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Lexikon der Nichtigkeiten
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eBook229 Seiten2 Stunden

Lexikon der Nichtigkeiten

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Über dieses E-Book

Severin Groebner hat sich Gedanken gemacht. Über die Welt. Sich selbst. Und die Menschen. Auch die, die er nicht so gerne mag. Dieses Buch vereint die besten Glossen und Satiren des bekannten deutschösterreichischen Kabarettisten zu einem Alphabet des modernen Irrsinns.

In Zeiten, wo die Orientierungslosen in Gruppen durch die Straßen marschieren und "Oléoléoléolé" schreien, will Groebner helfen. Mit einem Buch für die Sinn- und Unsinnsuchenden.
Das "Lexikon der Nichtigkeiten" ist ein klassisches Rundumschlagwerk für alle, die schon immer wissen wollten, was Familie mit Körperflüssigkeiten zu tun hat, warum der Rentner als solcher eine Massenvernichtungswaffe ist oder warum die Wahrheit ansteckender ist als das Ebola-Virus.
Von A wie "Architektur", über C wie "Cyberwar" und T wie "Tatortkommissare" bis hin zu Z wie "Zukunftsprognosen": Hier bekommt keiner sein Fett weg, dafür jeder eins auf die Zwölf. Also auch der Autor. Schließlich ist der auch ein Mensch und somit ein … ach, schlagen Sie einfach selbst nach. Unter M.
SpracheDeutsch
HerausgeberSatyr Verlag
Erscheinungsdatum1. Okt. 2018
ISBN9783947106165
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    Buchvorschau

    Lexikon der Nichtigkeiten - Severin Groebner

    eingewiesen)

    Abendland, das

    Das Abendland ist ein Verungnügungspark. Es ist ein Mega-Giga-Jahrmarkt für alle Generationen, ähnlich wie Disneyland oder Legoland. Nur mit dem Unterschied, dass man dieses Freizeitparadies nicht besucht, um fröhlicher zu werden. Im Gegenteil. Im Depripark Abendland herrscht immer extrem schlechte Stimmung. Aussagen wie »Alles super im Abendland!«, »Uns geht es prima hier im Abendland!«, »Abendland Yippiieyeah!« oder auch nur »Abendland – der Morgen danach« sind im Abendland unbekannt. Nein, dieses Endzeitparadies (Werbeslogan: »Abendland – ein Scheißgefühl für die ganze Familie«) ist immer bedroht. Es machen sich paranoide Verstimmungen breit. Vielleicht wegen des abnehmenden Lichts. Es herrscht ein ständiges Halbdunkel, sodass man nichts mehr richtig erkennen kann. Deswegen lässt sich das Abendland auch so schlecht beschreiben. Es gibt ja auch kaum Vergleichbares. »Nachmittagsgegend« kennt man nicht, auch keine »Mittagsorte« oder »Nachtplätzchen«. Einzig das Gegenstück zum Abendland kann man benennen: »Morgenluft«. Aber das hilft auch nicht wirklich weiter. Die kann wieder nur gewittert werden.

    Wenn aber im Abendland Morgenluft gewittert wird, dann muss es gleich wieder gerettet werden. Denn es ist etwas sehr Fragiles. Die Attraktionen sind alle schon in die Jahre gekommen. Der Rost frisst sich durch Kruppstahl. Der Autoscooter läuft mit Diesel, der → Populist bietet hier seine Tickets feil, und aus den Lautsprechern wird in knatterndem Sound regelmäßig vorm »Untergang des Abendlandes« gewarnt. Es herrscht eine »Jetzt oder nie«-Stimmung.

    Kommt aber mal der TÜV oder das Technische Hilfswerk und möchte sich ein klares Bild vom Zustand des Abendlands machen, lässt man sie nicht rein. Praktische Hilfe will man nicht. Die Betreiber bestehen darauf, alles selbst zu machen, nach dem Handbuch »Früher«. DEM Standardwerk aus der Ratgeberreihe »Die Welt für Dummies«.

    Man sieht, in diesem spätnachmittäglichen Gebilde ist einiges schwieriger als anderswo. Vielleicht erklärt sich seine Eigenartigkeit aber auch durch das Publikum, das das Abendland anzieht. Hauptsächlich → Rentner durchstreifen die Gassen voller geschlossener Pommesbuden und Geisterbahnen mit den angeblich »schaurigsten Asylanten der Welt«. Die paar Jungen, die sich hierher verirren, rennen alle ins Spiegelkabinett »Identity«, betrachten sich selbst aus allen Winkeln und glauben deshalb, den Durchblick zu haben.

    Die einzige wirkliche Attraktion des Abendlandes ist seine Beleuchtung. Nirgendwo sonst auf der Welt geht die Sonne dauernd gerade unter. Das ist wahrlich schön und verbreitet mit seinem orange-güldenen Glanz ein melancholisches Gefühl. Und in diesem Licht sieht auch das kaputteste Fahrgeschäft noch richtig erhaben aus. Und dazu kommt noch der geheime Special Effect des Abendlands: Wenn die Sonne so tief steht, werfen natürlich auch Zwerge ganz lange Schatten.

    Deshalb ist das Abendland stets so gut besucht.

    Alter, das

    Das Alter ist weise oder mild.

    Bleibt denen ja auch nichts anderes übrig, diesen Saudeppen von gestern.

    Alkohol, der

    Alkohol ist ein Spiel. Ein Gesellschaftsspiel. Und damit eine weitverbreitete Freizeitbeschäftigung.

    Wenn man etwa »ein Bier trinken« geht, ist das eine gesellschaftlich anerkannte Tätigkeit. Außer es handelt sich um alkoholfreies Bier. Das wäre Schummelei.

    Geht man dagegen eine Limonade, einen Ingwertee oder ein Glas Wasser trinken, dann ist das langweilige, biologisch notwendige Flüssigkeitszufuhr.

    Aber nicht nur die hohe soziale Komponente ist Anreiz mitzuspielen. Auch die anderen Verlockungen des Spiels sind groß: Man wird eloquent, witzig, gut aussehend und hat vor niemandem mehr Angst. Oder anders gesagt: Man wird offensichtlich nicht schlauer davon.

    Aber solange man spielt, merkt man das nicht, da das Spiel Alkohol behauptet, das echte Leben zu sein. Das einzige richtige. Womöglich die → Wahrheit.

    Am nächsten Tag allerdings zahlt man alles zurück. Dann ist man still, uninspiriert, sieht aus wie ausgekotzt, fürchtet sich davor, das Haus zu verlassen, und ist der sicheren Überzeugung, gleich sterben zu müssen.

    Die schnellste Möglichkeit, dieser »Katharsis anhaltender tragischer eigener Reue« (kurz KATER) zu entfliehen, ist, sofort weiterzuspielen.

    Das ist aber nicht zu empfehlen. Denn am Schluss spielt der Spieler das Spiel so intensiv, dass er gar keine Mitspieler mehr braucht. So spielen langjährige Spieler Alkohol dann auch oft allein zu Haus, schon zum Frühstück oder während des Autofahrens.

    Letztlich ist der Ausgang des Spiels aber immer von vorneherein klar: Denn es gibt bei diesem Spiel stets nur einen Gewinner, den Alkohol.

    Und einen ewigen Verlierer: den Spieler.

    Anfang, der

    Aller Anfang ist schwer, sagt man.

    Allem Anfang wohnt ein Zauber inne, sagt man aber auch.

    Insofern ist der Anfang ein schwerer Zauber.

    Aber wer kann schon zaubern?

    Angst, die

    Angst ist eine ernste Angelegenheit. Denn sie macht süchtig. Und auch bei der Angst gibt es, wie bei allen Suchtgiften, eine Einstiegsdroge: die ehrliche Besorgnis. Und die wird dann geteilt. Auf Facebook etwa. So wird die Angst dann weitergereicht von Mensch zu Mensch, von Profil zu Profil, und sie wird immer mehr und mehr. Die Ängste breiten sich aus. Viral.

    Da hilft es nichts, diesen Menschen zu sagen: »Ja, wir verstehen dich. Aber wir werden das schon hinkriegen.« Da fühlen die sich nicht ernst genommen. Denn das ist der Kick der Droge Angst: »Ich werde ernst genommen. Das ist wichtig.«

    Denn so hebt sich der Bedeutungsspiegel im Blut, während der Sauerstoffspiegel gleichzeitig sinkt. Der Krankheitsverlauf ist einer Kohlenmonoxidvergiftung ähnlich. Das Hirn wird mehr und mehr unterversorgt, aber das stört den Süchtigen nicht. Im Gegenteil: Wird er erst mal ernst genommen, breitet sich erst dieses angenehme Unwohlsein in ihm aus. Von Befürchtungen umsorgt, ja aufgehoben, im Bund mit anderen Gleichgesinnten, mit denen er sich in der Behaglichkeit seines Zuhauses noch mehr fürchten kann.

    Und dann erzählt man sich gegenseitig, was noch alles Schlimmes möglich wär’. Und es wird immer schlimmer und schlimmer, und wenn einem gar nichts mehr einfällt, dann erfindet man eben was. Hauptsache, es gruselt einen ordentlich. Denn wie bei jeder Droge ist auch ein Vergnügen dabei. Wohlige Schauer jagen einem den Rücken hinunter, die angenehme Besorgnis wird zum geilen Nervenkitzel, bis man gar nicht mehr aufhören kann. Neuer Stoff muss her, noch düsterer muss die Zukunft werden, noch grausamer die längst fälligen Gegenmaßnahmen. Denn jetzt hat sich die Angst schon längst in Angstlust gewandelt. Und weiter in Angstsucht. Der Angstabhängige verlangt nach dem immer noch größeren Kick. Schlimmer, böser, bedrohlicher muss es sein. Jaaa!

    Da reicht nicht mehr die Angst um den Arbeitsplatz, es muss auch Haus und Herd bedroht sein, am besten die → Kultur, die Tradition, das → Abendland, die Identität! Es kommen nicht Schwierigkeiten auf einen zu, nicht Probleme, die man mit kluger Organisation in den Griff kriegen könnte … Nein, die totale Vernichtung droht! Die Apokalypse! Das Ende der Welt!

    Deshalb muss man auch sofort zur allerhärtesten Abwehr greifen. Warum? Weil man recht hat. Und warum hat man recht? Weil man Angst hat!

    Geiler Stoff.

    Und es stimmt ja auch! Alle Bekannten und Freunde sind ja derselben Meinung. Denn alle, die eine andere Meinung gehabt haben und gesagt haben: »Na ja, man kann es aber auch so sehen …«, sind sofort angebrüllt worden, dass sie naiv seien (und am besten schreiben wir das ganz groß: NAIV!!!) und manipuliert und total verblödet! Und dann haben sie sich entfreundet. Was ja nur beweist, wie recht sie haben. Und deswegen dürfen die Angstabhängigen alles fordern. Auch das am besten in Großbuchstaben. ALLES! SOFORT!!! RADIKAL!!!

    Vernunft, Empathie und Menschlichkeit werden in Grund und Boden getrampelt, weil die Ängstlichen, die Panischen, die Sich-dauernd-in-die-Hosen-Scheißenden vor lauter Angst kein Erbarmen kennen.

    Insofern muss man eigentlich nur vor einem wirklich Angst haben: vor der Angst der Mitmenschen.

    Antworten, die

    Antworten sind die Fragen von morgen.

    Arbeit, die

    Arbeit ist eine Gottheit. Die einzige. Die absolute. Niemals darfst du sie lästern durch Müßiggang. Sie will Opfer, und du bekommst dafür die Bestätigung, ein wertvoller Mensch zu sein. Denn wer arbeitet, ist gut, wer nicht arbeitet, ist verflucht. Das ist das Wort der elendigen Arbeit, und sie muss es wissen, denn Arbeit ist ja Arbeit, und nur durch viel Arbeit ist Arbeit erst Arbeit geworden.

    Vergiss nie: Je öfter und je mehr du arbeitest, desto besser wirst du.

    Darum sei immer für deinen Gott da, geh im Urlaub ans Handy, ruf die E-Mails auf dem Klo ab, stell deinen Posteingangs-signalton so laut, dass du bei jeder Benachrichtigung glaubst, ein Hochseetanker teste gerade sein Nebelhorn. Neben dir. Denn du zählst nicht. Nur die Arbeit zählt.

    Diene nicht deiner Arbeit, sei deine Arbeit.

    Lebe für die Firma, sauf dich an mit Effizienzsteigerung, atme die Leistungsbilanzen, lass dir die Firmenphilosophie auf den Unterarm tätowieren. Und in deine DNA. Und auch den Namen vom Chef. Und von dessen Chef. Und von dessen Frau. Und deren Hund. Denn bei jeder Betriebsfeier sitzt er am Ende der Tafel und sie zu seiner Rechten und zu seiner Linken der blöde Hund. Schließlich hast du ja auch was davon. Denn mit der Arbeit kannst du alles legitimieren. Absolut alles. Du darfst laut im Zug in dein Handy brüllen, es wird keiner was sagen, solange du das für deine Arbeit brauchst. Du kannst Auto fahren wie ein Wildschwein mit Tollwut, drängeln, rücksichtslos die Lichthupe benutzen, mit 230 alle rechts überholen, alles okay – wenn du ganz dringend zu einem wichtigen beruflichen Termin musst. Du darfst Freunde und Familie vernachlässigen und deinen Partner wie ein Stück Dreck behandeln, wenn du aufgrund des Jobs keine andere Wahl hast, wird dir niemand einen Strick daraus drehen. Hätte Uli Hoeneß seinerzeit gesagt, er habe all seine Millionen nur deshalb in der Schweiz schwarz gebunkert, weil er das für seine Arbeit als FC-Bayern-Präsident gebraucht hat, wäre er straffrei ausgegangen. Vielleicht hätte er noch ein Trinkgeld vom Richter bekommen.

    Denn nichts und niemand darf den Gläubigen bei der Arbeit stören. Sie ist sein Shangri-La, sein Paradies, sein Schlaraffenland. Freilich fliegen einem hier keine gebratenen Tauben in den Mund. Dafür wird fleißig an Flugrobotern gebastelt, die rohes Fleisch während des Transports bereits mit der Abwärme ihres Motors grillen, um es anschließend auf einem Teller zu platzieren und noch einen Patzen Barbecuesoße draufzuscheißen, damit der Kulinarik auch Genüge getan wird. Und sollte es sich herausstellen, dass dann zwar das alles gut funktioniert, nur leider überhaupt nicht schmeckt, so sagt der eine Gläubige dann dem anderen: »Egal, aber gute Arbeit!« Und schon ist alles gut.

    Denn siehe: Das ist die Kraft und die Herrlichkeit und die Absicherung deines Kontoüberziehungsrahmens durch Arbeit. Amen!

    Und jetzt: Weitermachen!!!

    Architektur, die

    Gerne sagt man ja: Es stehen Fragen im Raum. Die Architektur nimmt diese Fragen beim Wort und steht dann da. Und kaum errichtet, stellt sie an jeden Betrachter wiederum eine Frage: Was bin ich? Warum gibt es mich? Was ist der Sinn meiner Existenz? Wozu?

    Oft kann nur die Zeit die richtige Antwort geben. Manchmal auch eine tragische.

    Der Völkerbundpalast in Genf zum Beispiel. Das Gebäude wurde 1936 eröffnet, und drei Jahre später war der Zweite Weltkrieg da. Heute ist es Sitz des UN-Hochkommissariats der Menschenrechte. Wer sich die Lage der Menschenrechte weltweit ansieht, wird bemerken: Dieses Gebäude hat kein Glück.

    Oder das gigantische »Haus des Volkes« des rumänischen Diktators Ceauçescu in Bukarest. Dieses größte Verwaltungsgebäude Europas war noch im Bau, da wurde der Diktator schon von seinen Landsleuten an die Wand gestellt.

    Oder das Gebäude der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Vor Kurzem erst fertig geworden, und schon ist die Währung … Nein, noch nicht.

    Andererseits muss die Frage, die so ein Gebäude stellt, nicht zwangsläufig auch beantwortet werden. Manchmal müssen sich Generationen über Generationen mit möglichen architektonischen Antworten herumschlagen. Wenn man etwa über ein

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