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Move on - weiterfahren
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eBook285 Seiten4 Stunden

Move on - weiterfahren

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Über dieses E-Book

Ein Jahr lang auf Achse: Was auch jeden gesunden Menschen an seine Grenzen bringt, wagt Marcel Stalder trotz seiner Tetraplegie. Unterstützt durch drei Assistenten erfüllt er sich seinen grossen Traum und reist mit seinem Camper durch Nord- und Zentralamerika.In diesem aussergewöhnlichen Reisebuch berichtet er von den Abenteuern des Quartetts, von wundervollen, magischen Orten, die sie besuchen, den Begegnungen mit interessanten Menschen, den besonderen Herausforderungen, mit denen er als Rollstuhl-Fahrer konfrontiert wird und den Schwierigkeiten, welche durch Müdigkeit, Heimweh und enge Platzverhältnisse schlussendlich ihren Tribut fordern. Ehrlich, packend, fesselnd und schwer aus dem Kopf zu kriegen so wie man sich spannende Lektüre wünscht
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum17. Sept. 2019
ISBN9783967249439
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    Buchvorschau

    Move on - weiterfahren - Marcel Stalder

    weiterzufahren.

    Einführendes & Erklärendes

    - zu mir - zum Buch - zum Reisen

    Bei diesem Buch steht das Reisen im Mittelpunkt. Ich gehe aber auch auf die Probleme, mit denen ich durch meine Behinderung tagtäglich konfrontiert bin, ein. Vieles ist für dich, lieber Leser, natürlich schwer nachvollziehbar – einiges verstehe ich ja selber nicht genau und bin immer noch schwer dabei, die harte Bank meiner Lebensschule zu drücken.

    Ich bin ein Tetraplegiker – was heisst das?

    Tetraplegie ist eine Verletzung des Rückenmarks an der Halswirbelsäule. Je weiter oben sich der Bruch oder die Quetschung befindet, desto gravierender sind die Auswirkungen. Nur ein paar Millimeter höher oder tiefer entscheiden über das Ausmass der Selbstständigkeit oder Hilflosigkeit und bestimmen letztendlich die Pflegebedürftigkeit. Bei mir wurde das Rückenmark auf der Höhe C5 gequetscht; ob getrennt oder gequetscht, spielt eigentlich keine Rolle, denn so oder so ist die Informationsübertragung zwischen Hirn und Körper unterbrochen und es kommen keine Impulse und Funktionsbefehle mehr durch.

    Grundsätzlich wird eine Tetraplegie folgendermassen definiert: Tetra ist die griechische Vorsilbe für die Zahl Vier, das bedeutet, dass alle vier Gliedmassen, also Arme und Beine betroffen sind. In meinem Fall kann ich meine Beine gar nicht bewegen und meine Arme nur beschränkt.

    Das bedeutet für mich, dass ich rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen bin – es muss deshalb täglich während 24 Stunden jemand erreichbar sein.

    Da ich keine Fingerfunktion habe, brauche ich Hilfe beim Essen und Trinken sowie bei vielen Dingen des Alltags. Natürlich gibt es mittlerweile viele technische Hilfsmittel, die das Leben enorm erleichtern und mir somit auch eine gewisse Selbstständigkeit erlauben.

    Für dieses Buch z.B., muss ich nicht in die Tasten greifen; ich spreche den Text auf meinen Computer und er schreibt das ganz allein.

    Die tägliche Pflege wird durch den Pflegedienst oder die Betreuungspersonen abgedeckt. Sie beinhaltet jeden Morgen: Waschen, ausklopfen meiner Blase, Blasenkondom kleben, ankleiden, Transfer in den Rollstuhl; abends geschieht alles nochmals in umgekehrter Reihenfolge.

    Da bei mir auch die Darmentleerung nicht mehr spontan funktioniert, muss dies manuell gemacht werden.

    Meine wichtigsten Hilfsmittel für den Transfer sind ein höhenverstellbares Pflegebett und ein Rutschbrett.

    Ich kann auch nicht alleine husten. Die betreuende Person muss mithelfen – mittels Druck auf den Bauch.

    Reisen mit Tetraplegie

    Die Vorbereitungen einer Reise mit einer Tetraplegie sind sehr komplex.

    Zum Glück lehrten mich die Fehlschläge, die meine vergangenen Ferien trübten, was ich zu beachten habe, um eine Reise nicht schon nach wenigen Stunden abbrechen zu müssen.

    Die grösste Gefahr ist jeweils der Transfer von einem (Sitz)Platz auf einen anderen. Vor allem beim Fliegen ist dies sehr gefährlich, da dort Menschen am Werk sind, die einen nicht kennen. Aus diesem Grund bitte ich meine Begleitungen immer, dabei zu sein. Da meine Rückenmuskulatur nicht mehr arbeitet, ich meinen Oberkörper nicht selber aufrechthalten kann und deshalb auch keine Sitzstabilität habe, ist es schon vorgekommen, dass ich bei Unachtsamkeit aus meinem Rollstuhl herausgefallen bin. Zudem spüre ich meinen Körper nicht, deswegen kann sich sehr leicht eine Druckstelle bilden. Eine Druckstelle (Fachausdruck: Dekubitus / Druckgeschwür) entsteht, wenn die Haut und das darunterliegende Gewebe durch Druck oder Bewegungsmangel nicht mehr durchblutet wird. Schon nach zwei bis drei Stunden kann das Gewebe infolge des Sauerstoffmangels absterben; beim Heilprozess kann dieses Gewebe nicht regenerieren. An seiner Stelle bildet sich grobes Narbengewebe. Aus diesem Grunde ist es sehr wichtig vorzusorgen, um das Risiko so klein wie möglich zu halten.

    Im Flugzeug oder Auto setze ich mich immer auf mein spezielles Sitzkissen, da weiss ich, dass ich mich dadurch nicht wundsitzen kann.

    Da ich sehr lange Beine habe, ist es auch enorm wichtig, im Flugzeug in der vordersten Reihe zu sitzen. Denn, wenn durch Platzmangel eine Spannung auf mein Gesäss erzeugt wird, kann dies vor allem auf einem längeren Flug zu erheblichen Problemen führen.

    Von den vielen weiteren Hürden und Barrieren, vor die mich meine Behinderung immer wieder stellt, werde ich in der Beschreibung der Reise berichten.

    Zu diesem Buch möchte ich noch bemerken:

    Dies ist meine Wahrheit, es ist eine Wahrheit. Ich berichte die Erlebnisse und Vorkommnisse auf dieser Reise aus meiner Sicht, mit meinen Worten, nach meinem Wissen und Gewissen. Es ist möglich, dass sich einige Sichtweisen nicht mit denen meiner Mitreisenden decken. Das ist mir bewusst. Wenn ich bei der einen oder anderen Schilderung jemandem zu nahe trete, bitte ich dies zu entschuldigen.

    Mir ist es wichtig, dass du, lieber Leser, das weißt und entsprechend einordnen kannst.

    They say a restless body can hide a peaceful soul.

    A voyager and a settler, they both have a distant goal.

    If I explore the heavens, or if I search inside.

    Well, it really doesn`t matter as long as I can tell myself

    « I`ve always tried. »

    Man sagt, ein ruheloser Körper kann eine friedvolle Seele verbergen.

    Ein Reisender und ein Siedler haben beide ein fernes Ziel.

    Ob ich den Himmel erkunde oder in mir drinnen suche

    Nun, es ist wirklich nicht wichtig, solange ich mir sagen kann:

    Ich hab`s immer versucht.

    Mein grösster Traum:

    Die ganze Welt bereisen

    Es war im Sommer 2010, als ich wieder einmal im Parc des Cedres meine Runden drehte und meinen Gedanken nachhing. Als ich unter dem Steinbogen durchfuhr, der zum Gedenken an Anna de Brancovan, der Dichterin und Muse der Französischen Republik, errichtet worden war, schüttete diese ihr ganzes Füllhorn an fantastischen Eingebungen über mir aus.

    Was wollte sie mir damit sagen?

    Dass es Zeit ist, etwas zu wagen?

    „Lebe deinen Traum, träume nicht dein Leben!"

    Was ist mein Traum?

    Mein Traum, mein innigster Wunsch war, die ganze Welt zu bereisen. Wie lange braucht man um die Welt zu bereisen? Zwei Jahre? Ich hatte keine Ahnung. Also fing ich an zu rechnen und kam tatsächlich auf zwei Jahre, was im Nachhinein völlig utopisch war. Aber es war gut, dass ich mal eine Zahl hatte, für mich.

    Nach weiteren Überlegungen kam ich zum Schluss, dass ich zuerst Nord- und Mittelamerika bereisen wollte.

    Wie viel Begleitung ist nötig für dieses Unterfangen? Wo finde ich Menschen, die mir helfen, diesen Traum zu verwirklichen?

    Also fing ich an, das Internet zu durchforsten und fand eine interessante Seite, die sich Assistenzbörse nannte. Was ist Assistenz? So las ich mich ein und wusste bald, dass dies die Seite ist, auf der ich die Menschen finden kann, die mich begleiten werden. Ich schrieb ein Inserat mit dem Titel I have a dream und beschrieb mein Vorhaben.

    Unter mehreren Inseraten las ich eines von einer jungen Frau aus Hamburg, die Jenny hiess, 25 Jahre alt und voll Power war. Was ich ihrer Homepage entnahm, war sehr beeindruckend; also schrieb ich ihr eine Mail. Wie sich herausstellte, hatte sie denselben Traum wie ich. Dies war ja ein Glücksgriff und wir hatten einen intensiven Mailkontakt. Sie verfügte über ein riesiges Wissen beim Planen von Reisen. Von ihrem Wissen konnte ich sehr profitieren. Ausserdem hatte Jenny schon Erfahrung mit der Betreuung von Rollstuhlfahrern, das heisst, die perfekte Begleitung. Wow, ich war so euphorisch und wusste, dies war der Weg auf dem ich weitergehen wollte.

    Ich flog dann 5 Wochen nach Teneriffa, um mir den Winter zu verkürzen.

    Da schrieb mir die nächste interessante Person. Sie hiess Beatrix, war Pflegefachfrau und wohnte auch in der Nähe von Basel. Als sie dann noch schrieb, dass sie lange Zeit im Rehab Basel gearbeitet hatte, konnte ich mein Glück kaum fassen.

    Es kamen dann immer wieder Mails von verschiedenen Menschen, die wohl nur neugierig waren. Es hörte sich jedenfalls nicht so an, als ob sie zum Mitkommen bereit wären. Dann kam der letzte im Bunde, er hiess Rene, war 35, aus Köln und hatte Spanisch studiert. Das heisst, er kannte sich nicht nur in der Geschichte von Spanien aus, sondern beherrschte auch die Sprache in Wort und Schrift.

    Dies konnte kein Zufall sein, dass ich drei, sich für meine Bedürfnisse ergänzende, Menschen gefunden hatte. Ich konnte es kaum erwarten, diese Drei kennenzulernen.

    Zuerst hatte ich das Vergnügen, Beatrix zu treffen. Sie kam zu mir nach Hause und wir redeten über dieses und jenes, als sie auf einmal erwähnte, dass sie in einem Monat als Betreuerin mit der Paraplegiker-Vereinigung nach Paris fuhr. Das war ja super: für dieselbe Reise hatte ich mich auch angemeldet.

    Da ich die Frau kannte, die zuständig für die Einteilung (Begleitung und Tetras) war, fragte ich an, ob es möglich sei, dass sie Beatrix bei mir einteilt – es klappte.

    Also machten Beatrix und ich unseren ersten Kurztrip nach Paris. Es war ideal für die Einführung in meine Pflege und wir hatten genügend Zeit, alles zu besprechen.

    Vor Paris hatte ich noch vier Wochen Florida gebucht, in einem Haus in der Nähe von Fort Meyers. Dort besuchte mich in der ersten Woche Kurt, mein Onkel aus New Jersey. Ich erzählte ihm von meinem Vorhaben und bat ihn um Hilfe. Er war begeistert und versicherte mir, dass er mir helfe, wo er könne.

    Das reichte mir: Die Planung konnte beginnen! Ich hatte mein Team und ich hatte Kurt.

    Der nächste Schritt war, dass wir ein Rollstuhlwohnmobil suchten. Da ich ja schon einmal im Wohnmobil durch den Westen Amerikas gefahren bin, wusste ich genau, was ich da brauche. Das Optimalste wäre ein Winnebago.

    Ich recherchierte wieder im Internet und wusste dann sehr schnell, dass ich das Wohnmobil für ein Jahr kaufen musste. Das Mieten für ein Jahr wäre viel zu teuer geworden, ausserdem ein riesiges Problem, da man gemietete Objekte nicht in Mittelamerika einführen darf.

    Eine Möglichkeit war, ein Wohnmobil in Europa zu kaufen, zu versichern und dann nach Amerika zu verschiffen.

    Die beste und günstigste Lösung schien jedoch der Kauf vor Ort. Die Frage war aber: Wie mache ich es mit der Versicherung? Kurt fragte bei seiner Versicherung nach und erfuhr, dass man in den Staaten ein Auto nur kaufen konnte, wenn man einen festen Wohnsitz hat und er machte mir den Vorschlag, es über seine Versicherung laufen zu lassen.

    Wie herrlich, einen so wundervollen Onkel zu haben!

    Die Reiseroute hatte ich auch schon im Kopf:

    Als erstes die Ostküste hinunterfahren – für diese Strecke gab ich uns drei Monate Zeit, für Mittelamerika und Mexiko vier Monate, für die Westküste drei Monate und für Kanada zwei Monate. Dies war meine grobe Planung.

    Da ich nicht die ganze Routenplanung alleine übernehmen wollte, gab ich nach Absprache jedem Teammitglied eine Aufgabe. Beatrix übergab ich die Ostküste, Jenny und Rene waren zuständig für Mittelamerika und Mexiko, ich übernahm die Westküste und Kanada.

    „Es gibt viel zu tun, packen wir es an!", war nun mein Motto.

    Ich kaufte mir drei Reiseführer – einen für die Westküste der USA, einen Nationalparkführer und einen von Kanada.

    Ich schaute mir die Karten mit den Nationalparks an und die Gedanken und Ideen schwirrten nur so in meinem Kopf. Ich hatte jedoch sehr Mühe, diese auch physisch aufs Papier zu bekommen. In meiner Euphorie vergesse ich immer mein Handicap, was mir mein Körper dann umgehend zu verstehen gibt – mittels Erkältung, Blaseninfekt oder Druckstelle.

    Ich kriegte die Kurve gerade noch und merkte zum Glück rechtzeitig, dass ich nicht den ganzen Tag vor dem Computer sitzen darf, sondern dass Bewegung für mich genauso wichtig ist. Im Sommer ist dies kein Problem, da kann ich mich mit Rollstuhlfahren austoben. Aber was mache ich im Winter? Auch dafür habe ich eine Lösung gefunden. Ich fahre dann mit einem Transportdienst ins Rehab nach Basel und trainiere dort unter Aufsicht und mit Hilfe von Therapeuten. So habe ich meinen Ausgleich – Ying und Yang sind im Gleichgewicht!

    Ich hatte vor allem nach dem Unfall, durch dieses Training, wieder ein bisschen Selbständigkeit und Freiheit erlangt.

    Ich merkte, wie gut mir die Planung meiner Reise tat – diese freudige Erwartung, morgens endlich aufstehen zu dürfen, um loszulegen.

    Auch schaute ich immer sofort in mein Mail-Fach, um von meinen Mitreisenden die neuesten Nachrichten zu erfahren, denn es war jeden Tag etwas darin. Dann kam der Tag, an dem ich Jenny kennenlernte, die Jüngste im Bunde. Sie kam mit ihrem Vater im Wohnmobil von Hamburg, um mich zu besuchen. Da Beatrix ja nicht weit weg von mir wohnt, lud ich auch sie zum Lasagne-Essen ein.

    Dies war ein ganz toller Abend und mit Klaus, Jennys Vater, verstand ich mich vom ersten Moment an sehr gut. Jenny kam mir eher schüchtern vor und Beatrix reserviert, doch dies empfand ich zu diesem Zeitpunkt als normal. Da Klaus mir viele Fragen stellte, die ich zwar eher von den zwei Mädels erwartet hätte, kam doch noch ein gutes Gespräch zustande. Es ging um die Planung, um das Finanzielle und wie ich mir die ganze Reise vorstellte (Zeitrahmen, Routenwahl, Wohnmobil). Da wir ja noch eineinhalb Jahre Zeit hatten und ich einen Plan vorlegen konnte, was bis wann erledigt sein muss, waren alle zufrieden.

    Dann machte ich noch den Vorschlag, ein gemeinsames Wochenende am Genfersee zu verbringen, wo wir alles besprechen konnten. Nach der leckeren Gemüselasagne à la Bruder Patrick genossen wir das köstliche Tiramisu, das Beatrix mitgebracht hatte.

    Ich empfand den Abend als gelungen und war auch glücklich über die zwei tollen Frauen, die ich gefunden hatte.

    Dann lernte ich Rene kennen. Er war zufällig in Basel unterwegs. Da ich am Trainieren war, verabredete ich mich mit ihm im Rehab. Er kam zwei Stunden zu spät und so hatten wir noch genau 5 Minuten Zeit, um uns zu begrüssen. Rene wirkte auf mich sympathisch und korrekt; auch eher ein ruhiger Typ.

    Dann kam das gemeinsame Wochenende am Genfersee, in Amphion les Bains, wo meine drei Reisebegleiter und ich zum ersten Mal als Team zusammenkamen und auch zwei Nächte miteinander verbrachten.

    Ich war etwas nervös, aber ich denke, dass ging allen so.

    Jenny war schon am Dienstag zu mir gekommen. Dann, kurz bevor wir abfahren wollten, kam ein Anruf von Rene. Er hatte sich verschlafen und kam deshalb zwei Stunden später als geplant. Also ging es erst um 14 Uhr los.

    Endlich sassen wir alle in meinem Opel Combo und ich war froh, dass es losging, denn ich hatte für unterwegs etwas geplant. So fuhren wir zuerst nach Montreux, wo ich ihnen das Schloss Chillon zeigte. Da wir so spät losgefahren waren, kamen wir erst um 21 Uhr nach Amphion les Bains.

    Wir assen noch eine Kleinigkeit und dann ging es ab ins Bett. Beatrix und ich gaben die erste Pflegeeinführung: Wie ich ins Bett gebracht werden muss und auf was man dabei besonders achtgeben sollte. Am Anfang scheint das komplex, aber bald wird jeder Pflegeablauf zur Routine.

    Die Morgenpflege ist noch etwas anspruchsvoller, doch nach fünf Mal hat man diese auch im Griff. Das Heikelste ist der Transfer vom Bett in den Rollstuhl und umgekehrt. Da muss schon einiges beachtet werden, um nirgends anzustossen, denn dies könnte zu Druckstellen führen.

    Doch ich hatte keine Bedenken, da Beatrix mich schon in Paris eine Woche lang gepflegt hatte.

    In Paris hatte ich übrigens eine wunderbare Begegnung mit dem Buddhismus gehabt, denn es gab dort eine buddhistische Ausstellung im Museum der Modern Art. Die Ausstellung selber riss mich absolut nicht vom Sockel, aber was mich tief beeindruckte, waren buddhistische Klänge, die ich in einem Glasanbau vernahm. Diese Klänge berührten mich in diesem Moment so sehr, dass ich beschloss, meine zwei freien Stunden hier zu verbringen. Sie waren so erholsam und meditativ. Ich fragte nach, ob ich noch zwei weitere Stunden hier verbringen darf. Ich konnte mich das erste Mal in meinem Leben, ganz aus meiner körperlichen Realität ausklinken, meine Gedanken fliessen lassen, der Stimme meiner Seele lauschen und einfach nur sein.

    Doch zurück zum Genfersee. Am nächsten Tag zeigte sich das Wetter von der besten Seite und wir frühstückten am See. Dies war das Allerbeste und sorgte für gute Stimmung. Das Tagesprogramm gab ich beim Morgenessen bekannt. Ich wollte ihnen Yvoire zeigen, ein hübsches Dorf am See und danach nach Evian zurückfahren, um dort etwas zu essen.

    Als wir zurück zur Wohnung kamen, war es schon wieder dunkel, aber wir setzten uns noch auf die Terrasse.

    Dort kamen dann die ersten Fragen auf – auch nach meinem Budgetplan, den ich ihnen dann erörterte. Die freudige Nachricht war, dass ich ihnen ausser den normalen Kosten, die ich natürlich übernahm, auch ein monatliches Taschengeld zahlen konnte. Denn ich hatte mit meiner Unfallversicherung den Deal ausgehandelt, dass sie mir mein Pflegegeld direkt ausbezahlen, so dass ich es nach eigenem Ermessen einsetzen konnte. Dies war natürlich optimal für eine Reiseassistenz.

    Jenny fragte mich dann auch noch, ob ich ihre Krankenversicherung übernehmen würde. Da ich aber zu diesem Zeitpunkt nicht auf den Rappen genau wusste, wieviel ich bekomme, konnte ich da keine Zusicherung geben.

    Jeder bekam 400 Dollar und was sie damit machten, war ihre Sache.

    Ich hatte mir auch schon einen Plan ausgedacht, wie das mit den Pflegetagen ablaufen sollte: Es sind drei Assistenten, eine Person von ihnen hatte immer Marceltag, das heisst, diese Person war den ganzen Tag für mich zuständig. Dazu gehörten Morgenpflege, Mittagspflege, Begleitung bei Ausflügen und dann am Abend wieder ins Bett bringen. Die zweite Person, als Springer d. h. als Helfer der ersten Person, war dann auch der Fahrer und der Koch. Die dritte Person sollte dann den ganzen Tag frei haben, dies war eigentlich mein Plan. (Schlussendlich kam dann alles ganz anders.) Alle waren zufrieden, wir tranken noch eine Flasche Wein und erzählten uns Witze.

    Der nächste Tag fing an und alle standen um mein Bett. Gestern hatte Beatrix die Normalpflege erklärt und heute gab es das „learning by doing" für Jenny. Es klappte alles super.

    Nach dem Morgenessen packten wir zusammen und fuhren Richtung Genf, um dort Jenny zu verabschieden. Wir fuhren weiter nach Frenkendorf und dort verliess uns auch Beatrix. Mein erster Eindruck war einfach „Wow" und ich war glücklich. Wir schrieben uns weiterhin mehrmals pro Woche, um über die Reiseplanung zu berichten.

    Der nächste Termin war die FESPO in Zürich, wo ich mit Rene hinfuhr. Dies ist eine grosse Ferienmesse in der Schweiz. Von dieser erhoffte ich mir Klarheit für den Kauf des Wohnmobiles. Anschliessend unterhielten wir uns noch über verschiedene Dinge und Probleme, die ich, wie sich später herausstellte, zu wenig ernst nahm. Als wir wieder bei mir zuhause waren, schrieben wir Mails an Firmen mit Rollstuhlwohnmobilen, mit deren Prospekten wir uns an der Messe versorgt hatten. Dann fuhr Rene wieder zurück nach Köln.

    Als ich eine Woche später ein Mail von Fraserway mit einer positiven Meldung erhielt, konnte ich mein Glück kaum fassen. Sie schickten mir Fotos des Wohnmobils mit allen Daten und Details zu Rollstuhllift, Fahrerkabine, Befestigungssystem, Betten, (zwei Einzel und ein Doppel) usw.

    Den Wohnraum konnte man elektrisch ausfahren (50 cm). Dies war ideal und der Kaufpreis mit Transport (4000 km) war auch okay.

    Was mich befremdete, war die Tatsache, dass ich die ganze Summe auf einmal bezahlen musste, bevor ich das Gefährt überhaupt zu Gesicht bekam. Kurt bestätigte mir aber, dass dies normal sei in Amerika und Kanada. Da ja auch ein Grenzübertritt mit dabei war, leuchtete mir das Prozedere dann auch ein. Trotz mulmigem Gefühl überwies ich das Geld von 38`000 Dollar. Danach hatte ich einige schlaflose Nächte, die erst überstanden waren, als Kurt anrief, dass das Wohnmobil bei ihnen stehe.

    Dann bekam ich aber einen Schock, als ich die Fotos von meinem Bett im Camper sah; es war viel zu breit, ich würde mit meinem Rollstuhl nicht neben das Bett fahren können. Es waren nur 50 cm Zwischenraum zwischen Bett und Kasten und mein Rollstuhl ist 70 cm breit. Irgendetwas musste da raus. Also gab Kurt den RV Benno, einem ausgewanderten Schweizer, um es rollstuhltauglich zu machen. Dieser riss einen Schrank heraus und war überzeugt, dass es nun gehen werde. Die Umbaukosten übernahm Fraserway und ich war zufrieden.

    Die Zeit schritt schnell voran. Dann kam die schlimmste, nervenaufreibendste Phase der Vorbereitung. Ich meldete mich auf dem Amerikanischen Konsulat an, das sich in Bern befindet. Da man nach Amerika ein Visum braucht, wenn man länger als drei Monate am Stück die USA besuchen will, musste ich diesen Termin wahrnehmen. Auch verlangten sie Kontoauszüge der letzten drei Monate von meiner Bank, was auf mich sehr befremdlich wirkte.

    Die Amerikaner sagen, wer in die Staaten kommen will, der muss sich an ihre Gesetze halten. Wer das nicht möchte, wird nicht gezwungen, der soll zuhause bleiben.

    Wir (Therese, eine Freundin meiner Mutter, meine Mutter und ich) fuhren nach Bern und verbanden das mit einer Stadtbesichtigung. Doch zuerst fuhren wir ins Konsulat mit einem Rollstuhltaxi, was super funktionierte. Sie holten uns am Bahnhof ab und brachten uns vor das Konsulat, wo wir eine lange Warteschlange vorfanden.

    Doch, wie ich das gewohnt bin von Amerika, kam einer von der Security und holte mich hinein, an der staunenden Menge vorbei und brachte mich zu einer deutschsprechenden Frau, die mich nach dem Grund der Reise fragte und auch nach meinen finanziellen Möglichkeiten. Ich erklärte ihr alles; sie war zufrieden und das Konsulat unterschrieb mein Visum gültig für zehn Jahre. Wow, das war ja leicht gegangen.

    Als

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