Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Das letzte Dorf vor Amerika: Roman
Das letzte Dorf vor Amerika: Roman
Das letzte Dorf vor Amerika: Roman
eBook384 Seiten5 Stunden

Das letzte Dorf vor Amerika: Roman

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Es ist einer dieser heißen norddeutschen Sommer, als Hanne, inzwischen Mitte sechzig, aus Kanada in ihre Heimat an der Wesermündung reist, um den Geburtstag ihrer Jugendfreundin zu feiern – und um sich dem Ort ihrer Kindheit wieder anzunähern. Einem unbestimmten Gefühl folgend, möchte sie den Dingen auf den Grund gehen, möchte hinter die Fassaden schauen. Für die zehnjährige Hanne war das Dorf ein Kosmos voller Abenteuer, in dem das Butschern mit dem besten Freund, die Schulaufführung im Kasino und die lesend verbrachten Stunden hinterm Stubensessel alles bedeuteten. Es war aber auch eine Welt mit Geheimnissen und Tragödien – wie die verhängnisvolle Geschichte der schönen Isabella, die 1954 das Leben hinterm Deich erschütterte. Ein halbes Jahrhundert später schließt sich mit dem Fund ihrer Tagebücher für Hanne der Kreis...

SpracheDeutsch
HerausgeberSchardt Verlag
Erscheinungsdatum1. Nov. 2018
ISBN9783961521647
Das letzte Dorf vor Amerika: Roman

Ähnlich wie Das letzte Dorf vor Amerika

Ähnliche E-Books

Historienromane für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Das letzte Dorf vor Amerika

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Das letzte Dorf vor Amerika - Hella Brehmer

    ERSTER TAG - Sonnabend

    Gleis 1. Sie musste schmunzeln. Es ist, wie es ist, wie es immer gewesen ist! Der Zug zurück in den Ort ihrer Kindheit sollte von dem Gleis abfahren, von dem er immer abgefahren ist. Im Sommer, früher, wenn sie mit der Großmutter nach dem Besuch bei der Tante zurückfuhr. Im Herbst, wenn sie mit der Mutter nach einem aufregenden Tag auf dem Bremer Freimarkt spätabends zurückfuhr. Unzählige Fahrten in späteren Jahren und die beiden letzten, um Eveline zu besuchen. Lange war das her, sehr lange.

    Manches änderte sich eben doch nie. Nur die Art der Züge hatte sich über die Jahre oft geändert – unvergesslich, der wackelige mattrote Schienenbus und die Endstation. Schon vor Jahren hatte Eveline ihr berichtet, dass die Züge nicht mehr zum Bahnhof am Fähranleger fahren würden, jenes kleine Dorf an der Flussmündung, welches man einst Das letzte Dorf vor Amerika genannt hatte.

    Als sie den Bahnsteig erreichte, sah sie erstaunt, dass die alte Regionalbahn bereits fahrbereit auf dem Gleis stand. Der gleiche klapprige Zug wie beim letzten Mal, einiges bleibt eben doch wie es ist, wie es immer gewesen ist.

    Hanne stieg ein und setzte sich auf die mit dunkelrotem Kunststoff bezogene Sitzbank gleich neben der Tür ans Fenster. In erwartungsvoller Vorfreude entfaltete sie sorgfältig den Weser-Kurier, den sie unten in der Bahnhofshalle gekauft hatte, und begann zu lesen.

    Lautes Stöhnen schreckte sie auf. Eine ältere Frau keuchte, dabei nach Luft ringend, bei dem Versuch, ihren kleinen Rollkoffer hinauf in den Waggon mit den hohen Stufen des Zugs zu hieven. Schnell legte Hanne ihre Zeitung zur Seite und half der Frau mit ihrem Koffer. Dankbar stellte diese ihn auf der anderen Seite des Gangs vors Fenster und setzte sich, völlig erschöpft, daneben. Allerdings nicht erschöpft genug, um sich nicht umgehend zu ihr zu drehen und mit lauter Stimme, ohne jegliche Umschweife, mit so typisch norddeutscher Direktheit, zu fragen: „Fah’n Sie auch nach Nordenham?"

    Hanne bestätigte das mit einem knappen „Ja". Sie wollte ihre Zeitung lesen, hatte keine Lust auf höflich belanglose Konversation.

    „Da bin ich aber beruhigt, da fah’ ich nämlich auch hin. Vielleicht können Sie mir dann beim Aussteigen noch mal mit meinem Koffer helfen. Na ja, ich werde zwar abgeholt, und Nordenham ist Endstation, aber sicher ist sicher. In diesen alten Zügen ist das Ein- und Aussteigen ja nicht so einfach mit Gepäck. Ich bin ja auch schon sechsundachtzig. Im Dezember sollen wir ja endlich eine neue Bahn bekommen, eine von diesen privaten, mit den schicken bunten Zügen. Solche fah’n ja schon nach Hamburg."

    Hanne nickte kurz und schaute demonstrativ auf ihre Zeitung, und die Frau schwieg tatsächlich. Leider nicht sehr lange, dann drehte sie sich wieder zu ihr und fragte: „Wohn’ Sie in Nordenham?"

    „Nein. Früher habe ich dort gewohnt, bin in Drewürden aufgewachsen. Jetzt fahre ich eine alte Freundin besuchen."

    Die Frau zupfte ihr T-Shirt mit dem glitzernden großen Schriftzug über ihre sportlich geschnittene, helle Hose, so als sei sie sich unschlüssig, ob sie das Gespräch fortsetzen sollte oder nicht. Offensichtlich hatte sie sich für Vorletzteres entschieden, denn lebhaft plauderte sie drauflos: „Ich bin ursprünglich aus Nordenham, wiss’n Sie, habe meine ganze Kindheit dort verbracht. Mein kleiner Bruder wohnt immer noch dort mit seiner Familie, im Haus meiner Eltern, am Mittelweg. Früher hab’n wir uns viel öfter gesehen, mein Bruder und ich, mein’ ich, als mein Mann noch lebte, wiss’n Sie. Da sind wir mit dem Auto hochgefah’n, mindestens einmal im Monat. Jetzt aber komm’ ich nich’ mehr so oft hin, das Zuchfah’n ist ja so anstrengend. Sie holte kurz Luft. „Obwohl, damals, gleich nach’m Krieg, als wir noch kein Auto hatten, also da war das man ja noch viel schlimmer. Immer dieses umständliche Umsteigen in Hude. Also ...

    „Ach ja, Hude, unterbrach Hanne die Erzählwut, die offenbar nach wie vor Leute befiel, sobald sie in einem Zug saßen, dieser unerklärbare Zwang, wildfremden Mitreisenden detailliert ganze Lebensgeschichten zu erzählen. „Daran erinnere ich mich auch. Diese schwindelerregend hohe Eisenbrücke, die über die Gleise führte. Schrecklich. Mit Gepäck war das der reinste Horrortrip. Ihr grauste immer noch beim Gedanken an dieses eiserne Monstrum mit den gefährlich steilen Treppenstufen, Stufen, durch die man hindurchsehen konnte. Sie musste unwillkürlich an ihre Tante Fifi denken, die Mitte der dreißiger Jahre als blutjunge Braut nach Drewürden fuhr, jenen kleinen Ort, in den sie die Liebe verschlagen hatte. Auch sie musste in Hude umsteigen. Mit der ihr angeborenen panischen Angst vor Höhen weigerte sie sich jedoch, die hohe Eisenbrücke zu erklimmen, um auf den gegenüberliegenden Bahnsteig zu gelangen. Kurzentschlossen rannte sie stattdessen mit ungekanntem Wagemut, als sei eine Herde ausgebüxter Ochsen hinter ihr her, am vorderen flachen Ende des Bahnsteigs blitzschnell mit ihrem schweren Koffer über die Gleise. Froh, unversehrt und besonders unbemerkt den anderen Bahnsteig erreicht zu haben, stellte sie ihren Koffer ab, setzte sich erschöpft darauf und schnappte, noch völlig erregt, nach Luft. Dann erschrak sie, als sie sah, wie ein Bahnbeamter, Kelle in der Hand, langsam aber zielstrebig auf sie zukam. Näher und näher kam er, und sie dachte: Jetzt ist es aus, er kommt und wird dich verhaften. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Zu ihrer allergrößten Überraschung lächelte er sie jedoch freundlich an und fragte: „Na mien Deern, wohin geiht dat denn hüdde?"

    Tante Fifi, verwirrt, gleichermaßen aber unheimlich erleichtert, würgte nur ein kurzes „nach Drewürden" heraus, dabei allerdings herrlich beide Rs rollend. Niemand rollte die Rs so stark und so schön wie sie.

    „Drewür’n?, staunte der Bahnbeamte, rückte sich und seine Uniform in Positur und erklärte ihr nun in seinem besten Hochdeutsch: „Drewürden, da ist die große Zukunft! Er nickte dazu gewichtig, ganz der autoritäre Beamte, als wollte er ihr bestätigen, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, ihrem Otto nach Drewürden zu folgen, denn in Drewürden war schließlich die große Zukunft.

    Ihre Tante erzählte diese Geschichte liebend gern und wieder und wieder. Auch beim bevorstehenden Besuch würde sie ihr davon erzählen, davon war Hanne fest überzeugt, und einmal mehr würde sie so tun, als höre sie alles zum allerersten Mal.

    Die große Zukunft waren zu jener Zeit die Flugzeugwerke, die Menschen aus allen Teilen Deutschlands angelockt hatten, wie zuvor um die Jahrhundertwende die Schiffswerft. Die hatte ihre Urgroßväter in den kleinen Ort an der Flussmündung verpflanzt. Mit seiner Frau und fünf Kindern war der Urgroßvater mütterlicherseits aus dem nahen Bremen nach Drewürden ausgewandert. Der andere war mit Frau und zwei Kindern aus Stettin in seine friesische Heimat zurückgekehrt. Tante Fifis große Zukunft war Drewürden sicherlich nicht geworden. Hatte sie ihre Entscheidung je bereut? Erwähnt wurde es von ihr nicht, es war nie Bestandteil ihrer Erzählung. Was hatte sie für ein Leben gehabt ...

    „Wohn’ Sie denn auch in Bremen?", riss die Frau sie aus ihren Gedanken.

    „Nein, ich wohne in Kanada."

    „Kanada?, wiederholte die Frau ungläubig. „Sie kommen direkt aus Kanada?

    „Nein, ich komme jetzt aus Berlin, bin schon seit einer Woche in Deutschland." Danach blieb die Frau still, für eine lange Zeit. Nur wenige Leute waren zugestiegen, sicher nicht ungewöhnlich für einen späten Vormittag und diesen bedeutenden Sonnabend der Fußball WM in Südafrika, im Viertelfinale spielte Argentinien gegen Deutschland.

    Geräuschvoll schlossen die Türen, und gemächlich ratterte der alte Zug los. Aus der düsteren Bahnhofshalle fuhr er hinaus in eine wie es schien noch halb verschlafene Stadt, die allerdings bunt geschmückt war mit schwarz-rot-goldenen Fahnen, Fähnchen und Wimpeln, die von Balkonen und an Fenstern hingen, von Autos flatterten oder auf Abziehbildern auf allen möglichen Sachen klebten. König Fußball regierte das ganze Land, Hanne hatte dieses Phänomen und die Euphorie schon in Berlin bestaunt. Dann schwenkte der Zug in einem großen Bogen über die Weserbrücke hinaus in die größeren Orte im Bremer Umland und kurz darauf ins platte Marschenland links des Flusses.

    Hatte sich etwas verändert seit ihrem letzten Besuch vor über zwanzig Jahren? Die unzähligen kleinen Bahnhöfe waren schon damals fast alle verfallen. Einige waren zu Wohnhäusern umfunktioniert worden, erkennbar an den gestärkten weißen Gardinen in den übergroßen Fenstern. Überall leuchteten blau-graue Metallschränke mit bunten Knöpfen, die offensichtlich Fahrkarten ausspuckten. Zwischen gepflasterten Steinen wucherte ungezügelt Unkraut, und die alten, verwitterten Stationsschilder waren teilweise so überwachsen mit wilden Brombeeren und sonstigem Gestrüpp, dass man die Ortsnamen nur erraten konnte. Sie musste nicht raten, sie kannte sie alle, an jeden einzelnen konnte sie sich erinnern.

    Das Landschaftsbild jedoch schien unverändert. Linkerhand das fette Weideland, alte Bauernhöfe, im Friesenstil erbaut, umgeben von schützenden hohen Kastanien und der größtenteils parallel zur Bahn verlaufenden Bundesstraße. Auch kleinere Flüsse und Siele begleiteten den Verlauf der Schienen oder durchkreuzten ihn, sodass der Zug über einige Brücken fahren musste. Rechterhand aber erschien, immer wieder, der schier endlose Deich. Vereinzelt standen Gruppen von braunen Kühen auf den Weiden; schwarz-weiße Holsteiner, die früher jede norddeutsche Weide bevölkert hatten, sah sie kaum. Weiß schimmerten in der Ferne hohe dreiflügelige Windräder, die irgendwie nach wild in die Höhe geschossenem Spargel aussahen. Früher sah man noch vereinzelt alte reetgedeckte Mühlen, denn starken Wind hatte es immer gegeben. Auch wenn sie nur wenig grasendes Vieh sehen konnte, so lag doch überall auf den Weiden Futter, rund geformte, kompakte Ballen Heu. Es musste sie also noch geben, die lukrative Viehzucht.

    „Unseren Bauern geht’s gut, hatte ihre Großmutter immer gesagt, „die haben nie gelitten, nicht mal im Krieg. Der legendäre Reichtum der Marschenbauern, die prächtigen Gehöfte, die uralten Kirchen, äußerlich eher schlicht und einfach, innen oft mit klanggewaltigen wertvollen Orgeln ausgestattet, zeugten sicher auch heute noch vom Glanz vergangener Zeiten. Konnte man diese spröde und so herbe Landschaft lieben? Man konnte. Sie war hier aufgewachsen, es war ihre Heimat, und Heimat liebte man, bedingungslos.

    Eine kleine Geschichte aus frühen Schultagen fiel ihr ein. Von einem jungen Mädchen erzählte sie, das mit ihrer Familie in eine reizvolle Landschaft umgezogen war und von ihrem neuen Schulfreund, der ihr immer wieder die schönsten Flecken zeigte, stille Seen, dunkle Wälder, tiefe Schluchten und Täler mit seicht plätschernden Bächen und jedes Mal fragte: „Ist es nicht wunderschön hier? Jedes Mal jedoch beantwortete das Mädchen seine Frage mit: „Zu Hause, wo ich herkomme, ist es tausendmal schöner. Der Freund gab verzweifelt auf. Jahre später besuchte er den Ort des Mädchens, fand eine trostlose Siedlung farbloser Häuser in einer wenig interessanten Landschaft vor. Heimat ist grundsätzlich schön, und unsere Erinnerung verhüllt sie mit einem rosaroten Schleier. War ihre wald- und hügellose Heimat, dieses platte Land, objektiv gesehen schön? Sicherlich nicht, aber es hatte seine Reize, einen einzigartig herben Charme. Besonders im Winter.

    Ihr letzter Besuch bei Eveline war im Winter gewesen. In einen klirrend kalten Januar war sie zurückgekommen, war verzaubert worden von dieser kargen Landschaft. Weder ihre majestätischen kanadischen Berge noch die höchsten schneebedeckten Zedern konnten konkurrieren mit den weißgepuderten platten Weiden, den eindrucksvollen Birken und Korbweiden, den hohen schlanken Pappeln, alle in einem Kleid aus filigranem Raureif, den das naheliegende feuchte Meer für sie gewebt hatte. Starke Schilfhalme stachen trotzig durch die dünne Eisdecke der Gräben, wiegten sich im rauen Winterwind und bildeten mit ihrer sandenen Farbe einen eigenartig sanften Kontrast zum Weiß der Felder. Den Eisschollen, die, willkürlich zusammengeschoben, bizarre Formationen entlang der Seeseite der Deiche bildeten. Und einer Wintersonne, die wie ein over easy Spiegelei hinter einer durchsichtigen Milchwand am Himmel klebte.

    „Der Sohn meiner Nachbarin wohnt in Kanada. In Toronto", riss die Frau sie aus ihren Gedanken.

    „Ach ja, entgegnete Hanne lahm, fügte aber bewusst höflich hinzu, damit die Frau nicht etwa auf die Idee kam zu fragen, ob sie den Sohn vielleicht kenne: „Ich wohne in Vancouver, an der Westküste, das liegt drei Zeitzonen von Toronto entfernt.

    Das funktionierte ganz gut, nun musste die Frau nachdenken, sagte lange Zeit nichts. Als sie vom Wetter anfing, über die seit Tagen brütende Hitze stöhnte, näherte sich der Zug bereits dem Nordenhamer Bahnhof. Hanne ging mit ihrem Gepäck zur Tür, und die Frau folgte ihr, stellte sich mit ihrem kleinen Koffer direkt hinter sie, und Hanne half ihr – selbstverständlich – beim Aussteigen.

    Eveline stand auf dem Bahnsteig und winkte ihr vertraut fröhlich zu. Unverändert sah sie aus, wie vor einem Jahr, bei ihrem letzten Treffen. Sie war immer schlank gewesen, bewegte sich viel, spielte immer noch Tennis und konnte genüsslich absolut alles essen, ohne dass sich auch nur ein Gramm irgendwo an ihren Körper heftete. Hanne dagegen bekämpfte ständig ihre überflüssigen Pfunde, die sich wie ein Schutzmantel auf ihre Hüften legten, mit immer neuen Diäten. Unverändert auch Evelines Frisur, die sie seit über vierzig Jahren trug. In weichen Wellen fiel ihr dickes braunes Haar auf ihre schmalen Schultern und rahmte ihr hübsches Gesicht mit den hohen Wangenknochen und dem klaren Teint perfekt ein. Ihre haselnussbraunen Augen lagen tief und mandelförmig unter fast geraden, buschigen Augenbrauen.

    Das Besondere an Eveline waren jedoch nicht ihre aparten Augen und ihre schönen Haare, sondern ihre unverwechselbar charmante Art, mit einem aufrichtigen Lächeln herzlich auf Menschen zuzugehen und ihnen dabei direkt in die Augen zu schauen. Mit diesem gewinnenden Lächeln hatte sie seinerzeit Derick eingefangen, ihn verzaubert. Liebe auf den ersten Blick war es für ihn gewesen, und sie hatte diese Liebe schnell erwidert. Nur sechs Monate nach ihrer ersten Begegnung gaben sie sich das Jawort in der kleinen katholischen Kirche in Drewürden. „Was für ein schönes Paar", tuschelte die kleine Gemeinde damals, als sie zum Altar schritten, auch Hanne. Anfang der siebziger Jahre war das gewesen, ihre erste Rückkehr nach Europa. Drewürden selbst hatte sie sich nicht weiter angeschaut, nur ihre Tante Fifi kurz besucht.

    Als die Töchter Marion und Marlies noch klein waren, besuchte sie ihre Freundin das erste Mal nach der Hochzeit. Danach hatten sie sich viele Jahre überhaupt nicht gesehen, man hatte sich buchstäblich aus den Augen verloren, der Kontakt hatte sich auf die obligatorischen Grüße, kurze Briefe zu Geburtstagen und Weihnachten, beschränkt. Erst Ende der achtziger Jahre trafen sie sich in Nordenham wieder, jenem eiskalten Januar. Sie war zum siebzigsten Geburtstag ihrer Mutter nach Frankfurt geflogen und hatte sich überreden lassen, einen Abstecher in die alte Heimat zu machen. Ehemann Derick war geschäftlich unterwegs, und so erzählte Eveline ausführlich von ihrer Ehekrise, der eventuell bevorstehenden Scheidung. Schnell hatten sie ihre Krise jedoch überwunden, die kaputte Ehe erfolgreich gekittet, und noch im selben Jahr im Herbst hatten die beiden Freundinnen ihre Kulturwochen begonnen.

    Erstes Ziel war Paris gewesen: fünf Tage Freiheit, Unabhängigkeit. Kein Museum, keine Sehenswürdigkeit hatten sie ausgelassen, alles besichtigt, sogar das Schloss in Versailles. Natürlich fanden sie immer noch genug Zeit, ausgiebig in ausgefallenen Boutiquen und den eleganten Kaufhäusern zu stöbern. Priorität aber war das Erzählen bei gutem Essen und Wein. Beim Abschied hatten sie vereinbart, sich jedes Jahr im Herbst oder Frühling in einer interessanten Stadt zu treffen. Letztes Jahr war das Rom gewesen. Hanne liebte ihre europäischen Kulturspritzen, war froh, Besuche in ihrer Heimatstadt vermeiden zu können, und Eveline genoss es, dem kleinbürgerlichen Mief ihrer Kleinstadt entrinnen zu können. Nur selten traute sich die unter Flugangst leidende Eveline in ein Flugzeug, meistens nahm sie ermüdend lange Zugfahrten in Kauf. Hanne wiederum flog ihre Ziele an, oftmals sogar direkt, manchmal mit Umsteigen. Einige Male war sie nach Frankfurt geflogen und mit der Bahn weitergefahren. Wie nach Goslar zum Beispiel, gleich nach der Wende. Sie hatte den Zug genommen, und Eveline war mit dem Auto gekommen, so konnten sie alle Orte des Harzes erkundschaften. Auch Tante Fifis Birgit hatte sie in Braunlage getroffen. Vom Torfhaus waren die Freundinnen zum Brocken gewandert, endlich ohne Zonengrenze. Ihr Landkreis hatte jahrelang früher ein Jugendheim dort betrieben, und wohl jeder Schüler jeder existierenden Schule in der Wesermarsch hatte dorthin den obligatorischen Schulausflug gemacht. Auch nach Dresden war sie von Frankfurt mit dem Zug gefahren, zusammen mit Eveline, und von dort waren beide weitergefahren nach Prag.

    Nun galt es, Evelines Geburtstag gebührend zu feiern, ihren sechsundsechzigsten. Geburtstag mit Schnapszahl, hatte sie ihr am Telefon erzählt, sei ihr einfach sympathischer, klänge nicht so dramatisch. Er sei so schön dazwischen, außerdem fange laut Schlagertext ja mit sechsundsechzig Jahren das Leben erst richtig an.

    Sie strahlte ihrer alten Freundin mit offenen Armen entgegen, umarmte sie herzlich, hielt sie für lange Zeit innig fest auf dem schmalen Bahnsteig. Wie gewohnt roch Hanne Shalimar an ihr, jenes französische Parfüm, das Derick ihr zu ihrem ersten gemeinsam zelebrierten Geburtstag geschenkt hatte und das sie nie aufgehört hatte zu tragen. Dann folgte der übliche Begrüßungszirkus: gut siehst’ aus, völlig unverändert, als hätte ich dich gestern erst gesehen, schicke Klamotten hast an, wie geht’s deiner Mutter und so weiter und so fort …

    Sie hakten sich wie alt vertraute Freundinnen ein und gingen gemächlich um den Bahnhof herum zu Evelines Auto. Auch hier ein vereinsamter Bahnhof, obwohl dieser ockerfarben verputzte, ursprünglich rote Backsteinbau, scheinbar wie eine fürstliche Residenz auf dem Deich thronte und geradezu erhaben auf die kleine Stadt schaute. Eine breite steinerne Treppe führte hinunter auf die Hauptstraße. Links schwang sich in sanftem Bogen eine Straße den Deich hinab, die einzig asphaltierte Straße mit Hügel in der ganzen Umgebung. Jeder Fahrschüler hatte hier früher, wie es die Vorschrift verlangte, das Anhalten, Anfahren und Parken am Berg geübt.

    Mitte des vorletzten Jahrhunderts waren Rinder von hier zu den Schiffen hinaufgetrampelt, die sie als Mastvieh nach England brachten. In jener Zeit wurde aus dem ursprünglichen Gut Nordenhamm der Ort Nordenham, ein Zugeständnis an die Engländer, deren Orte mit nur einem „m" endeten. Wie Cowboys trieben die Bauern zu jener Zeit ihre Herden aus der ganzen Umgebung zur Ochsenpier, und nun stand Evelines Golf auf dem Platz, auf dem die Rinder damals auf ihren Abtransport gewartet hatten. Gemeinsam hoben sie Hannes Gepäck in den Kofferraum. Erstaunlich, auch an Evelines Auto klebte ein kleiner schwarz-rot-goldener Wimpel, offensichtlich der neue Nationalstolz. Bevor Hanne einstieg, blieb sie kurz stehen, sog intensiv und genüsslich die Luft ein, roch das salzige Aroma der Nordsee vermischt mit dem Geruch von modrigem Watt und Landwirtschaft. Heimatluft.

    „Was sind deine Pläne?"

    „Besuch der alten Dame ist Pflicht, meine liebe Tante Fifi in Drewürden. Stell dir vor, die wird im nächsten Jahr hundert. Dann, wie du ja schon weißt, Besuch im Auswandererhaus in Bremerhaven. Davon abgesehen I am all yours."

    „Super. Hatte dir ja schon gemailt, dass ich dahin nicht mitkomme, war dort schon zu oft mit Besuch, das war dir ja aber recht. Meine Geburtstagsfeier ist Donnerstag, dir ja auch bekannt. Knapp vierzig Freunde und Bekannte erwarten wir, die ganze Mischpoke. Am nächsten Wochenende werden wir dann mit der Familie feiern, aber da bist du ja schon in London und triffst David. Derick wird Marion übrigens morgen Nachmittag vom Bremer Flughafen abholen. Die kommt aus dem Urlaub in Ibiza und freut sich schon darauf, mit ihrem Papa nächste Woche ein paarmal Tennis zu spielen. Marlies wird mit Kind und Kegel am nächsten Sonnabend kommen, wie auch Oma Peters in ihrem museumsreifen Mercedes 300 anrauschen wird. Zum Glück fährt sie nur noch die weniger befahrenen Landstraßen und nimmt dann den Tunnel. Marlies wird sie am Sonntag nach Hamburg zurückfahren. Das weißt du im Prinzip ja schon alles von meinen Mails. Großes Glück übrigens, die WM kommt uns nicht in die Quere, denn unsere Jungs spielen ja schon heute am Nachmittag gegen Argentinien. Wirst sehen, danach ist’s bestimmt aus, und dann gibt es ohnehin ein paar spielfreie Tage. Heute Abend gehen wir dann schick essen in Sybkelhusen."

    „Schick, in Sybkelhusen? Meinst du das im Ernst?", fragte Hanne verwundert. Sie erinnerte sich vage an Sybkelhusen, ein winziges Dorf mit vielleicht zwei oder drei Gehöften in der Nähe Drewürdens.

    „Du wirst dich wundern. Ein recht stilvolles Restaurant in einem alten Bauernhaus gibt’s dort. Morgen, dachte ich, machen wir beide einen kleinen Ausflug und fahren nach Bad Zwischenahn, und einen Tag habe ich für uns reserviert für Bremen. Marion möchte dort eine alte Schulfreundin treffen, und ich dachte, da könnten wir gut zusammen mit dem Auto hinfahren und gemeinsam einen Stadtbummel machen, ist dir das recht?"

    Natürlich war es ihr recht, was für eine Frage. Die unverbesserlich perfekte Eveline. Genauestens hatte sie geplant und organisiert, damit ihre alte Freundin nicht eine einzige Minute sinnlos verplemperte. Seltsam, dachte Hanne, dass sie ausgerechnet Bad Zwischenahn auserkoren hatte, schon ewig war sie dort nicht mehr gewesen, zuletzt sicher als kleines Mädchen. Ein Klassenausflug vielleicht? Ihr fiel momentan nichts ein. Alles hier war für sie eine Ewigkeit her, seit über vierzig Jahren lebte sie im Ausland.

    Evelines Haus lag im ältesten Wohnviertel der Stadt, einer mit hohen Eschen und Akazien bepflanzten Straße und einem Graben, dem einzig verbliebenen in der Stadt, der sich allerdings nur auf einer Seite der mit vielen alten Häusern gesäumten Straße befand. Früher gab es sie fast überall, schmale und manchmal auch breitere Gräben, die zwischen der Straße und dem Hausgrundstück lagen und in denen man das Wasser meist nur erahnen konnte, da auf der Wasseroberfläche zumeist haufenweise Entengrütze schwamm. Dann hatte man kategorisch begonnen, diese Gräben mit Erde zuzuschütten. Die Instandhaltung der kleinen Gehbrücken war zu aufwändig, und die Anbringung neuer Brücken für die Autos war den meisten Anliegern zu kostspielig. Nicht so Eveline: Wer sich ein Auto leisten kann, muss sich auch eine Garage und eine Brücke leisten können, hatte sie gewettert und ihren Standpunkt vehement vertreten. Überzeugt und wild entschlossen, ihren historischen Graben zu retten, hatte sie kurzerhand eine Bürgerinitiative gegründet und den Kampf mit der Stadtverwaltung für finanzielle Unterstützung zur Erhaltung der Gräben aufgenommen, ihn letztlich gewonnen. Das Retten hatte sie so beflügelt, dass sie sich danach ehrenamtlich für das kleine Stadtmuseum engagierte. Ständig fand sie Anlässe, in ihrer verhältnismäßig jungen Stadt zu kämpfen, für den Erhalt alter Gebäude, alter Straßen, alter Namen, alter Traditionen.

    Über hundert Jahre alt war ihr Haus. Ein Herr Schlüter, Direktor einer der großen Betriebe in der um die Jahrhundertwende aufstrebenden Stadt, hatte es seinerzeit für sich und seine große Familie bauen lassen. Als Derick und Eveline Anfang der siebziger Jahre im oberen Stock einzogen und ihre zu der Zeit noch kleinen Töchter zwei winzige Zimmer unter dem Dach bekamen, lebte die alte Frau Schlüter noch, sie bewohnte das gesamte Erdgeschoss. Eveline kümmerte sich jahrelang so rührend und fürsorglich um die alte Dame, besonders da sie die Küche gemeinsam nutzten, dass die einzig überlebende Tochter von Frau Schlüter, damals selbst schon über siebzig, ihnen das große Haus nach dem Tod der Mutter sehr günstig verkaufte.

    Seitdem lebten und arbeiteten sie für dieses Haus. Ständig wurde saniert, repariert oder renoviert, wobei sie das schöne Äußere des Hauses, rote Klinkersteine mit helleren Tonsteinen und Verzierungen aus hellem Putz an den Hausecken und als Fenstereinrahmungen, nie verändert hatten. Kostspielige Urlaube machten sie nur selten, dafür aber des Öfteren kleinere Reisen oder auch Kreuzfahrten innerhalb Europas. Sie und Derick seien bodenständig, erklärte Eveline gern, Haus und Garten böten genug Abwechslung und Entspannung, und außerdem würde Derick ohnehin geschäftlich viel reisen, reisen müssen. Das kulturelle und kommunale Engagement seiner Frau teilte er zwar nicht, aber er unterstützte sie, befürwortete ihr Engagement. Tennis spielte auch er leidenschaftlich gern und las und las. Eveline berichtete Hanne von einem Buch nach dem anderen, welches er verschlingen würde, alternierend zwischen Krimis und Science-Fiction-Romanen. Eveline hatte ihr Tennisspielen inzwischen auf das Alte-Damen-Doppel beschränkt, aber auch sie las ausgesprochen viel und gern. Zusätzlich betreuten sie seit einigen Jahren Praktikanten oder Geschäftsbesuch aus Dericks Büro. Wie jetzt auch Hanne, wohnten die dann in einem geräumigen Wohn-/Schlafzimmer mit separater Dusche im ausgebauten Dachgeschoss.

    Sie fuhren über die Grabenbrücke in die Auffahrt, und Eveline parkte ihr Auto vor der Garage, die schon der ursprüngliche Besitzer hatte bauen lassen. Der Eingang zum Haus lag auf der anderen Hausseite mit dem vorgebauten Wintergarten. Der Weg führte an einer ausladenden Magnolie vorbei, deren Äste fast das wunderschöne große Bogenfenster berührten. Unter dem Fenster, entlang der ganzen Hausfront, blühte gelbe Kapuzinerkresse mit Goldkamille um die Wette. Eveline erklärte, dass dies ihre einzige Konzession an die Blumenfarbe Gelb sei. Eine kurze Steintreppe führte in den Wintergarten, dessen Sprossenfenster an den drei Seiten fast vollkommen von einer üppig blühenden violetten Glyzinie verdeckt wurden.

    Derick stand bereits in der Haustür. Er umarmte Hanne herzlich und gab ihr einen freundschaftlichen Begrüßungskuss. Er war etwas größer als Eveline und wie sie sportlich schlank. Im Gegensatz zu Evelines hellem Gesicht war seines jedoch braungebrannt und sah mit der ausgeprägten Nase besonders markant aus. Die dunkelblonden Haare mit den grauen Schläfen waren modisch kurz geschnitten. Trotz seiner freizeitlichen Kleidung, khakifarbenen Shorts und einfachem Polohemd, konnte er den erfolgreichen Geschäftsmann nicht leugnen. Sie sind nach wie vor ein schönes Paar, dachte Hanne.

    Sie gingen durch den Wintergarten, vorbei an einer Gruppe weißer Korbstühle mit passendem Tisch, und gelangten durch eine große Öffnung in den Flur. Hier führte eine breite Treppe in die obere Etage und das Dachgeschoss, und zwei Türen gingen in die weiteren Zimmer. Die Küche und das angrenzende Esszimmer lagen nach Norden und zur Straße. Ursprünglich war es das Wohnzimmer gewesen. Eveline hatte jedoch gemeint, man würde schöner wohnen in einem Zimmer nach Süden mit Blick in den Garten. So waren die Zimmer umfunktioniert worden, und in das Wohnzimmer hatten sie eine breite verglaste Tür einbauen lassen, die auf die Terrasse ging. Da diese etwas höher lag, führten ein paar Stufen hinunter in den Garten.

    Eveline tischte auf der Terrase nach Besichtigung der oberen Räume und Hannes Unterbringung im Dachgeschoss ein leichtes Mittagessen auf: Nordseekrabben auf knusprigem Landbrot mit Rucola-Salat. Derick schenkte ihnen dazu ein kühles Bier ein. Als Abschluss brachte Eveline noch ihre selbstgemachte Rote Grütze mit Vanillesoße, wusste sie doch, wie sehr ihre alte Freundin diesen norddeutschen Nachtisch liebte. Dann wurde der Garten ausgiebig besichtigt. Die drei schritten über einen gepflegten Rasen, der beidseitig von einer hohen Buchsbaumhecke eingerahmt wurde. Links davor blühten Rosen, Sträucher und Bäumchen, fast alle in helleren und dunkleren Schattierungen der Farbe Rosa. Auf der anderen Seite hingegen standen unzählige blaue und weiße Hortensien und Stauden. Die Rosen hege und pflege Derick, meinte Eveline, um alle anderen Pflanzen würde sie sich kümmern. Eine kleine Wiese mit einzelnen Buchen und Eiben begrenzte im hinteren Teil das Grundstück, und hier befand sich, abseits und etwas verloren, ein Nordsee-Strandkorb. Mittig, am Übergang von Wiese zu Rasen, stand eine knorrige alte Eiche, seinerzeit angepflanzt von den ersten Hausbesitzern, wie Eveline berichtete. Davor angelehnt eine schlichte weiße Holzbank. Derick ging zurück ins Haus, um sich König Fußball zu widmen, und Eveline und Hanne setzten sich auf die Bank und begannen zu erzählen. Sieben Tage würden die Freundinnen dafür Zeit haben.

    „Das Ehepaar, dem das Restaurant gehört, kommt übrigens nicht aus unserer Gegend, sondern aus dem Saarland", erklärte Eveline ihrer Freundin, als sie am Abend im Auto saßen und Richtung Sybkelhusen fuhren. Zuvor hatten sie das Fußballspiel geschaut, das heißt, die Freundinnen hatten Zuflucht vorm Fußball und vor der Hitze weitab unter der schattigen Eiche im Garten gesucht. Derick wiederum hatte bei jedem Tor, es wurden vier, laut mitgebrüllt, wie alle in der Nachbarschaft. Argentinien, die mächtige Fußballnation, der gefährliche Gegner, war besiegt worden, und nun ging es am Mittwoch ins Halbfinale.

    Ländlicher Duft zog durch die Ventilatoren von Dericks BMW. Der Bauernhof mit dem Restaurant lag auf einem kleinen Hügel, einer Wurt, Warf, Warft, Ward, Würde. Ein Sortiment von Namen gab es für diese künstlich von Menschenhand aufgeworfenen Erdhügel, die einzelne Bauernhäuser, manchmal aber auch ganze Dörfer vor der Willkür des Blanken Hans, den verheerenden Sturmfluten, schützen sollten. Im frühen Mittelalter dienten sie allerdings den Siedlern im Land unter dem Meeresspiegel als Aussichtspunkte, um kriegswütige und angriffslustige Wikinger zu erspähen.

    Es war ein für diese Gegend typisches Bauernhaus mit Grundmauern aus roten Ziegelsteinen und einem reetgedeckten Dach. Die hölzernen Fensterrahmen waren im gleichen Grün angestrichen wie das massive Scheunentor. Friesische Bauernhäuser hatten keine Spitzgiebel, ihre Dächer fielen nach vorne schräg ab. Manchmal unterteilten dicke hölzerne Balken die Außenmauer in unzählige kleine Karos. Dieses Haus hatte keine, dafür aber einen Anbau, das Wohnhaus, ein Zeichen, dass hier einmal ein wohlhabender Bauer gewohnt hatte. Der Eingang zum Restaurant führte durch eine kleinere Tür im riesigen Scheunentor, und sie erreichten einen gemütlichen Vorraum mit dem Empfang

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1