Winkelsee: Roman
Von Karin Stiller
()
Über dieses E-Book
Neun Tage und Nächte lang wartet Hans Winkelsee auf seine Hinrichtung, eingesperrt im Kerkerzimmer des Eschenheimer Turmes zu Frankfurt am Main. Die quietschende Wetterfahne auf dem Dach bringt ihn nachts um den Schlaf. Der Wilddieb wartet auf den Galgen. Am Tag der Hinrichtung hat er nur einen Wunsch: Eine Neun mit seiner Flinte in die vermaledeite Fahne zu schießen. Die Stadtoberen stellen ihm in Aussicht, mit dem Leben davon zu kommen, wenn ihm das schier Unmögliche gelänge …
Der historische Triller taucht ein in die magische Zeit der frühen Renaissance mit ihren Religionskriegen, mit Hexenwahn und Teufelsglauben. Er gibt dem armen Wilderer Hans, über dessen Existenz es nur Spekulationen gibt, eine persönliche Geschichte, die bis nach Frankreich führt. Dramatische Ereignisse des sechzehnten Jahrhunderts sind mit dem bewegten Leben des Protagonisten und seiner Familie verwoben.
"Der Roman ist spannend, mitreißend und äußerst unterhaltsam geschrieben und spielt an allerlei auch heute noch bekannten Orten rund um Frankfurt.“
"Es ist ein rasante Thriller, der bei aller Tragik immer wieder mit komödienhaften Szenen zum Schmunzeln einlädt."
Karin Stiller, geboren 1957 in Darmstadt, lebt seit 1988 im Frankfurter Nordend und hat zwei erwachsene Kinder. Sie hat schon einiges veröffentlicht, im Rahmen von Sachbüchern, Artikeln und Blogs. Neben ihrer Autorentätigkeit arbeitet sie als Unternehmensberaterin, Dozentin und Coach für Softskills. Story-Telling, Rollenspiele und szenische Darstellung gehören mit zu ihrem Handwerk. WINKELSEE ist ihr Romandebüt.
Die Sage um den tollkühnen Meisterschützen Hans Winkelsee – die heute noch jedem Schulkind in Frankfurt erzählt wird – inspirierte Karin Stiller zusammen mit der Historikerin und Journalistin Claudia Ludwig zunächst zu einem Film-Drehbuch. Aus diesem entstand der Roman gleichen Namens.
Claudia Ludwig, geboren 1960 in Darmstadt, ist Historikerin und Journalistin, hat mehrere Sachbücher veröffentlicht und lebt mit ihrer Familie in einem Frankfurter Vorort.
Ähnlich wie Winkelsee
Ähnliche E-Books
Brandenburger Gold: Kriminalroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDunkle Tage: Kriminalroman aus der Weimarer Republik Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Lächeln der Hexe: Ein Taunus-Krimi aus Idstein Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTod und Teufel Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Strohbär - Kriminalroman: Finn Steinmanns erster Fall Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMein zweiter Satz Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDracula in Istanbul: Schatten des Orients Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen»Tyll« von Daniel Kehlmann - Rezension Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAdvent, Advent, die Firma brennt: Krimi Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNenn es Schicksal: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHeidelberger Hexentanz: Der Badische Krimi Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEr und ich: Erinnerungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDan Shocker's LARRY BRENT 117: Die Pranke der Sphinx Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMORD. Schauergeschichten des 19. Jahrhunderts. Band 2 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenRurschatten: Kriminalroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVom Untergang: Kriminalroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWenn alles in Scherben fällt: Vom Überleben in schlechten Zeiten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchandglocke: Kriminalroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBis der Baum brennt: Weihnachtskrimi Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenRheinsberg: Ein Bilderbuch für Verliebte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPriskas Miniaturen: Erzählungen 1978-1988 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBärenmord: und Globuli Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGoethes Krafft: Überarbeitete Neuauflage Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas letzte Dorf vor Amerika: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAuf dem Marktplatz: Lebenserinnerungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenRheinsberg / Schloß Gripsholm Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Adlon: Eine Familiensaga Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBlutkapelle: Kaltenbachs zweiter Fall Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Haus in den Dünen: Ostfrieslandkrimi Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFranzosenliebchen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Historienromane für Sie
Die Nibelungen: Glanzzeit und Untergang eines mächtigen Volkes Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Verlorene Paradies (Illustriert) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVater und Sohn: Die Riesen-Sammlung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Glöckner von Notre Dame: Victor Hugo Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBrief an den Vater Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Jakobsbücher Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Mein wildes, mutiges Herz Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Engel des Vergessens: Roman Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Ulysses Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie versteckte Apotheke: Roman | Der New York Times Top Ten Bestseller über Gift, Rache und einen geheimen Frauenbund Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEine Studie in Scharlachrot: Der erste Roman mit Sherlock Holmes Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenQ Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Judenauto Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEinige meiner besten Freunde und Feinde: 40 Jahre Edition Tiamat Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenErzählungen: Vor dem Gesetz, Das Urteil, Der Landarzt, Ein Hungerkünstler, Blumfeld, Bericht für eine Akademie, Der Jäger Graccus uvm. Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTill Eulenspiegel Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie drei Musketiere: Illustrierte Fassung Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Die Höhlenkinder: Jugendbuch-Trilogie (Alle 3 Bände): Die Höhlenkinder im Heimlichen Grund, Die Höhlenkinder im Pfahlbau & Die Höhlenkinder im Steinhaus Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenRobert Musil - Gesammelte Werke Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHeirat um Mitternacht: Ein Liebesroman aus dem 18. Jahrhundert Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie vierzig Tage des Musa Dagh (Historischer Roman): Eindrucksvolles Epos über die Vernichtung eines Volkes - Der Völkermord an den Armeniern Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLes Misérables / Die Elenden: Alle 5 Bände (Klassiker der Weltliteratur: Die beliebteste Liebesgeschichte und ein fesselnder politisch-ethischer Roman) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKalendergeschichten: und andere Werke Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKarl der Große Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Drei Fälle für Dupin: Die Morde in der Rue Morgue - Das Geheimnis um Marie Rogêt - Der gestohlene Brief Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Tochter des Zementbarons Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Letzter Lorbeer: Vorgeschichte und Geschichte der Kämpfe in Oberschlesien von Januar bis Mai 1945 Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Kleider machen Leute Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Krieg und Frieden (Klassiker der Weltliteratur): Historischer Roman - Napoleonische Kriege Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Verwandte Kategorien
Rezensionen für Winkelsee
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Winkelsee - Karin Stiller
Inhaltsverzeichnis
Titel
Impressum
Die wichtigsten Figuren
Die Wetterfahne
Wir schreiben das Jahr 1550
Die Große Jagd am nächsten Tag
Hans, der Meisterschütze
Der Schlossbrand
Ankunft bei Anne
Drei Jahre später
Maries Stube
Was Marie nur ahnte
Die freie Reichsstadt 1529
Prügelei im Schwarzen Adler
Ein Entschluss mit Folgen
Die Gefahr
Luzifer und Anton
Das Schicksal nimmt seinen Lauf
Die Intrige
Gisbert
Hans im Unglück
Gloria
Der Galgen
Der Abend vor der Hinrichtung
Die Aussprache
Der Wettlauf
Das Karmeliterkloster
Lord Malcolm
Der Wettstreit
Das Urteil
Epilog
Nachwort und Dank
Die Autorin
Titel
Karin Stiller
Roman
Impressum
Winkelsee
Roman nach dem gleichnamigen Filmdrehbuch
von Claudia Ludwig und Karin Stiller
ISBN 978-3-96320-053-3
© 2020 Henrich Editionen,
ein Unternehmen der Henrich Druck + Medien GmbH, Frankfurt am Main
eBook 2020/01
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes
ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.
Das gilt insbesondere für Kopien, Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Titelillustration: Jürgen Winnerl
Umschlagfoto: Cristina Henrich-Kalveram
Lilie erstellt von freepik - de.freepik.com
Gesamtherstellung und Verlag:
Henrich Druck + Medien GmbH, Frankfurt am Main
Layout: Henrich Druck + Medien
www.henrich-editionen.de
Für Julian und Maxine
Die wichtigsten Figuren
HANS WINKELSEE (20), der beste Schütze weit und breit. Seine Kunst macht ihn übermütig.
BÄRBEL HAUSER (18), Tochter des Wächters vom Eschenheimer Turm, schön, klug und kämpferisch.
MARIE DU LAC (40), Mutter von Hans. Sie ist Hebamme und Heilerin mit spirituellen Fähigkeiten.
LUZIFER (zeitlos), elegant, wandlungsfähig. Er versucht immer wieder, die Beteiligten zu Untaten zu verführen.
MATTHIAS VON MARTENSTEIN (50), Frankfurter Ratsherr und Patrizier, Anhänger der Reformation. Seine Gesinnung führte ihn einst nach Frankreich.
MARKUS VON MARTENSTEIN (25), Matthias’ Sohn und Hans’ Rivale in mehrfacher Hinsicht.
ANNE HAUSER (42), Maries beste Freundin seit Kindertagen, ebenfalls Hebamme. Sie ist die Frau des Wächters vom Eschenheimer Turm.
GUSTAV HAUSER (20), Buchdrucker und Annes Sohn, ist Hans’ bester Freund und vernünftiger Mahner vor den Gefahren der Wilderei.
GLORIA VON GRÜNEBURG (25), bildschöne verwöhnte Patrizier-Gattin, Cousine von Markus, gelangweilt und von Hans begeistert.
GISBERT VON TAUERN (47), Theologe aus reicher Adelsfamilie, Matthias von Martensteins Schwager, religiöser Fanatiker und Hexenjäger.
THERESA (42), glühende Verehrerin von Gisbert und seinen Lehren.
ANTON LIENER (29), Jagdgehilfe des Oberförsters. Voller Neid auf die Schießkunst von Hans wird er zu einem gefährlichen Widersacher.
Die Wetterfahne
Sie glänzte in der Mittagssonne wie das Goldene Vlies. Die frisch restaurierte Wetterfahne lag auf dem Tisch einer Werkstatt südlich von Frankfurt. Henni, einer der Schlosser, polierte eifrig die eine oder andere Stelle. Sein Kollege Gerd schleppte Verpackungsmaterial herbei.
Henni hielt plötzlich inne. Da war ein kleiner Fleck auf dem Gold. Er wischte mit einem Tuch über das Metall.
Gerd biss sich fast auf die Zunge: „Jetzt hör emal uff. Jetzt reischt’s. Jetzt werd se eingepackt. Mir müsse los. Jetzt helf mir doch! Er schubste den polierenden Henni. „Schluss jetzt!
„Ja, ja, is ja gut, isch hab’s ja schon. Henni trat einen Schritt zurück und betrachtete zufrieden sein Werk. „Schön isse geworn. Guck, wie se jetzt wieder glänzt! Alles ausgebessert, Wahnsinn! Isch möcht wisse, welscher Depp die Löcher da nei gemacht hat. Man sieht wirklisch nix mehr. Des Ding is wie neu.
Gerd verdrehte die Augen: „Ja, herrlisch! Hoffentlich solls auch so aussehe, hat ja bissje ausgesehe wie e Neun."
Henni runzelte die Stirn: „Ach, Quatsch!", knurrte er.
Gerd wurde laut: „Gut, wenn du meinst, dann los, einpacke! Inner halbe Stund ist der Autokran am Turm. Jetzt helf doch emal!"
Sie wickelten die Fahne erst in ein Stofftuch, dann in eine Plastikplane und trugen sie nach draußen. Auf der Straße vor der Werkstatt wartete ihr Lieferwagen.
„Des Scheißding is aber auch schwer, pass doch uff!", fluchte Gerd. Sie schoben das sperrige Paket ins Auto, stiegen ein und fuhren los. Der Wagen rollte durch die Hauptstraße und verließ die Ortschaft.
Als sie ein Waldstück erreichten, entspannten sie sich ein wenig. Ihnen stand heute noch einiges an Arbeit bevor. Bald sahen sie Frankfurts Bürotürme, die sich vom strahlend blauen Himmel abhoben.
Einst war der Eschenheimer Turm mit siebenundvierzig Metern Länge weit und breit das höchste Gebäude. Unter seinem Dach befand sich das nördliche Stadttor von Frankfurt am Main seit 1428. Bis in die Renaissance war es gesichert durch den Stadtgraben, der damals Wasser führte. Jetzt stand das mittelalterliche Gebäude, umrandet von breiten Straßen, mitten im Verkehrsgewusel der Frankfurter Innenstadt.
Stefan, der Architekt, sinnierte im Auto über das Bauwerk. Ihm war die Leitung der neuesten Restaurierungsarbeiten am Turm anvertraut worden. Er hatte das alte Gemäuer in den letzten Wochen lieb gewonnen. Heute sollte sein Projekt einen krönenden Abschluss finden. Die frisch vergoldete Wetterfahne, hoch oben auf dem spitzen Dach, sollte wieder eingesetzt werden. Martha, die Historikerin des Stadtarchivs, hatte ihm die Sage vom tollkühnen Wilddieb erzählt, die sich um die Fahne rankt. Sie wollte alles über ihren Ursprung herauskriegen.
Er mochte die belesene Martha, die so gar nicht nach altem Archiv aussah, so wie er von der Architektur des Turmes angetan war, so schwärmte Martha von seiner Geschichte. Er ertappte sich bei dem Gedanken, als Wilderer aus dem sechzehnten Jahrhundert bei ihr einen verwegenen Eindruck zu machen. Der harmonische Bau mit seinen Wachtürmchen lud ihn
immer zum Träumen ein. Er fühlte sich hineingezogen in eine Zeit, in der das Gebäude ein von Weitem sichtbares, streng bewachtes Portal zur Freien Reichsstadt Frankfurt war, wie Wächter auf der Außenbalustrade in die Öde vor ihnen spähten, um ungebetene Gäste abzuwehren. Als er auf den Turm zufuhr, wurde er jäh aus seinen Träumen gerissen. Hinter dem Gebäude ragte der Nextower, ein hellgraues futuristisches Bürogebäude, mit einhundertsechsunddreißig Metern Höhe in den Himmel.
„Die beiden Türme könnten unterschiedlicher nicht sein, aber genau damit bringen sie Frankfurts Stadtgeschichte auf einen Nenner, stellte er fest. Sie waren für ihn markante Eckpunkte der Zeitreise Frankfurts vom aufstrebenden Marktflecken des ausgehenden Mittelalters bis zur Handels- und Bankenstadt. „Mainhattan, die kleinste Metropole der Welt
, sagte er laut vor sich hin und lächelte.
Er stand im Stau vor der letzten Ampel, die ihn vom Eingang des Eschenheimer Tors trennte, und war zu spät. Eigentlich wollte er unbedingt dabei sein, wenn die Fahne vom Autokran auf das Dach gehoben wurde. Er beobachtete, wie Gerd die Fahne zu fassen bekam und sie langsam Richtung Turmspitze zog. Henni stand neben ihm auf dem Gerüst. Er sprach immer wieder in ein Walkie-Talkie und fuchtelte mit den Armen, als kämpfte er gegen ein imaginäres Monster. Die Ampel sprang auf Grün und er konnte näher an den Turm vorrücken. Die Fahne funkelte in der Sonne.
Dann erstarrte er und hörte sich selbst hysterisch schreien, als könnten die beiden Handwerker ihn verstehen, wenn er nur laut genug wäre: „Wo sind die Löcher? Was habt ihr getan? Er schlug sich mit der Hand gegen die Stirn und schüttelte den Kopf. „Die Kerle hören nie zu! Das darf nicht wahr sein.
War es aber.
Die beiden Geschichtsbanausen hatten die Löcher „ausgebessert", die Schusslöcher von Hans Winkelsee, welche die simple Wetterfahne zum Zeugen einer Legende gemacht hatten, die heute noch fast jedem Kind in Frankfurt in der Grundschule erzählt wurde. Es war zwar eh nicht mehr die alte Fahne, die hatte man vor Jahren schon ausgetauscht, aber an die Löcher hatte man damals gedacht. In spätestens einer Stunde sollte hier Martha antanzen und würde dann sogleich im Dreieck springen, wenn sie die Fahne sah. Und als wenn das nicht gereicht hätte: Sie würde Horst Meier, den mit Abstand penibelsten Beamten vom Denkmalschutz, im Schlepptau haben. Stefan wollte gerne, mitsamt Auto, im leider nicht mehr vorhandenen Stadtgraben versinken. Stattdessen lenkte er seinen Wagen links am Turm vorbei, Richtung überfüllte Tiefgarage.
Als er das Eschenheimer Tor nach einer gefühlten Ewigkeit zu Fuß erreicht hatte, standen Henni und Gerd bereits unten bei den Leuten vom Autokran und fachsimpelten über die schlechte Akustik von Walkie-Talkies. Das Auto war schon abfahrbereit. Stefan begrüßte alle und bedankte sich beim Kranführer. Als die Männer abgefahren waren, wendete er sich an Henni und Gerd.
Henni meinte heiter: „Schön geworn, gell?"
Stefan bemühte sich Ruhe zu bewahren. Doch je mehr er sich bemühte, umso aufgeregter war er innerlich. Er hatte sich genau überlegt, was jetzt zu tun war, ganz genau: „Also Leute, abgesehen davon, dass ich die Story von der Fahne bestimmt erzählt habe, aber mir wieder mal kein Schwein zugehört hat, können wir das noch hinkriegen."
Henni und Gerd fühlten sich mit einem Mal unwohl.
Stefan fuhr fort: „Ich gehe davon aus, dass ihr einen Akkubohrer dabeihabt. Das Gerüst steht noch. Wir haben keine Zeit zu verlieren." Sie sahen ihn verwirrt an. Langsam schwante ihnen, worum es ging.
Widerwillig hörten sie Stefan zu: „Wir haben noch knapp 20 Minuten Zeit. Das kann reichen. Da oben war eine Neun im Fähnchen und die neun Löcher müssen wieder da sein, bevor Martha mit Horst Meier kommt, oder wir kriegen echt Ärger. Wie steh ich denn da?"
Seine Stimme war mit jedem Wort lauter geworden.
Henni war einen Schritt zurückgetreten: „Was, da nochema hoch? Heut spielt die Eintracht und ich hab’ Kadde, jammerte er. „Des klappt niemals, so schnell?
Gerd stöhnte und schluckte den Satz „Hab’ ich doch gesacht, die Neun is wischtisch! mühsam runter. Stattdessen sendete er seinem Kumpel einen vernichtenden Blick und wendete sich an Stefan: „Alles klar, Chef, wird gemacht, kein Problem.
Dann sah er seinen Partner streng an und deutete mit dem Kopf zum Lieferwagen, der neben dem Turm stand.
Im Untergeschoss des Gebäudes breitete sich ein Restaurant auf dem kleinen Platz davor aus. Die Passanten, die man vom Turm während der Autokran-Aktion ferngehalten hatte, bevölkerten die einladenden Stühle und Tische wieder, um am sonnigen Freitagnachmittag im Schatten des Turmes ihre Getränke zu genießen.
Stefan wartete ungeduldig auf die Handwerker. Die beiden schwenkten fröhlich den Akkubohrer in der Luft.
Er rief nervös: „Beeilt euch, Jungs!"
Als sie ihn erreicht hatten, meinte Henni: „Ned uffresche!", und sie verschwanden im Turm.
Stefan regte sich aber auf. Endlich sah er an der Turmspitze die beiden Handwerker den Bohrer ansetzen. Sein Kopf wanderte hin und her zwischen dem Turm und der Straße, von der aus Martha mit Meier gleich erscheinen würde. Zuerst erkannte er Horst Meier, den großen, drahtigen Mann vom Denkmalschutz, dann Martha, viel kleiner und wild gestikulierend, neben ihm. Stefan blickte gebannt auf das ungleiche Paar, als Henni unbemerkt aus der Tür trat und zum Lieferwagen rannte.
Als Martha Stefan erkannte, winkte sie ihm mit ausladender Bewegung zu. Horst Meier, der ordentliche Beamte, hielt die Aktentasche fest im Griff und ein Klemmbrett in der Hand, den Blick auf den Boden gerichtet.
Als sie endlich vor ihm standen, begrüßte Martha ihn mit: „Hallihallo!"
Von Horst Meier erhielt er einen korrekten Händedruck.
Martha entschuldigte sich: „Wir sind bisschen zu spät. Die Rushhour ist schuld." Sie lächelte dazu bezaubernd und ging gleich weiter zum Turmeingang.
Horst Meiers Stimme klang amtlich: „Haben Sie auch, wie besprochen, die historischen Materialien benutzt?", fragte er.
„Natürlich, wir haben uns streng an die alten Vorlagen gehalten." Stefan kam sich vor wie bei seinem strengen Mathelehrer gleichen Namens.
Die drei traten ein und schafften sich die enge Wendeltreppe empor.
Martha fuhr mit den Fingern über das raue Mauerwerk im oberen Bereich: „Toll. Sieht prima aus! Na, da freut sich doch der Denkmalschutz, nicht wahr, Herr Meier?" Sie sah ihn herausfordernd von der Seite an.
Horst wich ihrem Blick aus und strich ebenfalls mit den Fingern über das Mauerwerk. Er räusperte sich und meinte mit etwas zögerlicher Stimme und ernster Miene: „So, wie es aussieht, ist das wohl alles ganz in Ordnung."
Stefan stimmte zu: „Ja, wir haben uns größte Mühe gegeben, alles ist so authentisch wie irgend möglich. Kommen Sie, wir gehen hoch in die frühere Gefängniszelle."
Draußen vor dem Turm suchte Henni fieberhaft im hinteren Teil des Lieferwagens nach dem zweiten Akku für die Bohrmaschine. Sein Handy brummte.
Natürlich war es Gerd: „Was machst’n du, soll isch hier übernachte?!, schrie es aus dem Gerät. „Die komme doch gleisch, findst du’en net oder was?
Henni schwitzte vor Aufregung. Plötzlich erhellte sich sein Gesicht: „Isch hab’en", sang er laut ins Telefon, hielt den Akku hoch, als könnte Gerd ihn sehen und wischte sich erleichtert den Schweiß von der Stirn.
Inzwischen waren die drei oben im ersten Dachgeschoss angekommen. Martha und Horst schauten sich die frisch instand gesetzte Kerkertür genauer an.
In dem Moment polterte Henni herein. Er schnaufte und begrüßte alle mit lauter Stimme: „Dschullinger, die Herrschafte. Lasse Sie sich net störn." Er durchquerte den Raum. Dann verschwand er auf die Außengalerie.
Martha blickte ihm irritiert nach: „Was machen die Handwerker noch hier?", fragte sie und hob die Augenbrauen.
Stefan schluckte: „Nur noch eine Kleinigkeit. Die Fahne wurde doch heute erst angebracht. Ist alles in Ordnung!", beteuerte er ein wenig zu laut.
Martha gab sich damit zufrieden. Sie begann zu träumen. Rechts von ihr war ein kleines Fenster, vor ihr die grobe Wand. Sie senkte den Blick auf den Boden. Dann spähte sie aus dem Fenster. Ihre Augen wanderten zur Zimmerdecke: „Hier hat er auf den Galgen gewartet, Hans Winkelsee, der Wilddieb, allein und völlig verzweifelt. Vielleicht war hier ein Tisch und davor ein Stuhl. Hier hat er gesessen. Neun Tage und