Am besten ganz normal: Kinder vor Narzissmus schützen
Von Roland Kachler
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Über dieses E-Book
Eltern möchten einfühlsame, selbstbewusste Kinder – und fördern doch durch unbewusste Prozesse narzisstischen Charakterzüge. Der Psychologe und Bestsellerautor Roland Kachler zeigt auf, wie Kinder und Jugendliche zu kleineren und größeren narzisstischen Egos werden können. Und er gibt konkrete Hilfestellung, um diese Fehlentwicklungen zu verhindern oder umzukehren. Dabei fließen Erfahrungen aus seiner 25-jährigen Tätigkeit als Leiter einer Erziehungsberatungsstelle ein.
Roland Kachler
Dipl.-Psych. Roland Kachler ist Psychologischer Psychotherapeut, Zertifizierter Transaktionsanalytiker CTA (P) (DGTA), Systemischer Paartherapeut, Supervisor; Fortbildungen in Klinischer Hypnose (MEG), systemischen Ansätzen, psychodynamisch-imaginativer Traumatherapie (PITT), Ego-State-Therapie. Er arbeitet in eigener psychotherapeutischer Praxis, hält Vorträge und Workshops und ist Autor von zahlreichen Lebenshilfe- und Fachbüchern.
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Buchvorschau
Am besten ganz normal - Roland Kachler
Roland Kachler
Am besten ganz normal
Kinder vor Narzissmus schützen
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2019
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: Sabine Hanel
Umschlagmotiv: © Bildnummer 500404593 (Getty Images)
Satz: Arnold & Domnick, Leipzig
E-Book Konvertierung: le-tex publishing services Gmbh; Leipzig
ISBN (E-Book) 978-3-451-81608-6
ISBN (Print) 978-3-451-60073-9
Inhalt
Narzissten und Narzisstinnen heute überall
Narzissmus: Zwischen Größenwahn und Minderwertigkeit
Was ist Narzissmus? Zwischen normalem Narzissmus und einer Störung
Was ist eine narzisstische Persönlichkeitsstörung?
Narzisstische Superkids – heute ganz normal?
Narzissmus – eine normale »Kinderkrankheit«?
Können schon Kinder narzisstisch gestört sein?
Was unsere Kinder narzisstisch werden lässt – ein Überblick
Was Sie als Eltern konkret tun können
Kinder zu sehr verwöhnen? Die Nahrung des kindlichen Narzissmus
Was Verwöhnung bedeutet – zu viel ist zu viel!
Warum verwöhnen wir unsere Kinder?
Wie die Verwöhnung den kindlichen Narzissmus füttert 46
Schlaraffenland und die Prinzessin auf der Erbse
Narzisstische Unzufriedenheit und Anspruchsdenken
Weniger ist mehr – Verzicht lernen
Kinder sind nicht nur Superkids
Zu viel Lob und Anerkennung – ein süßes narzisstisches Gift
Zu viel Bewunderung – unheimliches Treibmittel der Grandiosität von Kindern
Zu viel Lob und Bewunderung – das falsche Selbst entsteht
Warum Bewunderung die elterliche Liebe niemals ersetzen kann
Was Sie als Eltern konkret tun können
Kinder ganz oben auf dem Gipfel: Müssen unsere Kinder die Besten sein?
Du bist der Beste oder die Beste – Erziehung zur Grandiosität
Dir steht nur das Beste zu – Erziehung zum narzisstischen Egoismus
Grandios anspruchsvolle Eltern – grandiose narzisstische Kinder?
Wie aus den Superkids arrogante und rücksichtslose Kinder werden – und sie dabei einsam und unglücklich sind
Was Sie als Eltern konkret tun können
»Hier bestimme ich!«: Allmächtige Kinder auf dem Familienthron
Das Kind im Zentrum der Familie: Alles richtet sich nach dem Kind
Die kleinen großen Chefs der Familie
Warum es kein Märchen zu kleinen Tyrannen gibt?
Zu viel Macht macht Kinder riesengroß
Wie narzisstische Macht Kinder ungenießbar macht
Was Sie als Eltern konkret tun können
Wenn Kinder gebraucht werden – sehr wichtig und dabei doch überfordert
Kinder als Spiegel der Eltern – Kinder für den Narzissmus der Eltern
Kinder als Plombe für die Eltern – Kinder als Ausgleich für einen Mangel in unserem Selbst
Kinder als Helfer und Retter für die Eltern: Wenn Kinder zu früh erwachsen sein müssen
Kinder als Verbündete: Wenn Kinder uns Stärke verleihen sollen
Wenn Kinder gebraucht werden: Wie der Minderwertigkeitsnarzissmus entsteht
Was Sie als Eltern konkret tun können
Selfies, Handy, Internet und Co – Blow-ups für jugendliche Superkids
Selfies über Selfies – der moderne Spiegel für den Narzissmus der Kinder
Castingshows und YouTube: Wer ist die Beste, die Schönste … im ganzen Land?
Handy, Facebook, WhatsApp und Co: Die Illusion des Geliebtseins
Ego-Shooter und andere Spiele: Der Rausch der Selbsterweiterung und Allmacht
Machen die sozialen Medien unsere Jugendlichen narzisstisch?
Was Sie als Eltern konkret tun können
Pubertäre narzisstische Jugendliche – Macho-Jungs und Model-Mädchen?
Pubertäre Großartigkeit, Größenwahnsinn und Überheblichkeit – Abwehr der eigenen Minderwertigkeit
An Grenzen gehen und Grenzen austesten – das eigene Selbst spüren wollen
Zwischen Schönheits-OPs und Muckibude: Der Körper als narzisstischer Spiegel und Schaufenster des Selbst
Zwischen Macho und Model: Sexualität als narzisstische Macht
Was Sie als Eltern konkret tun können
Keine kleinen Narzissten – sondern starke und freundliche Kinder
Nicht narzisstisch, sondern freundlich
Narzissten und Narzisstinnen heute überall
Der Begriff »narzisstisch« ist in aller Munde. Spätestens seit der Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA. Auch wenn sich für Psychologen Ferndiagnosen verbieten, so fallen sogar Laien die ausgeprägten narzisstischen Züge in der Persönlichkeit des Präsidenten auf. Man kann sie gar nicht übersehen. Nicht wenige Psychologen attestieren diesem Präsidenten deshalb nicht nur einen ausgeprägten Hang zum Narzissmus, sondern eine ausgewachsene narzisstische Persönlichkeitsstörung. Er inszeniert sich ganz wie der bekannte Comicheld als »Superman«. Auch viele andere populistische Staatslenker scheinen Narzissten zu sein, und unter unseren eigenen aktiven oder ehemaligen Politikern finden sich ebenfalls genügend Narzissten. Nicht umsonst ist der eine oder andere Politiker zum vierten oder fünften Mal verheiratet, nicht umsonst scheinen die eigene Karriere und der eigene Vorteil an oberster Stelle zu stehen.
Aber auch Frauen erliegen dem Reiz des Narzissmus. So sonnen sich weibliche Filmstars und Filmsternchen, Modells und Dschungelcampqueens im Glanz der Bewunderung und dem Blitzlichtgewitter der Fotografen. Ihr Körper ist designed auf Wirkung, ihre Gesichter sind nicht selten das Produkt von chirugischen Eingriffen. Jede scheint im Spiegel der Eitelkeiten die Schönste im ganzen Land zu sein. Auf dem Laufsteg einer Heidi Klum werden die nächsten Modells und ihr Körper zur Schau gestellt. Die im Fernsehen zuschauenden jungen Mädchen sehen schon früh, wie toll es scheinbar ist, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und der begierigen Augen der anderen zu stehen. Wundert es da, dass sie selbst zu Supergirls werden wollen?
Aber nicht nur die VIPs in den Medien, in der Politik und im Schönheitssalon, sondern wir selbst sind alle in den vergangenen 20 Jahren selbstbezogener geworden. Auch wir müssen uns in ein gutes Licht rücken, auch wir müssen uns gut darstellen, auch wir müssen uns gut verkaufen. Wir wollen und müssen mindestens gut, besser noch super sein. Unter »super« ist gar nichts mehr gut, nicht der letzte Urlaub, nicht das letzte Event und zuletzt auch wir selbst nicht. Wir selbst und damit unsere ganze Gesellschaft ist narzisstischer geworden. Dafür gibt es viele Hinweise und Untersuchungen. Gerade unter den heute 30-Jährigen sowie unter den heutigen Jugendlichen ist der Narzissmus zur zentralen Persönlichkeitseigenschaft geworden. Forscher in den USA bezeichnen diese Generationen deshalb als die generation me.
Nun stellt sich die beunruhigende Frage, woher diese Entwicklung kommt. Oder noch schärfer gefragt: Woher kommen die vielen Narzissten und Narzisstinnen? Vom Himmel werden sie nicht fallen, und allein die neuen Medien können auch nicht der Grund sein. Es wäre schlicht zu einfach, würden wir nur die narzisstisch gewordene Gesellschaft dafür verantwortlich machen.
Also müssen wir uns der Erziehung zuwenden, ja: der Erziehung unserer eigenen Kinder. Machen wir Eltern oder unsere eigene Erziehung unsere Kinder zu Narzissten? Wollen wir – vielleicht ganz unbewusst – Kinder, die toll, super und stark sind? Wollen wir – aber auch die Kinder selbst – Superkids, die einfach zu handhaben sind und die es im Leben selbst nur gut, also super haben sollen? Wollen wir selbst Supereltern sein?
Nun soll hier nicht wieder eine Elternbeschimpfung gestartet werden. Auch deshalb, weil wir Eltern keine narzisstischen Kinder wollen. Wir wollen liebevolle, aber eben auch selbstbewusste Kinder. Dennoch entwickeln sich dann wohl ungewollt und unbewusst Kinder und Jugendliche mit narzisstischen Zügen, die wir so nicht wollten und die uns auch nicht gefallen. Es muss also starke unbewusste Prozesse in unserer Erziehung und in unserer Einstellung geben, die unsere Kinder narzisstisch werden lassen.
Deshalb sollten wir als Eltern uns und unsere Erziehung selbstkritisch prüfen. Wir sollten als Eltern verstehen, wie unsere Kinder und Jugendliche zu kleineren und größeren narzisstischen Egos werden können. Und vor allem: Wir sollten auch verstehen, wie aus unseren Kindern selbstbewusste, aber einfühlsame Menschen werden können.
Narzissmus: Zwischen Größenwahn und Minderwertigkeit
Kennen Sie einen narzisstischen Menschen? Auf diese Frage hin wird Ihnen vermutlich kaum ein Mensch in Ihrem Umfeld einfallen, den Sie eindeutig als narzisstisch bezeichnen würden. Das überrascht vielleicht, wenn die Diagnose stimmen sollte, dass es heute in unserer Gesellschaft viele narzisstische Menschen gibt. Doch bei genauerem Überlegen gibt es dafür verschiedene Erklärungen. Sie verkehren vermutlich nicht unter den Celebrities von Film und Mode, genauso wenig wie in den obersten Führungsetagen großer multinationaler Unternehmen oder in den Parteivorständen der wichtigen Parteien.
Bei allen anderen Menschen, übrigens natürlich auch bei uns selbst, sind narzisstische Tendenzen in aller Regel nicht so massiv ausgeprägt, sodass sie nicht sofort ins Auge fallen. Man braucht also schon einen geschulten Blick für narzisstische Persönlichkeitszüge anderer Menschen, aber natürlich auch für eigene narzisstische Tendenzen. Schon nach der Lektüre dieses ersten Kapitels werden Sie rascher narzisstische Menschen erkennen und vielleicht – auch wenn das ein wenig unangenehm ist – Ihre eigenen narzisstischen Anteile sehen können. Doch das ist gerade für Sie als Eltern wichtig, damit Sie diese eigenen Anteile bei der Erziehung Ihrer Kinder kontrollieren oder zurücknehmen können.
Es gibt noch andere Gründe, warum der Narzissmus anderer nicht sofort ins Auge fällt. Unter anderem deshalb, weil wir heute genau wissen, dass ein zu massiv gezeigtes narzisstisches Verhalten inzwischen nicht mehr gut ankommt. Gerade narzisstische Menschen sind sozial intelligent genug, um ihre narzisstischen Züge zu verbergen oder sie klug für sich einzusetzen, ohne dass dies zu sehr auffällt oder andere abstößt. Gerade in unserer heutigen Gesellschaft braucht man tatsächlich auch narzisstische Fähigkeiten, wie sich zum Beispiel ins rechte Licht zu rücken, sich charmant in den Vordergrund zu spielen oder sich bewundern zu lassen.
Wir haben es also mit vielen erfolgreichen Narzissten zu tun, die nicht negativ auffallen. Deshalb gibt es im Übrigen kaum Menschen, die eine psychotherapeutische Behandlung wegen ihrer narzisstischen Persönlichkeit brauchen. Nur wenn narzisstische Menschen zum Beispiel in ihrer Partnerschaft scheitern und sie in der Not einsehen können, dass ihr eigener Narzissmus am Scheitern beteiligt war, begeben sie sich – oft mit viel Widerstand – in eine Psychotherapie.
Schließlich zeigen sich narzisstische Züge sehr häufig erst in längeren Arbeits- oder Liebesbeziehungen. Vielleicht haben Sie