als Profifußballer kannst du eine Menge Geld verdienen, aber das gibt man wahrscheinlich irgendwann aus. Die erkämpften Titel nimmt dir keiner. Diese Meinung stellt Błaszczykowski in eine Reihe mit anderen, die mehr aus dem Spiel machen als nur Bälle zu treten, selbst wenn sie das für viel Geld tun, das wichtig ist, aber keine großen Spieler aus ihnen macht. „Ich will der Beste sein. Es hängt allein von mir ab, ob ich den Fußball-Olymp erreiche.

    Ein bisschen Zahlenmystik gefällig? Die Nummer 16 auf dem Trikot von Błaszczykowski symbolisiert die 7 (1+6), die als Glückszahl angesehen wird. Mit sieben begann er, Fußball zu spielen. Auch Cantona trug auf seinem Rücken die Sieben. Kuba selbst behauptet ein wenig listig: „Bei der Auswahl habe ich mich nie an anderen Spielern orientiert. Fußballer messen der Wahl oft große Bedeutung bei und die gewählten Nummern haben für sie eine besondere Bedeutung, bei mir war das nicht der Fall. Aber ich wollte sie auch niemals ändern. Ich gebe zu, dass ich mich an sie gewöhnt habe, und mir nicht vorstellen kann, mit einer anderen Zahl auf dem Trikot zu spielen." (Website von JB, kubablaszczykowski.pl).

    Der Journalist im Interview wird mutiger und spielt auf den Wechsel der Namensaufschrift von „Kuba zu „Błaszczykowski an. Ob der vielleicht dadurch begründet sei, dass Kuba von Saison zu Saison besser spiele und sich im Verein mehr erlauben dürfe: „Die deutschen Medien schreiben, dass Błaszczykowski immer schon gut war, jetzt aber genial ist, dass ..."

    „Langsam, langsam ... wir haben zwei Matches gespielt, und ich eins und ein bisschen. Genies gibt es im heutigen Fußball vielleicht zwei, drei und dazu gehöre ich mit Sicherheit nicht. (Lacht.) „Wie dem auch sei, ich glaube, dass mir noch viele schöne Momente bevorstehen und meine Nummer manchmal auf der Liste der Schützen auftauchen wird, gibt er mit einem Grinsen zu und fasst zusammen, dass es alles in allem gut für ihn läuft. In dieser jungenhaften Herangehensweise an die Herausforderungen des Lebens, auch an die beruflichen, liegt viel Charme. Selbst wenn das eine subjektive Anmerkung der Koautorin ist.

    Leo Beenhakker verglich ihn mit Cristiano Ronaldo, Zbigniew Boniek sagte, er sei ein kleiner Figo, und fügte hinzu, jeder Tag in der polnischen Liga sei für Błaszczykowski ein verlorener Tag. Der englische Fußballer Gary Neville nannte ihn einen verdammt guten Fußballer.

    Jurek:

    Als Kuba 1985 geboren wurde, spielte ich schon in der polnischen Junioren-Nationalmannschaft. Als wir 1992 bei den Olympischen Spielen in Barcelona spielten, war ich Kapitän der Olympiaauswahl. Alle sahen das und meine Neffen wussten, dass dieser Typ im Fernsehen ihr Onkel ist, der hier in Truskolasy wohnt und geboren wurde. Er ist Kapitän der Nationalmannschaft und gewinnt eine Medaille bei den Olympischen Spielen. Kuba und Dawid hatten bald ihre eigenen Träume. Sie wollten eines Tages an meiner Stelle stehen. Die größte Freude für sie war, wenn ich sie besuchte. Im Winter spielten wir in der Halle, im Sommer auf dem Sportplatz. Wir spielten mit Älteren und anfangs nahmen wir Kuba nicht immer mit auf den Platz. Er war zehn Jahre alt und sehr enttäuscht, aber wir fürchteten, wir könnten ihn verletzen. Als wir ihn dann mitspielen ließen, sorgte ich immer dafür, dass er möglichst in meiner Mannschaft spielte. Sein Verhalten auf dem Platz, seine Bewegungen und sein Spielinstinkt zeigten schon damals, dass er trotz seiner schwächlichen körperlichen Verfassung kein Problem hatte, dass Spiel zu antizipieren und entsprechend zu spielen. Er war technisch gut. Und man konnte sehen, dass er ungern verliert. Obwohl er klein war, scheute er kein Duell mit größeren und stärkeren Gegnern.

    Dawid Błaszczykowski (Kubas Bruder):

    Als er sechzehn Jahre alt war, noch gar nicht erwachsen, leistete er schon ganze Arbeit in der vierten Liga. Wenn sie ein Spiel beim Tabellenführer hatten, schoss er mitunter zwei, drei Tore. Er machte mit dem Gegner, was er wollte, war schnell und wendig. Sie fanden kein Mittel gegen ihn. Ich glaube, es war in Tychy, wo sie 4:2 gewannen. Sogar die „Gazeta Wyborcza" schrieb damals, dass ein Sechzehnjähriger das Spiel gegen den Tabellenführer klargemacht hatte. Seine schönsten Tore? Wenn ich mich für eines entscheiden müsste, dann das gegen Russland bei der Europameisterschaft, das mit dem linken Fuß. Früher haben wir manchmal Fußballtennis gespielt, da hat er immer mit links gespielt. Vielleicht hat er deshalb so schön gegen die Russen getroffen.

    Eldo:

    Eric Cantona hat einmal einen Fan, der ihn vom Spielfeldrand aus stark beleidigte, mit einem Tritt attackiert. Sicher keine rühmliche Tat für einen Sportler, trotzdem ist sie passiert. Sein einziger Kommentar auf die fast einjährige Sperre, die er bekam, lautete: „Die Möwen folgen dem Fischkutter, weil sie glauben, dass die Sardinen wieder ins Meer geworfen werden." Dann verließ er die Konferenz. Ich war von Kind auf ein begeisterter Anhänger des Fußballs. Aber ein Spieler, selbst wenn es der beste Fußballer der Welt sein mochte, war für mich nichts wert, wenn nicht ein interessanter Mensch dahintersteckte. Die bleiben in Erinnerung. Spieler, die beides haben, Charakter und Talent, bekommen noch zwanzig Jahre nach Karriereende überall einen Kaffee spendiert, wenn sie durch die Stadt gehen, in der sie einst gespielt haben. Jeder lächelt sie freundlich an und winkt ihnen zu. Das nennt man Legendenstatus. Nur wenige erreichen ihn.

    Błaszczykowski ist seit 2007 beim BVB. Fast wie ein Bund fürs Leben. Die Spielregeln zwischen ihm und der Mannschaft, dem Trainer, den Fans und den deutschen Journalisten scheinen ein für alle Male festgelegt. Wenn es nicht läuft, stellen Letztere weniger Fragen. Ist er in Bestform, dann kommen sie sofort und wollen wissen, ob der polnische Spieler nicht irgendwelche Wechselangebote habe. Angeblich wurde Błaszczykowski schon in Manchester, in Liverpool und sonst wo gesehen.

    „Jeder trifft Entscheidungen, die er selbst verantworten muss. Ob sie gut sind oder schlecht, wird das Leben zeigen. Der eine träumt davon, in fünf Ligen zu spielen, der andere fühlt sich nur bei einem Verein wohl. Der Fußballer wählt den Weg selbst. Die anderen sollten das, egal, ob es ihnen gefällt oder nicht, akzeptieren und weiter leben und kämpfen. – „Und wann reizen dich neue Herausforderungen?, fragt der Journalist. „Du weißt nie, was das Leben bringt, in Dortmund fühle ich mich sehr wohl, weshalb ich meinen Vertrag um weitere fünf Jahre verlängert habe. Ich habe meine Werte und einen Plan. („Przegląd Sportowy, Februar 2014)

    Kuba schätzt Stabilität, von der Loyalität gegenüber dem Verein, dem er so viel verdankt, ganz abgesehen. Sie gibt ihm Sicherheit, die er viele Jahre lang so sehr vermisste. Vor allem in der Familie.

    Sebastian Kehl:

    (Gespräch im September 2014 im Hotel L’ Arrivée in Dortmund)

    Die Kraft der Ruhe – das ist es, was man sofort bei ihm spürt. Es wundert mich nicht, wenn er sagt, dass es jahrelang zu seinen Aufgaben gehörte, dafür zu sorgen, dass sich andere Spieler nützlich fühlen. Mich überrascht, wie analytisch er den Spieler mit der Nummer 16 beurteilt. Er spricht wie jemand, der sich für sein Schicksal immer selbst verantwortlich fühlt und fühlen wird. Übrigens nehmen alle deutschen Spieler Kuba sehr ernst. Selbst wenn sie über irgendeine Anekdote lachen, betonen sie, wie sehr sie ihn achten und wie wichtig er für die Mannschaft ist. Damit ist es ihnen sehr ernst.

    Sebastian Kehl:

    Als Kuba vor acht Jahren zu uns kam, haben wir ihn herzlich aufgenommen und gezeigt, wie wichtig er für uns ist. Er sprach kaum Deutsch und die Integration in die Mannschaft war nicht leicht für ihn. Er lernte dann aber sehr schnell Deutsch und jetzt spricht er sehr gut. Auch deshalb, weil er es lernen und ein Teil der Mannschaft sein wollte, und zwar nicht nur auf dem Platz. Er war ein motivierter junger Mensch, der sich unbedingt entwickeln wollte. Ich gebe zu, dass ich ihm auch deshalb so gern geholfen habe. Er versuchte von Anfang an zu zeigen, was er auf dem Platz kann. Er war immer hungrig auf Spiele und biss mitunter fast in den Rasen. Er hat sich unglaublich gemacht. Als er zu uns kam, war er talentiert, aber nach kurzer Zeit wurde ein großartiger Spieler aus ihm. Er ist reifer geworden. Hat ein Gefühl für den eigenen Wert bekommen. Ich weiß, dass es nicht leicht ist, sein Vertrauen zu bekommen, vielleicht ist das Teil seiner Persönlichkeit, aber wenn man ihn ernst und ehrlich behandelt, dann öffnet er sich. Seine Vergangenheit, das, was er durchgemacht hat, macht ihn zu einem starken Menschen, aber ich bin sicher, dass er sehr sensibel ist. Empfindsamkeit ist eine immanente Eigenschaft jedes starken Menschen. Das ist die andere Seite von Kuba, auch wenn er selbst sagt, dass dem nicht so sei. Er ist ein absolut positiv denkender Mensch. Was seine Verspätungen betrifft, so hat er sich stark gebessert und ist nicht mehr auf Platz eins im Klub. (Lacht.) Kuba ist ein verrückter Bursche und zusammen mit Piszczek kann er richtig rumalbern. Sie sind wie Brüder. Er ist wie ein Gladiator. So? Ich wusste nicht, dass das sein Lieblingsfilm ist. Ich weiß, dass sich Kuba in seiner Jugend oft geprügelt hat. Wir haben darüber gesprochen. Er hat unglaubliche Kraft. Er ist wie eine Maschine. Ich möchte nicht gegen ihn antreten. Er hat viele Talente, aber diese Kombination aus Kampfeslust, unbändiger Spielfreude und einem klugen Kopf, die ist wirklich eine Seltenheit. Ich glaube, dass er eines Tages nach Hause zurückkehren wird, in sein geliebtes Polen, auch wenn noch keiner weiß, wann es so weit sein wird. Ich würde gern mal mit ihm dorthin fahren, in sein „Kubatura" zum Beispiel [Freizeitzentrum in Oppeln, das Błaszczykowski gehört].

    Franciszek Smuda:

    (Gespräch im Dezember 2014)

    Sein besonderes Kennzeichen war immer die Dynamik. Gepaart mit seinem Talent macht sie ihn zu einem Spieler, der ein Spiel allein gewinnen kann. Er ist ein unkonventioneller Spieler. Er musste auf dem Platz immer viel einstecken, aber er ist so beweglich und schnell, dass die, die ihn treffen wollten, auch oft ins Leere liefen. Ich habe sehr an ihn geglaubt wie auch an Piszczek. Ich wusste, dass man mit diesen zwei Spielern eine Mannschaft aufbauen kann. Lewandowski stand damals noch ganz am Anfang. Sie spielten bei mir zu dritt und halfen sich immer gegenseitig. Auf dem Platz merkte niemand, ob sie sich privat mögen oder nicht. Ich habe nie auch nur einen Anflug von Boshaftigkeit zwischen ihnen gesehen. Kuba hat für mich, den Fußball und für die Nationalmannschaft sehr viel getan. Ein Klasse für sich. Er hat nie jemandem Unrecht getan, er wäre dazu gar nicht in der Lage.

    Er strebt immer nach Erfolg. Er gehört nicht zu den Jungen, die sich entmutigen lassen, wenn ein Hindernis auftaucht, sei es sportlicher oder privater Natur. Nein, er muss erreichen, was er sich vorgenommen hat. Das ist eine gute Eigenschaft. Seine fußballerischen Fähigkeiten könnte man am ehesten mit denen von Kevin Keegan vergleichen. Die gleichen Dribblings. „Kuba, allein kannst du kein Spiel gewinnen. – Aber wenigstens unentschieden werde ich spielen, Trainer." Hat er Ihnen diesen Witz erzählt? Ja, das ist typisch Kuba.

    Kuba ist ein Mensch, der um jeden Preis gewinnen, Erfolg haben will. Er ist immer auf dem Kriegspfad. Ein bisschen stur ist er auch, denn wenn er um etwas kämpft, dann bis zum Ende. Er hat viel Sinn für Humor. Er lacht gern. Vor allem arbeitet er gern in angenehmer Atmosphäre. Als er von seiner Mutter erzählt hat, war ich sehr bewegt, denn auch ich habe tragische Sachen erlebt. Der Bursche schafft das. Er ist nicht im Wohlstand aufgewachsen. Daher auch die Motivation, die Schwäche zu überwinden, besser zu sein und etwas zu erreichen. Er gibt nie auf, drängt weiter vorwärts. Der Junge wurde von der Oma gut erzogen. Er hatte die Möglichkeit, zu einem anderen großen Verein im Ausland zu gehen, aber er blieb in Dortmund und er wird eine Ikone von Borussia werden. Sie werden sehen.

    Dawid:

    Er ist ein typischer Kämpfer, der niemals nachgibt. Jede Krisensituation ist für ihn eine Situation, die, erstens, eintreten musste und aus der man, zweitens, etwas Positives herausziehen muss. Er ist psychisch so stark, dass er nicht den Mut verliert. Beneiden? Umso mehr, als er schon ein paar Mal in einer Situation war, wo es nicht gerade rosig aussah. Aber das weißt du ja selbst.

    EIN ABEND IM NOVEMBER 2014, DORTMUND

    Wir sitzen bei den Błaszczykowskis zu Hause: Agata, Kuba und ich. Wir würfeln. Es ist schon sehr spät. Kuba ist gerade erst mit dem Flugzeug aus Polen zurückgekommen.

    Unser Meister geht schnell in Führung, so, wie er wirft – lässig, wie nebenbei, aber jedes Mal, wie er es braucht –, nahezu unglaublich (eine hundert Prozent objektive Feststellung). Seine Frau wundert das nicht, aber mich nervt es allmählich. Kuba selbst beginnt sich zu langweilen. Er steht vom Tisch auf und zappt sich durchs Fernsehprogramm. Er sieht nach, ob seine Töchter schon schlafen. Wir werden wohl aufhören … aber plötzlich würfle ich völlig unerwartet fünf Fünfen. Kuba kehrt sofort an den Tisch zurück. Endlich ein Gegner. Jetzt beginnt das, was Błaszczykowski am meisten liebt: Rivalität. Vierundzwanzig Stunden am Tag, und das seit fast dreißig Jahren. Aber geht es dabei wirklich um den Wettstreit selbst? Das wäre zu simpel. Jedes Spiel dreht sich um das Gleiche: Beweisen, dass er der Beste ist. Wem? Anderen? Vor allem sich selbst.

    Felicja Brzęczek (Kubas Oma):

    Als Kuba aufhörte zu wachsen, sagte ich zu ihm: Guck dir an, wie klein Maradona ist und wie er gespielt hat. Mach dir keine Sorgen, du erreichst schon noch eine normale Größe. Durch die Tragödie war das Wachstum blockiert. Er machte sich Striche an den Türrahmen. Später, da war er schon bei Górnik Zabrze, hat Jurek ihm Trainingsstunden organisiert, aber er wollte dort nicht im Internat wohnen. Er sagte: Oma, wenn du dort in der Essensschlange stehst und nicht nach hinten gehen willst, dann setzt es was. Soll ich mir das bieten lassen? Später bekamen wir einen Brief, dass er nicht zur Schule ging. Pech, dann holen wir ihn eben da weg.

    Kuba war in einer Maurerschule, aber plötzlich bekomme ich eine Karte von seinem Brigadeleiter aus Częstochowa. Kuba, was ist denn passiert?, frage ich. Oma, du musst herkommen. Ich dachte, er hat etwas angestellt, weil er dauernd sagte: Ich will keine Schubkarren schieben, ich gehe Fußball spielen. Ich fuhr also hin und sprach mit dem Brigadeleiter: Wissen Sie, er wird bestimmt niemals etwas in dieser Richtung machen, wenn er nur diese Schule beenden könnte. Geben Sie ihm eine Chance. Am nächsten Tag sagte Kuba: Oma, der Brigadeleiter hat gesagt, mit so einer Oma wirst du es weit bringen!

    Dawid:

    Eines Tages (auf jeden Fall nach Mamas Tod) kamen wir nachts nach Hause, wie gewöhnlich hatten wir draußen Fußball gespielt, und als wir ins Bad gingen, sagte ich zu ihm: Weißt du, ich kann mir nicht vorstellen, dass du eines Tages etwas anderes tun wirst, als Fußball spielen. Und du wirst auf jeden Fall in der Ekstraklasa spielen. Da war er elf Jahre alt, ein ziemlicher Lausejunge.

    Die Worte haben sich bewahrheitet. Wir haben eine Menge Zeit mit Kicken zu zweit verbracht. Es war nicht so, dass ich, der drei Jahre ältere Bruder, in den Zweikämpfen schlechter war, aber den Altersunterschied zwischen uns, den machte er mit seiner Raffinesse spielend wett. Er war unglaublich dynamisch und mutig. Selbst wenn ich zwei- oder dreimal gewann, ließ er nie locker.

    Übrigens nicht nur beim Fußball, sondern auch bei Schach oder Dame. Ich gewann vielleicht zwei- oder dreimal und sagte: Lass uns Schluss machen. Darauf er: Nein, setz dich, wir spielen, bis ich gegen dich gewinne. Wie, wollen wir bis morgen früh spielen? Ja, komm zurück, ich muss gewinnen. Ich war viel ruhiger als er. Wenn ich verlor, sagte ich: Gut, machen wir Schluss, Mama ruft sowieso gerade zum Baden oder zu den Hausaufgaben. Bei ihm war es ganz anders. Er gab nie nach. Diese Rivalität ist bis zum heutigen Tag da. (Lacht.) Sogar beim Familien-Würfelspiel.

    Neulich haben wir in Dortmund gespielt und ich habe leider verloren, aber er hat so unglaublich gewürfelt. Ich wüsste nicht, ob von hundert Leuten jemand in der Lage wäre, so zu würfeln wie er. Er hat alles gewürfelt, was er brauchte. Unglaubliche Würfe, und so ist das bei ihm meistens. Ich weiß nicht, ob das Glück, Glaube oder Können ist. Wenn wir würfeln, ist er immer euphorisch: Gleich spiele ich dich aus. Ich werde nervös und verliere. Wenn es aber andersherum läuft und ich vorne liege, dann bin ich ganz entspannt, lache – und er gibt keinen Laut von sich. Zuletzt haben wir kurz vor meinem Abflug nach Polen gespielt, obwohl ich eigentlich packen musste. Ich verlor und muss nun achtzig Liegestütze machen. Glaub mir, die wird er mir nicht erlassen. Ich werde diese Liegestütze machen, auch wenn ein Monat oder zwei vergehen sollten. Ich mache sie so, dass meine Frau sieht, dass ich sie gemacht habe. Ich habe verloren, also muss ich sie machen.

    Würfeln ist so eher unser Spiel im Familienkreis, seine Freunde spielen weniger. Als wir zuletzt auf Sardinien im Urlaub waren, war auch Piszczek mit dabei. Wir haben fast pausenlos gespielt, und eine Strafe war zum Beispiel zwanzig Liegestütze, danach in den Pool springen, einmal durchschwimmen, rauskommen und nochmal zwanzig Liegestütze machen. (Er zeigt ein Foto.) Danach noch mal Schwimmen oder einen Sprung ins Wasser, denn wir saßen in der Sonne und es war warm. Manchmal haben wir bis 22 oder 23 Uhr gespielt und auch dann noch musste man in den Pool. Wenn ich es richtig zusammenzähle, haben wir an einem Tag um die zweihundert oder dreihundert Liegestütze gemacht.

    Ich puzzle sehr gern. Genau wie Kuba. Das hat uns Mama beigebracht. Oft puzzeln wir gemeinsam. Natürlich gegen die Zeit. Wer zuerst fertig ist. Wenn Kuba etwas macht, dann muss es immer ein Wettstreit sein und jedem ist klar, dass der Verlierer Boshaftigkeiten ertragen muss.

    MÄRZ 2014

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