Menschenspuren im Wald: Ein Waldführer der besonderen Art - erkennen, verstehen, einmischen
Von Peter Wohlleben und Peter u.a. Wohlleben
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Über dieses E-Book
Mit diesem Waldführer wird jede Wanderung zu einer spannenden Entdeckungsreise. Markierungen oder Fahrspuren können so leichter »gelesen« werden. Totholz, Baumstümpfe oder Futterstellen verraten die Interessen der Waldbesitzer und Jagdpächter. Auf Schritt und Tritt wird dabei auch deutlich, was jeder Einzelne von uns tun kann, um diesem empfindlichen Ökosystem zu helfen.
Für den Wanderrucksack ausdrücklich empfohlen!
Peter Wohlleben
Peter Wohlleben studierte an der Fachhochschule Rottenburg Forstwirtschaft. Nach 23 Jahren kündigte er seine Beamtenstelle bei der Landesforstverwaltung Rheinland-Pfalz, um seine Vorstellungen von einer ökologischen Waldbewirtschaftung in der Gemeinde Hümmel umsetzen zu können.
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Menschenspuren im Wald - Peter Wohlleben
Peter Wohlleben
Menschenspuren
im Wald
Ein Waldführer der besonderen Art
erkennen • verstehen • einmischen
Wie geht's dem Wald?
Echte Natur oder Plantagenwirtschaft: Förster Peter Wohlleben lädt zur Fährtensuche in unsere heimischen Wälder ein und schärft den Blick für menschengemachte Spuren. Wer dem Baumfreund dabei auf Waldwege und Rückegassen folgt, beginnt rasch, Bäume und ihren Zustand genauer zu betrachten, Holzstapel oder Reisighaufen zu beurteilen und Käferfallen oder Wildkameras zu erkennen. Dabei wird klar: Der Mensch benimmt sich oft »wie die Axt im Wald«. Forstwirtschaft, Holzindustrie und Jagdverbände drücken ihre Stempel auf, und auch unsere Freizeitaktivitäten beeinflussen Tier- und Pflanzenwelt.
Die Exkursion mit dem Waldhüter führt auf federnde Wege, über verdichtete Böden, durch Fahrspuren, Matsch und Schnee. Zeigerpflanzen verraten unterwegs, wie es dem Boden und den vielfältigen Bodenorganismen geht. Totholz, Baumstümpfe und Futterstellen zeigen die Interessen der Waldbesitzer und Jagdpächter, Auf Schritt und Tritt wird dabei deutlichen, wie unsere Wälder zu Holzfabriken verkommen, wie sie natürlicherweise aussehen und wo die wahren Ursachen für das Waldsterben liegen – aber auch, was jeder Einzelne von uns tun kann, um diesem empfindlichen Ökosystem zu helfen.
Für den Wanderrucksack ausdrücklich empfohlen!
Inhalt
Cover
Titel
Wie geht’s dem Wald?
Natur von Menschenhand
Das Waldreservat – der Urwald von morgen
Kahlschlagswirtschaft: die härteste Form der Waldbewirtschaftung
Dauerwald: urwaldfern, aber kahlschlagsfrei
Plenterwald: die urwaldähnlichste Wirtschaftsform
Spuren auf dem Boden lesen
Folgen der intensiven Bodenbearbeitung
Fahrspuren schwerer Forstmaschinen
Verdichtungen in Rückegassen
Erosion des Waldbodens durch Harvester und Forwarder
Unterwegs mit 1 PS
Spuren der Vergangenheit
Was Zeigerpflanzen über die Bewirtschaftung verraten
Den Wald vor lauter Bäumen sehen
Forstwirtschaftliche Hauptbaumarten
Bäume in Reih und Glied oder lieber wild?
Wildschäden und aufwendige Abwehrmaßnahmen
Bestandespflege – ein unnötiger Zeitvertreib
Astung für makelloses Möbelholz
Durchforstung für mehr Licht im Kronendach
Waldgraffiti – Markierungen an Bäumen
Baumfällung – Spuren an Baumstümpfen
Baumschäden durch Fällung und Maschinen
Viel Sonne, wenig Bäume – der Kahlschlag
Schutzgebiet Bestattungswald
Holz am Wegesrand
Holz für Möbel, Papier oder Ofen?
Markierungen am abfuhrfertigen Holz
Wann wurde der Baum gefällt?
Reisigbündel zum Verheizen im Kraftwerk
Zeichen abseits der Bäume und Wege
Unsichtbare Insektizide und Käferfallen
Kalk am Boden und aus der Luft
Das Waldsterben und seine Ursachen
Nistkästen – fragwürdige PR-Aktion im Wald
Wege und Plätze für die Forstwirtschaft
Warnschilder und Schranken
Auf der Pirsch
Hochsitze für die Jagd
Wiesen und Äcker für das Wild
Nur eine Handvoll Mais …
Salz für das Wild
Von Romantik keine Spur
Achtung: Aufnahme
Spuren unserer Freizeitnutzung
Ärgerlich und schädlich: Rallye durch den Wald
Menschliche »Wildwechsel« und die Folgen
Ernten ohne zu säen: Pilze und Beeren sammeln
Stachelbeersträucher unter Bäumen?
Was bleibt zu tun?
Nicht verzagen, Förster fragen
Wem gehört der Wald und wer kann mitbestimmen?
Einmischen ist erlaubt
Besiegelt: über den Einkauf Einfluss nehmen
Mit Geduld ans Ziel
Der Autor
Weitere Bücher
Impressum
Wie geht’s dem Wald?
Dies ist nicht mein erstes Waldbuch, aber eines, welches mir besonders am Herzen liegt. Denn die bisher erhältlichen Bestimmungsbücher beschränken sich auf Flora und Fauna. Beschränken? Die Standardwerke enthalten Hunderte, wenn nicht Tausende von Arten und spiegeln die Fülle des Lebens in der Natur wider. Und dennoch klafft eine große Lücke, denn die meisten Spuren, die Sie draußen finden können, sind menschlichen Ursprungs. Wir leben in einer Kulturlandschaft, und das gilt auch für unsere Wälder – oder besser Forste, denn echte, unverfälschte Wälder sind in Mitteleuropa nicht mehr zu finden. Lediglich winzige Fleckchen in versteckten Alpentälern mögen noch ein wenig Ursprünglichkeit bewahrt haben, alles andere sind vom Menschen gemachte Wirtschaftswälder oder gar Plantagen.
Auch wenn ich an der aktuell praktizierten Forstwirtschaft Kritik übe, so ist das Anliegen dieses speziellen Waldführers ein ganz anderes. Er soll Sie in die Lage versetzen, zu beurteilen, warum ein Wald so aussieht, wie er aussieht, woher er kommt und welche Geheimnisse er verbirgt. Wie nötig ein solcher Ratgeber ist, zeigt ein Blick in mein E-Mail-Postfach. Immer häufiger werde ich von Bürgerinitiativen, aber auch von besorgten Einzelpersonen nach den Dingen gefragt, die sich vor der Haustür im heimischen Wald abspielen. Welche Absichten verfolgt der Eigentümer? Wird ökologisch oder konventionell bewirtschaftet? Stimmen die Aussagen, die manchmal am Waldeingang auf Schautafeln die Natürlichkeit bewerben, mit den Spuren im Inneren überein? Entsprechen die beruhigenden Worte der örtlichen Förster den Tatsachen oder soll da etwas verschwiegen werden? Mancherorts ist es umgekehrt: Was merkwürdig und verdächtig erscheint, ist vielleicht eine Maßnahme, die dem Wald zurück zur Natur verhelfen soll. Ob ich nicht einmal vorbeikommen und nachschauen könne? Das bringt mich in eine gewaltige Zwickmühle, schließlich ist auch mein Tag nur 24 Stunden lang.
Doch nun können Sie mich einfach im Rucksack mitnehmen, und ich erkläre Ihnen unterwegs, was es im Wald zu sehen gibt. Und da diese Spuren auf Schritt und Tritt zu beobachten sind, kann ab sofort jeder Spaziergang zu einer spannenden Entdeckungsreise werden. Dabei bereisen wir die Vergangenheit, identifizieren verschiedene Nutzergruppen, decken die Ziele der Besitzer auf und überlegen, was jeder Einzelne von uns tun kann, um diesem empfindlichen Ökosystem zu helfen.
Im Wald finden sich überall Spuren menschlichen Ursprungs. Manchmal sind sie leicht zu erkennen – weil der Mensch sich wie die Axt im Wald benimmt –, manchmal sind sie aber auch erst auf den zweiten Blick zu sehen. Genauer hinschauen lohnt sich in jedem Fall.
Natur von Menschenhand
Wenn Sie durch einen Wald wandern, dann fällt Ihnen bei genauerem Hinsehen vielleicht auf, dass er sich in kurzen Abständen im Aussehen verändert. Mal sind es jüngere, dann wieder ältere Bäume, mal Buchen, dann wieder Fichten oder Kiefern. Einige Parzellen sehen verwildert aus, andere dagegen wirken geordnet wie ein Gemüsebeet. In all diesen Unterschieden, aus den Zeichen an den Bäumen, vor allem aber aus der Struktur des Waldes lässt sich ablesen, welches Ziel dort der Eigentümer verfolgt. Soll es ein urwaldähnliches Ökosystem werden? Ist es gar ein Totalreservat (oder einfach eine vergessene Ecke)? Oder feiert hier die tot geglaubte Plantagenwirtschaft eine fröhliche Wiederkehr? Schauen wir uns beispielhafte Parzellen einmal genauer an.
Das Waldreservat – der Urwald von morgen
Dunkler, von mächtigen Kronen beschatteter Boden, dicke Stämme mit Spechthöhlen, umgestürzte Riesen – so sieht ein Urwaldreservat aus. Da hier keine Baumfällungen erlaubt sind, finden Sie in solchen Schutzgebieten auch keine glatt gesägten Stümpfe oder liegende Kronenreste, die beim Abtransport des Holzes übrig geblieben sind. Abgestorbene Bäume sowie heruntergefallene Äste vermodern in der feuchten, windstillen Atmosphäre sehr rasch, sodass es im Vergleich zu bewirtschafteten Wäldern in manchen Reservaten richtig aufgeräumt aussieht.
Kann das bloße Nichtstun ein Wirtschaftsziel sein? Dazu komme ich gleich, doch es gibt noch einen anderen Grund, diese Waldform an den Anfang zu setzen: Da es keine echten, vom Menschen völlig unbeeinflussten Wälder mehr in Mitteleuropa gibt, stellt das Reservat die naturnächste Waldform und damit einen Referenzwert für die ökologische Waldwirtschaft dar. Hier lassen sich ungestörte Prozesse vom Werden und Vergehen beobachten, hier haben die letzten Urwaldarten ein Refugium. Wie sehr Forstwirtschaft dieses Ökosystem verändert, lässt sich nur durch vergleichende Forschung herausfinden, und das ist der besondere Wert dieser Schutzgebiete. Wenn im Folgenden andere Wirtschaftsformen vorgestellt werden, dann können Sie diese vor Ihrem geistigen Auge neben die Reservate stellen und sehen, wie sehr sie von der Natur entfernt sind.
Wo der Mensch nicht eingreift, finden unzählige Pflanzen- und Tierarten geeignete Lebensräume.
Waldreservate funktionieren wie Urwälder. Sie lagern etwa zehn Tonnen Biomasse pro Jahr und Hektar in Form von lebenden und toten Bäumen sowie Humus ein. Ein Teil dieses Materials wird wieder von Pilzen und Bakterien gefressen und veratmet, doch die Hälfte verbleibt dauerhaft im Ökosystem. So bindet der Wald nach Jahrhunderten über 150 000 Tonnen Kohlendioxid pro Quadratkilometer. Die lebende und tote organische Substanz ist voller Wasser, welches an heißen Tagen an die Luft abgegeben wird und diese deutlich kühlt. Zudem haben die Bäume selbst in Trockenperioden immer Zugang zu genügend Feuchtigkeit für ihre Wurzeln. Viele Tierarten sind auf solch konstante Bedingungen angewiesen. Laufkäfer des Urwalds etwa brauchen eine bestimmte Luftfeuchtigkeit. Werden auch nur einzelne Bäume gefällt, so wird die Luft etwas trockener und die Käfer verschwinden. Selbst die Zusammensetzung der Spinnenarten verändert sich in dem Augenblick, wenn Holz geerntet wird. Die nachgelagerte Nahrungskette der Vögel und Säugetiere beeinträchtigt dies zwangsläufig auch – wie genau, das ist noch nicht erforscht.
Neben der Artenvielfalt geht es aber auch um die Bäume selbst. Von Natur aus wachsen die jungen im Dämmerlicht unter den Kronen der ausgewachsenen Exemplare jährlich nur wenige Millimeter. Ein zwei Meter hoher Baum kann durchaus schon 100 Jahre alt sein, und diese Langsamkeit ist das Geheimnis, warum diese Wesen so lange leben können. Nur bei einem extrem gebremsten Jugendwachstum können sie später ein Alter von mehreren Hundert Jahren erreichen. Das Holz wird dicht und zäh und ist widerstandsfähig gegen Pilzbefall. Zudem bleibt stets genug Energie übrig, um sich gegen Parasiten zu wehren und eine heftige Krankheit zu überstehen. Solche Geruhsamkeit und solche Bedacht sind in Wirtschaftswäldern gar nicht gefragt und auch schädlich für die Rendite. Wer will schon nach 100 Jahren nur bleistiftdicke Stämme ernten? Wo Bäume bereits nach 80 Jahren ins Sägewerk wandern sollen, legt man auf diese Prozesse keinen Wert. Für die Tierarten, die Buchen oder Eichen erst ab Baumalter 200 besiedeln können, sieht die Sache schon ganz anders aus. Der Mittelspecht etwa benötigt solche alten Recken, hat in forstwirtschaftlichen Fragen aber leider kein Mitspracherecht. Dabei lassen sich Reservate auch anderweitig nutzen, wovon ich ab Seite