König Franck: Stefan Rodecurt über Franck Ribéry
Von Stefan Rodecurt
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Über dieses E-Book
Im Alter von 21 Jahren hatte er im August 2004 den Spagat zwischen der dritten und ersten Liga endlich geschafft, spielte er doch zuvor im Unterholz des Fuβballs: bei Fahrstuhlmannschaften, die regelmäβig auf- und abstiegen und ihre Etats zweigleisig planten.
Mit der Gabe der Sesshaftigkeit war dieser Spaβvogel wahrlich nicht gesegnet. Ribéry war im Grunde ein typischer Zugvogel, dem man ein flatterhaftes, unkontrolliertes Naturell nachsagte. Nur in München wurde er heimisch.
Auf dem Zenit seiner Karriere gewann er 2012/2013 im Trikot des FC Bayern das historische Triple. Wer über ihn schreibt, sollte eigentlich im Präsens berichten. Im fortgeschrittenen Fuβballeralter von 36 Jahren führte sein Weg noch zum FC Florenz, der wohl allerletzten Station. Nach zwei Spielzeiten will er zurück in die Heimat ziehen. Ach was, nicht nach Frankreich. Nach München.
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Buchvorschau
König Franck - Stefan Rodecurt
Bayern-Seele.
Willkommen in der Welt der Sch’tis
»Wenn man jemanden verstehen will, muss man den Ort besuchen, aus dem er kommt.«
Simon Kuper, britischer Journalist und Schriftsteller.
Die Siedlung, in der fast jeder Zweite keine Arbeit hat, liegt am Ärmelkanal im Norden Frankreichs: der Chemin-Vert (Grüner Weg) in Boulogne-sur-Mer. Wie viele Einheimische tatsächlich arbeitslos sind, weiß niemand. Franck Ribéry wurde 1983 in ebenjener Siedlung, einem sozial abgehängten Viertel, als Sohn eines Erdarbeiters und seiner Frau Marie-Pierre geboren. In der Plattenbausiedlung mit rund 10.000 Einwohnern haben die Leute das Herz auf dem rechten Fleck, allerdings stößt deren Zunge offenbar an Hindernisse, was nicht etwa an einem Zungenpiercing liegt. Und das ergibt dann einen Akzent mit Zischlauten, der in weiten Teilen des Landes, nun ja, als ungebildet gilt. Franck Ribéry, den alle nur »Ti-Franck«, kleiner Franck, nennen, wuchs mit drei Geschwistern und wenig Geld in einfachen Verhältnissen auf. Die Bezeichnung Grüner Weg ist irreführend, geradezu aberwitzig. Überall Beton, ringsum das gleiche trostlose Bild: Satellitenschüsseln, wohin man blickt, der Putz bröckelt von den Fassaden, eingeschlagene Scheiben, mancher Jugendliche lungert perspektivlos in den Tag hinein, Rost nagt an den Eingängen.
Das Stade de la Libération, das Stadion der Befreiung - allein dessen politische Namensgebung deutet auf die Nachkriegsarchitektur hin -, hat schon bessere Zeiten erlebt. Da spielte der Ortsverein namens Union Sportive Boulogne Côte d’Opal noch in der Ligue 1, der höchsten Spielklasse, mittlerweile herrscht Totengräberstimmung. Was nicht nur am Friedhof - gleich nebenan - liegt, auch der derzeitige Drittligist schlägt auf die Gemütslage, ganz zu schweigen vom andauernden Nieselregen im Winter. Eine Tribüne trägt Ribérys Namen; früher hat er in der Jugend erfolgreich für die Schwarz-Roten gekickt. Aber früher ist lange her.
Die Gefahr, dass sich die soziale Dauerkrise zu einer Katastrophe auswächst, ist hier besonders groß. Die einsturzgefährdeten Wohnsilos aus den Fünfzigerund Sechzigerjahren wurden mittlerweile zum großen Teil abgerissen und Neubauten errichtet, um die Siedlung aufzuwerten - die Armut ist geblieben. Man hat sie nur besser versteckt.
Ribérys Bolzplatz auf den Klippen oberhalb der Stadt fiel der Sanierung zum Opfer. Auf dessen Spielfeld wirbelte einst »Ti-Franck«, hier oben spielte er seine Gegner schwindlig - so, als wäre er an der Copacabana geboren. Der Fußball ließ ihn nicht mehr los. Er hatte nur Fußball im Kopf. Fußball war sein Leben, sein Leben war Fußball. Die Schule war ihm ein Gräuel. Entsprechend schlecht waren seine Noten.
Franck konnte minutenlang mit einem Ball jonglieren und kickte in seiner Freizeit mit einer bunt zusammengewürfelten Truppe meistens