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Suizidhandlungen von Kindern und Jugendlichen: Erkennen, verstehen, vorbeugen. Das Elternbuch
Suizidhandlungen von Kindern und Jugendlichen: Erkennen, verstehen, vorbeugen. Das Elternbuch
Suizidhandlungen von Kindern und Jugendlichen: Erkennen, verstehen, vorbeugen. Das Elternbuch
eBook134 Seiten1 Stunde

Suizidhandlungen von Kindern und Jugendlichen: Erkennen, verstehen, vorbeugen. Das Elternbuch

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Über dieses E-Book

Wenn das eigene Kind Suizidgedanken oder Suizidabsichten hat, ist das für Eltern eine tief erschütternde Erfahrung. Gleichzeitig sind sie die wichtigsten Ansprechpartner und können viel dafür tun, dass ihr Kind wieder Lebensmut fasst.

In diesem Buch erfahren Eltern, wie sie zu ihrem Kind in der solchen Krise Kontakt aufnehmen und hilfreiche Gespräche mit ihm führen können. Der erfahrene Kinder- und Jugendpsychiater Wilhelm Rotthaus gibt Hinweise, um das Ausmaß der Suizidgefahr einzuschätzen, und informiert über die notwendigen Maßnahmen, die in dieser Situation zu treffen sind.

Ein hilfreiches Konzept, das Leben retten kann!
SpracheDeutsch
HerausgeberCarl-Auer Verlag
Erscheinungsdatum22. Sept. 2020
ISBN9783849782450
Suizidhandlungen von Kindern und Jugendlichen: Erkennen, verstehen, vorbeugen. Das Elternbuch
Autor

Wilhelm Rotthaus

Dr. Wilhelm Rotthaus, Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Systemischer Lehrtherapeut (DGSF), war von 1981 bis 2004 Fachbereichsarzt der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters Viersen. Von 1998 bis 2006 war Rotthaus Gründungs- und Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Systemische Kinder- und Jugendpsychiatrie (ASK) und von 2000 bis 2007 1. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF). Er ist Ehrenmitglied des Berufsverbands Kinder- und Jugendpsychiatrie (BKJPP), der DGSF und der SG.

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    Buchvorschau

    Suizidhandlungen von Kindern und Jugendlichen - Wilhelm Rotthaus

    2020

    1

    SUIZIDABSICHTEN ERKENNEN

    Begriffliche Klärung

    Suizidhandlungen

    Als suizidale Handlung wird jedes Verhalten bezeichnet, das mit dem Ziel durchgeführt wird, sich selbst das Leben zu nehmen, auch wenn dies nicht gelingt oder aber unterbrochen und nicht zu Ende geführt wird. Ist der Ausgang tödlich, spricht man von Suizid, wird die Handlung überlebt, von Suizidversuch oder auch Parasuizid.

    In der älteren Literatur und auch noch im alltäglichen Sprachgebrauch wird häufig der Begriff Selbstmord verwendet. Die Vorstellung aber, dass sich eine Person selbst »ermordet«, d. h. aus niedrigen Beweggründen handelt, erscheint unzutreffend. Denn jeder, der seinem Leben ein Ende setzt, hat subjektiv gute Gründe dafür. Zumindest bei Kindern und Jugendlichen wird man zudem – wie später noch näher erörtert wird – von dem Widerspruch ausgehen müssen, dass das Vorhaben zwar den Tod beabsichtigt, im Grunde genommen aber ein anderes Leben angestrebt wird. Bei ihnen ist noch nicht ein sogenannter Bilanzsuizid zu beobachten, von dem man spricht, wenn ältere oder schwer erkrankte Menschen nach reiflicher Überlegung und Abwägung in einem Weiterleben keinen Sinn und kein erstrebenswertes Ziel mehr sehen. Der Psychiater Klaus Dörner¹ (1992) bezweifelt allerdings auch für Erwachsene die Berechtigung, von einem Bilanzsuizid zu sprechen. Seiner Ansicht nach ist und bleibt »der Suizid immer eine soziale Katastrophe, manchmal auch eine psychologisch-psychiatrische. Hätten wir die Lebensbedingungen eines Menschen nach seinen Bedürfnissen geändert, hätte er sich nicht suizidiert.«

    Doppel- oder Mehrfachsuizide

    Von einem Doppelsuizid oder Mehrfachsuizid wird gesprochen, wenn zwei oder mehrere Personen gemeinsam und mit Zustimmung des jeweils anderen sich das Leben nehmen. Demgegenüber spricht man von einem erweiterten Suizid, wenn das Einverständnis der anderen Beteiligten nicht vorliegt. Dies ist bei einem Amoklauf der Fall, bei dem eine Person zunächst andere Menschen tötet und anschließend Suizid begeht. Häufiger ist der Suizid eines Erwachsenen, der vorweg oder in Tateinheit mit seinem Suizid eine oder mehrere Personen tötet, meist die Partnerin oder den Partner und die Kinder.

    Suizidalität

    Der Begriff Suizidalität ist weiter gefasst. Er schließt Suizidgedanken, Suizidankündigungen und Suizidpläne mit ein, die als frühe Stadien einer suizidalen Entwicklung auf dem Weg zur Suizidhandlung anzusehen sind. Hilfreich ist dabei die Unterscheidung zwischen einer basalen Suizidalität und dem aktuellen Suizidanlass. Dabei kennzeichnet die basale Suizidalität eine bereits länger bestehende Lebenskrise mit dem Erleben von Hoffnungslosigkeit und Ausweglosigkeit und immer mal wieder auftretenden Suizidgedanken. Demgegenüber handelt es sich bei dem aktuellen Suizidanlass um ein Geschehen, das sozusagen das Fass zum Überlaufen bringt. Solche Suizidanlässe wie Trennung vom Freund oder von der Freundin, Verlust einer geliebten Person in der Familie, eine besonders schwere Kränkung durch Lehrer und Mitschüler oder Ähnliches werden nach Suizidversuchen häufig berichtet, während die basale Suizidalität meist weniger zugänglich ist.

    Suizidgedanken und Suizidfantasien

    Suizidgedanken und Suizidfantasien sind im Jugendalter weit verbreitet. Die Variationsbreite von Suizidgedanken im Jugendalter ist hoch und reicht von gelegentlichen Ideen, dass das Leben nicht lebenswert sei, bis zu konkreten Planungen einer Suizidhandlung. Suizidgedanken treten bei etwa 30 % aller Jugendlichen gelegentlich auf. Allerdings muss man davon ausgehen, dass etwa jeder dritte Jugendliche, der mit Suizidgedanken umgeht, tatsächlich einen Suizidversuch begeht. Suizidgedanken kommt damit ein hoher Vorhersagewert für spätere Suizidversuche zu. Die Jugendlichen zeigen zudem sehr häufig psychische Auffälligkeiten, vor allem im Bereich des Selbstwertgefühls, im Bereich depressiven Erlebens und im Bereich externaler Kontrollüberzeugungen. Da sich diese Verhaltensauffälligkeiten zudem über viele Jahre als relativ stabil erweisen, dürfen Suizidgedanken im Jugendalter nicht als ein vorübergehendes Phänomen betrachtet werden. Sie müssen vielmehr zu erhöhter Aufmerksamkeit über eine längere Zeitspanne veranlassen.

    Bei Suizidfantasien handelt es sich um Tagträume, die Genugtuung verschaffen. Sie helfen über Enttäuschungen hinweg und dienen dazu, Kränkungen zu kompensieren. Sich beispielsweise die Trauer und Reue von Angehörigen nach dem eigenen Tod vorzustellen, kann das Bewusstsein, geliebt zu werden, wiederherstellen.

    Eine solche Situation wird von Marc Twain² in seinem berühmten Buch Tom Sawyer geschildert. Tom war von seiner Tante Polly mit heftigen Schlägen zu Unrecht bestraft worden, nachdem seinem Halbbruder Sid die Zuckerdose aus der Hand gerutscht und auf dem Boden zerbrochen war.

    Tom schmollte in einem Winkel und steigerte sein Leiden ins Unendliche. (…) Er sah sich krank, sterbend auf seinem Bett hingestreckt. Die Tante beugte sich über ihn und flehte händeringend um ein einziges, kleines, armes Wort der Vergebung. Er aber wandte sein Gesicht ab, stumm, tränenlos und starb – starb, und das Wort der Vergebung blieb ungesagt. Was würde sie dann tun? Oder er sah sich, wie man ihn vom Fluss zurückbrachte, tot, mit triefenden Haaren, blassem, stillem Antlitz, endlich Ruhe und Frieden im armen, gequälten Herzen – für immer. Wie würde sie sich über ihn werfen, wie würden ihre Tränen stromweise fließen und sie Gott anrufen, ihren armen Jungen wieder lebendig zu machen, den sie auch nie, nie wieder misshandeln wolle. Er aber läge da, kalt und still, ein armer Märtyrer, dessen Leiden zu Ende sind. – So arbeitete er sich dermaßen in Jammer und Elend hinein, dass er beinahe in Schluchzen ausgebrochen wäre und am Zurückdrängen desselben fast erstickte. Tränen standen in seinen Augen, und alles erschien ihm in einem wässrigen Nebel. Wenn er mit den Augen zwinkerte, kamen die Tropfen langsam die Nase herab und träufelten von der Spitze hernieder. Dabei fühlte er sich so wohl in seinem Schmerz, dass er denselben ängstlich vor der profanen Lust, dem lärmenden Getriebe der Welt da draußen, behütete

    Häufigkeit

    Die durch das Statistische Bundesamt erfasste Zahl der Suizide von Kindern und Jugendlichen schwankt in den letzten Jahren nur geringfügig. In der Altersgruppe der 10- bis 15-Jährigen werden 18 bis 20 Fälle aufgeführt. In der Altersgruppe der 15- bis 20-Jährigen sind Suizide mit 170 bis 190 Todesfällen seit Jahren die zweithäufigste Todesursache nach den tödlichen Verkehrsunfällen (etwa 30 bis 33 % aller tödlichen Verletzungen). Allerdings dürfte die tatsächliche Zahl deutlich höher liegen, da es sich bei vielen Unfällen im Jugendalter wahrscheinlich um Suizide handelt. Zudem wird angenommen, dass sich unter den Drogentoten ein nicht unerheblicher Teil von Suiziden versteckt.

    Die Suizidrate bei türkischen Jugendlichen in Deutschland liegt insgesamt niedriger als bei deutschen Jugendlichen. Allerdings sind türkische Mädchen unter 18 Jahren besonders gefährdet. Sie haben eine doppelt so hohe Suizidrate im Vergleich zu den deutschen Altersgenossinnen. Als Erklärung wird auf das Vorliegen sozialer und kultureller Konfliktsituationen verwiesen.

    Suizidversuche werden in der Adoleszenz und dem jungen Erwachsenenalter häufiger als in höherem Lebensalter durchgeführt. Genaue Zahlen lassen sich dazu kaum angeben, da Suizidversuche nicht systematisch erfasst werden. Fachleute schätzen, dass die Zahl der Suizidversuche von Jugendlichen und Heranwachsenden 10- bis 20-mal höher ist als die der vollendeten Suizide. Danach muss man von 2000 bis 4000 Suizidversuchen Jugendlicher und Heranwachsender pro Jahr in Deutschland ausgehen.

    Im Altersbereich unter zehn Jahren wird die Zahl der Suizide mit 0 angegeben. Allerdings dürfte es doch eine ganze Reihe von Suiziden in diesem Alter geben, die jedoch – teils unbeabsichtigt und teils beabsichtigt – als Unfälle deklariert werden. Dennoch ist die Zahl der Suizide im ersten Lebensjahrzehnt sicherlich deutlich niedriger als im zweiten. Als ursächlich dafür wird die engere Beziehung und das größere Vertrauen zu den Eltern bei Kindern dieses Alters angenommen. Die meisten Kinder dieses Alters würden ihren Eltern vertrauen, selbst wenn sie sehr traurig und

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