Made in Franken (eBook): Best of Mundart
Von Norbert Treuheit und Steffen Radlmaier
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Buchvorschau
Made in Franken (eBook) - Norbert Treuheit
978-3-86913-893-0
Inhalt
Vorwort
1 Engelbert Bach
2 Gerd Bräutigam
3 Gerhard Falkner
4 Klaus Gasseleder
5 Gottlob Haag
6 Helmut Haberkamm
7 Günther Hießleitner
8 Manfred Kern
9 Gerhard C. Krischker
10 Matthias Kröner
11 Fitzgerald Kusz
12 Anneliese Lussert
13 Klaus Schamberger
14 Wilhelm Staudacher
15 Eberhard Wagner
16 Harald Weigand
Autoren und Quellen
Die Herausgeber
Vorwort
nix gechä hochdaidsche gedichde!
obbä manchmall kummäs mä su vuä
wäi laudä schäine heisä
mid laudä schäine fensdälä
obbä wemmä neigäih will
fehld di diä!
Fitzgerald Kusz
Die Zukunft hat längst begonnen (und sich, so scheint es, mitunter selbst schon überlebt): Die Folgen der Globalisierung spürt jeder am eigenen Leib, der weltweite Datenaustausch läuft via Internet in Sekundenschnelle, Englisch funktioniert längst als Weltsprache in den abgelegensten Gegenden, die Zahl der sogenannten digitalen Nomaden steigt stetig, der Ferntourismus boomt, von Arbeitnehmern wird grenzenlose Mobilität gefordert, fast alle lieben Fast Food, das überall auf der Welt gleich schmeckt. Widerstand ist zwecklos, oder?
Das Schreiben im Dialekt, in der regional gefärbten und begrenzten Sprache, wirkt vor diesem Hintergrund fast wie ein Anachronismus. Oder aber wie ein Akt der Rebellion gegen die weltweite Gleichmacherei. Die Globalisierung bewirkt jedenfalls auch regionale Gegenbewegungen, den Rückzug in kleinere Einheiten, der die eigene Existenz im großen Brei der Mainstreamkultur unterscheidbar machen soll. Im schlimmsten Fall drohen dabei Kleingeisterei, Provinzialismus und ein Rückfall in nationalistisches Denken.
Man könnte Martin Walser zitieren. Für ihn ist der Dialekt »eine Art Goldreserve; die liegt dem hochdeutschen Papier zugrunde als eine verschwiegene Deckung; auf die kann man sich zwar nicht öffentlich berufen, aber man zieht sich auf sie zurück, wenn alle übrigen Sinne schon zerstört sind. Der Dialekt ist eben genauso wichtig wie die untergegangene Kindheit. Deren Untergegangenheit ist nicht zu bezweifeln. Unbezweifelbar aber ist auch ihre Nachwirkung. Und ihre mächtigste Wirkung tut sie, kommt mir vor, in ihrem treuesten Zeugen: im Dialekt.«
Das Schielen nach Gewinnchancen auf dem Weltmarkt hat dazu geführt, dass die unbezahlbaren Vorteile des heimischen Wochenmarktes aus dem Blick geraten sind. Aber es gibt immer mehr Zeitgenossen, die nach der Devise leben: global denken, lokal handeln. Das gilt für die Literatur eigentlich seit jeher.
So gesehen gibt es eine ganze Menge hinterlistiger Heimatdichter in Franken. Und dabei muss man sich nicht unbedingt an Asterix und Obelix erinnern, die längst auch auf Fränkisch ihre bretonische Eigenart gegen die Römer verteidigen.
Vor rund fünfzig Jahren entwickelte sich auch und gerade in Franken die sogenannte »Neue deutsche Mundartdichtung«, die mit betulicher Freizeitreimerei und engstirniger Heimattümelei Schluss machte. Soziales Engagement und literarischer Anspruch, aber auch herzhafter Humor wirkten wie Vitaminspritzen auf die dahinsiechende, kaum ernstgenommene Dialektpoesie, die fest in der Hand konservativer Heimatpfleger und Hobbyautoren war. Dass es auch anders geht, hatten die Österreicher H. C. Artmann, Friedrich Achleitner, Gerhart Rühm und Ernst Jandl, aber auch Helmut Qualtinger im Wien der Fünfzigerjahre vorgemacht.
Als einer der Ahnherren der modernen Dialektlyrik nicht nur in Franken gilt der Rothenburger Wilhelm Staudacher, der wie viele Autoren seiner Generation mit traditionellen Mundartgedichten begann. Die Trauer um die angeblich so gute alte Zeit arbeitete er mit großer lyrischer Gebärde immer wieder auf. Der Blick zurück – im Zorn oder voll Wehmut – wich mit der Zeit der Beschäftigung mit den Problemen der Gegenwart und der Sorge um die Zukunft. Einen ganz eigenen lyrischen Ton fanden auch Staudachers Kollegen Engelbert Bach aus Kitzingen, Anneliese Lussert aus Gemünden und Gottlob Haag, ein eigenwilliger Poet aus dem hohenlohischen Grenzgebiet.
Nicht zu unterschätzen bei der Entwicklung der Dialektlyrik in Franken ist die Rolle des Rundfunks. Vor allem Wolfgang Buhl vom BR-Studio Franken hat sehr bald erkannt, dass Mundart ihren Charme vor allem beim Hören entwickelt und daher bestens fürs Radio geeignet ist. Entsprechend hat er Autoren gefördert und Sendungen mit immer neuen Themen gefordert.
Anfang der Siebzigerjahre entstand in Franken (ausgelöst durch die Sprachbarrieren-Diskussion) eine neue, »dokumentarisch« genannte Dialektlyrik. Der Nürnberger Fitzgerald Kusz ist ihr bekanntester Vertreter. Er hat inzwischen – wie einst schon Konrad Grübel, der Klassiker der fränkischen Mundartdichtung des 19. Jahrhunderts – eine ganze Reihe von Nachahmern gefunden. Der neue Kniff war genial einfach: Authentische bzw. authentisch klingende Äußerungen werden vorgestellt und zum Beispiel durch eine konterkarierende Überschrift verfremdet. Die Poesie liegt da gewissermaßen auf der Straße, der Autor schaut den Leuten buchstäblich aufs Maul – redet ihnen allerdings nicht nach dem Mund.
Die Sprachkritik dient der Gesellschaftskritik; die Demonstration eines Weltbildes, wie es in Sprachfloskeln und Redewendungen zum Ausdruck kommt, soll zur Diskussion, zum Nachdenken anregen. Die gutgemeinte Rechnung ging jedoch nicht ganz auf, die dokumentarische Dialektlyrik geriet in den Ruch, letzten Endes nur ein Insiderscherz von Intellektuellen für Intellektuelle zu sein – auf Kosten des »kleinen Mannes«. Und gerade ihn, den sozial und kulturell Benachteiligten, wollten die engagierten Dialektdichter doch ansprechen.
Aus heutiger Sicht kaum nachzuvollziehen ist der Aufruhr, den diese moderne Mundartdichtung damals im traditionellen Lager auslöste. Nicht nur die neuen Inhalte, auch die formale Gestaltung mit konsequenter Kleinschreibung galten als Verrat an der volkstümlichen Sache.
Längst hat auch Kusz erkannt, dass sich die Möglichkeiten der dokumentarischen Dialektlyrik erschöpft haben. Als Alternativen hat er Großstadtgedichte und Naturlyrik geschrieben sowie eine Vorliebe für die japanische Form des Haikus entwickelt. Warum er immer noch im Dialekt schreibt? »Hochdeutsch habe ich inzwischen verlernt«, sagt Kusz, »es interessiert mich auch nicht mehr. Wenn man einmal eine Gitarre mit Verstärker gespielt hat, geht es auch nicht mehr ohne. Dialekt ist für mich ein direkter Verstärker.«
Wesentlich skeptischer sieht der Bamberger Gerhard