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Geschichten aus Nian: Landwandlerin
Geschichten aus Nian: Landwandlerin
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eBook247 Seiten2 Stunden

Geschichten aus Nian: Landwandlerin

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Über dieses E-Book

Dila ist die Tochter eines hochgestellten Eichenreiters aus der Hauptloge seines Klans im nianianischen Mittelland. Auch ihr jüngerer Bruder ist dort Mitglied. Eine geheimnisvolle Beziehung verbindet Dila mit dem Wandern in der Natur und besonders mit einer jungen Pappel, die überraschend einen Dialog mit ihr beginnt. Unter diesem Eindruck verspätet sie sich bei ihrer Heimkehr und zieht den Zorn ihres traditionsverhafteten Vaters auf sich. Als dann auch noch ein weiteres verstörendes, schmerzhaftes Ereignis eintritt, steht ihr Entschluss fest: Sie wird nach alter Reitertradition eine lange und entbehrungsreiche Wanderung durchführen, die sie an die Grenzen ihrer bisherigen Erfahrungen und darüber hinaus bringen soll.
Was dann jedoch im Verlauf der folgenden Wochen geschieht, damit hätte sie selbst am wenigsten gerechnet: Nicht nur macht sie Bekanntschaft mit der Einsamkeit, den Unbilden des Wetters und anderen Nöten eines solch gewaltigen Fußmarsches, sie erkennt auch unvermittelt, welche wunderbare Begabung sie bereits ihr ganzes Leben lang in sich trägt. Am Hang eines Berges eröffnet sich ihr daraufhin eine Sicht auf das innere Wesen der Dinge. Schließlich erfährt sie bei einem lebensbedrohlichen Ereignis am eigenen Leibe, dass eine Lösung manchmal aus Loslassen besteht, und sie begreift, auf welche Weise eine solche Wanderung tatsächlich für innere Klärung und Reifung sorgen kann. Da ist das alte Reitergeheimnis, dessen Kern sie unwissentlich berührt, bereits kaum noch entscheidend für ihren weiteren Lebensweg.
Ein Fantasy-Märchen zum Lesen und Vorlesen.

"Sei derjenige, der du schon immer warst"
SpracheDeutsch
HerausgeberHunter Verlag
Erscheinungsdatum1. Dez. 2018
ISBN9783947086559
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    Buchvorschau

    Geschichten aus Nian - Paul M. Belt

    Mittelland)

    Landwandlerin

    Die Platane und der Wanderer

    „Es stand einmal vor Zeiten an der Begrenzung eines breiten Feldweges eine alte Platane. Viel Volk schritt tagaus, tagein des Wegs, und der gewaltige Baum war ob seines Schattens, welcher manchem Wandelnden jeglicher Herkunft zur heißen Zeit einen Moment der Erquickung zu verschaffen vermochte, wohlaus bekannt.

    Nun begab es sich, daß an einem wohl kalten Tage zum Beginne der kälteren Zykle, an welchem keines Vogels Stimme mehr das noch immer machtvolle Laubwerk durchdrang, ein einzelner Wanderer, satt des langen Weges und ob seiner Mühen erschöpft, gegen den mächtigen Stamm des Baumes sich zitternd zur Rast lehnte. Nach dem Vergang einer wohlmerklichen Menge an Zeit wunderte es die titanische Pflanze, weswegst der Mann sich nicht entschloß, weiter des Wegs zu wallen. Und so frug er den Erschöpften ob seiner Absichten. Jener jedoch erwiderte verdrossen: Was fragest du mich nach meinem Vorhaben, kümmert´s dich doch gewöhnlich nur ein Wenigst, welchen Sinnes die unter dir Schreitenden sind, du hast ja tatsächlich ihnen keine Hilfe anzubieten! Hast du doch keine nährenden Früchte oder andernteils Dinge, die der Stärkung dienten. So bin ich Ärmster nunmehr dazu verdammet, unter deiner Laubkrone zu verschmachten.

    Der Platanus entgegnete daraufhin: Welch großer Täuschung unterliegest du, Wandelnder. Aber da du dich der Dinge so sicher wähnest, mögest du im Rechte bleiben und nur ein winzigst Rudiment dessen erfahren, was im Bereiche des Möglichen erwüchse. Und er trennte sich von einem seiner Blätter, welches ohne Umschweife von der Höhe herniedersank und den Wanderer wärmend einhüllte, sodaß jener bald genehmst seinen Weg fortzusetzen anhob. Vergeblich auf ein Wort des Dankes wartend, beschloß der Baum betrübt, seither sein Dasein schweigsam am Wegesrand zu fristen. Und so ist es bis zum heutigen Tage."

    (aus: Goldene Klassiker, Band 2: Nianianische Mären für Kinder, trad./Verfasser unbekannt)

    Als Mutter das Märbuch zuklappte und aus der Hand legte, drehte sich die kleine Dila noch einmal gähnend zur Seite. „Mama, das ist ja nun wirklich eine blöde Geschichte. Wieso hat der Wanderer denn keine Angst unter dem Baum? Warum führt da überhaupt ein Weg drunter durch? Und wie kann er mit ihm reden, er scheint ja gar kein Reiter zu sein?"

    „Darum geht es nicht, Liebes, erwiderte ihre Mutter Ena sanft, „sondern darum, dass Vorurteile ebenso wie Undankbarkeit meist schädliche Folgen haben. Man verbaut sich damit einiges.

    Dila gähnte erneut. Also, das war ja nun viel zu einfach. Mehr als so allgemein Bekanntes sollte nicht in solchen alten Erzählungen stecken, die fast jedes Kind irgendwann einmal zu hören bekam? Morgen würde sie ihren Vater danach fragen, er als Rundeichenreiter konnte ihr das sicher noch besser erklären. Mit diesen Gedanken schlief sie ein.

    Bursiga

    Es war später Sommer geworden in Nian. Das Wetter war fast überall angenehm und freundlich, und die Große Mutter hatte dem Land viele Monde lang Wärme, frohe Farben und viele Feldfrüchte beschert, wovon natürlich auch die Städte profitierten.

    Fünfzehn Zyklen trug Dila Jalobak nun. Auch wenn sie mittlerweile viele Dinge dazugelernt und erlebt hatte, so hatte sie diese Begebenheit doch nie vergessen, wohl aber, ob sie ihren Vater damals tatsächlich gefragt hatte. Sie war ein neugieriges Kind gewesen. Noch vor dem ersten Grad hatte sie allen Leuten – ob Eltern, Freunden oder Verkäufern im Lebensmittelgeschäft – immer Löcher in die Ohren gefragt. Und es gab viele Leute in einer durchschnittlich großen mittelländischen Stadt wie Bursiga, an deren Rand ihre Familie vor vielen Zyklen gezogen war. Dort hatten sich ihre Eltern ein Haus am Ende einer Reihe gekauft. Normalerweise musste man sich so etwas vom Munde absparen, wenn man eine junge Familie war, erst recht dann, wenn man später noch ein weiteres Kind bekam. Diesbezüglich war es ein Segen, dass ihr Vater Gers bereits als Junge das Reiten erlernt hatte und mittlerweile ein hohes Klanmitglied geworden war. Auch ihr Bruder Ran ging gemäß der Tradition diesen Weg. Ein solcher Hintergrund erleichterte die Heimsuche und auch den beruflichen Aufstieg oft gewaltig, und so hatte es vergleichsweise kurz gedauert, bis ihr Vater sich vom Sachwalter zum Verwaltungsrat der Stadt Bursiga hochgearbeitet hatte.

    Reiten war für Dila nichts. Sie hatte es ein-, zweimal versucht, es dann aber „mangels Talent", wie es damals hieß, aufgegeben. Weitaus besser gefielen ihr da schon andere Betätigungen wie Schwimmen in einem der großen Bäder Bursigas oder Wandern im Hilm, einem kleinen Mittelgebirgsausläufer im Umland. Wann immer es Schule und häusliche Pflichten erlaubten, verabredete sie sich dazu mit Schulfreundinnen. In den Hilm allerdings musste sie nicht selten allein mit dem Überlandbus fahren. Viele Städter glaubten nämlich, dass Mittelgebirge und ihre Ausläufer voller Baumwälder und damit voller Gefahren seien, und ließen sich auch nicht durch gutes Zureden davon abbringen. Und die wenigen Mädchen, die mitgekommen waren und das Gegenteil gesehen hatten, nahmen sich selten Zeit für solche Ausflüge. Dila traf sie meistens nur am Ende der Woche, wenn sie ab und zu Lust hatte, abends ein Gruv-Konzert in einem der Musikontore zu besuchen. Tatsächlich hatte die Stadt genügend Elektrizität zur Verfügung, um auch solche Kulturzentren zu beliefern und nicht nur die Grundversorgung ihrer Bewohner sicherzustellen. Es war schon ein Vorrecht, hier zu wohnen.

    Dies nun war wieder so ein Vorfriedstagsmorgen, an welchem sie vergeblich versucht hatte, sich mit einer Freundin zum Wandern zu verabreden. Herumspringen zu nem guten Gruvmak bis spät in die Nacht, das wollten sie alle, aber Wandern? Böööh … Na ja, dann ging es eben nachher wieder allein zum Zebu, dem Zentralen Bussteig, und von dort aus in Richtung Hilm.

    Zuvor aber galt es noch, ihren Bruder in die Reiterloge zu begleiten. Ihr Vater war schon dort. Als Zweiter Rengat einer Hauptloge hatte man die Pflicht, manche Veranstaltungen vorzubereiten und dabei mitzuwirken. Dann blieb es an Ena oder ihr hängen, Ran dorthin zu bringen. Als Jungschüler, bei den Reitern Ragnor genannt, durfte er noch nicht allein reiten, und obwohl er bereits acht Zyklen trug, fanden ihre Eltern es besser, ihn noch nicht unbegleitet durch die Stadt fahren zu lassen.

    „Mama, wann geht es endlich los? Ich wollte danach noch zum Zebu und muss pünktlich sein, fragte Dila zum dritten Mal. Ihre Mutter erwiderte nichts, sagte stattdessen aber leicht genervt: „Ran, wenn du nicht in 30 Kurzzeiten unten bist, werde ich Dila allein losfahren lassen, und ich kann dich heute nicht bringen, wie du weißt. Glücklicherweise hörte man schon bei den letzten Worten polternde Schritte auf der Treppe, und Ran erschien außer Atem im Flur. „Hat ´ne Weile gedauert, bessere Kleidung anzuziehen", entschuldigte er sich. Ena verdrehte die Augen und verabschiedete sich rasch von ihren Kindern. Dila warf Ran noch seine Jacke zu, dann verließen sie das Haus über den Plattenweg in Richtung Bushaltestelle.

    Busfahren in Bursiga war normalerweise eine schnelle Sache. Viele Autos fuhren nicht auf den Straßen in den Randbereichen, und auch innerhalb des äußeren Ringes hielt sich der Verkehr in Grenzen. Im Gegensatz zu Metropolen wie Medriana oder Große Flussstadt hatte Bursiga nur einen kleinen historischen Stadtkern, wodurch es die Verkehrskoordinatoren einfach gehabt hatten, ein gutes Konzept zu entwickeln und im Laufe der Dekazyklen zu erweitern. Auch der Fluss Ovon, welcher das Stadtzentrum auf beiden Seiten umfloss, war kein Hindernis – die meisten alten, aber sehr stabilen Brücken darüber konnten unverändert genutzt werden, jedoch war auch das Wissen um die Konstruktion neuartiger, verbesserter Übergänge seit vielen Dekazyklen in ganz Nian verbreitet. Solche Dinge lernte man in Technikkunde, einem Fach, das Dila sehr mochte.

    Die Fahrt in die Innenstadt zur Hauptloge des Klans der Rundeichenreiter dauerte nur knapp fünfzehn Mittelzeiten. Ran war ungeduldig und Dila fragte ihn, was denn an diesem Morgen so Besonderes stattfinde. „Schwester, seit Tagen erzähle ich dir, dass heute Initiation ist, kriegst du gar nichts mit?", maulte er.

    Dila sagte dazu lieber nichts. Sie hatte andere Dinge im Kopf als Vorhaben ihres Vaters oder Bruders. Am nächsten Tag würde sie für Angewandte Chemie lernen müssen und konnte nicht wandern gehen. Das Fach lag ihr von den Themen her sehr, aber die Art und Weise, wie das Wissen um die Kleinstteilchen in Pflanzen und Tieren dargeboten wurde, empfand sie fast als eine Beleidigung für das Leben. Irgendwann würde noch ein Lehrer kommen und sie selbst als Formel beschreiben!

    Der Bus hielt, Dila und Ran liefen das letzte Stück. Kurz vor dem schweren, gediegenen Metallportal verabschiedeten sie sich voneinander. Ran winkte ihr noch zu, bevor er in der Loge verschwand, dann lief Dila los, um den nächsten Bus zum Zebu zu erwischen.

    Initiation

    Nachdem Ran die Vorhalle betreten und sich aus der Jacke geschält hatte, wechselte er seine Straßenschuhe gegen die Lederschlappen, die dort auslagen. Nur mit ihnen durfte man durch die schwere Doppeltür aus Eichenrinde den großen, ovalen Ornatssaal der Loge betreten, dessen Größe fast ein Quadratmittelmaß betrug. Außer Stühlen und einem großen Rednerpult enthielt er viel anderes Mobiliar, von dem Ran nicht wusste, wozu es diente. Prachtvolle Vorhänge in Purpur schmückten die Wände neben hohen, hellen Fenstern, und zur Rechten der Eingangstür hingen in riesiger Dimension die Insignien des hiesigen Klans: ein goldenes Rundeichenblatt mit einer Eichel daneben. Zur Linken befand sich, wie in allen Hauptlogen Nians, das Symbol des Ältesten Klans, ein goldenes Lindenblatt mit einem Lindenschrauber. Dies gestaltete man überall im Lande so, um des ersten Reiters zu gedenken, der vor einigen Dekazyklen erschienen und auf einem Lindenblatt geritten war.

    Ran dachte beim Anblick dieser beeindruckenden Wahrzeichen wieder an die überlieferte Geschichte. Wie mutig musste dieser Junge gewesen sein, sich ohne das heutige Reiterwissen unter einen Baum zu begeben und ihn gar zu besteigen … Schade, dass er noch nicht initiiert war. Erst mit diesem Ritus bekam man das Recht, in einige der Alten Schriften Einsicht zu nehmen und mehr über die eigenen Traditionen zu erfahren, als man in der Schule und davor zu hören bekam. Reiten war zwar Lehrstoff, jedoch lediglich Teil des Geschichtsunterrichts und wurde seiner Meinung nach ziemlich stiefmütterlich behandelt. Das musste damals anders gewesen sein. Sogar von Riesen war noch erzählt worden! Mittlerweile wusste man nicht einmal mehr, ob es sie überhaupt gab.

    So in Gedanken versunken hätte er fast nicht bemerkt, wie einige Intare hinter einem Trennvorhang hervorkamen und auf leisen Ledersohlen den Saal betraten. Er erschrak ein bisschen, als er von einem dieser initiierten Reiter angesprochen wurde: „Na, du bist pünktlich, schön! Komm, hilf uns, damit dein Vater die Vorrede in würdigem Rahmen halten kann."

    Ein paar niedrige Gestelle mussten hereintransportiert und zu einem Podest zusammengerückt werden, ein großes grünes Tuch wurde darauf ausgebreitet, und dann wurden acht besonders harmonisch geformte Blätter der Gemeinen Nianianischen Rundeiche darauf gelegt. Ran erinnerte sich gut, wie er letzte Woche geholfen hatte, sie am Rand der Baumwälder im Norden Bursigas zu sammeln. Zwei davon hatte er selbst entdeckt, was unter Reitern als Zeichen für hohes Talent galt. Es ärgerte ihn aber jedes Mal, dass immer nur ein Intar oder manchmal auch Lekur, der Anführer einer Gruppe, mit einem gefundenen Blatt zur Loge reiten durfte. So ein Getue, der erste Lindenreiter war ein Junge ohne Erfahrung gewesen und hatte es sofort gekonnt! Laut durfte man das aber nicht sagen, schon gar nicht als Ragnor und dazu Sohn eines Rengats.

    Die Vorbereitungen waren abgeschlossen. Überall brannten Weihkerzen in gebührendem Abstand zu den Vorhängen, es duftete nach Eichenharz. Einer der Intare öffnete feierlich die beiden großen Rindentüren. Herein strömten viele Logenmitglieder samt ihren Angehörigen, die der Zeremonie beiwohnen wollten. Auch ein paar Reiter anderer Klans waren gekommen, die sich vornehm im Hintergrund niederließen. Sie trugen festliche Gewänder mit ihren jeweiligen Insignien, sogar ein Lekur war dabei – bestimmt war einer der Initianten ein naher Verwandter von ihm, sonst hätte ihn sein Klan in der eigenen Loge gebraucht.

    Endlich war es so weit, alle hatten Platz genommen und es kehrte Ruhe im Ornatssaal ein. Darauf betrat Rans Vater Gers im rotbräunlichen und mit Goldornamenten bestickten Rengatsgewand den Raum, schritt feierlich zum Rednerpult, nahm einen langen Blick in die Runde und begann langsam und in würdevollem Ton seine Vorrede.

    „Sehr geehrte Gäste, Initiantenfamilien und Logenmitglieder, sehr geehrte Lekure, Intare, Ragnore, fühlet euch herzlich willkommen in unseren bescheidenen Räumen! Wir freuen uns sehr und sind stolz, heute im Namen der Alten Traditionen die Initiation, die Weihung zum vollwertigen Reiter, an acht jungen Menschen vorzunehmen, welche sich durch besonderes Talent und hingebungsvolles Achten der Gebräuche unseres Klans ausgezeichnet haben. Begrüßen Sie bitte, in allen Ehren und mit dem gebührenden Respekt, den Vorsitzenden unserer Hauptloge und zugleich Ersten des Klans der Rundeichenreiter, Fen Raktosh!"

    Der Rengat trat beiseite und das Publikum stand auf. Leiser, rhythmischer Beifall erklang. Ein Mann in einem langen, silbrig-rötlich gewirkten Gewand erschien hinter dem Trennvorhang und schritt majestätisch zum Pult. Als er es erreichte, stoppte das gleichförmige Klatschen und alle verbeugten sich, eine Hand auf die Brust gelegt. Der Erste hob stumm den Arm und senkte ihn wieder, woraufhin sich die Beiwohnenden erneut setzten. Nach einer längeren Pause befahl der Erste:

    „Rengat, führet die Initianten herein."

    Rans Vater drehte sich um und öffnete eine Seitentür, woraufhin acht in Weiß gekleidete Mädchen und Jungen mit schnellen Schritten den Ornatssaal betraten und sich mit gesenktem Kopf im Halbkreis vor dem Rednerpult aufstellten. Nachdem Gers die Tür geschlossen hatte, stellte er sich wieder neben das Pult. Der Erste legte erneut eine Pause ein, dann begann er ausdrucksvoll zu sprechen:

    „Ragnore! Seid ihr bereit, als vollwertige Reiter die Traditionen Nians zu achten und eurem Klan mit Hingabe und Ehrerbietung zu dienen?"

    „Ja, Erster", erwiderte ein leiser Chor junger Stimmen.

    „So beginnet in der Reihenfolge eurer Eignung, wie sie von euren Lekuren beobachtet wurde."

    Ran unterdrückte ein Gähnen. Wie peinlich wäre es gewesen, sich auf diese Weise zu disqualifizieren! Aber er hatte dieser Zeremonie schon so oft beigewohnt, dass er sie selbst hätte leiten können.

    Ein Junge von etwa neun Zyklen trat nun vor, um sich tief zu verneigen, wandte sich dann formell um, schritt zum Podest und ergriff eines der Blätter am Stiel, woraufhin sich ein leichter Aufwind erhob und das Blatt zu schweben begann. Rückwärts schreitend führte der Junge das Blatt neben sich her und betrat es dann von der linken Seite. Eine Kurzzeit später verstärkte sich der Aufwind im Raum, so dass sich die Gewänder des Ersten und des Rengats leicht bewegten und die Haare der Zuhörer in den ersten Reihen zu flattern begannen. Das Blatt erhob sich mit dem Jungen bis zur Höhe zweier Apfelmaße und senkte sich daraufhin langsam wieder, so dass

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