Meinem Dämon die Stirn bieten: Mein Leben vor und nach der MS-Diagnose
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Über dieses E-Book
Hannes Altenburger
Ich wurde im Mai 1972 als jüngstes von vier Kindern geboren. Während einer unbeschwerten Kindheit lernte ich die Natur, Tiere und Pflanzen lieben. Nachdem ich mit meinem Vater zur Jagd mitging, wurde mir klar, dass Tiere und Pflanzen in meinem Leben eine Rolle spielen mussten. So entschied ich, Förster zu werden. Dafür ging ich 1986 in eine Försterschule, was Internat und somit ein Leben ohne elterliche Obsorge bedeutete, wodurch meine Persönlichkeit sehr geprägt wurde und mich meinen Weg unbeirrt verfolgen ließ. Nach Umsetzung meines Jugendtraumes, nämlich ein paar Monate in der Wildnis zu verbringen, fand ich einen guten Job als Förster, das Leben verlief so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Doch 2001 erkrankte ich an Multipler Sklerose, wodurch ich im Rollstuhl landete. Trotzdem arbeitete ich noch 10 Jahre und absolvierte noch zahlreiche Abenteuer. 2011 hatte ich schon zu wenig Kraft und ging in krankheitsbedingte Frühpension, ein selbstständiges Leben war nicht mehr möglich, und so gestaltete ich mein Leben neu, zog im Alter von 39 Jahren wieder bei meinen Eltern ein und stellte eine Pflegerin an. Trotzdem versuche ich, das Bestmögliche aus der Situation zu machen, was dank meiner Mutter, meines Bruders und einiger guter Freunde ganz gut gelingt.
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Buchvorschau
Meinem Dämon die Stirn bieten - Hannes Altenburger
Hannes Altenburger wurde im Mai 1972 als jüngstes von vier Kindern geboren. Während einer unbeschwerten Kindheit lernte er die Natur, Tiere und Pflanzen lieben. Durch gemeinsame Jagden mit seinem Vater entstand der Wunsch, den Beruf des Försters anzustreben. Dafür besuchte er ab 1986 eine Försterschule mit Internat, was seine Persönlichkeit sehr prägte. Nach Umsetzung seines Jugendtraums, ein paar Monate in der Wildnis zu verbringen, fand er eine Anstellung als Förster; das Leben verlief so, wie er es sich vorgestellt hatte. Doch 2001 erkrankte er an Multipler Sklerose, durch die er in weiterer Folge an den Rollstuhl gebunden wurde. Nach der Diagnose arbeitete er 10 Jahre lang weiter in seinem Beruf und erlebte auf Reisen noch zahlreiche Abenteuer. 2011 ging er krankheitsbedingt in Frühpension, ein selbstständiges Leben war nicht mehr möglich. Er gestaltete sein Leben neu, zog mit 39 Jahren wieder bei seinen Eltern ein und musste eine Pflegerin anstellen. Bis heute versucht er, das Bestmögliche aus der Situation zu machen, was dank seiner Mutter, seines Bruders und einiger guter Freunde gelingt.
Jetzt sitze ich wieder da in meinem Rollstuhl und mache mein tägliches Programm am Computer: E-Mails lesen – schon wieder keine Nachrichten – Facebook anschauen, Kontostand kontrollieren. Wenn das alles erledigt ist, kann ich endlich die täglichen Nachrichten auf der ORF-Homepage lesen, wenn das auch erledigt ist, spiele ich bis zum Mittagessen auf dem Computer, denn sonst kann ich kaum etwas tun, da ich immer weniger Kraft habe, und ich fürchte den Zeitpunkt, an dem ich das auch nicht mehr kann, und der wird irgendwann kommen. Montag und Donnerstag habe ich Physiotherapie, Mittwoch mache ich auf Empfehlung meines Therapeuten ein elektronisch unterstütztes Muskeltraining, am Dienstag und am Wochenende stelle ich mich auf meinen Stehbarren, dann lasse ich meine Füße von einem Chi-Gerät zwecks Lockerung der sonst nicht mehr benötigten Muskeln durchschütteln. Am Nachmittag fahre ich mit meinem Offroad-E-Rolli, wenn das Wetter passt, in der Gegend herum und hoffe, irgendjemanden zu treffen, um wenigstens etwas plaudern zu können, damit ich ein bisschen Abwechslung habe.
Das ist mein absolut langweiliger Lebensrhythmus, absolut nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe, aber die eigenen Vorstellungen zählen in einem Leben, das durch eine Krankheit oder einen anderen Schicksalsschlag nachhaltig aus den Angeln gehoben wurde, überhaupt nichts. Dabei hat alles so gut begonnen, meine ersten dreißig Lebensjahre sind annähernd so verlaufen, wie ich mir das vorgestellt habe.
Aber alles der Reihe nach. Ich erzähle, wie es war. Die folgenden Geschichten haben sich so zugetragen, wie ich sie erzähle.
Inhaltsverzeichnis
Kindheit
Internat, Matura, Militär
Kanada und Mein erstes Leben
In Alaska
Wieder in Kanada
Zurück in Österreich
Österreich und Afrika
Mein zweites Leben
KINDHEIT
Ich wurde in den frühen 70igern als viertes Kind geboren. Wenn ich Babyfotos von mir anschaue, dann denke ich immer, was ich für ein hässliches Kind war, die Babyspeckwülste, die ich von Anfang an hatte, haben sich lange gehalten. Meine Kindheit verlief sehr reibungslos, ich musste keinerlei Erfahrungen machen, die tiefe Spuren in meiner Psyche hinterlassen hätten.
Als viertes Kind geboren zu werden hat so wie alles im Leben zahlreiche Vor- und Nachteile, so musste ich, wie viele andere Kinder auch, die von den älteren Geschwistern bereits getragenen und oft schon abgetragenen Kleidungsstücke anziehen. Mein ältester Bruder bekam neue Schuhe, nach kurzer Zeit waren sie ihm zu klein, dann erbte sie mein nächster Bruder, und der letzte war schließlich ich. Aber vier Fratzen aufziehen ist sicherlich eine sehr anstrengende und kostenintensive Aufgabe. Mein Vater war, wie damals oft üblich, Alleinverdiener, und so war klar, dass wir nicht ständig neue Hemden und Hosen bekamen. Außerdem sind meine Eltern im Krieg aufgewachsen und haben schlimmste Armut erlebt, daher war es für sie natürlich völlig unverständlich, noch brauchbare Sachen nicht weiter zu verwenden. Durch den Krieg und die spätere Armut wurden die unterschiedlichen Sichtweisen, die zwei Generationen normalerweise schon haben, noch verstärkt, so erzählte mein Vater oft, dass er das Brot umdrehen musste, damit niemand sehen konnte, dass Butter darauf war. Sparsam, wie er aufgewachsen war, hatte er sehr wenig Verständnis, wenn ich seiner Meinung nach wieder viel Geld für Konzertkarten oder aus seiner Sicht Unnötiges ausgegeben hatte.
Als Jüngster ist auch klar, dass man oft gehänselt wird, wehren konnte ich mich nicht, da meine Geschwister ein paar Jahre Vorsprung hatten und mir dadurch sowohl körperlich als auch geistig überlegen waren. Mein älterer Bruder war ein sehr begabter Hänsler, der nicht nur mich, sondern auch meinen noch älteren Bruder und meine Mutter ständig ärgerte, was manchmal zu strengen Erziehungsmaßnahmen, nämlich Schlägen auf den Hintern führte, aber mein Bruder war hart im Nehmen und meinte nur: „Aber ich lache". Und meiner Mutter schmerzten die Hände.
Einmal war es mir zu viel, ich wollte einen Faustschlag andeuten, doch ich verschätzte mich und traf seine Nasenspitze, zum Glück war nichts gebrochen.
Bei der Erziehung war die „Tetschn oft üblich, wenn wir es zu wild trieben, was aber keine bleibenden Schäden verursachte. Heute wären die Kinder wegen häuslicher Gewalt schwer geschädigt. Wenn ich zum Trotz weinte, hieß es nur: „Gleich kriegst a Watschn, damit du weißt, warum du weinst
. Aber normalerweise war ich ein sehr braves Kind, meine Mutter sagte oft, ich sei gar nicht mehr aufgefallen. Heutzutage, wo sich bei Jungfamilien alles um die Kinder dreht, kann man sich so etwas gar nicht vorstellen. Da meine Mutter genug mit der Haushaltsführung zu tun hatte, war es nur gut, dass ich bei meinen Geschwistern war.
Natürlich hat es auch sehr viele Vorteile, der Jüngste zu sein, so war für mich vieles kein Problem, wofür meine älteren Geschwister noch kämpfen und diskutieren mussten. So zum Beispiel beim Ausgehen, meine Geschwister sagten oft, bei ihnen hätte es das nicht gegeben, in dem Alter so lange fortzubleiben. Sie leisteten die Vorarbeit und ich hatte es bedeutend leichter. Aber ich zog oft mit meinen Geschwistern mit, und dann war es noch weniger ein Problem. Dadurch dass ich viel mit meinen älteren Geschwistern unterwegs war, waren meine Freunde auch oft älter als ich, wodurch ich weitere Erfahrungen machen konnte, die man in meinem Alter noch nicht unbedingt kennen musste.
Meine Brüder gingen nach der Schule oft auf das Nachbargrundstück, welches damals eine verwilderte Wiese neben einem Bach war, ein hervorragender Spielplatz für Kinder, da war ich natürlich mit dabei. Es waren viele Kinder dort und so wurden 'Banden' gegründet, die sich bekriegten, da floss schon das eine oder andere Mal Blut, aber da wir alle keine Heulsusen waren, war das eigentlich kein Problem. Jede Bande hatte eine Hütte, die in den Sträuchern, die entlang des Baches wuchsen, gebaut wurden. Das Ziel der Bandenkriege war immer, die Hütte der gegnerischen Bande zu zerstören. Eines Tages waren auf der Wiese Pflöcke eingeschlagen und Linien gezogen. Daraufhin brachten wir einen Fußball mit und schossen sämtliche Pflöcke wieder um. Unser Kampf gegen die anrückenden Baumaschinen ging für uns völlig unverständlich verloren, ein absolut natürlicher Kinderspielplatz verschwand unwiederbringlich.
In dem Bach waren auch schöne Forellen, von denen die eine oder andere auf unserem Rost landete, aber eine selbst schwarz gefischte, quasi illegale Forelle schmeckt halt besser.
Ich musste sofort nach der Schule meine Hausaufgaben erledigen. Oft passierte es, dass ich das Heft für die Hausübungen und sämtliche Dinge, die für die Hausübung wichtig waren, in der Schule vergessen hatte, worauf meine Mutter die Schulwartin mit einer Schokolade in der Hand bat, die Schule noch einmal aufzuschließen. Erst wenn alles gemacht war, durfte ich fort zu den anderen Kindern zum gemeinsamen Spiel, so waren die Nachmittage bis zum Abend unbelastet – ohne Handy und dergleichen. Unerreichbar und unbeaufsichtigt waren wir unterwegs, so lebten wir in unserer eigenen Welt und machten unsere Erfahrungen.
Ein Brauch vor Ostern ist das Ratschen. Die Kirchenglocken, die ja am Gründonnerstag nach Rom fliegen, werden dadurch ersetzt. Dafür gehen zwei Kinder in einer Reihe mit einer Ratsche, und jedes Jahr rückt man eine Reihe vor. Ist man ganz vorne, hat man noch ein Jahr als „Ratschenmeister". Bei einem der beiden Ratschenmeister schliefen die Kinder, weil ja schon um 6 Uhr am Morgen das erste Mal geratscht werden musste. Nach Kaffee und Kuchen ging es dann hinaus in den kalten Morgen, der sich noch kälter anfühlte, weil wir nicht ausgeschlafen waren. Wenn in diesen beiden Nächten jemand einschlief, wurde er mit angebrannten Korken, Schuhcreme oder Lippenstift angemalt. Schlief jemand besonders tief, wurde seine Hose aufgemacht und das beste Stück ereilte dieses Schicksal. Das Gelächter und der Spott waren natürlich dementsprechend, wenn derjenige das erste Mal pinkeln musste.
Beim Ratschen herrschte auch eine Rivalität zwischen den Ratschengruppen der beiden Ortsteile. Zur Entlohnung der Ratschenbuben wurde am Ende von einem Haus zum nächsten gegangen, um Eier, Ostereier oder Geld zu sammeln. Es wurde versucht, den Bewohnern des jeweils anderen Ortsteiles eine unruhige Nacht zu bescheren, um so den Zorn der Leute zu schüren, damit weniger gegeben wurde. Hierzu wurde „Pumpati-Met geratscht. Der Spruch lautete: „Wir ratschen, wir ratschen, die Pumpati-Met, Weiber steht’s auf, macht’s Osterfleck, Osterfleck san no ned gnua, legts Göd a no dazua.
Dazu wurden natürlich nicht die eigenen Ratschen verwendet, denn es konnte ja sein, dass man davonlaufen musste, und da geht's schneller, wenn man die Ratsche einfach wegwirft. Es wurden die Ratschen der anderen Gruppe gestohlen und damit das nächtliche Treiben unternommen. Mit diesem nächtlichen Treiben gingen zahlreiche andere Streiche einher. Bei einer dieser Touren sahen wir im spärlichen Licht eine alte Frau. Nachdem sie den Rock gehoben hatte, war sie verschwunden, das mussten wir natürlich genauer unter die Lupe nehmen: Was macht sie zu dieser nächtlichen Stunde auf der Straße? Wir untersuchten die Stelle, an der sie den Rock gelüftet hatte. Sie hatte auf den Gehsteig gesch…
Nach diesen beiden sehr anstrengenden Nächten nahmen wir die Eier, welche nach einem bestimmten Schlüssel aufgeteilt wurden