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Bis hierher und dann weiter: Wenn die Kinder erwachsen werden - Tagebuch
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eBook408 Seiten4 Stunden

Bis hierher und dann weiter: Wenn die Kinder erwachsen werden - Tagebuch

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Über dieses E-Book

Endlich wieder ein neues Tagebuch der "frommen Hausfrau"! Nach den Bestsellern "Stinknormal und einfach herrlich", "Tonnenschwer und federleicht", "40 werden immer nur die anderen" und "Gezeitenwechsel"erzählt Bianka Bleier wie gewohnt auf ihre ehrliche Art in ihrem neuen Tagebuch aus der Mitte ihres täglichen Lebens. Doch nachdem nun alle Windeln gewechselt und Schulprobleme gemeistert sind, stehen neue Herausforderungen ins Haus: Die Kinder werden erwachsen, sie starten ins Leben. Humorvoll, leidenschaftlich, aber auch nachdenklich berichtet Bianka Bleier von den Freuden und Leiden der sich neu formierenden Familiensituation und wirft die entscheidende Frage auf: Was kommt nun? Mit Gott an ihrer Seite ringt sie um ihren Platz im Leben.

Inkl. 16-seitigem Bildteil.
SpracheDeutsch
HerausgeberSCM Hänssler
Erscheinungsdatum19. Aug. 2019
ISBN9783775174534
Bis hierher und dann weiter: Wenn die Kinder erwachsen werden - Tagebuch
Autor

Bianka Bleier

Bianka Bleier (Jg. 1962) ist Autorin zahlreicher Bücher, Kalender und Zeitschriftenbeiträge. Seit sie dreizehn ist, schreibt sie Tagebuch. Ihre authentischen Tagebuchromane nehmen ihre Leserinnen seit 25 Jahren mit hinein in ihr Leben mit ihrer Familie. Ihre Leidenschaft für schöne Bilder und gute Zitate sind der Stoff, aus dem ihre zahlreichen Kalender sind. Sie lebt mit ihrem Mann in Forst/Baden, wo sie das Event-Laden-Café Sellawie gegründet hat (www.sellawie.de), das nach der aktiven Familienzeit und Mitarbeit in einer FeG zu ihrem neuen Lebensmittelpunkt geworden ist. Ihre Affinität zum Buch lebt die gelernte Bibliothekarin neben dem Schreiben bei der Auswahl ihrer Lieblingsbücher für die kleine Buchhandlung, die zum Sellawie gehört. Ihre Homepage www.fromme-hausfrau.de ist ein beliebter Treffpunkt für Glaubens- und Lebensfragen. In ihrer Freizeit hält sich Bianka Bleier am liebsten in der Natur auf: Unterwegs mit dem E-Bike, am Lagerfeuer auf ihrem Freizeitgrundstück und auf Reisen mit ihrem Wohnwagen. https://www.sellawie.de/

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    Buchvorschau

    Bis hierher und dann weiter - Bianka Bleier

    Bianka Bleier

    Bis hierher

    und dann weiter

    Wenn die Kinder erwachsen werden

    – Tagebuch

    SCM | Stiftung Christliche Medien

    SCM R. Brockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

    ISBN 978-3-7751-7453-4 (E-Book)

    ISBN 978-3-7751-5859-6 (lieferbare Buchausgabe)

    Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

    © 2019 SCM Hänssler in der SCM Verlagsgruppe GmbH

    Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen

    Internet: www.scm-haenssler.de; E-Mail: info@scm-haenssler.de

    Die Bibelzitate wurden folgenden Übersetzungen entnommen:

    Hoffnung für alle ® Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®.

    Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers

    Fontis – Brunnen Basel (Hfa)

    Gute Nachricht Bibel, revidierte Fassung, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 2000 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. (GNB)

    Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart (LÜ)

    Umschlaggestaltung: Kathrin Spiegelberg, Weil im Schönbuch

    Titelbild: Rahel Täubert, Stuttgart

    Bildteil: © Bianka Bleier, privat; außer S. 13: © Franz Porscha, 76684 Östringen

    Autorenfoto: Lea Weidenberg

    Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach

    Inhaltsverzeichnis

    Vorbemerkungen

    Das Jahr 2004

    Das Jahr 2005

    Das Jahr 2006

    Das Jahr 2007

    Das Jahr 2008

    Anmerkungen

    [ Zum Inhaltsverzeichnis ]

    Vorbemerkung

    Immer wieder haben mir Leserinnen geschrieben oder mich in unserem Laden-Café Sellawie besucht und mich gefragt, ob ich nicht wieder ein Tagebuch veröffentlichen möchte. Seit dem Erscheinen meines letzten Bandes vor vierzehn Jahren ist »viel Wasser den Rhein runtergelaufen«, wie man bei uns im Badischen sagt. Unsere Kinder sind ausgezogen, unser Sellawie-Projekt läuft rund und endlich habe ich wieder die Zeit und Muße gefunden, meine Tagebücher weiter abzuschreiben. Dieser fünfte Band schließt direkt an das letzte Tagebuch »Gezeitenwechsel« an und berichtet von der Zeit, als unsere Kinder sich von uns abnabelten, unsere Eltern gebrechlich wurden und Werner und ich begannen, uns nach einer neuen Aufgabe auszustrecken.

    Als ich mich wieder neu so intensiv mit meinen Tagebüchern befasste, merkte ich, wie gut mir diese Biografiearbeit tut. Es ist jedes Mal wie das Schnüren eines Paketes, das mir fortan in seiner kompakten Form zur Verfügung steht, um darauf zurückgreifen zu können.

    Es war ein Prozess, mich mit dem Abstand der gelebten Jahre wieder an alle Höhen und Tiefen dieser Zeit zu erinnern. Wenn man mittendrin steckt, Tag für Tag sein Leben entfaltet, gestaltet, genießt und bewältigt, wäre man manchmal dankbar für diesen Weitblick und Überblick, den man im Rückblick findet. Dies schenkt das Tagebuchlesen im Nachhinein; es lässt vieles noch einmal in einem anderen Licht erscheinen und manches heil werden. Ich freue mich also, dass ich auf diese Weise nun weiter an meiner Geschichte Anteil geben kann – es wird vermutlich nicht das letzte Mal gewesen sein …

    [ Zum Inhaltsverzeichnis ]

    Das Jahr 2004

    Immer noch bin ich eine stinknormale Hausfrau, wie sie zu Millionen und Abermillionen im deutschsprachigen Raum vorkommt, und darüber hinaus. Immer noch komme ich jeden Morgen zerknittert aus dem Bett und brauche jedes Jahr länger dafür, diesen Zustand im Bad wieder rückgängig zu machen.

    Immer noch (mit Betonung auf noch) leben wir zu fünft in einer Erwachsenen-WG – auch Jan ist nun kein richtiges Kind mehr. Er besucht eine Ganztagsschule für Schwerhörige und Sprachbehinderte. Das Leben mit unserem Jüngsten ist ein besonderes Leben. Er hat das Kabuki-Syndrom, eine weltweit bisher erst 200 Mal diagnostizierte Behinderung. Das hat unsere Lebensschwerpunkte geprägt und bereichert.

    Wer den kleinen Prinzen von Saint-Exupéry kennt, kennt irgendwie auch Jan. Jan hat keine Masken, ist ohne Arg und lebt im Jetzt. Das ist bezaubernd und schutzlos zugleich. Sprechen fällt Jan schwer, aber da er in einer Familie lebt, für die Sprache das Medium ist, kann er gar nicht anders, als erfreuliche Fortschritte machen.

    Anna macht eine Ausbildung zur Krankenschwester, fährt unser großes Auto und weiß manches, was ich nie wusste. Gelegentlich braucht sie noch einen Rat, aber oft gibt sie mir auch gute Tipps. Sie redet kein Wort zu viel, doch ihre Worte haben Gewicht.

    Lena besucht eine weiterführende Schule. Sie wird demnächst unser großes Auto fahren. Lena benutzt sehr viele Worte, um auszudrücken, wovon ihre Seele voll ist, und ist ausgesprochen versiert darin.

    Das Leben in unserem kleinen Haus ist eng und intensiv. Ich genieße diese Zeit in dem Bewusstsein, dass sie bereits zu Ende geht und wir dabei sind, die letzten Starthilfen zu geben. Es ist eine wundervolle Phase, die mich immer wieder überrascht. Immer noch ist alles sehr spannend, lerne ich viel, ist das Leben mit Gott ein Abenteuer.

    Werner, der Mann, der zu uns gehört und dessen Schlüsselrolle in meinem Leben mit der wachsenden Selbstständigkeit der Kinder wieder zunimmt, leitet eine Werkstatt für Behinderte und seine Heimwerkstatt im Keller. Im Gegensatz zu seiner Frau hat er kein Bedürfnis, sich der Öffentlichkeit mitzuteilen, und bleibt am liebsten inkognito.

    Zweimal in der Woche arbeite ich in einer christlichen Buchhandlung. Mein Ressort sind Karten, Kalender und Bildbände. Ich liebe schöne Fotos und aussagekräftige Kurztexte. Schreiben ist für mich ein tiefes Bedürfnis, das zu einem Teil meines Lebens geworden ist. Seit dreißig Jahren schreibe ich Tagebuch. Ich brauche das, um mein Leben zu ordnen.

       6. August 2004

    Neuerdings habe ich eine kleine Zornfalte über der Nase. Wenn ich den Mund zum Kuss spitze, ist er voller Fältchen um die Lippen, und wenn ich grinse, blühen Lachfalten um die Augen. Falten sind etwas Komisches. Eigentlich zeigen sie ja lediglich, dass ich schon eine geraume Zeit auf der Reise bin, einiges erlebt und erfahren habe. An Oma habe ich sie gemocht, mit meinen eigenen muss ich mich noch arrangieren. Am leichtesten fällt mir das bei den Lachfalten.

    Ich steige auf die nächsthöhere Hautpflegeserie um und versuche ansonsten, mich mit den neuen Linien anzufreunden. Auf meinen Spiegel schreibe ich einen Text von Anne Steinwart:

    Wünsch dir was

    sagte die gute Fee

    Alt und weise

    möchte ich werden

    und unerschrocken

    Eine eigensinnige Alte

    mit silbernen Haaren

    ohne Strümpfe

    in lila Sandalen

    Und Lachfalten

    möchte ich haben

    Ganz viele¹

    Unkonventionell alt werden, mich nicht in starre Formen pressen lassen – ich hoffe, das gelingt mir.

       10. August 2004

    So wie ich einen Teil meiner Mutter in mir enthalte, erweitere ich mich durch das Leben meiner Töchter. In den vielen Gesprächen mit Anna und Lena, in denen wir unser Leben ansehen, das ineinander verwoben ist, in denen sie mir neugierig zuhören, um etwas über sich selbst zu erfahren, erfahre ich auch etwas über mich. Ich erkenne mich wieder in Lenas Art zu denken, in Annas Art zu fühlen.

    Wunderschöner Sommertag. Nachts hat es geregnet, sodass wir bei angenehmer Temperatur reiten können. Ich bin genauso zufrieden wie Chopper, der entspannt schnaubend über die abgemähten Kornfelder galoppiert, die in der Abendsonne goldgelb leuchten. Die Luft ist klar, es weht ein sanfter Wind. Wie immer hat es Überwindung gekostet, reiten zu gehen, und wie fast immer hat es sich gelohnt. Mit den Pferden habe ich ein dickes, rundes, warmes Stück Leben gewonnen, das mich lockt, Neues zu wagen und zu erfahren, wie sich Angst in ein unbeschreibliches Glücksgefühl verwandeln kann.

       15. August 2004

    Werners vierwöchiger Urlaub hat begonnen. Wir renovieren hier und dort, reiten, gießen, ernten. Lena und Jan fahren morgen für eine Woche ins Sommerlager, danach fahren wir nach Holland, worauf wir uns alle sehr freuen. Werner hat den alten Faltcaravan in den Garten geholt. Eine Maus hat ein Riesenloch ins Vorzelt gefressen und ein Nest hinterlassen, ansonsten ist er funktionstüchtig.

       18. August 2004

    Zurzeit sind Werner und ich öfter allein. Ein ruhiger Zustand. Werner liebt es zu arbeiten, ohne unterbrochen zu werden. Zu zweit lässt es sich auch angenehm leben, ohne die Daueraufgabe »Kinder«. So war es vor ihrer Zeit.

    Wenn wir mit den Mädchen unterwegs sind, fühlt er sich schnell im Stich gelassen, als würde ich mich gegen ihn verbünden. Da läuft etwas auseinander. Neulich waren wir mit Anna in Heidelberg frühstücken. Anschließend hatte er plötzlich keine Lust mehr, mit uns bummeln zu gehen. Sie hatte sich extra chic gemacht, aber zwischen Werner und ihr war wenig Nähe. Abnabelung?

    Ich habe nicht das Gefühl, dass Teenager ihre Mütter weniger brauchen. Nur zu anderen Unzeiten. Mit Jan war ich im Schwarzwald auf einer Intensivtherapiewoche. Neue Ideen und Programme motivieren mich, wieder mit ihm zu üben, um ihm noch mal ein Stück weiterzuhelfen. Täglich eine Dreiviertelstunde.

    Vielleicht ist jetzt noch einmal eine gute Zeit für einen Countdown mit Jan, weil die Mädchen tagsüber oft unterwegs sind. Bisher wäre so eine intensive Zuwendung gar nicht möglich gewesen. Wir freuen uns über jeden kleinen Fortschritt. Und Jan auch.

       19. August 2004

    Jan war sehr herausgefordert im Zeltlager, aber grundsätzlich aufgefangen. Dadurch, dass er »Lenas Bruder« war, die jeden Morgen ins Jungenzelt kam und nach ihm sah (»Ich wollte nur mal sehen, wie es Jan geht.« – »Prääächtig! Wir kümmern uns um ihn!«), war ihm das Wohlwollen einzelner Gönner sicher. Überfordert war er, wenn es galt, thematische Workshops zu wählen oder Geschenke herzustellen.

    Dann rettete ihn Lena, indem sie auf ihren Workshop verzichtete und stattdessen mit Jan zum Bauern ging oder ihm sein Geschenk aus Speckstein feilte. Das Lager zeigte Jan, was er kann – und brachte ihn schmerzhaft an seine Grenzen.

       20. August 2004

    Abreise nach Holland. Werner repariert den Zeltanhänger erst heute Morgen. Sein Timing ist durch nichts zu beeinflussen, er handelt immer auf den letzten Drücker. Eigentlich passen wir gut zusammen, aber unter Zeitdruck sind wir ein schlechtes Gespann. Wir sind beide sehr erschöpft. Zu allem Überfluss haben wir gehört, dass uns im Norden eine Schlechtwetterfront erwartet.

    Ich habe tagelang die notwendigen Habseligkeiten zusammengetragen für sieben Leute und Hund. Wir packen unkoordiniert, keiner hat den Überblick. Mehrmals eskaliert die Situation. Wenn Werner überlastet ist, wird er angriffslustig. Er ärgert sich gewaltig, dass ich darauf bestehe, unseren Kellerkühlschrank im Bus mitzunehmen, nur weil er mir das mehrmals versprochen hat. Dass ich ein Zehnerpaket H-Milch dabeihaben möchte, ist für ihn Eulen nach Athen tragen.

    Irgendwann sind fünf Fahrräder am Heck des Busses montiert, ist der Faltcaravan angehängt. Werner quetscht seine in letzter Minute gepackte Kleidertasche in den Kofferraum. Die Wucht des Quetschens (der Wut) kann man daran ablesen, dass drei Liter Milch platzen und sich über den ganzen Kofferrauminhalt ergießen, über alle Taschen, CD-Player …

    In dem Moment, als Werner den Faltcaravan abhängt, den Fahrradträger wieder abmontiert, den Kofferraum aufreißt, das runterfallende Gepäck mit den Füßen an die Mauer kickt und wir der Milch zusehen, wie sie aus dem Auto rinnt, steht das ganze Unterfangen auf der Kippe. Dass unsere Ehe das übersteht, hängt damit zusammen, dass ich bereits drei Bücher über Ehe, Kommunikation und »Christsein heute« gelesen habe. Und dass Werner wütend werden kann, aber nicht gewalttätig.

    Ich kündige an, nie wieder mit ihm zu verreisen. Er wird zugänglicher. Damit habe ich nicht gerechnet. Manchmal denke ich, das Thema »Wer hat denn hier eigentlich recht?« ist endlich ausgestanden, nur um gleich darauf zu erleben, dass wir doch noch nicht darüber hinweg sind.

    Als wir endlich im Bett liegen, kann ich lange nicht einschlafen. Wird Anna, die frisch den Führerschein hat, die sechsstündige Fahrt im eigenen Auto durchstehen? Werden wir zwei Plätze nebeneinander auf dem Campingplatz finden? Werden wir im Regen aufbauen und vierzehn Tage lang bei schlechtem Wetter auf engstem Raum zusammenleben müssen?

       21. August 2004

    Anna fährt im Konvoi wie ein Autopilot die ganze Strecke allein, ihr Freund ist stolzer Beifahrer. Eingeklemmt zwischen Kühlschrank und Gepäck beobachte ich bangen Herzens die graue Suppe am Himmel, male mir das Schreckensszenario aus, bei Regen im Matsch den alten Zeltanhänger aufzubauen.

    Zaghaft bete ich zu diesem großen Gott, der die Welt erschaffen hat und erhält. Bei strömendem Regen sage ich ihm, dass es schön wäre, im Trockenen aufzubauen und hin und wieder die Sonne zu sehen. Dass ich Angst habe vor der Enge im Zelt und vor Werners Gefühlen.

    Als wir die lange Brücke zur Insel überqueren, entdecke ich vor uns am Himmel einen blauen Fleck, der sich ausbreitet, je mehr wir uns unserem Bestimmungsort nähern. Auf dem Campingplatz ist plötzlich alles wie immer: Der Himmel strahlt, die Leute fahren Fahrrad, es ist warm, und das hält den ganzen Tag so an. Ich bin sehr berührt über dieses Gnadenzeichen.

       22. August 2004

    Unsere groß gewordenen Mädchen blödeln in den Dünen wie junge Hunde. Ich bade in den Wellen, sauge den Anblick des Strandes in mich auf, dankbar, jetzt hier zu sein. Diese Insel ist unsere große Liebe.

    Jan langweilt sich. Er kann keinen Leerlauf ertragen, kein zufriedenes Schweigen, kein Gespräch zwischen Werner und mir, das er inhaltlich nicht versteht. Er kann seinen Geist nicht schweifen lassen. Wenn wir uns nicht auf ihn einlassen, wird er aufdringlich.

    Dennoch freue ich mich hier sehr an ihm. Wie aktiv und selbstständig er geworden ist, wie schnell und kräftig er Rad fahren kann! Selbstbewusst geht er mit dem Hund aus und kauft sich jeden Morgen seine Bildzeitung, aus der er die Sportnachrichten aufsaugt.

       23. August 2004

    Heute ist es dann doch den ganzen Tag enorm stürmisch und regenschauerisch. Jan tritt uns auf den Füßen herum, fragt minütlich, was er tun könnte (bei ihm tappe ich in die Falle, die ich bei den Mädchen vermeiden konnte – ich fühle mich für seine Langeweile verantwortlich), und es kommt, wie es kommen muss:

    Werner fällt die Decke auf den Kopf. Seine Ruhe will er und kann sie nicht finden. Keine Ahnung, wie er auf die Idee kommt, sie hier zu suchen. Ich glaube, dass wir nur noch einige wenige Jahre mit den Mädchen reisen werden, und genieße jede Stunde. Ich amüsiere mich, wenn sie um 22 Uhr eine chinesische Tütensuppe kochen und singen: »Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?«

    Wir radeln vor ans Meer, um den Sonnenuntergang zu sehen. Lena und ihr Freund liegen am Strand. Die Sonne sinkt glutrot ins Meer. Lena sagt: »Werner muss dich jetzt auch in den Arm nehmen«, und mir fällt zum wiederholten Mal die Diskrepanz auf zwischen frischer Verliebtheit und alter Liebe. Wobei ich nichts dagegen hätte, wenn Werner etwas aufmerksamer wäre.

    Er sagt: »Lena ist arg romantisch! Und es muss immer auf eine bestimmte Art sein.«

    Ich sehe ihn an und sage: »Ja, aber ich bin genauso, Werner!«

    Er sieht mich überrascht an. Dann nimmt er mich in den Arm. Als wir so jung verliebt waren wie die beiden, musste ich nicht so viele Worte machen …

    Es ist August, ich sitze in Sturmjacke mit Kapuze vor dem Zelt. Das Wetter jagt den Himmel entlang, Charly lässt zufrieden seufzend den Hollandwind über sich hinwegblasen. Irgendjemand klopft Heringe. Werner sagt überraschend zärtlich: »BIANKA!«

    Ich sage: »So schön hast du meinen Namen schon lang nicht mehr gesagt!«

    Er sieht mich irritiert an: »Sei doch mal ruhig!« Er speichert Namen in sein neues Handy mit Spracherkennung …

       24. August 2004

    Wenn die ersten Stunden des Urlaubs ein Sinnbild für Gnade waren, dann waren die letzten ein Gleichnis für Verlorenheit. Seit gestern tobt ein Unwetter mit hoher Windstärke und ununterbrochenem Sturzregen. Ich schlafe keine Minute bei dem Lärm. Ich habe Angst, dass der Zeltanhänger dem Wolkenbruch nicht standhält, und fürchte mich vor Jans Umtriebigkeit in der Enge. Ich rechne damit, dass Anna ertrinkt in ihrem undichten Zelt nebenan, auf das sie gestern die zweite Flasche Imprägnierung gesprüht hat.

    Wird der Urlaub in einem Fiasko enden? Während Werner schneller schlecht gelaunt ist, bin ich schneller besorgt.

    Ich habe gehört, dass achtzig Prozent der Sorgen, die man sich macht, sich als unbegründet erweisen. Der Zeltanhänger hält durch. Annas Zelt bleibt dicht. Sie bekommt überhaupt nichts mit von dem Sturm! Außer mir bekommt überhaupt niemand etwas davon mit!

    Anna und Lena kriegen es fertig, wegen des Küchendienstes zu streiten. Werner kriegt es fertig, die Moral der Truppe zu stärken. Den Rest des Tages lassen Sonne und Wind das Getöse der Nacht vergessen. Danach beantworte ich die Frage, ob der Packstress im Verhältnis zum Gewinn des Urlaubs gerechtfertigt war, mit einem fröhlichen Ja.

    Allen ist klar, dass wir doch nicht nach Spanien fahren werden im nächsten Urlaub. Charly liegt wie seit zehn Jahren auf der weichen Wiese und erinnert sich. Gute Zeiten hat er hier verbracht. Endlich, endlich komme ich zur Ruhe.

    Abends radeln Werner und ich am Meer entlang, während die Sonne untergeht. Dort habe ich einen 360-Grad-Rundumblick und keine Worte für das, was in meinem Herzen ist. Später sitzen wir unter dem Sternenhimmel und verfolgen die Bahn des Mondes.

    »Dann sprach Gott: ›Das Wasser unter dem Himmelsgewölbe soll sich alles an einer Stelle sammeln, damit das Land hervortritt.‹ So geschah es. Und Gott nannte das Land Erde, die Sammlung des Wassers nannte er Meer. Und Gott sah das alles an: Es war gut« (1. Mose 1,9-10; GNB). Ich weiß, warum ich mich hier Gott so verbunden fühle: Ich teile meine Begeisterung über das Meer mit dem, der es geschaffen hat!

    Anna und Lena tun sich schwer miteinander. Sie haben so eine gute Basis, aber hier verletzen sie sich ständig oder gehen sich aus dem Weg. Auch das muss ich loslassen: meine Vorstellungen von Harmonie in ihrer Beziehung. Ich kann es nicht machen. Wenn es ihnen wichtig ist, müssen sie selbst daran arbeiten, sie zu erhalten. Ich kann nur in meine Beziehung zu meinen Töchtern investieren, Treffpunkte anbieten wie diesen Urlaub und unser Haus als Heimat offen halten. Vielleicht müssen auch sie sich voneinander abnabeln, wie Zwillinge, die lernen müssen, eigene Wege zu gehen.

       28. August 2004

    Heute Morgen bin ich allein ans Meer gefahren, um mich daran sattzusehen. Werner läuft oft weiter an Stellen, an denen ich gern verweilen würde. Was ist eine gute Ehe? Wenn es bedeutet, unaufhaltsam auf einen Gipfel harmonischer Zweisamkeit zuzusteuern, sind wir weit davon entfernt. Gestern haben wir unter dem gigantischen Wolkenspiel am Meer heftig gestritten.

    Wenn es aber bedeutet, nach zwei Jahrzehnten immer noch darum zu ringen, gemeinsam einen Weg zu gehen, die Berge des Lebens Hand in Hand oder, zumindest, in Rufweite zu erklimmen und oben Arm in Arm immer mal wieder nach vorne und hinten zu schauen, wenn eine gute Ehe eine umkämpfte Ehe ist, dann führen wir eine.

    Seit zwanzig Jahren bemühen wir uns um Zuneigung, Nähe, Zärtlichkeit, Annahme, Erotik, Seelenverständnis, gegenseitige Förderung, Gemeinsamkeit. Wenn eine gute Ehe an ihren Früchten zu erkennen ist, dann führen wir eine. Jedenfalls finde ich unsere drei Früchtchen wundervoll lebensfroh, glaubenshungrig und liebesfähig.

    Jan scheint auch vom Meer berührt zu sein. Er fragt: »Mama, willst du hier mal wohnen? Für immer? Ich liebe Wasser, wenn es das Meer ist, Mama!«

    »Jan, wo willst du denn mal wohnen?«

    »Das kann ich noch nicht wissen, ich war noch nie in Portugal und Bolivien.«

       29. August 2004

    Eine unglaubliche Nacht. Windstärke sieben. Ich fasse Werners Hand, um nicht zu kentern. Als er aufwacht, sagt selbst er: »Das war wie eine stürmische Überfahrt nach Afrika!« Achtzig Liter Regen pro Quadratmeter sind gefallen. Werner würde den nächsten Urlaub nun doch lieber im Süden verbringen.

    Wir sind überrascht, wie sehr unsere Jugendlichen uns noch brauchen. Ohne uns geht gar nichts. Der Faltcaravan ist ein Raumwunder: Hier können locker sieben Personen essen und wohnen, was sie auch tun. Tagsüber sind wir umgeben von herumalbernden Teenagern. Ihre Zelte benutzen sie nur zum Schlafen.

    Und dann ist da noch Jan, der permanent seinen Tribut fordert. Ich habe keine Viertelstunde für mich. Wir ringen mehrmals am Tag um unser Gleichgewicht. Trotzdem ist es unglaublich schön, dass sie mit uns noch Urlaub machen wollen und wir sie so aus der Nähe erleben können.

    Werner fragt, ob dieser Urlaub ein Stück Abnabelung für mich ist. Und das ist er in der Tat. Je unabhängiger Anna von mir wird, umso fremder wird sie mir. Ich bekomme kaum noch etwas von ihr mit. Ihr Freund kennt sie immer mehr, ich immer weniger. Sie entfernt sich von mir. Vorsichtig beginnt ein Prozess des Loslassens. Dass sie so gut klarkommt mit ihrem Leben, erleichtert mir die Vorstellung, dass sie eines Tages gehen wird.

    Jan hat auch Zukunftspläne. Stündlich redet er davon, was er machen will, wenn er groß ist. Tankwart. Wirt wäre auch schön. Oder Lkw-Fahrer beim Getränkehändler. Beim Billardspielen amüsieren wir uns königlich: Es ist zum Schießen, wie er um den Billardtisch schlendert, sich darauf legt wie Humphrey Bogart und sämtliche Haltungen nachahmt, die er bei den anderen Jungs sieht. Man merkt, dass er inzwischen im Jugendkreis ist.

    Der Abstand von zu Hause wird groß und immer größer, der Alltag verschwindet in der Vergangenheit, und je weiter er weg ist, umso vorstellbarer wird es, ihm wieder begegnen zu wollen. Ich tue nicht viel mehr als nichts.

       2. September 2004

    Wo ist die Zeit geblieben zwischen dem Wissen, noch vierzehn Tage vor mir zu haben, und dem angenehmen Nichts, das nun hinter mir liegt? Jan sagt: »Vielleicht gehe ich auch zur Müllabfuhr und entsorge Müll von Campingplätzen.« Anna sagt selig: »Nach Holland zu fahren, ist kein aufregender Pionierurlaub. Für mich ist es einfach das Gefühl, nach Hause zu kommen. Mehr brauche ich nicht.«

    Wir verlassen das Meer. Ein letztes Mal. Zwei große Hunde stürmen die Dünen hinunter und stürzen sich ins Wasser. Ich bleibe stehen, um ihnen zuzusehen. Sie kommen problemlos mit den heranrollenden Wellen zurecht.

    Ein weißhaariges Paar kommt dazu. Sie setzt eine skurrile Bademütze auf und rennt zu den Hunden ins Wasser. Sie juchzt. Der Mann läuft hinterher, wirft einen Ball für die Hunde. Die Alten schwimmen lachend mit ihnen um die Wette. Kein Kind weit und breit, nur die zwei, die Spaß miteinander haben.

    So könnte es sein. So könnte es gut sein. Jetzt kann ich das Meer verlassen. Das Bild nehme ich mit: zwei lachende Alte, deren einziges Gepäck zwei Handtücher sind.

    Am Ende hat dieser Urlaub Werner und mich einander nähergebracht, auch wenn wir selten zu zweit waren. Die große Unbekannte unserer Zukunft bleibt für mich, wie es mit Jans Entwicklung weitergeht. Bleiben wir ein Dreiergespann?

       4. September 2004

    Heute haben wir bei 28 Grad den Neuanfang zu Hause recht harmonisch geschafft. Wir sind auf stürmischen Pferden geritten. Werner hat mich gefragt, ob ich doch wieder mit ihm in Urlaub fahre, und ich habe gesagt: »Ja, aber ich packe nicht mehr mit dir …«

       8. September 2004

    Vor siebzehn Jahren sind wir mit zwei winzigen Kindern in dieses kleine Haus gezogen. Heute sind wir zu fünft und jeder Winkel ist besiedelt. Wir leben inmitten lauter großer Menschen. Wir wollen unseren Kindern ein offenes Haus bieten, deshalb weilen oft noch mehr große Menschen bei uns. Manchmal kommt es mir vor, als hätten wir keinen Quadratzentimeter für uns allein.

    Wenn wir uns in die Sauna zurückziehen wollen, steht Anna neben uns mit einem Handtuch unter dem Arm. Ihre Liebessprache ist Zweisamkeit; ich glaube, sie würde uns bis Alaska folgen, wenn ihr nach Gemeinschaft zumute ist.

    Werner und ich haben viel zu wenig Zweisamkeit, aber gestern habe ich den Schock meines Lebens bekommen, als ich realisierte, dass sich sowohl Anna als auch Lena vorstellen können, in wenigen Jahren (sprich: zwei oder drei) auszuziehen. Wenn Jan dann auch noch eine Ausbildung in einem Internat beginnt, die das Berufsbildungswerk für Schwerhörige anbietet, wären wir in Kürze wieder ganz allein.

    Ein ungeheuerlicher Gedanke!

    Es stimmt, die allgegenwärtige WG, deren Mitglieder an die geschlossene Schlafzimmertür klopfen, um zu fragen, ob die letzte Tiefkühlpizza noch zu haben ist, ist etwas heftig. Aber die ebenfalls extreme Aussicht, plötzlich derart zusammenzuschrumpfen und von meinen Kindern höchstens noch besucht zu werden, statt mit ihnen den Alltag zu teilen, lässt mich demütig bleiben. Ich versuche also, alles zu nehmen und zu genießen, wie es ist.

    Werner freut sich darauf, mich nicht mehr teilen zu müssen. Dann gehöre ich ihm endlich wieder allein, so wie damals, bevor wir uns vermehrt haben. Er muss teilen, ich bin die, die sich teilt. Noch liegt ein Teddy in Annas Bett. Aber es ist ein Bär, den ihr Freund ihr geschenkt hat.

    Ich kuschle mich wieder zu meinem schlafenden Gatten in dem schlafenden Haus, wie seit zwanzig Jahren. Was für eine unglaubliche Zahl. Was für ein schönes Leben …

       10. September 2004

    Schlaflosigkeit ist ein neues Thema in meinem Leben. Wenn ich spät esse, mir etwas auf der Seele liegt, eine Schnake summt, Werner schnarcht, die Nachbarin hustet, die Katze umherläuft – wenn ich den Moment verpasse, in dem ich einschlafen könnte, ist es für Stunden um meinen Schlaf geschehen.

    Mein Zyklus ist seit der Operation völlig durcheinander. Ich kann meine Gefühlsschwankungen nicht mehr deuten und frage mich, welche Konsequenzen das für meinen Körper haben wird. Wechseljahre mit zweiundvierzig?

       17. September 2004

    Anna hat frei und fragt: »Was macht man bei dem Wetter?« Da machen wir bei dem Wetter etwas, was ich seit fünfzehn Jahren machen will: Inliner fahren. Ich schnalle mir sämtliche Schützer an und übe jaulend im Hof, Anna fährt kichernd hinterher. Dann eine Stunde um den Ort, plaudernd, zweisam, zunehmend sicherer.

    Als Kind bin ich gern Rollschuhe gefahren. Mein Körper erinnert sich. Welch nette rollende Sache!

    Lena kommt nach Hause und meint: »Also, ich finde Wochenende eine gute Erfindung! Es kommt immer dann, wenn ich es gerade brauche!« Legt einen englischen Liebesfilm rein, um sich auf die Prüfung vorzubereiten, Anna setzt sich vergnügt dazu.

    Ich finde beim Ausmisten in den Tiefen des Kellers eine Kassette, auf der »Anna und Lena« steht. Einst habe ich sie aufgenommen und dann nie mehr angehört. Ich staune über Annas Kinderstimme, die ich fast nicht mehr erkannt hätte. Welch ein Schatz ist dieser Fund! Als ich die Kassette abends Werner vorspielen möchte, kann er nichts damit anfangen. Kommentarlos richtet er sein Abendessen weiter.

    Wie unterschiedlich wir sind! Während ich die Schätze der Vergangenheit hüte, sieht er lieber nach vorn.

       22. September 2004

    Wir genießen Annas letzte freie Tage. Bald wird sie ein viermonatiges Praktikum in einem Altenwohnheim und im April dann ihre Ausbildung zur Krankenschwester beginnen.

    Heute fahren wir nach Karlsruhe. Kichernd schunkeln wir an Oberammergauer Straßenmusikern vorbei,

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