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Ein Heimsieg per Post: Kurioses aus 50 Jahren Bundesliga mit Borussia Mönchengladbach
Ein Heimsieg per Post: Kurioses aus 50 Jahren Bundesliga mit Borussia Mönchengladbach
Ein Heimsieg per Post: Kurioses aus 50 Jahren Bundesliga mit Borussia Mönchengladbach
eBook348 Seiten3 Stunden

Ein Heimsieg per Post: Kurioses aus 50 Jahren Bundesliga mit Borussia Mönchengladbach

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Über dieses E-Book

Dieses Buch blickt auf Borussia Mönchengladbach in 50 Jahren Bundesliga zurück. Im Mittelpunkt stehen dabei kuriose Randgeschichten und Anekdoten. So wird daran erinnert, wie die Borussen 1964/65 mit Max Greger musizierten, wie 1971/72 vor dem Spiel beim rheinischen Rivalen 1. FC Köln der Mannschaftsbus samt Ausrüstung geklaut wurde und wie es 1979/80 zu einem Gastspiel in Libyen vor den Augen Gaddafis kam. Auch kuriose Verletzungen werden thematisiert: 1994/95 kugelte sich Peter Nielsen im Fernsehsessel die Schulter aus, 2009/10 fiel Torhüter Logan Bailly ein Klimagerät auf den Fuß. Die Folge: Knochenbruch! Jedes Kapitel widmet sich einer Spielzeit. Es gibt eine kleine Meldung zum sportlichen Saisonverlauf und eine interessante Randnotiz über einen Spieler, der in der jeweiligen Saison durch eine besondere Heldentat aufgefallen ist, sowie einen 'Spruch des Jahres'.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Okt. 2013
ISBN9783730700723
Ein Heimsieg per Post: Kurioses aus 50 Jahren Bundesliga mit Borussia Mönchengladbach

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    Buchvorschau

    Ein Heimsieg per Post - Verlag Die Werkstatt

    1963|64

    Mehr Sportabzeichen als Punkte

    Es gibt einige Kenner der Borussia-Geschichte, die nicht allein Hennes Weisweiler für den wundersamen Aufstieg der Fohlenelf verantwortlich machen, sondern auch dessen Vorgänger Fritz Langner einen gehörigen Anteil an der Talentschmiede vom Bökelberg zusprechen. Langner kam 1962 von Westfalia Herne, das er drei Jahre zuvor zum Meister der Oberliga West gemacht hatte, zur Borussia. Seinen Beinamen „Eiserner Fritz, zurückzuführen auf seine Trainingsmethoden, brachte er da schon mit. „Langner hat uns getriezt bis zum Gehtnichtmehr, erinnert sich der spätere VfL-Torjäger Herbert Laumen an seinen ersten Trainer im Profifußball. „Er hat uns gedrillt, aber auch fußballerisch einiges in unsere junge Mannschaft reingebracht. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass es ideal war, erst ihn als Trainer zu haben und danach Hennes Weisweiler."

    Unter Fritz Langner trainieren zu müssen, war nicht immer eine Freude. „Er war einer der härtesten Trainer, die es gab, sagte Rudi Assauer, der Spieler bei Langner war, als der im Anschluss an seine Zeit in Mönchengladbach als Bundesligatrainer bei Schalke 04 arbeitete. An seinen Trainingsmethoden rieb man sich auch bei Borussia, als Anfang der Saison 1963/64 der gewünschte Aufschwung ausblieb und die Mannschaft nicht an der Spitze der Regionalliga West mitspielte, sondern ins Mittelfeld abrutschte. Der Vorstand hatte als Saisonziel den Aufstieg in die Bundesliga ausgegeben und war unzufrieden mit der Entwicklung der neu formierten Mannschaft, in der es junge, vielversprechende Talente wie Günter Netzer, Horst-Dieter Höttges und Rudi Pöggeler gab. Die Stimmung im Verein sickerte durch in die Zeitungen. „Man glaubt bei Borussia, dass Langners Trainingsmethodik zwar erfolgreich, aber in der Konsequenz nicht individuell genug ist, schrieb die Westdeutsche Zeitung im Oktober 1963. Langner indes reagierte auf das Grummeln der Bosse mit eiserner Hand, prangerte das „unkameradschaftliche Verhalten einzelner Spieler an und warf der Mannschaft vor, zu viel „das süße Leben zu genießen.

    Verschiedentlich war zu sehen, welch geschliffene Spielweise in der Borussen–mannschaft steckt. Sie ist technisch beschlagen und wird in Zukunft sicher ihren Weg machen."

    Bundestrainer Sepp Herberger, nachdem er am Bökelberg die 1:2-Niederlage der Gladbacher gegen Schwarz-Weiß Essen verfolgt hatte.

    Schwergewicht beim Kugelstoßen: Borussias Torwart Manfred Orzessek.

    Man stritt sich also ein wenig in jenen Tagen am Bökelberg, kein Streitpunkt war indes die Fitness der Mannschaft. Die Spieler fühlten sich körperlich sogar so prächtig, dass sie selber auf die Idee kamen, den Leichtathleten nachzueifern, die sie beim Training in der Süchtelner Waldkampfbahn beobachtet hatten. „Das können wir auch", sagten sich die Borussen und schlugen ihrem Trainer vor, die Übungen für das Sportabzeichen zu absolvieren. Gesagt, getan, an einem Nachmittag im Dezember 1963 konnte man Borussias Fußballer dabei beobachten, wie sie sich im Weitsprung, Kugelstoßen, 100-Meter-Lauf und 5.000-Meter-Lauf versuchten. Alles innerhalb einer Stunde. Eine Woche später ging’s dann noch ins Schwimmbad zur 300-Meter-Schwimmprüfung.

    SAISONVERLAUF

    NETZERS ERSTES JAHR, AUFSTIEG WIRD VERFEHLT Nachdem Borussia Mönchengladbach bei der Gründung der Bundesliga im Sommer 1963 nicht zu den 16 auserwählten Klubs für die neue Eliteliga des deutschen Fußballs gehört hat, nimmt man sich am Bökelberg den schnellen Aufstieg aus der Regionalliga West vor. „Im Mittelpunkt unseres Strebens ist der Aufstieg in die Bundesliga", sagt Vorstandsvize Helmut Grashoff vor der Saison 1963/64. Doch die junge Mannschaft, in der der 18-jährige Günter Netzer seine ersten Spiele für den VfL bestreitet, legt nicht die nötige Konstanz an den Tag, um tatsächlich ernsthaft um einen der ersten beiden Tabellenplätze mitzuspielen. Es gibt eine Reihe von sehr ansehnlichen Spielen wie zum Beispiel einen 5:1-Auswärtssieg bei Rot-Weiss Essen, doch auch immer wieder Rückschläge. Nach einer Serie von vier Siegen hintereinander tut sich im Frühjahr zwar doch noch mal die Chance auf den Aufstieg auf, doch in den letzten sieben Saisonspielen gelingt der Mannschaft kein einziger doppelter Punktgewinn mehr. Auf die immer lauter werdende Debatte um die Amtsführung von Trainer Fritz Langner reagiert dieser schließlich mit der Bekanntgabe seines bevorstehenden Wechsels zu Schalke 04. Borussias Vereinsführung braucht nicht lange, um einen Nachfolger zu finden: Hennes Weisweiler, vorher sechs Jahre lang bei Viktoria Köln, übernimmt am 30. April 1964 – zwei Spieltage vor dem Saisonende – das Ruder. Borussia beendet die Saison als Achter, das Unternehmen Aufstieg muss auf die nächste Spielzeit verschoben werden.

    „Da wollte sich natürlich keiner eine Blöße geben, und unser Trainer hatte Spaß, weil sich keiner schonen konnte, so Herbert Laumen. Fritz Langner durfte dann auch zufrieden sein, denn alle seine Schützlinge schafften die nötige Punktzahl, so dass 20 Borussen mit dem bronzenen Sportabzeichen ausgezeichnet wurden. In der Presse wurde der Seitensprung der Fußballer indes mit einem Seitenblick auf die mittelmäßige Tabellensituation süffisant kommentiert. „Mehr Sportabzeichen als Punkte, lautete die Überschrift in der Rheinischen Post, die auch ein Bild von der Aktion brachte und sich eine Anspielung auf die Körperfülle von Torwart Manfred Orzessek – im Verein „der Dicke genannt – nicht verkneifen konnte: „Unser Bild aus Süchteln hat den schwergewichtigen Torhüter Orzessek beim Kugelstoßen festgehalten, in dem er 10,75 Meter hinlegte.

    PERSONALIE

    KEINE VERTRAGSGESPRÄCHE MIT DEM BESTEN TORJÄGER Eigentlich ist er mit 27 Jahren im besten Fußballeralter und seine Torquote ist auch vom Feinsten. Auch in dieser Saison trifft Uli Kohn wieder wie am Fließband: jeweils vier Tore beim 6:1 gegen den Lüner SV und beim 5:2 gegen die SpVgg Herten, drei Treffer beim 4:0 gegen den STV Horst-Emscher. Insgesamt sind es am Ende der Saison 22 Tore, damit ist Kohn der mit Abstand beste Schütze der Borussen. Doch in der Ungewissheit um die weitere Besetzung des Trainerpostens versäumt die Vereinsführung es, Vertragsgespräche mit Uli Kohn zu führen. Borussias erfolgreichster Torschütze der vergangenen fünf Jahre (90 Tore in 156 Pflichtspielen) schaut sich deshalb anderweitig um, immerhin buhlen Bundesligisten wie der 1. FC Kaiserslautern und Preußen Münster um seine Dienste. Erst als Hennes Weisweiler als neuer Trainer im Amt ist, bemüht man sich um Kohn. Zu spät, denn der hat sich mittlerweile für Arminia Bielefeld entschieden, will dort den Aufstieg in die Bundesliga schaffen. Eine doppelte Fehlentscheidung – Borussia verliert einen herausragenden Stürmer und Kohn verpasst es auf diese Weise, noch zum Bundesligaspieler zu werden.

    1964|65

    Günter Netzer, der Star-Trompeter

    Das hat sich die Redaktion des „Aktuellen Sport-studios" im ZDF irgendwie anders vorgestellt. Einen ausgelassen feiernden und glänzend aufgelegten Aufsteiger in die Bundesliga wollte sie ihrem Publikum eigentlich präsentieren, als sie die komplette Mannschaft Borussias in die Sendung am 19. Juni 1965 eingeladen hat. Doch dieser Plan geht schief: Denn das Team von Trainer Hennes Weisweiler kommt in der Aufstiegsrunde bei Holstein Kiel trotz einer 1:0- und 2:1-Führung böse mit 2:4 unter die Räder. Der Einladung ins Fernsehen folgt man aber trotz der verpatzten Chance natürlich dennoch. Schließlich ist das große Medieninteresse für Borussia neu und schon etwas Besonderes: Schon über die 2:4-Niederlage in Kiel berichten sowohl die ARD als auch das Zweite Deutsche Fernsehen in Ausschnitten. Und die Einladung ins Sportstudio zum Talk mit dem smarten Moderator Wim Thoelke ist erst recht eine Wertschätzung, die Borussia bisher noch nicht erfahren durfte.

    Also machen sich die geschlagenen Fußballer per Omnibus direkt vom Holstein-Stadion auf zum Hamburger Flughafen. Es wird keine Jubelfahrt mit Champagner und Bier – das hatte sich die Mannschaft am Nachmittag selbst versaut. Am Flughafen wartet eine extra für diesen TV-Auftritt gecharterte Maschine und bringt den Borussen-Tross zum Flughafen Düsseldorf-Lohausen. Von dort geht es, begleitet von einer Polizeieskorte, mit etwas Verspätung und in den schicken dunkelblauen Jacken und den grauen Hosen zu den Messehallen nach Köln-Deutz. Das Sportstudio überträgt vom Sportpresseball, schon zwei Stunden vor Beginn der Sendung unterhält das Orchester Max Greger das Publikum in den verrauchten und riesigen Hallen mit schmissigen Rhythmen.

    Hier war zu sehen, was zum modernen Fußball gehört. So schafft man sich Erfolge, Freunde – und die Tabellenspitze, auch eine Meisterschaft!"

    Kurt Sahm, Trainer vom STV Horst, nach der 1:10-Heimniederlage gegen Borussia

    Eines der Hauptthemen der Sendung: die Tour de France. Zu Beginn der Übertragung werden in einem ersten Filmbeitrag einige Fahrer interviewt. In einem zweiten Bericht geht es endlich um die Aufstiegsspiele zur Fußball-Bundesliga. Die Zuschauer in der Halle können auf den Monitoren verfolgen, wie Borussia die direkte Aufstiegschance verdaddelt hat. Während dieser Beitrag läuft, passiert auf der Bühne das große Stühlerücken: Das Orchester Max Greger räumt das Podium, und für alle Zuschauer überraschend besetzen Manfred Orzessek, Walter Wimmer und Co. die Plätze an den Musikinstrumenten. Als der Filmbeitrag zu Ende ist, schwenkt die Kamera über die Bühne und zeigt die VfL-Fußballer an Blasinstrumenten, Kontrabass und Schlagzeug. Überraschend gut gelaunt legen die Borussen unter dem Jubel der Halle los. Doch dass diese musikalische Darbietung nur Playback ist, bleibt dem einen oder anderen Musikkenner nicht verborgen.

    Moderator Wim Thoelke und Trainer Hennes Weisweiler spielen das Spielchen jedoch weiter. Borussias Coach soll seine Mannschaft vorstellen und beginnt mit dem „Star-Trompeter Günter Netzer". Die Niederlage vom Nachmittag scheint längst vergessen – oder den Borussen ist in diesem Moment noch nicht bewusst, welch historische Aufstiegschance da liegen gelassen wurde. Aber noch ist nicht aller Tage Abend, und so spricht im anschließenden Interview gesunder Optimismus aus Weisweiler, als er verspricht, dass seine Mannschaft das fehlende Pünktchen im abschließenden Aufstiegsspiel gegen Wormatia Worms auf dem Bökelberg holt.

    Borussia stürmt in der Saison 1964/65 die Bundesliga und später auch das Sportstudio.

    Beim Ausmarsch der Mannschaft hat das „richtige Orchester längst wieder Platz genommen und spielt das Leib- und Magenlied aller Fußballer in diesen Tagen: „Aber eins, aber eins, das bleibt besteh’n – Mönchengladbach wird nie untergeh’n! Ein Lied, das, in Moll gespielt, nur irgendwie einem Trauermarsch ähnelt. Aber der Schlussakkord gelingt Borussia dann tatsächlich eine Woche später, am 26. Juni: Es ist ein kräftiger Tusch. Günter Netzer, diesmal nicht als Star-Trompeter, sondern als Spielmacher im Einsatz, gleicht das Wormser Führungstor von Bedürftig aus und schießt Borussia in die Bundesliga.

    SAISONVERLAUF

    JUNG, FORSCH, AUFSTEIGER Nach einem zähen Zweikampf mit Alemannia Aachen qualifiziert sich Borussia als Meister der Regionalliga West für die Aufstiegsrunde zur Bundesliga. Und dieser erste Platz ist einfach nur verdient: Keine Mannschaft ist so jung, keine spielt so einen herzerfrischenden Offensiv-Fußball wie Borussia. Kein anderes Team schießt auch nur annähernd 92 Tore und hat in Heynckes (23 Treffer), Rupp (23) und Netzer (17) ein derart torgefährliches Angriffstrio. Die Rheinische Post warnt: „Gefeiert wird später. Dennoch geht das Team nach Meinung der Zeitung als Favorit in die Viererrunde, deren bestes Team am Ende in der Eliteklasse mitmischen darf. In der Aufstiegsrunde wird alles auf null zurückgedreht. Die Gegner heißen Holstein Kiel, SSV Reutlingen und Wormatia Worms, und Borussia stellt die Weichen in den ersten vier von sechs Spielen ganz klar in Richtung Bundesliga: 5:1 gewinnt man in Worms, 1:0 in letzter Minute gegen Kiel, und gegen Reutlingen spielt man 1:1. Das Rückspiel gegen den SSV geht auf dem wie in allen Aufstiegsspielen ausverkauften Bökelberg 7:0 an den VfL, doch am fünften Spieltag droht die Sache dann noch zu kippen: Kiel gewinnt überraschend 4:2 gegen Borussia, es fehlt ein Punkt zum Aufstieg. Doch den holt der VfL im letzten Spiel gegen Worms. Günter Netzer schießt das Tor ins Oberhaus. Das „große Warten (RP) hat ein Ende, gemeinsam mit dem FC Bayern München steigt Borussia in den erlauchten Kreis der Erstligisten auf.

    PERSONALIE

    MANFRED ORZESSEK: ALTER HASE MIT FREUDENTRÄNEN Dass die Borussen in der Saison 1964/65 die jüngste Mannschaft der Regionalliga stellen, liegt ganz bestimmt nicht an ihrem Torwart: Manfred Orzessek ist mit seinen 31 Lenzen zehn Jahre älter als ein Großteil seiner Teamkollegen, einzig Verteidiger Gerd Schommen ist älter als der Schlussmann, der liebevoll „der Dicke" genannt wird. Orzessek ist seinen Kollegen nicht nur einiges in Sachen Lebenserfahrung voraus, sondern auch, was den sportlichen Erfolg angeht: Denn er wurde 1958, drei Jahre vor seinem Wechsel an den Bökelberg, als Stammtorwart Deutscher Meister mit dem FC Schalke 04. Ein abgebrühter Hund eben und ein echtes Kind des Ruhrgebiets, das sein Herz auf der Zunge trägt. Ein selbstbewusster Torwart, der ungewöhnliche und gewagte Flugparaden zeigt und seine Vorderleute lautstark dirigiert. Ein alter Hase und Bär von einem Mann, der nach dem vollendeten Aufstieg aber große Mühe hat, seine Freudentränen hinter der Torwartmütze zu verstecken.

    1965|66

    Der Pass kommt im Safe

    Es ist Donnerstagabend, als in Borussias Mannschaftsquartier Schloss Glienicke in Berlin die Telefondrähte ordentlich glühen. In zwei Tagen spielt die Fohlenelf im Olympiastadion gegen Tasmania Berlin. Die Aufregung im Teamhotel ist weniger auf die Aufgabe beim abgeschlagenen Tabellenschlusslicht als vielmehr auf den Umstand zurückzuführen, dass gleich vier Spielern der Fohlenelf eine unfreiwillige Verlängerung der Dienstreise in die geteilte Stadt droht. Sie haben ihre Pässe zu Hause gelassen. Einige Stunden zuvor, am frühen Mittag, sind Mannschaft, Trainer und Betreuer im Bus auf dem Weg von der Geschäftsstelle zum Düsseldorfer Flughafen, als bemerkt wird, dass die vier Akteure ihre Ausweise nicht im Reisegepäck haben. „Wir dachten, Berlin gehöre zu Deutschland", versuchen sie sich zu rechtfertigen. Die Situation ist aber eindeutig: Bei der Ausreise aus Berlin – auch über den Flughafen Tempelhof – erfolgt die gleiche Registrierung und Kontrolle, als wenn man aus dem Ausland zurückkehrt. Für die vier Fußballer heißt das: ohne Ausweis keine Rückreise aus Berlin.

    Nachdem die Fohlenelf ihr Quartier an der Grenze von Berlin zu Potsdam bezieht und in einer Halle am Wannsee erst einmal eine kleine Trainingseinheit absolviert, geht es an die Lösung des Problems. In dieser Situation erweist es sich als Vorteil, dass Borussia derart früh zum Auswärtsspiel gereist ist. Am Freitag nämlich macht sich eine weitere Gruppe – bestehend aus Borussias Vorstand und Freunden des Vereins – auf den Weg vom Niederrhein nach Düsseldorf. Drei Spieler haben wenig Mühe, von Berlin aus per Telefon dafür zu sorgen, dass ihre Pässe von Mönchengladbach und Viersen rechtzeitig zu jener Reisegruppe gelangen, die die Dokumente dann mitbringt nach Berlin. Einzig bei Bernd Rupp gestaltet sich die Sache ein wenig komplizierter. „Ich habe zur damaligen Zeit bei Tante Titti gewohnt, erinnert sich Borussias kleingewachsener Stürmer. Mathilde Bückmann, von allen nur „Tante Titti genannt, beherbergt in ihrem Haus in Mönchengladbach-Holt auswärtige Borussen, unter anderem den gebürtigen Hessen Rupp. Und der ist, was die Ablage seines Ausweises angeht, durchaus ordnungsbewusst. Rupp hat seinen Pass in einer Art Mini-Safe verschlossen. Dieser wiederum ist in einem ebenfalls abgeschlossenen Schrank in seinem Zimmer. Eine doppelte Sicherung, die sich in diesem Moment als äußerst ungünstig erweist. Mit Hilfe eines Schlossers muss „Tante Titti gewissermaßen bei sich selbst einbrechen lassen. Der Schrank ist schnell offen, es bleibt der ungeöffnete Mini-Safe. Den Schlüssel dafür hat Rupp unglücklicherweise mitgenommen zum Auswärtsspiel bei Tasmania. Also nimmt „Tante Titti, die ebenfalls am Freitag in die frühere Hauptstadt nachreist, kurzerhand den kompletten Safe mit.

    Der Schulz tritt seine eigene Großmutter tot, wenn er damit ein Tor verhindern kann."

    Trainer Hennes Weisweiler nach dem 0:0 gegen den Hamburger SV, bei dem der Hamburger Verteidiger Willi Schulz Günter Netzer brutal foult.

    Bernd Rupp in Aktion: Nach dem Auswärtsspiel bei Tasmania Berlin hätte der Angreifer beinahe unfreiwillig länger in der geteilten Stadt bleiben müssen.

    SAISONVERLAUF

    DIE ERSTEN SCHRITTE IN DER BUNDESLIGA Mit einem Sieg am heimischen Bökelberg und drei Unentschieden auf fremden Plätzen startet Borussia beachtlich in ihre erste Bundesligasaison. Mit dem spektakulären 4:5 gegen Borussia Dortmund, bei dem fünf Elfmeter verhängt werden, beginnt eine Serie von drei Niederlagen in Folge. Ein 2:0 gegen Hannover ist dann der erste von drei Siegen in Serie. Derart unbeständig geht es weiter. Vor der Winterpause kassieren die Borussen noch einmal vier Pleiten nacheinander. Die Hinrunde endet dann wiederum mit einem bravourösen 1:1 gegen Meisterschaftsanwärter 1860 München. Auch in der Rückserie zeigt die Weisweiler-Elf gerne ihre zwei Gesichter. Mitunter gibt es furiosen Offensivfußball, dann wieder offenbart der Aufsteiger seine Naivität. Nürnberg wird 8:3 vom Bökelberg geschossen, wenige Wochen später geht der VfL an gleicher Stelle 0:7 gegen Werder Bremen unter. Eine Woche später sichert sich Borussia mit einem 3:3 bei den Münchner Löwen, dem späteren Meister, Tabellenplatz 13. Herbert Laumen erzielt allein in diesem Spiel drei seiner insgesamt sechs Saisontore.

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