Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Winkelsee: Roman
Winkelsee: Roman
Winkelsee: Roman
eBook206 Seiten2 Stunden

Winkelsee: Roman

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Wir schreiben das Jahr 1550.
Neun Tage und Nächte lang wartet Hans Winkelsee auf seine Hinrichtung, eingesperrt im Kerkerzimmer des Eschenheimer Turmes zu Frankfurt am Main. Die quietschende Wetterfahne auf dem Dach bringt ihn nachts um den Schlaf. Der Wilddieb wartet auf den Galgen. Am Tag der Hinrichtung hat er nur einen Wunsch: Eine Neun mit seiner Flinte in die vermaledeite Fahne zu schießen. Die Stadtoberen stellen ihm in Aussicht, mit dem Leben davon zu kommen, wenn ihm das schier Unmögliche gelänge …
Der historische Triller taucht ein in die magische Zeit der frühen Renaissance mit ihren Religionskriegen, mit Hexenwahn und Teufelsglauben. Er gibt dem armen Wilderer Hans, über dessen Existenz es nur Spekulationen gibt, eine persönliche Geschichte, die bis nach Frankreich führt. Dramatische Ereignisse des sechzehnten Jahrhunderts sind mit dem bewegten Leben des Protagonisten und seiner Familie verwoben.

"Der Roman ist spannend, mitreißend und äußerst unterhaltsam geschrieben und spielt an allerlei auch heute noch bekannten Orten rund um Frankfurt.“
"Es ist ein rasante Thriller, der bei aller Tragik immer wieder mit komödienhaften Szenen zum Schmunzeln einlädt."



Karin Stiller, geboren 1957 in Darmstadt, lebt seit 1988 im Frankfurter Nordend und hat zwei erwachsene Kinder. Sie hat schon einiges veröffentlicht, im Rahmen von Sachbüchern, Artikeln und Blogs. Neben ihrer Autorentätigkeit arbeitet sie als Unternehmensberaterin, Dozentin und Coach für Softskills. Story-Telling, Rollenspiele und szenische Darstellung gehören mit zu ihrem Handwerk. WINKELSEE ist ihr Romandebüt.
Die Sage um den tollkühnen Meisterschützen Hans Winkelsee – die heute noch jedem Schulkind in Frankfurt erzählt wird – inspirierte Karin Stiller zusammen mit der Historikerin und Journalistin Claudia Ludwig zunächst zu einem Film-Drehbuch. Aus diesem entstand der Roman gleichen Namens.

Claudia Ludwig, geboren 1960 in Darmstadt, ist Historikerin und Journalistin, hat mehrere Sachbücher veröffentlicht und lebt mit ihrer Familie in einem Frankfurter Vorort.
SpracheDeutsch
HerausgeberHenrich
Erscheinungsdatum7. Dez. 2020
ISBN9783963200533
Winkelsee: Roman

Ähnlich wie Winkelsee

Ähnliche E-Books

Historienromane für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Winkelsee

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Winkelsee - Karin Stiller

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Impressum

    Die wichtigsten Figuren

    Die Wetterfahne

    Wir schreiben das Jahr 1550

    Die Große Jagd am nächsten Tag

    Hans, der Meisterschütze

    Der Schlossbrand

    Ankunft bei Anne

    Drei Jahre später

    Maries Stube

    Was Marie nur ahnte

    Die freie Reichsstadt 1529

    Prügelei im Schwarzen Adler

    Ein Entschluss mit Folgen

    Die Gefahr

    Luzifer und Anton

    Das Schicksal nimmt seinen Lauf

    Die Intrige

    Gisbert

    Hans im Unglück

    Gloria

    Der Galgen

    Der Abend vor der Hinrichtung

    Die Aussprache

    Der Wettlauf

    Das Karmeliterkloster

    Lord Malcolm

    Der Wettstreit

    Das Urteil

    Epilog

    Nachwort und Dank

    Die Autorin

    Titel

    Karin Stiller

    Roman

    Impressum

    Winkelsee

    Roman nach dem gleichnamigen Filmdrehbuch

    von Claudia Ludwig und Karin Stiller

    ISBN 978-3-96320-053-3

    © 2020 Henrich Editionen,

    ein Unternehmen der Henrich Druck + Medien GmbH, Frankfurt am Main

    eBook 2020/01

    Alle Rechte vorbehalten.

    Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

    Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes

    ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.

    Das gilt insbesondere für Kopien, Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    Titelillustration: Jürgen Winnerl

    Umschlagfoto: Cristina Henrich-Kalveram

    Lilie erstellt von freepik - de.freepik.com

    Gesamtherstellung und Verlag:

    Henrich Druck + Medien GmbH, Frankfurt am Main

    Layout: Henrich Druck + Medien

    www.henrich-editionen.de

    Für Julian und Maxine

    Die wichtigsten Figuren

    HANS WINKELSEE (20), der beste Schütze weit und breit. Seine Kunst macht ihn übermütig.

    BÄRBEL HAUSER (18), Tochter des Wächters vom ­Eschenheimer Turm, schön, klug und kämpferisch.

    MARIE DU LAC (40), Mutter von Hans. Sie ist Hebamme und Heilerin mit spirituellen Fähigkeiten.

    LUZIFER (zeitlos), elegant, wandlungsfähig. Er versucht immer wieder, die Beteiligten zu Untaten zu verführen.

    MATTHIAS VON MARTENSTEIN (50), Frankfurter Ratsherr und Patrizier, Anhänger der Reformation. Seine Gesinnung führte ihn einst nach Frankreich.

    MARKUS VON MARTENSTEIN (25), Matthias’ Sohn und Hans’ Rivale in mehrfacher Hinsicht.

    ANNE HAUSER (42), Maries beste Freundin seit Kinder­tagen, ebenfalls Hebamme. Sie ist die Frau des ­Wächters vom Eschenheimer Turm.

    GUSTAV HAUSER (20), Buchdrucker und Annes Sohn, ist Hans’ bester Freund und vernünftiger Mahner vor den Gefahren der Wilderei.

    GLORIA VON GRÜNEBURG (25), bildschöne verwöhnte Patrizier-­Gattin, Cousine von Markus, gelangweilt und von Hans begeistert.

    GISBERT VON TAUERN (47), Theologe aus reicher Adelsfamilie, Matthias von Martensteins Schwager, religiöser Fanatiker und Hexenjäger.

    THERESA (42), glühende Verehrerin von Gisbert und seinen Lehren.

    ANTON LIENER (29), Jagdgehilfe des Oberförsters. Voller Neid auf die Schießkunst von Hans wird er zu einem gefährlichen Widersacher.

    Die Wetterfahne

    Sie glänzte in der Mittagssonne wie das Goldene Vlies. Die frisch restaurierte Wetterfahne lag auf dem Tisch einer Werkstatt südlich von Frankfurt. Henni, einer der Schlosser, polierte eifrig die eine oder andere Stelle. Sein Kollege Gerd schleppte Verpackungsmaterial herbei.

    Henni hielt plötzlich inne. Da war ein kleiner Fleck auf dem Gold. Er wischte mit einem Tuch über das Metall.

    Gerd biss sich fast auf die Zunge: „Jetzt hör emal uff. Jetzt reischt’s. Jetzt werd se eingepackt. Mir müsse los. Jetzt helf mir doch! Er schubste den polierenden Henni. „Schluss jetzt!

    „Ja, ja, is ja gut, isch hab’s ja schon. Henni trat einen Schritt zurück und betrachtete zufrieden sein Werk. „Schön isse geworn. Guck, wie se jetzt wieder glänzt! Alles ausgebessert, Wahnsinn! Isch möcht wisse, welscher Depp die Löcher da nei gemacht hat. Man sieht wirklisch nix mehr. Des Ding is wie neu.

    Gerd verdrehte die Augen: „Ja, herrlisch! Hoffentlich solls auch so aussehe, hat ja bissje ausgesehe wie e Neun."

    Henni runzelte die Stirn: „Ach, Quatsch!", knurrte er.

    Gerd wurde laut: „Gut, wenn du meinst, dann los, einpacke! Inner halbe Stund ist der Autokran am Turm. Jetzt helf doch emal!"

    Sie wickelten die Fahne erst in ein Stofftuch, dann in eine Plastikplane und trugen sie nach draußen. Auf der Straße vor der Werkstatt wartete ihr Lieferwagen.

    „Des Scheißding is aber auch schwer, pass doch uff!", fluchte Gerd. Sie schoben das sperrige Paket ins Auto, stiegen ein und fuhren los. Der Wagen rollte durch die Hauptstraße und verließ die Ortschaft.

    Als sie ein Waldstück erreichten, entspannten sie sich ein wenig. Ihnen stand heute noch einiges an Arbeit bevor. Bald sahen sie Frankfurts Bürotürme, die sich vom strahlend blauen Himmel abhoben.

    Einst war der Eschenheimer Turm mit siebenundvierzig Metern Länge weit und breit das höchste Gebäude. Unter seinem Dach befand sich das nördliche Stadttor von Frankfurt am Main seit 1428. Bis in die Renaissance war es gesichert durch den Stadtgraben, der damals Wasser führte. Jetzt stand das mittelalterliche Gebäude, umrandet von breiten Straßen, mitten im Verkehrsgewusel der Frankfurter Innenstadt.

    Stefan, der Architekt, sinnierte im Auto über das Bauwerk. Ihm war die Leitung der neuesten Restaurierungsarbeiten am Turm anvertraut worden. Er hatte das alte Gemäuer in den ­letzten Wochen lieb gewonnen. Heute sollte sein Projekt einen krönenden Abschluss finden. Die frisch vergoldete Wetterfahne, hoch oben auf dem spitzen Dach, sollte wieder eingesetzt werden. Martha, die Historikerin des Stadtarchivs, hatte ihm die Sage vom tollkühnen Wilddieb erzählt, die sich um die Fahne rankt. Sie wollte alles über ihren Ursprung herauskriegen.

    Er mochte die belesene Martha, die so gar nicht nach altem Archiv aussah, so wie er von der Architektur des Turmes an­getan war, so schwärmte Martha von seiner Geschichte. Er ertappte sich bei dem Gedanken, als Wilderer aus dem sechzehnten Jahrhundert bei ihr einen verwegenen Eindruck zu machen. Der harmonische Bau mit seinen Wachtürmchen lud ihn

    immer zum Träumen ein. Er fühlte sich hineingezogen in eine Zeit, in der das Gebäude ein von Weitem sichtbares, streng ­bewachtes Portal zur Freien Reichsstadt Frankfurt war, wie Wächter auf der Außenbalustrade in die Öde vor ihnen spähten, um ungebetene Gäste abzuwehren. Als er auf den Turm ­zufuhr, wurde er jäh aus seinen Träumen gerissen. Hinter dem Ge­bäude ragte der Nextower, ein hellgraues futuristisches Bürogebäude, mit einhundertsechsunddreißig Metern Höhe in den Himmel.

    „Die beiden Türme könnten unterschiedlicher nicht sein, aber genau damit bringen sie Frankfurts Stadtgeschichte auf einen Nenner, stellte er fest. Sie waren für ihn markante Eckpunkte der Zeitreise Frankfurts vom aufstrebenden Markt­flecken des ausgehenden Mittelalters bis zur Handels- und Bankenstadt. „Mainhattan, die kleinste Metropole der Welt, sagte er laut vor sich hin und lächelte.

    Er stand im Stau vor der letzten Ampel, die ihn vom Eingang des Eschenheimer Tors trennte, und war zu spät. Eigentlich wollte er unbedingt dabei sein, wenn die Fahne vom Autokran auf das Dach gehoben wurde. Er beobachtete, wie Gerd die Fahne zu fassen bekam und sie langsam Richtung Turmspitze zog. Henni stand neben ihm auf dem Gerüst. Er sprach immer wieder in ein Walkie-Talkie und fuchtelte mit den Armen, als kämpfte er gegen ein imaginäres Monster. Die Ampel sprang auf Grün und er konnte näher an den Turm vorrücken. Die ­Fahne funkelte in der Sonne.

    Dann erstarrte er und hörte sich selbst hysterisch schreien, als könnten die beiden Handwerker ihn verstehen, wenn er nur laut genug wäre: „Wo sind die Löcher? Was habt ihr getan? Er schlug sich mit der Hand gegen die Stirn und schüttelte den Kopf. „Die Kerle hören nie zu! Das darf nicht wahr sein. War es aber.

    Die beiden Geschichtsbanausen hatten die Löcher „ausgebessert", die Schusslöcher von Hans Winkelsee, welche die simple Wetterfahne zum Zeugen einer Legende gemacht hatten, die heute noch fast jedem Kind in Frankfurt in der Grundschule erzählt wurde. Es war zwar eh nicht mehr die alte Fahne, die hatte man vor Jahren schon ausgetauscht, aber an die Löcher hatte man damals gedacht. In spätestens einer Stunde sollte hier Martha antanzen und würde dann sogleich im Dreieck springen, wenn sie die Fahne sah. Und als wenn das nicht ­gereicht hätte: Sie würde Horst Meier, den mit Abstand penibelsten Beamten vom Denkmalschutz, im Schlepptau haben. Stefan wollte gerne, mitsamt Auto, im leider nicht mehr vorhandenen Stadtgraben versinken. Stattdessen lenkte er seinen Wagen links am Turm vorbei, Richtung überfüllte Tiefgarage.

    Als er das Eschenheimer Tor nach einer gefühlten Ewigkeit zu Fuß erreicht hatte, standen Henni und Gerd bereits unten bei den Leuten vom Autokran und fachsimpelten über die schlechte Akustik von Walkie-Talkies. Das Auto war schon abfahrbereit. Stefan begrüßte alle und bedankte sich beim Kranführer. Als die Männer abgefahren waren, wendete er sich an Henni und Gerd.

    Henni meinte heiter: „Schön geworn, gell?"

    Stefan bemühte sich Ruhe zu bewahren. Doch je mehr er sich bemühte, umso aufgeregter war er innerlich. Er hatte sich genau überlegt, was jetzt zu tun war, ganz genau: „Also Leute, abgesehen davon, dass ich die Story von der Fahne bestimmt erzählt habe, aber mir wieder mal kein Schwein zugehört hat, können wir das noch hinkriegen."

    Henni und Gerd fühlten sich mit einem Mal unwohl.

    Stefan fuhr fort: „Ich gehe davon aus, dass ihr einen Akkubohrer dabeihabt. Das Gerüst steht noch. Wir haben keine Zeit zu verlieren." Sie sahen ihn verwirrt an. Langsam schwante ­ihnen, worum es ging.

    Widerwillig hörten sie Stefan zu: „Wir haben noch knapp 20 Minuten Zeit. Das kann reichen. Da oben war eine Neun im Fähnchen und die neun Löcher müssen wieder da sein, bevor Martha mit Horst Meier kommt, oder wir kriegen echt Ärger. Wie steh ich denn da?"

    Seine Stimme war mit jedem Wort lauter geworden.

    Henni war einen Schritt zurückgetreten: „Was, da nochema hoch? Heut spielt die Eintracht und ich hab’ Kadde, jammerte er. „Des klappt niemals, so schnell?

    Gerd stöhnte und schluckte den Satz „Hab’ ich doch gesacht, die Neun is wischtisch! mühsam runter. Stattdessen sendete er seinem Kumpel einen vernichtenden Blick und wendete sich an Stefan: „Alles klar, Chef, wird gemacht, kein Problem. Dann sah er seinen Partner streng an und deutete mit dem Kopf zum Lieferwagen, der neben dem Turm stand.

    Im Untergeschoss des Gebäudes breitete sich ein Restaurant auf dem kleinen Platz davor aus. Die Passanten, die man vom Turm während der Autokran-Aktion ferngehalten hatte, bevölkerten die einladenden Stühle und Tische wieder, um am sonnigen Freitagnachmittag im Schatten des Turmes ihre Getränke zu genießen.

    Stefan wartete ungeduldig auf die Handwerker. Die beiden schwenkten fröhlich den Akkubohrer in der Luft.

    Er rief nervös: „Beeilt euch, Jungs!"

    Als sie ihn erreicht hatten, meinte Henni: „Ned uffresche!", und sie verschwanden im Turm.

    Stefan regte sich aber auf. Endlich sah er an der Turmspitze die beiden Handwerker den Bohrer ansetzen. Sein Kopf wanderte hin und her zwischen dem Turm und der Straße, von der aus Martha mit Meier gleich erscheinen würde. Zuerst erkannte er Horst Meier, den großen, drahtigen Mann vom Denkmalschutz, dann Martha, viel kleiner und wild gestikulierend, neben ihm. Stefan blickte gebannt auf das ungleiche Paar, als Henni unbemerkt aus der Tür trat und zum Lieferwagen rannte.

    Als Martha Stefan erkannte, winkte sie ihm mit ausladender Bewegung zu. Horst Meier, der ordentliche Beamte, hielt die Aktentasche fest im Griff und ein Klemmbrett in der Hand, den Blick auf den Boden gerichtet.

    Als sie endlich vor ihm standen, begrüßte Martha ihn mit: „Hallihallo!"

    Von Horst Meier erhielt er einen korrekten Händedruck.

    Martha entschuldigte sich: „Wir sind bisschen zu spät. Die Rushhour ist schuld." Sie lächelte dazu bezaubernd und ging gleich weiter zum Turmeingang.

    Horst Meiers Stimme klang amtlich: „Haben Sie auch, wie besprochen, die historischen Materialien benutzt?", fragte er.

    „Natürlich, wir haben uns streng an die alten Vorlagen gehalten." Stefan kam sich vor wie bei seinem strengen Mathe­lehrer gleichen Namens.

    Die drei traten ein und schafften sich die enge Wendel­treppe empor.

    Martha fuhr mit den Fingern über das raue Mauerwerk im oberen Bereich: „Toll. Sieht prima aus! Na, da freut sich doch der Denkmalschutz, nicht wahr, Herr Meier?" Sie sah ihn herausfordernd von der Seite an.

    Horst wich ihrem Blick aus und strich ebenfalls mit den Fingern über das Mauerwerk. Er räusperte sich und meinte mit etwas zögerlicher Stimme und ernster Miene: „So, wie es aussieht, ist das wohl alles ganz in Ordnung."

    Stefan stimmte zu: „Ja, wir haben uns größte Mühe gegeben, alles ist so authentisch wie irgend möglich. Kommen Sie, wir gehen hoch in die frühere Gefängniszelle."

    Draußen vor dem Turm suchte Henni fieberhaft im hinteren Teil des Lieferwagens nach dem zweiten Akku für die Bohrmaschine. Sein Handy brummte.

    Natürlich war es Gerd: „Was machst’n du, soll isch hier übernachte?!, schrie es aus dem Gerät. „Die komme doch gleisch, findst du’en net oder was?

    Henni schwitzte vor Aufregung. Plötzlich erhellte sich sein Gesicht: „Isch hab’en", sang er laut ins Telefon, hielt den Akku hoch, als könnte Gerd ihn sehen und wischte sich erleichtert den Schweiß von der Stirn.

    Inzwischen waren die drei oben im ersten Dachgeschoss angekommen. Martha und Horst schauten sich die frisch instand gesetzte Kerkertür genauer an.

    In dem Moment polterte Henni herein. Er schnaufte und begrüßte alle mit lauter Stimme: „Dschullinger, die Herrschafte. Lasse Sie sich net störn." Er durchquerte den Raum. Dann verschwand er auf die Außengalerie.

    Martha blickte ihm irritiert nach: „Was machen die Handwerker noch hier?", fragte sie und hob die Augenbrauen.

    Stefan schluckte: „Nur noch eine Kleinigkeit. Die Fahne wurde doch heute erst angebracht. Ist alles in Ordnung!", beteuerte er ein wenig zu laut.

    Martha gab sich damit zufrieden. Sie begann zu träumen. Rechts von ihr war ein kleines Fenster, vor ihr die grobe Wand. Sie senkte den Blick auf den Boden. Dann spähte sie aus dem Fenster. Ihre Augen wanderten zur Zimmerdecke: „Hier hat er auf den Galgen gewartet, Hans Winkelsee, der Wilddieb, allein und völlig verzweifelt. Vielleicht war hier ein Tisch und davor ein Stuhl. Hier hat er gesessen. Neun Tage und

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1