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Der Tote vom Zibelemärit: Ein Fall für Müller & Himmel
Der Tote vom Zibelemärit: Ein Fall für Müller & Himmel
Der Tote vom Zibelemärit: Ein Fall für Müller & Himmel
eBook242 Seiten2 Stunden

Der Tote vom Zibelemärit: Ein Fall für Müller & Himmel

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Über dieses E-Book

Ein Mann stirbt an Silvester 2017 durch einen manipulierten Feuerwerkskörper und führt die Detektei Müller & Himmel zurück in die Vergangenheit. Denn der Verstorbene war nicht nur ein fürsorglicher Vater, sondern einst auch in der Punkszene aktiv. Als Weggefährten von damals in der Detektei von Heinrich Müller auftauchen, wird er mit Punk und Rebellion der 80er-Jahre konfrontiert und bewegt sich plötzlich in einem Bern zwischen Anarchie und Tod.
SpracheDeutsch
HerausgeberGMEINER
Erscheinungsdatum17. Apr. 2019
ISBN9783839259665
Der Tote vom Zibelemärit: Ein Fall für Müller & Himmel
Autor

Paul Lascaux

Paul Lascaux ist das Pseudonym des Schweizer Autors Paul Ott. Der studierte Germanist und Kunsthistoriker lebt seit 1974 in Bern und hat in den letzten 40 Jahren zahlreiche literarische Veröffentlichungen realisiert. Einige seiner Kurzkrimis liegen als Übersetzungen in Polen und in den USA vor. Im Jahr 2020 erhielt er den Spezialpreis der Deutschsprachigen Literaturkommission des Kantons Bern. 2021 wurde das von Paul Ott initiierte „Schweizer Krimiarchiv Grenchen“ eröffnet.

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    Buchvorschau

    Der Tote vom Zibelemärit - Paul Lascaux

    Zum Buch

    Tödliche Vergangenheit An Silvester 2017 stirbt ein Mann durch einen Feuerwerkskörper. Die Police Bern geht von einem Unfall aus. Die Familie des Toten hingegen will das nicht glauben und engagiert die Detektei Müller & Himmel. Heinrich Müller und sein Team finden schließlich heraus, dass der Böller manipuliert wurde. Als kurz darauf Tagebücher des Toten auftauchen, erscheint dessen Vergangenheit jedoch in einem völlig anderen Licht. Der von der Familie als fürsorglicher Vater beschriebene Mann war vor Jahren in der Punk-Szene besonders aktiv. Bei der Auswertung der Niederschriften stößt Müller auf einen weiteren Unglücksfall: Am Zibelemärit 1979 erstickte ein Mann im Konfettiregen. Den Detektiven wird schnell klar, dass zwischen den beiden Toten eine Verbindung besteht. Nach und nach tauchen Akteure aus der Vergangenheit der beiden auf, die Heinrich Müller zum Teil sehr nahetreten, denn er kennt die eine oder andere Person aus seiner Jugend. Auf den Punk folgt die Rebellion der 80er-Jahre. Und mit ihr der Terrorismus.

    Paul Lascaux ist das Pseudonym des Schweizer Autors Paul Ott. Der 1955 geborene studierte Germanist und Kunsthistoriker ist am Bodensee aufgewachsen und lebt in Bern. In den letzten 30 Jahren hat er neben zahllosen journalistischen Arbeiten mehrere literarische Veröffentlichungen realisiert, vor allem Kriminalromane und kriminelle Geschichten. Als Herausgeber von Krimi-Anthologien und Initiator des Schweizer Krimifestivals Mordstage hat er sich einen Namen gemacht. »Der Tote vom Zibelemärit« ist bereits der elfte Krimi um die Detektei Müller & Himmel.

    Bisherige Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag:

    Die sieben Weisen von Bern (2018)

    Goldstern (2016)

    Nelkenmörder (2015)

    Burgunderblut (2014)

    Schokoladenhölle (2013)

    Mordswein (2011)

    Gnadenbrot (2010)

    Feuerwasser (2009)

    Wursthimmel (2008)

    Salztränen (2008)

    Als Herausgeber (unter dem Namen Paul Ott):

    Berner Blut (2013)

    Zürich – Ausfahrt Mord (2011)

    Bern und die Hauptstadtregion (2011, mit Fritz von Gunten)

    Sterbenslust (2010)

    Gefährliche Nachbarn (2009)

    Bodensee-Blues (2007)

    Impressum

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    © 2019 – Gmeiner-Verlag GmbH

    Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

    Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

    info@gmeiner-verlag.de

    Alle Rechte vorbehalten

    1. Auflage 2019

    Lektorat: Sven Lang

    Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

    Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

    unter Verwendung eines Fotos von: © Nathita Panawat  / shutterstock.com

    Druck: CPI books GmbH, Leck

    Printed in Germany

    ISBN 978-3-8392-5966-5

    Haftungsausschluss

    Personen und Handlung sind frei erfunden.

    Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

    sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    William Shakespeare: Ein Sommernachtstraum

    Puck:

    »If we shadows have offended,

    Think but this, and all is mended,

    That you have but slumb’red here

    While these visions did appear.«

    (Puck:

    »Wenn wir Schatten euch beleidigt,

    O so glaubt – und wohl verteidigt

    Sind wir dann – : ihr alle schier

    Habet nur geschlummert hier

    Und geschaut in Nachtgesichten

    Eures eignen Hirnes Dichten.«)

    Übersetzt von August Wilhelm Schlegel

    Personal

    Heinrich Müller: Privatdetektiv Detektei Müller & Himmel, Expolizist, wohnt in Bern, 63

    Nicole Himmel: Anthropologin, Partnerin in der Detektei Müller & Himmel, völlig überraschend 36 Jahre alt

    Markus Forrer: Kontaktmann bei der Police Bern, 45, inzwischen zum Kommissar der Einheit »Leib und Leben« befördert

    Dr. Augsburger: Rechtsmediziner, ein immer noch junger Mann ohne Eigenschaften, 50

    Laura de Medico: Assistentin des Rechtsmediziners, gerade 30 geworden

    Dr. Ulrich »Ueli« Schneider: Staatsanwalt, gut 40 Jahre alt

    *

    Die drei Grazien, immer noch jugendlich ungestüm mit ihren 22/23 Jahren:

    Melinda Käsbleich: studiert Design

    Phoebe Helbling: studiert Wirtschaftswissenschaften, möchte aber lieber »etwas mit Film« machen

    Gwendolin Rauch: besucht Biologievorlesungen

    *

    Die Familie Wölfli

    Roman »Rammler« Wölfli: 63 und doch kein ganzer Wolf, CEO von ImportexCH

    Susanne Wölfli: 49, Floristin

    Florence Wölfli: 26, Sargschreinerin

    Oliver Wölfli: 23, studiert Jus

    *

    Christine Niemand

    *

    Die Punks

    Marco Repetto: Musiker

    Stephan »Ugly« Bohrer: Bauhandwerker im Akkord

    Sabine »Rexx« Wettstein: seit jeher im Gastgewerbe

    Pius »Pelikan« Kehrli: lebt von der Hand in den Mund

    Hanspeter »Rotz« Kräuchi: Musikjournalist

    Therese »Eazy Thesi« Wiesmann: möchte sich an nichts erinnern

    Sonntag, 31. Dezember 2017

    »Wenn schon die Stadt kein Feuerwerk ausrichtet, dann lasse ich es hier richtig krachen!«

    Der alte Mann hatte laut zu sich selbst geredet. Dann lachte er unvermittelt auf. Keiner konnte ihn hören. Der Lärm der zischenden Silvesterraketen übertönte alles.

    »Da staunst du, Albrecht von Haller!«

    Er hatte sich zum Denkmal umgedreht, das auf der Wiese vor dem Hauptgebäude der Universität Bern stand, auf der Großen Schanze. Dann wandte er dem Universalgelehrten den Rücken zu und blickte über die Dächer der Altstadt, die unter dem himmlischen Feuerwerksglühen beinahe taghell beleuchtet waren. Weit im Hintergrund ahnte man den Zackengrat der Berner Alpen.

    Die 150 Raketen mit Zerlegerladung waren bereits in der Nacht verglüht, die sechs Kugelraketen mit Perlschweif-Aufstieg und goldenem Leuchtbukett, umrahmt von einem Ring aus blauen Sternen waren als Nächste dran.

    Ein Knallkollege war zu ihm getreten und bewunderte die noch nicht abgefeuerten Kartons.

    »Nicht anfassen«, sagte der Mann, als er die Raketen mit Schweif-Aufstieg und Bukett aus lange leuchtenden prächtigen Gold-Sternen an sich nahm und in den Himmel jagte.

    »Ist nichts für Kinder.«

    Er lachte und zeigte auf das rot leuchtende Zeichen »18+«.

    Eine halbe Stunde später stand der andere immer noch da. Sie hatten sich bekannt gemacht. Der Feuerwerker hieß Roman, der Bewunderer Anselm.

    »Noch nie gehört. Anselm«, brummte Roman, deutlich der Ältere von den beiden. Anselm hatte beim Einpflocken der Abschussrohre und beim Einsetzen der Knallraketen geholfen. Dann sagte Roman: »Knallbombe Müller 50, das Lauteste, was du ohne Feuerwerkerausbildung oder Profilizenz legal bekommen kannst. 55 Millimeter Durchmesser, 28 Zentimeter lang.«

    »Ein echter Brummer«, bewunderte Anselm.

    »90 Meter Sicherheitsabstand«, dozierte Roman und scheuchte den anderen weg. Dann zündete er in rascher Folge eine Rakete nach der anderen. Die Luft zitterte ob der geballten Attacke, es wehte ein kühler Wind über den Rasen, die andern Wahnsinnigen, die denselben Standort für ihren Silvesterzauber gewählt hatten, hielten inne, bis das Getöse der Müller 50 einen schweren See von Ruhe hinterlassen hatte.

    Eine halbe Stunde vor Mitternacht heulten die Feuerwerkskörper wieder in die Luft, zerplatzten in Funken- und Sternenregen und sandten bunte Blitze vom alten ins neue Jahr.

    Für Mitternacht hatte sich Roman noch etwas ausgedacht: Thunderbird, rasante Effektbatterie, in schneller Abfolge mit bunter Leuchtspur aufsteigend, und roten, grünen, silbernen und violetten Palmbuketts, mit zwei Gold-Finalsalven. 81 Schuss in 60 Sekunden!

    Die Batterie steckte in einem einzigen Karton, aber Roman durchschaute den Mechanismus nicht, er erkannte gerade noch die Zündschnur, die er in der zunehmenden Dunkelheit zeitgenau in Brand zu setzen hatte. Die rechte Hand am Feuerzeug, die linke in der Luft gegen eine schwache Lichtquelle gerichtet. Der Sekundenzeiger der funkgesteuerten Uhr im Countdown.

    Punkt Mitternacht zündete Roman den Donnervogel. In dieser Nacht brauchten die Palmbuketts keine 60 Sekunden. Es gab auch keine aufsteigende Leuchtspur. Der ganze Thunderbird gab sich kaum zehn Sekunden, um die Welt in Flammen zu setzen. Jedenfalls die kleine Welt des alten Mannes, denn zwischen den 81 Schuss und dem Neujahrshimmel stand Roman wie ein Fels, der der Brandung nicht standhielt, und, als sie zur Ruhe kam, langsam auf den Rasen sank, die Haut verkohlt von der geballten Detonation der Feuerwerkskraft, das Gesicht unkenntlich. Den letzten Sauerstoff aus Romans Lunge verbrauchte ein violettes Palmbukett.

    Anselm trat aus dem Hintergrund an seinen neuen Bekannten heran.

    »Das Jahr 2018 beginnt gut«, sagte er zu niemand Bestimmtem, denn außer ihm hatten alle das Gelände fluchtartig verlassen.

    Anselm verschwand auch.

    Sonntag, 18. Februar 2018

    Eigentlich war alles ganz einfach. Die Detektei Müller & Himmel befand sich im Auf- und Umbruch wie nach jedem gelösten Fall. Neu war einzig, dass Heinrich Müller nicht monetäre Probleme plagten, denn er hatte eine Erbschaft gemacht, die für gepolsterte Kissen und finanzielle Unabhängigkeit sorgte.

    Die Witterung im Januar war angenehmer gewesen, als es zu erwarten war, und Heinrich schlief wesentlich ruhiger, als er es gewohnt war.

    »Man sollte dich verhaften lassen«, hatte seine Partnerin Nicole Himmel gestern gesagt.

    »Warum das denn?«

    »Wegen diesen unheimlichen Glücksgefühlen, die du mit dir herumträgst.«

    Das Lächeln des Detektivs wurde breiter, als er in die Dusche stieg.

    In der Hand hielt er ein Shampoo, das ihm »belebende Frische« für sein normales Haar versprach. Es zeichnete sich offenbar dadurch aus, dass es »0 % Parabene« enthielt. Leider stand nirgends, was dieser Begriff bedeutete. Die Angabe wies darauf hin, dass es besser wäre, die Substanz zu meiden, was angesichts der ausführlichen Zutatenliste aus dem Chemielabor schwer nachzuvollziehen war, da das Wort ja nicht erklärt wurde. Der hauptsächliche Inhaltsstoff war »Aqua«, was ihn dann doch wieder beruhigte.

    So ließ der Mann mit dem weißen Haar, das dringend gekürzt werden musste, das Wasser über seinen Schädel rinnen und sann, nun, nicht gerade über sein vergangenes Leben, aber doch über die letzten Monate nach.

    Im Herbst hatte Heinrich bemerkt, dass der Bauch seiner geliebten dreifarbigen Katze Mathilda aufgeschwollen war, als ob sie trächtig wäre. Aber das konnte nicht sein. Eine elfjährige, kastrierte Kätzin bekam keine Jungen. Er durchforstete Internetforen, in denen die Möglichkeit einer Wurmerkrankung ins Spiel gebracht wurde. Nicht unwahrscheinlich bei einem Tier, das den ganzen Sommer draußen verbracht und sich zum Schlafen ins Gras gelegt hatte. Die Tierärztin war mit Ultraschall und Blutuntersuchung zugange und fand Wasser im Bauch, das nicht verschwinden wollte.

    So konnte Müller bei seiner Mathilda, die ihn kaum mehr aus den Augen ließ und Tag und Nacht in seiner Nähe sein wollte, nur noch die rasche, fast tägliche Verschlechterung des Zustands miterleben, bis sie sich nicht mehr auf den Hinterläufen halten konnte und – nachdem sie lange still gelitten hatte – mit jämmerlichem Maunzen auf sich aufmerksam machte. Die Tierärztin kam nach Hause, erlöste Mathilda auf ihrem Lieblingsplatz, und Heinrich Müller schaufelte ihr im Garten neben Baron Biber ein Grab, das er mit Flusskieseln beschwerte und mit einem kleinen Hinkelstein dekorierte.

    Noch lange ging ihm Mathildas rasches Sterben durch den Kopf – vor Kurzem noch eine höchst lebensfrohe Katzendame. Es machte ihn unendlich traurig, aber er hoffte, auch ihm stünde in einem ausweglosen Augenblick jemand mit zwei Spritzen zur Seite. Mit der ersten würde er ins Traumland geschickt, während die zweite ihn von allen Schmerzen befreite.

    Das Wasser rann Müller über den Körper, Shampoo und Seife waren längst weggewaschen. Der 63-Jährige blickte auf die schwarzen, großformatigen Fliesen mit Rostdekoration, die er in die Böden der Nasszellen hatte legen lassen, als er letztes Jahr die Wohnung umgebaut hatte. Das Haus, das er immer noch »Zum Schwarzen Kater« nannte, wurde neu genutzt.

    Der Kundenzuspruch in der Café-Bar war deutlich zurückgegangen, zu viele trendige In-Bars und Pop-up-Restaurants hatten in letzter Zeit eröffnet, und die Massen trieb es mit dem Strom. Abgesehen von ein paar Feierabendtrinkern, die sich an milden Tagen in der Pergola zusammenfanden, trat kaum jemand ins Innere der Kneipe. So fand die Gaststube eine neue Nutzung als erweitertes Wohnzimmer für die drei oberen Etagen, die doch wenig Raum boten. Ein Ecksofa hatte Einzug gehalten, mit einem ovalen hölzernen Bistrotisch, und die Zahl der Tische und Stühle war deutlich reduziert worden. Dafür hing an der Wand ein neuer Großbildschirm mit einer Diagonale von 204 Zentimetern.

    Im ersten Stock lebte nun Heinrich Müller. Er hatte neben dem Bad zwei kleine Zimmer zur Verfügung, eines mit seinem Bett und den Kleiderschränken, das andere mit den Schallplatten und Büchern, ein eigentlicher Nostalgieraum. Den vorderen Bereich hatte er zu seinem eigenen und damit gleichzeitig zum Büro der Detektei Müller & Himmel ausgebaut.

    Den zweiten Stock belegte Nicole Himmel. Sie hatte ihre Teilzeitstelle im Alpinen Museum aufgegeben, sammelte jedoch weiterhin anthropologische Dokumente und Fundstücke und hatte fest geplant, darüber früher oder später ein Buch zu schreiben. Nun versah sie die Arbeit an der Bar. Gekocht wurde häufig gemeinsam, sodass man sich oft zu fünft an den größten Tisch setzte.

    Denn ja, die drei Grazien, Gwendolin Rauch, Phoebe Helbling und Melinda Käsbleich, hatten ihr Ziel erreicht und waren in die Wohnung im dritten Stock eingezogen, nachdem sich Magdalena im Ager im Wallis ein neues Leben aufgebaut und Platz gemacht hatte für die jungen Frauen, die auf ihren eigenen Lebenspfaden ein paar Schritte vorangekommen waren.

    Als Heinrich Müller endlich in die Gaststube trat, saßen die vier Frauen bereits beim zweiten Kaffee, Frühstück konnte man es um zehn Uhr am Morgen kaum noch nennen. Der Detektiv hatte sich aus China ausgewählte Teesorten kommen lassen. So brühte er eine Kanne Milky Oolong auf, der mit seinem zarten Honigduft dem Kaffeegeruch Konkurrenz machte.

    Nicole Himmel hatte ihre lockigen braunen Haare an der Luft trocknen lassen, sodass sie ungestüm wild wirkten.

    »Ich werde nächstes Jahr 36«, hatte sie ihm im Oktober anvertraut, »völlig überraschend …«

    Damals hatte Müller gelächelt, weil er an sein eigenes Alter dachte. Heute bemerkte er am Scheitelansatz die ersten grauen Strähnen in ihren Haaren. Nicole ließ sich durch Heinrichs Anwesenheit nicht von der Zeitungslektüre abhalten.

    Die Schlagzeile stand im Bezug zu den Diskussionen im Parlament, bei denen es um die neue Gesetzgebung für Sozialdetektive ging, die im Auftrag der Versicherung Menschen überwachen durften, bei denen ein Sozialversicherungsbetrug vermutet wurde. Müller beelendete diese Entwicklung. Er hatte jahrelang für eine Versicherung gearbeitet, war jedoch jeweils erst zum Zug gekommen, als es galt, ein Verbrechen aufzuklären. Weil er mit diesen Vorverurteilungen nichts zu tun haben wollte, hatte er seinen damaligen Job gekündigt.

    Auch die andern drei fuhren mit dem fort, womit sie gerade beschäftigt waren. Da der Detektiv nicht beabsichtigte, sie zu unterhalten, war es ihm recht. Er blickte sie reihum an.

    Die fast hüftlangen rötlichblonden Haare von Gwendolin Rauch verdeckten den Blick auf ihren Laptop, den sie für Recherchen nutzte. Seit ein paar Monaten belegte sie Vorlesungen in Biologie an der Universität Bern und beeindruckte alle mit ihrem seriösen Studium.

    Phoebe Helbling hatte den Traum von einer Filmkarriere noch nicht aufgegeben. Da die Anfänge nicht gerade vielversprechend gewesen waren, trug sie als Zeichen ihrer Hoffnung selbst in Innenräumen eine Sonnenbrille, was beim Lesen von Unterlagen über Wirtschaftswissenschaften eher hinderlich war. Aber es war ja, wie sie stets betonte, nur eine Übergangslösung.

    Melinda Käsbleich hingegen hatte ihre vollen Lippen mit der Zunge befeuchtet und zu einem überraschten O gespitzt. Was diese Haltung veranlasste, konnte Müller nicht erkennen, aber es musste mit der Darstellung auf ihrem iPad zu tun haben, die sie gerade studierte.

    »Eine aufregende Designvorlage?«, fragte der Detektiv trocken.

    »Nicht ganz«, erwiderte die Angesprochene, »aber auch nicht das, was du vermutest.«

    Nachdem die Zeit der Trauer um Mathilda langsam abgeklungen war, hatten die drei Grazien Heinrich Müller immer wieder Links zugeschickt, die ihn auf Seiten führten, auf denen Katzen zur Vermittlung angeboten worden waren. Einmal waren alle vier gemeinsam zum Tierheim gefahren, hatten sich ein paar Jungtiere angesehen, um die sich bereits Kinder mit ihren Familien balgten, und waren ratlos zurückgekehrt.

    Als sich Heinrich nach langem Hin und Her dazu entschieden hatte, eine Katze noch einmal genauer anzusehen, kam er zu spät, sie war bereits vergeben.

    Mitte Januar rannte Melinda gegen Mittag in Müllers Büro, schubste ihn von seinem Computer weg und machte sich daran zu schaffen. Auf einer Flohmarktseite poppte das Foto einer wunderschönen jungen Schildpattkatze auf, fast schwarzes Fell – denn Heinrich wollte schon immer eine schwarze Katze beherbergen – mit goldorangen Flecken vor allem im Gesicht und auf der Brust.

    Lucy hatte schließlich den Weg in den »Schwarzen Kater« gefunden, einen Weg voller Hindernisse, und

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