Einmal große Dame sein: Der Arzt vom Tegernsee 32 – Arztroman
Von Laura Martens
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Über dieses E-Book
Seine Praxis befindet sich in Deutschlands beliebtestem Reiseland, in Bayern, wo die Herzen der Menschen für die Heimat schlagen.
Der ideale Schauplatz für eine besondere, heimatliches Lokalkolorit vermittelnde Arztromanserie, die ebenso plastisch wie einfühlsam von der beliebten Schriftstellerin Laura Martens erzählt wird.
Andrea Stanzl drückte mit einer müden Bewegung den Wecker aus. Es war halb sieben. Höchste Zeit aufzustehen und sich um den Haushalt und das Frühstück zu kümmern. Sie fühlte sich wie zerschlagen. Den größten Teil der Nacht hatte sie wach gelegen, weil die Schmerzen in ihrem rechten Bein von Minute zu Minute schlimmer geworden waren. Was konnte das nur sein? Bis vor zwei Wochen hatte sie wie ein Wiesel laufen können, jetzt mußte sie schon glücklich sein, wenn sie es schaffte, zwei, drei Kilometer ohne größere Beschwerden zu gehen oder eine Treppe hinunterzusteigen. Die junge Frau richtete sich auf und streifte mit einem resignierenden Blick den Mann, der neben ihr im Bett lag. Zum Glück schlief Herbert noch und konnte ihr keine Vorwürfe machen, weil sie bereits gegen zwölf die Gaststube verlassen hatte und ins Schlafzimmer hinaufgegangen war. Herbert konnte sehr ungerecht sein. Für ihn zählte eine Frau nur etwas, solange sie fest anpacken konnte. »Ich möchte nur wissen, was du immer hast«, hatte er sie angefaucht, als sie ihm gesagt hatte, daß sie vor Schmerzen nicht mehr stehen konnte. Andrea kämpfte sich ins Bad. Die ersten Schritte nach dem Aufstehen fielen ihr jedesmal besonders schwer. Als sie die Tür erreicht hatte, stützte sie sich gegen den Rahmen und hielt einen Augenblick inne. Ich sollte endlich zum Arzt gehen, dachte sie. Anfangs hatte sie geglaubt, die Schmerzen würden von allein vergehen, statt dessen wurden sie mit jedem Tag unerträglicher. Als Herbert Freytag um halb zehn in die Küche kam, brodelte auf dem Herd bereits das Mittagessen. Wortlos setzte er sich an den Tisch und ließ sich von seiner Freundin Kaffee einschenken.
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Buchvorschau
Einmal große Dame sein - Laura Martens
Leseprobe:
Das Geheimnis der schönen Antonia
LeseprobeDr. Leon Laurin stand wie festgewachsen auf einer belebten Straße in der Münchener Innenstadt, während er seine Frau Antonia, die vor einem Café auf der anderen Straßenseite saß, nicht aus den Augen ließ. Seit mehr als siebzehn Jahren waren sie miteinander verheiratet, hatten vier Kinder, führten, jedenfalls seiner Ansicht nach, eine glückliche Ehe. Und nun sah er sie zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit mit ihrem Jugendfreund Ingo Ewert in sehr vertrautem und angeregtem Gespräch – und auch dieses Mal, daran zweifelte er nicht, würde sie die Begegnung zu Hause ihm gegenüber nicht erwähnen. Er war der Ansicht gewesen, die Eifersucht seiner frühen Jahre längst überwunden zu haben, nun musste er feststellen, dass er einem Irrtum erlegen war. Am liebsten hätte er Ingo Ewert – Dr. Ingo Ewert, Leiter der Kinderklinik Dr. Ewert – direkt zur Rede gestellt. Oder noch besser: ihn am Kragen gepackt und geschüttelt und Auskunft darüber verlangt, wie er dazu kam, am helllichten Tag mit seiner, Leons, Ehefrau in einem Café zu sitzen und sich allem Anschein nach gut zu unterhalten. Jetzt griff er sogar nach ihrer Hand und drückte sie! Leon hatte Mühe, an sich zu halten. Als er die beiden vor zwei Wochen das erste Mal zusammen gesehen hatte, war er noch überzeugt gewesen, Antonia werde ihn mit den Worten empfangen: »Rate mal, wen ich heute getroffen habe!« Aber nichts Dergleichen war geschehen, kein Wort hatte sie gesagt, sie hatte Ingo Ewert nicht einmal erwähnt. Dabei wusste er ja nur zu gut, dass Ingo früher einmal bis über beide Ohren in Antonia verliebt gewesen war. Allem Anschein nach war er es immer noch. Er musste sie zur Rede stellen, er brauchte Gewissheit. Aber vielleicht war alles ganz harmlos, und er sah Gespenster. Dann würde sie ihn auslachen, und er stünde da wie der letzte Depp. War es also doch besser, ruhig abzuwarten, bis Antonia von sich aus auf ihn zukam, um mit ihm über Ingo zu sprechen? Aber was würde sie ihm dann sagen?
Der Arzt vom Tegernsee
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Einmal große Dame sein
Laura Martens
Andrea Stanzl drückte mit einer müden Bewegung den Wecker aus. Es war halb sieben. Höchste Zeit aufzustehen und sich um den Haushalt und das Frühstück zu kümmern. Sie fühlte sich wie zerschlagen. Den größten Teil der Nacht hatte sie wach gelegen, weil die Schmerzen in ihrem rechten Bein von Minute zu Minute schlimmer geworden waren. Was konnte das nur sein? Bis vor zwei Wochen hatte sie wie ein Wiesel laufen können, jetzt mußte sie schon glücklich sein, wenn sie es schaffte, zwei, drei Kilometer ohne größere Beschwerden zu gehen oder eine Treppe hinunterzusteigen.
Die junge Frau richtete sich auf und streifte mit einem resignierenden Blick den Mann, der neben ihr im Bett lag. Zum Glück schlief Herbert noch und konnte ihr keine Vorwürfe machen, weil sie bereits gegen zwölf die Gaststube verlassen hatte und ins Schlafzimmer hinaufgegangen war. Herbert konnte sehr ungerecht sein. Für ihn zählte eine Frau nur etwas, solange sie fest anpacken konnte. »Ich möchte nur wissen, was du immer hast«, hatte er sie angefaucht, als sie ihm gesagt hatte, daß sie vor Schmerzen nicht mehr stehen konnte.
Andrea kämpfte sich ins Bad. Die ersten Schritte nach dem Aufstehen fielen ihr jedesmal besonders schwer. Als sie die Tür erreicht hatte, stützte sie sich gegen den Rahmen und hielt einen Augenblick inne. Ich sollte endlich zum Arzt gehen, dachte sie. Anfangs hatte sie geglaubt, die Schmerzen würden von allein vergehen, statt dessen wurden sie mit jedem Tag unerträglicher.
Als Herbert Freytag um halb zehn in die Küche kam, brodelte auf dem Herd bereits das Mittagessen. Wortlos setzte er sich an den Tisch und ließ sich von seiner Freundin Kaffee einschenken. »Hast mich ja gestern schön im Stich gelassen«, brummte er, als er mit beiden Händen nach dem Kaffeebecher griff. »So geht das nicht weiter, Andrea. Als ich dich vor einem halben Jahr von der Straße aufgelesen habe, bin ich davon ausgegangen, daß du mir
in der Kneipe helfen und dich nicht hinter irgendwelchen Wehwehchen verschanzen wirst.«
»Das sind nicht irgendwelche Wehwehchen, Herbert«, verteidigte sich die junge Frau und begann, das Geschirr abzutrocknen. »Im rechten Knie habe ich entsetzliche Schmerzen. Es ist, als würde jemand mit einem Messer in meinen Knochen herumstochern.
Letzte Nacht habe ich wieder kaum schlafen können. Ich kann nicht mehr. Wenn das Essen fertig ist, fahre ich zu Doktor Baumann. Er soll sich mein Knie mal anschauen.«
»Ach, und wer putzt die Kneipe?« fragte er.
»Das werde ich am Nachmittag tun«, versprach sie eilig.
»Wann denn? Um zwei kommen die ersten Gäste.«
»Herbert, ich muß nach meinem Knie sehen lassen.« Andrea hängte das Geschirrtuch über einen der Stühle. »Irgend etwas ist da nicht in Ordnung. Wenn ich ganz ausfalle, ist dir auch nicht geholfen.«
»Soll das eine Drohung sein?« fragte der Gastwirt und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
Andrea zuckte erschrocken zusammen. »Nein.« Sie schüttelte den Kopf.
»Dann ist es ja gut«, sagte er und griff nach dem Brot. »Ich meine, du solltest nie vergessen, was ich alles für dich getan habe und noch tu’. Die meisten meiner Kumpel können nicht verstehen, daß ich jemanden wie dir ein Zuhause gegeben habe.« Ein boshaftes Grinsen umhuschte seinen Mund. »Schau in den Spiegel und sage mir, ob es selbstverständlich ist, daß ich dich in meinem Haus dulde?«
»Ich weiß, daß ich keine Schönheit bin«, flüsterte Andrea und griff sich in ihre kinnlangen, dunklen Haare. Schon ihr Stiefvater hatte ihr ständig vorgeworfen, daß sie eine viel zu große Nase hatte und zu dick war. »Gebe ich mir nicht Mühe abzunehmen?«
»Davon habe ich noch nichts gemerkt«, meinte Herbert Freytag brutal. »Also, denk in Zukunft darüber nach, was du sagst. Es wäre für mich ein Einfaches, dich auf die Straße zu setzen und mir eine Frau zu suchen, die in jeder Beziehung mehr zu bieten hat.« Er griff in seine Hosentasche und zog eine abgenutzte Geldbörse heraus. »Wenn du meinst, daß du zum Arzt mußt, dann geh eben. Aber trödle nicht herum.« Mit einer verächtlichen Bewegung warf er einen Zwanzigmarkschein auf den Tisch. »Für den Bus und für die Apotheke, falls dir dein Doktor ein Rezept gibt. Das Restgeld bekomme ich zurück.«
»Danke, Herbert.« Andrea schenkte ihm ein demütiges Lächeln. Froh darüber, daß er sie zum Arzt gehen ließ und ihr sogar Geld für Bus und Apotheke gegeben hatte, dachte sie nicht mehr daran, wie sie von diesem Mann ausgenutzt wurde. Sie legte die Arme um seinen Nacken. »Ich werde mich beeilen«, versprach sie und küßte ihn.
»Schon gut, schon gut«, wehrte er ab, stand auf. »Ich fahre zur Brauerei. Es gibt was wegen der letzten Bierlieferung zu klären.«
Die junge Frau zog sich in aller Eile um. Viel Auswahl hatte sie nicht, doch sie wollte wenigstens sauber angezogen zum Arzt kommen. Flüchtig fuhr sie sich mit dem Kamm durch die Haare, griff nach ihrer Handtasche und verließ das Haus. Zur Bushaltestelle war es nicht weit. Wenn sie Glück hatte, erwischte sie noch den nächsten Bus.
Es war kurz vor elf, als Andrea die Praxis von Dr. Baumann betrat. Tina Martens