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Ruhelose Seelen: Kann ein Verfluchter jemals glücklich sein?
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Ruhelose Seelen: Kann ein Verfluchter jemals glücklich sein?
eBook455 Seiten6 Stunden

Ruhelose Seelen: Kann ein Verfluchter jemals glücklich sein?

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Über dieses E-Book

William und seine verhasste Frau Elaine haben die Hoffnung auf ewige Ruhe längst aufgegeben und sich in ihr Schicksal gefügt. Doch dann taucht der merkwürdige Ben auf, der alles durcheinander bringt und sich in Dinge einmischt, die ihn nichts angehen. Kann er ihnen endlich die Erlösung bringen oder wird alles nur noch schlimmer? Kann ein Verfluchter überhaupt jemals glücklich sein?
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum24. Jan. 2019
ISBN9783748133742
Ruhelose Seelen: Kann ein Verfluchter jemals glücklich sein?
Autor

Ilona Galvagni

Ilona Galvagni wurde in der Nähe von Würzburg geboren. Sie liebt Tiere und Reisen und hat dabei ein besonderes Faible für Katzen und für Schottland. Seit ihres erfolgreich absolvierten Studiums zur Staatlich Geprüften Übersetzerin und Dolmetscherin ist Ilona Galvagni in international ausgerichteten Wirtschaftskanzleien als Partnerassistentin tätig. "Amies Haus" ist ihr zweites Buch. Ihr erstes Buch mit dem Titel Ruhelose Seelen - Kann ein Verfluchter jemals glücklich sein?" ist ebenfalls im Buchhandel erhältlich.

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    Buchvorschau

    Ruhelose Seelen - Ilona Galvagni

    Epilog

    Kapitel 1

    Prüfend musterte William sein Spiegelbild und puderte noch einmal sein Gesicht, was er bereits dreimal getan hatte. Sein Schoßhündchen namens Chouchou sprang währenddessen aufgeregt bellend um ihn herum und wollte einfach keine Ruhe geben.

    Einen Augenblick noch, Chouchou. Die Erscheinung eines Gentleman muss immer makellos sein. Du musst dich noch einen Moment gedulden., beschwichtigte er den kleinen Hund und strich ihm kurz gedankenversunken durch das weiche Fell.

    William warf einen letzten kritischen Blick in den Spiegel. Er war mit seinem Anblick höchst zufrieden. Seine Kleidung folgte der neuesten Mode und war entsprechend seines Standes sehr elegant. Er trug einen Anzug aus feinstem schwarzem Samt, bestehend aus einem Justaucorps mit Weste und einer Kniehose. Der Justaucorps war eng tailliert und an den Seiten und am Rücken geöffnet, mit tiefen Seitenfalten; der Rockschoß reichte ihm bis zu den Knien. Zur Verdeutlichung seines gesellschaftlichen Status und seines finanziellen Wohlstandes waren die Säume selbstverständlich mit güldenem Bortenbesatz verziert. Außerdem waren die Manschetten und das Futter des Justaucorps farblich kontrastär zum Justaucorps selbst gehalten. Nur ein Mann von Stand konnte sich solche Finessen leisten – und zeigte es dann natürlich auch.

    Die Weste, die William unter dem Justaucorps trug, reichte ihm bis zu den Hüften und schmiegte sich eng um seinen schmalen Oberkörper. William war eine äußerst grazile Person und verkörperte somit in idealer Weise das vorherrschende Schönheitsideal. Fast hätte man ihn für eine Porzellanpuppe halten können. Sicherlich trugen dazu auch seine steife Körperhaltung, seine herablassende Art und seine unerschütterliche Contenance bei.

    Da diese Stellen nicht von Weste oder Justaucorps bedeckt wurden, war an den Handgelenken sowie auf der Brust das Spitzenjabot von Williams Hemd zu sehen. Dazu trug er eine Halsbinde, schneeweiße Kniestrümpfe aus erlesener Seide sowie schwarze Lederschuhe mit Silberschnallen. Und da er nun wirklich nicht der niederen Klasse der Arbeiter entstammte, war eine gut gepuderte Perücke für ihn selbstverständlich unverzichtbar. Diese zeigte an der Seite eine einfache Locke und wurde hinten zu einem Zopf zusammengehalten. Ein schwarzer, mit langen, buschigen weißen Federn geschmückter Dreispitz vollendete seine Erscheinung, die elegant-verspielt und überladen-üppig zugleich war. William bezweifelte, dass es irgendeinen Herrn gab, der besser gekleidet war als er selbst.

    Aber es war ja auch nicht jeder ein Earl. Und so mancher, der es war, beschmutzte diesen Titel, weil er dessen nicht würdig war, dachte William naserümpfend. Er hingegen machte dem Adelsstand alle Ehre und darauf war er stolz. Die herrschende gesellschaftliche Ordnung musste, so gut es ging, beibehalten werden. Der Pöbel hatte bereits viel zu oft aufgemuckt. Rebellionen jeglicher Art und ungebührliches Aufbegehren der Bauern mussten mit allen Mitteln unterbunden werden.

    Das Muttermal an seinem Kinn hatte er sorgfältig überschminkt und sich stattdessen den obligatorischen Schönheitsfleck knapp schräg über dem Mundwinkel angeklebt. Zwar war dies bei Damen üblicher als bei Herren, doch es gefiel ihm und passte zu seiner berühmtberüchtigten exzentrischen Art. Die auffallend rot bemalten Lippen standen in gewollt krassem Kontrast zu Williams ansonsten gespenstisch bleichem Gesicht und den dunklen Augen, denen nichts entging und die meist erschreckend kalt in die Welt blickten.

    Chouchous Bellen wurde fordernder. Er war hungrig und verlangte sein nachmittägliches Futter. Der kleine Hund gehörte der Rasse der Papillons an, einer besonders hübschen Variante der kontinentalen Zwergspaniels, die sich durch ihr wunderbar seidig-weiches Fell und die stehenden Ohren mit den pinselartigen Fransen auszeichnete. Diesen charakteristischen Ohren verdankte die Rasse auch ihren Namen. Papillon war das französische Wort für Schmetterling und die kleine Hunderasse war so getauft worden, weil man den Flügelschlag eines Schmetterlings zu sehen vermeinte, wenn ein Papillon plötzlich seine Ohren bewegte. In Chouchous Fell waren alle möglichen Farben vertreten. Zwar dominierte die Grundfarbe weiß, doch auch schwarz und verschiedene hellere und dunklere Brauntöne waren vorhanden.

    Wie alle Papillons war Chouchou ein sehr aufmerksamer Hund und wenn William mit ihm sprach, schien er genau zu verstehen und mit Kopfbewegungen und anderen Gesten zu antworten. William mochte den Hund vor allem deshalb so sehr, weil er ein sehr verständiges Tier war – und weil Chouchou es hasste, nass zu werden. Ein sehr vernünftiger, standesbewusster Hund. Waschen war etwas für arme Leute. Nur Narren wuschen sich. Wer etwas war und etwas auf sich hielt, überdeckte Körpergerüche und Schmutz mit Unmengen an Parfum und Puder.

    Außerdem war Chouchou seinem Herrchen bedingungslos ergeben und eine sehr treue Seele. Papillons wurden zu den anpassungsfähigsten und zehn intelligentesten bekannten Hunderassen der Welt gezählt, wodurch Chouchou in Williams Achtung noch weiter stieg. Diese Eigenschaften hielt William nämlich für unverzichtbar und da machte er auch bei seinem Hund keine Ausnahme.

    Am allermeisten schätzte William jedoch an seinem Hund, dass dieser gerne kuschelte und schmuste und furchtbar verspielt war. Stundenlang konnte William ihn auf dem Schoß oder im Arm halten und ihn streicheln, ohne dass das Tier dessen müde wurde. Und ebenfalls stundenlang konnte er Chouchou mit einem kleinen Stoffbällchen beschäftigen, ohne dass der Hund dieses Spiels je überdrüssig wurde.

    Bei Chouchou konnte William Zuneigung zeigen. Ausschließlich bei Chouchou. Emotionalität war verpönt. In Williams Kreisen zeigte man Gefühle niemals öffentlich. Noch viel weniger erlaubte man sich körperliche Liebesbezeugungen wie Küsse, Umarmungen oder sonstige unschickliche Berührungen. Zwar zeigten die Damen von Stand und Adel durch ihre tiefen Dekolletés viel Haut, die sie in rein gespielter Schüchternheit und Sittsamkeit hinter entsprechend großen Fächern zu verstecken suchten, doch während Blicke erlaubt waren, wäre eine Berührung ein unverzeihlicher Fauxpas gewesen. Ja, geradezu ein Skandal.

    Nun gut, Chouchou. Dann lass uns in den Salon gehen und unseren Nachmittagstee einnehmen., sagte William, nahm seinen Spazierstab – den er zwar nicht brauchte, aber unheimlich schick fand -, öffnete die Türe seines Ankleidezimmers, das an sein Schlafgemach grenzte, und folgte dem schwanzwedelnden Chouchou mit gemessenen, anmutigen Schritten durch die langen Korridore der viktorianischen Villa.

    Immer wieder aufs Neue verärgerte es ihn, dass die Villa nicht zu ihm passte. Erstens entsprach sie nicht seinem Stand; er müsste und sollte eigentlich in einem Schloss oder wenigstens einem stattlichen Herrensitz residieren. Und zweitens war ihm der Kontrast zwischen den Epochen verhasst. Er entstammte dem späten Rokoko, was ja auch seine Erscheinung überdeutlich veranschaulichte, musste aber in einem Gebäude wohnen, das dem Zeitalter der großen britischen Königin Viktoria entstammte – einem Zeitalter, das er selbst gar nicht mehr erlebt hatte. Jedenfalls nicht als Mensch aus Fleisch und Blut.

    Doch über all das wollte er nicht nachdenken, weil es ihn fürchterlich aufregte und er es sich nicht erlauben konnte, Gefühlsregungen zu zeigen. Schon gar nicht jetzt, wo er auf dem Weg zum Nachmittagstee war, den er unseligerweise mit seiner verhassten Gemahlin einnehmen musste.

    Dieses verabscheuungswürdige Weibsstück war sein ganz persönlicher Fluch. Dass er sie je zur Ehefrau genommen hatte, war der größte Fehler seines Lebens gewesen. Zwar hatte ihn ihre Mitgift und der Reichtum ihrer Familie vor der Verarmung gerettet, doch hätte er damals geahnt, welchen Preis er dafür würde zahlen müssen, hätte er sich auf diesen Teufelspakt niemals eingelassen. Doch nun war es zu spät. So widerlich und allgegenwärtig wie Ratten, Läuse und Flöhe hatte sie sein menschliches Dasein verseucht und selbst im Tod hatte er sie nicht loswerden können. Er war verdammt dazu, bis in alle Ewigkeit ihre abstoßende Existenz zu ertragen. Mit jeder Faser verachtete er sie.

    Wie dumm er doch gewesen war. Er hat sich dieses unerträgliche Schicksal selbst eingebrockt. Nicht einmal das Ende der Zeit würde sie je trennen können, denn Zeit war für sie bedeutungslos. William wünschte sich nichts sehnlicher, als diese Frau loszuwerden, aber das Schicksal ließ sich nicht austricksen. Uralte Magie, die derartige Verbindungen, Bündnisse und Pakte besiegelte und unumkehrbar machte, ließ sich nicht erpressen oder beeinflussen und man konnte mit ihr auch nicht in Verhandlungen treten und einen Deal abschließen.

    Da gab es für William leider keinerlei Hoffnung. Dessen war er sich bewusst. Für sie aber auch nicht, dachte er mit einem gehässigen, selbstgefälligen Grinsen. Zwar musste er ihre penetrante Gegenwart ertragen – sie jedoch auch die seine. Er konnte ihr das Dasein ebenso zur Hölle machen, wie sie ihm seines zur Hölle machte. Und das tat er nach Kräften. Er gab sich alle Mühe dabei. Das war die einzige Freude, die er außer Chouchou hatte und er genoss sie in vollen Zügen.

    'Bis dass der Tod uns scheidet', hatte er naiverweise geschworen. Und es hatte sich herausgestellt, dass der Tod sie beide leider nicht geschieden hatte. Somit war der Schwur wohl nichtig. Und in Williams Augen waren dann auch Gelöbnisse wie 'Ich will dich lieben und ehren und dir die Treue halten' hinfällig. Er fühlte sich nicht daran gebunden. Das hatte er schon zu Lebzeiten nicht getan und jetzt tat er es erst recht nicht.

    Diese unsägliche Person hatte ihn hereingelegt und ihn um seinen Seelenfrieden gebracht. Ihretwegen konnte er nicht in Frieden ruhen. Selbst im Tode musste er sich mit ihr herumschlagen. Aber das zahlte er ihr heim. Tag für Tag, bis in alle Ewigkeit. So gut er nur irgendwie konnte. Nie war er sehr gefühlvoll und einfühlsam gewesen, aber der Anblick ihres vertrauten und doch verhassten Antlitzes löste in ihm nichts als blanke Kälte, Wut, Hass und Abscheu aus. Er ließ sie dafür büßen, dass sie seinen perfekten Plan durchkreuzt und damit all seine Hoffnungen auf ein glückliches Leben ohne sie zunichte gemacht hatte. Und er ließ sie dafür bezahlen, dass sie ihm das Recht und die Möglichkeit genommen hatte zu sterben. Nie würde er ihr das verzeihen. Und noch viel weniger würde er je vergessen. Das lag nicht in seiner Art.

    Nur Schwächlinge und Trottel zeigten Nachsicht und Mitgefühl. Nur Verlierer vergaben anderen deren Fehler und Verirrungen. Er jedoch war stark und merkte sich deshalb jeden einzelnen Fehltritt jeder einzelnen Person, spann Intrigen, erpresste sie damit und machte sie so gefügig, um sie für seine Zwecke und Ränkespiele zu benutzen. Nachsicht wäre gleichbedeutend mit Machtverlust und er war nicht so dumm, sich selbst und seine Position zu untergraben. Sie quälte ihn? Gut. Sollte sie nur. Er ließ sie doppelt so sehr leiden.

    Vor der breiten, zweiflügeligen Tür aus schwerem Mahagoniholz, die vom Flur in den Salon führte, stieß William beinahe mit seiner ungeliebten Ehefrau zusammen, die schwungvoll vom anderen Ende des Korridors her um die Ecke bog. Am liebsten hätte er sie einfach umgerannt und dann ignoriert, doch das widersprach in völlig inakzeptabler Weise seiner Erziehung und dem allgegenwärtigen Zwang nach grenzenloser Höflichkeit und Zuvorkommenheit einer Dame gegenüber. Und so blieb William, genau wie seine Frau, abrupt stehen. Würdevoll wich er einen Schritt zurück, um ihr den Weg freizugeben, öffnete mit einer Hand die große Tür, stieß sie auf und deutete dann seiner Gattin gegenüber einen formvollendeten Diener an.

    Mylady, grüßte er sie dem Zeremoniell entsprechend mit einem knappen Nicken.

    Mylord, erwiderte seine Gattin ebenso formell und sank in einen kleinen Knicks, aus dem sie sich jedoch sofort wieder erhob, um erhobenen Hauptes und mit eiskaltem Blick an ihrem Gatten vorbei in den Salon zu schreiten.

    Genau genommen schien sie eher zu schweben. Lady Elaine war ein äußerst graziles Geschöpf, das sich mit noch vollkommenerer Anmut bewegte als ihr Ehemann – wenn dies überhaupt noch möglich war.

    Der extrem unterkühlte, übermäßig höfliche Umgang, den die beiden miteinander pflegten, war zu ihrer Zeit in der Öffentlichkeit durchaus Gang und Gäbe gewesen. Doch unter Eheleuten, die alleine miteinander waren, war es selbst damals nicht unbedingt üblich gewesen, sich so formell anzusprechen und gar mit Diener und Knicks seine Ehrerbietung auszudrücken.

    In Wahrheit taten William und Elaine das auch nicht. Eher im Gegenteil. Es war ihre ganz eigene Art, einander zu verspotten, indem sie Höflichkeiten und Etikette untereinander so übertrieben, dass sie dadurch lächerlich wurden und dadurch die Verachtung zeigten, die sie für einander hegten.

    Lady Elaine entstammte einem alteingesessenen, hochangesehenen englischen Adelsgeschlecht, dessen Stammbaum sich bis zu Richard Löwenherz zurückverfolgen ließ, der wiederum der dritte Sohn König Heinrichs II. von England und der Eleonore von Aquitanien gewesen war – die wiederum von 1137 bis 1152 Königin von Frankreich und von 1154 bis 1189 Königin von England und eine der mächtigsten Frauen des Mittelalters gewesen war. Demzufolge trug Lady Elaine – unter anderem – Plantagenêt-Blut in sich. Generell war sie aber so blaublütig, wie man es überhaupt nur irgendwie sein konnte.

    Bewundernswerter war jedoch die Tatsache, dass sich ihr Adelsgeschlecht über die Jahrhunderte hinweg Titel und Reichtum erhalten hatte, obwohl es natürlich den einen oder anderen Skandal gegeben hatte. Begonnen hatte dies schon damit, dass Eleonore von Aquitanien von ihrem zweiten Ehemann – König Heinrich II. von England – 16 Jahre lang auf der Île d’Oléron gefangen gehalten wurde, weil sie die Rebellion ihrer ältesten Söhne gegen ihren Ehemann unterstützt hatte. Geschichten wie diese ließ man in Adelskreisen aber gerne einmal dezent unter den Tisch fallen – wenn es das eigene Adelsgeschlecht anging. Sobald es andere Familien betraf, wurde bis zur Besinnungslosigkeit darüber geklatscht.

    Lady Elaines Vater war ein Duke gewesen, also ein Herzog, und hatte somit in der Adelshierarchie eine Stufe über William gestanden, der von seinem Vater nur den Titel eines Earls, also eines Grafen, geerbt hatte. Ihre Abstammung, der Reichtum ihrer Familie und vor allem ihre exorbitant hohe Mitgift waren die einzigen Gründe gewesen, weshalb William sich mit Hilfe von sehr viel Alkohol hatte überwinden können, Elaine zu ehelichen.

    An ihr selbst hatte er nie auch nur das geringste Interesse gehabt. Er hatte sich auf andere Art vergnügt. Unseligerweise hatte er dabei recht schnell fast das gesamte Vermögen seines Vaters verschleudert und musste schleunigst handeln, wenn er nicht Titel, Besitz, Ländereien und Ansehen verlieren und als verarmter Adel in der Gosse landen wollte. Da er in Geschäftsdingen nicht sonderlich begabt und noch weniger interessiert war, blieb ihm nur der Weg über eine Heirat. Er hatte also eine gute Partie gebraucht.

    Es wunderte William noch immer, dass Elaines Vater der Verbindung zugestimmt hatte. Er vermutete aber stark, dass Elaine einfach irgendwie ihren Willen durchgesetzt hatte. So wenig man es heute nämlich auch vermuten mochte, war Elaine einmal unsterblich und bis über beide Ohren in William verliebt gewesen.

    Seit ihrer Einführung in die Gesellschaft hatte sie ihn angehimmelt und es sich zum Lebensziel gemacht, seine Frau zu werden. Dieses Ziel hatte sie schlussendlich ja auch erreicht, hatte aber alsbald feststellen müssen, dass dies eine herbe Enttäuschung war. Nicht umsonst war sie heute so verbittert und voller Hass und Abscheu gegen ihn.

    War William schon sehr luxusorientiert, so war seine Gemahlin an Extravaganz kaum noch zu überbieten. Marie Antoinette war ihr großes Vorbild und genau wie diese hatte sie zu Lebzeiten eine ganze Heerschaar an Damen beschäftigt, die sich ausschließlich mit ihrer Garderobe, ihrer Frisur, ihrem Schmuck und ihrem Make-Up beschäftigten. William hatte das immer furchtbar aufgeregt. Immerhin hatte er Elaine geheiratet, damit er ihr Geld ausgeben konnte. Wenn sie es selbst ausgab, war ihm wenig geholfen.

    Rein modisch gesehen orientierte Elaine sich jedoch eher an Madame de Pompadour, der Mätresse des französischen Königs Ludwig XV., die die Stilikone der Mode des Rokoko gewesen war. Einer Mode, die als eine Mischung aus Natürlichkeit und höchster Raffinesse in die Geschichte eingegangen war. Zwar war diese Mode – im krassen Gegensatz zur steifen, schweren Mode des vorangegangenen Barock - leicht und verspielt, jedoch trotzdem so aufwändig, dass sie nur von einer kleinen, wohlhabenden Schicht mit allen Finessen getragen werden konnte.

    Da Elaine sich immer nach der neuesten Mode kleidete, war sie eine der ersten gewesen, die den einstmals obligatorischen Reifrock abgeschafft hatten und zur einfachen, sogenannten englischen Robe übergegangen waren. Ihre Röcke waren dementsprechend nur noch wenig ausgepolstert. Elaine trug eine Jupe (also einen Rock) und darüber ein einteiliges Kleid, das vorne offen war, sodass der Rock dort sichtbar blieb, und das üppige Rückenfalten aufwies. Die Ärmel waren ellbogenlang und endeten je nach persönlichem Geschmack entweder in flügelartigen Aufschlägen oder alternativ in dreistufigen Volants. Genau wie der Kragen wurden auch die Ärmel mit Unmengen an Spitze betont.

    Lady Elaine war extrem stolz auf ihre berühmte Wespentaille, die sie mit Hilfe eines überdurchschnittlich eng geschnürten Korsetts erzielte und die einen sehr reizvollen Kontrast zur weiten Silhouette ihrer Röcke bot. Dass sie so eingezurrt war, dass sie kaum oder nur sehr flach atmen konnte, weswegen ihr eigentlich durchweg schwindlig war und sie des Öfteren ohnmächtig geworden war, ignorierte sie geflissentlich. Wer schön sein wollte, musste eben leiden und wozu gab es denn sonst Riechfläschchen?

    Das Oberteil ihres Kleides lag eng am Körper und war unglaublich tief ausgeschnitten und mehr als reichlich mit Schleifen verziert. Das großzügige Dekolleté war völlig frei von Schmuck. Stattdessen trug Elaine Halsketten oder Stoffbänder – natürlich mit den unvermeidlichen Schleifen - die klein waren und immer eng am Hals getragen wurden. Auch die Ärmel zeigten einen Kontrast von Enge und Weite: Der obere Teil, der bis zum Ellenbogen reichte, lag eng am Arm an und öffnete sich dann in mehreren Volants.

    Da sie es sich problemlos leisten konnte, trug Elaine nur Kleidung aus Seidenstoffen wie Satin, Taft, Faille oder Damast, die großflächig – aber trotzdem dezent - mit kleinen floralen, blumigen Musterungen und Drucken versehen waren.

    Die monströse Haarpracht des frühen Rokoko – die zum Teil sogar noch um speziell dafür entwickelte Gestelle herum drapiert und noch weiter aufgetürmt worden war – war inzwischen ebenso aus der Mode gekommen wie Perücken für Damen. Während eine gut sitzende Perücke für Herren von Rang und Adel nach wie vor unverzichtbar war, trugen die Damen nun deutlich weniger pompöse Frisuren, die eng in kleinen Locken am Kopf anlagen. Diese neue Mode war hauptsächlich dem noch recht neuen Trend der Hüte anzurechnen, die bei den Damen die Perücke abgelöst hatten und die man eher schlecht auf einem riesigen Haarturm tragen konnte, ohne dabei ein schlichtweg lächerliches Bild abzugeben.

    Im Sommer trug Lady Elaine meist große Strohhüte, die an den Seiten mit Bändern, Schleifen oder farbenprächtigen Federn von Papageien oder Pfauen verziert waren. Im Winter hingegen bevorzugte sie kleinere Modelle, die sich hauptsächlich aus Samt und Satin zusammensetzten und in dunklen, kräftigen Farben leuchteten. Da Elaine sich jetzt jedoch lediglich zum Nachmittagstee mit ihrem Gatten einfand und keinerlei andere Gesellschaft zu erwarten war, hatte sie auf einen Hut verzichtet und ihr durch großzügiges Bestäuben mit Reismehl weißes Haar stattdessen lediglich mit kleinen Blüten und Diamanten besteckt.

    Selbstverständlich war für die modebewusste Lady Elaine auch ein blasser Teint unverzichtbar, denn so konnte sie zeigen, dass sie es nicht nötig hatte, im Freien zu arbeiten. Die Sonne mied sie natürlich und ihre schon von Natur aus blasse Hautfarbe verstärkte sie noch zusätzlich durch weiße Schminke. Die Wangen betonte sie mit einem kräftigen Rot, wobei es hier überhaupt nicht auf Natürlichkeit ankam. Ganz im Gegenteil wurde die Farbe eher fleckartig und ohne Übergänge aufgetragen.

    Dass diese Substanzen oft gesundheitsschädlich waren, war allgemein bekannt, jedoch war dies in höheren Kreisen absolut irrelevant. Wen interessierte schon die Gesundheit, solange man gut aussah? Der krönende Abschluss von Elaines Make-Up war, genau wie bei ihrem Gatten, ein Mouche, ein kleiner Schönheitsfleck zum Aufkleben.

    William und Elaine setzten sich einander gegenüber an den bereits großzügig gedeckten Tisch und ließen sich von ihrem Butler mit Tee und winzigen Gebäckstückchen bedienen.

    Welch große Freude, Euer hübsches Gesicht zu sehen und mit Euch gemeinsam den Tee einzunehmen, meine Liebe., flötete William mit einem zuckersüßen Lächeln – und seine Augen sagten das genaue Gegenteil. Strahlend lächelte Elaine zurück.

    Die Freude ist ganz meinerseits, mein geliebter Gatte. Ich habe mich bereits den ganzen Tag nach Eurer Gegenwart gesehnt und schon letzte Nacht davon geträumt, Eure Nähe genießen zu dürfen., erwiderte sie die verlogene Heuchelei.

    Dass sie sich eigentlich danach sehnte, dass er noch einmal für einen kurzen Moment sterblich wäre, damit sie ihm ein möglichst großes Messer möglichst oft und tief in seine schmale Brust rammen und ihn somit ein für alle Mal ins Jenseits befördern konnte, und dass sie genau davon in jeder einzelnen schlaflosen Nacht träumte, verschwieg sie der Etikette halber. Sie wussten es ohnehin beide.

    Affektiert spreizte Elaine den kleinen Finger ab, als sie die zierliche, mit echtem Goldrand veredelte Teetasse aus original chinesischem Porzellan zum Mund führte, wobei sie den winzigen Henkel nur mit Daumen und Zeigefinger umschloss. Als sie die Tasse anschließend wieder vorsichtig auf der dazugehörigen Untertasse abstellte, achtete sie sorgsam darauf, ihre Hand so zu drehen, dass das nur spärlich durch die zugezogenen Vorhänge einfallende Sonnenlicht sich in dem riesigen funkelnden Brillant ihres Eheringes brach und diesen unübersehbar aufblitzen ließ.

    Das nächste was aufblitzte, war die Wut in Williams nun zu schmalen Schlitzen verengten Augen. Der Klunker am Finger seiner Gattin war William seit jeher ein Dorn im Auge. Er war unvorstellbar teuer gewesen und es ärgerte ihn pausenlos, dass er eine unerhörte Summe hatte ausgeben müssen, um einer Frau einen Ring anzustecken, die ihn nicht im Geringsten interessierte.

    Natürlich hatte er den Ring streng genommen mit Elaines Geld bezahlt, aber bei ihrer Eheschließung war ihr Vermögen automatisch zu seinem Vermögen geworden. Immerhin war er der Herr im Hause und sie war nur eine Frau, die naturgemäß in Geldangelegenheiten nichts zu sagen hatte und die sich ganz allgemein in allen Dingen dem Willen ihres Gatten zu beugen hatte. Das war auch besser so.

    Frauen hatten von diesen Dingen keine Ahnung. Sie waren maß- und zügellos und warfen das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinaus. Wirtschaftliches Feingefühl fehlte ihnen gänzlich und es ging ihnen lediglich darum, sich möglichst teuer auszustaffieren und sich zu vergnügen.

    Dass auf keine Frau der Welt diese Beschreibung so gänzlich zutraf wie auf ihn selbst – einen Mann -, kam William nicht in den Sinn. Immerhin war das undenkbar und völlig absurd. Er war der Mann in dieser Ehe. Und damit basta.

    Elaine grinste in sich hinein, als sie das wutverzerrte Gesicht ihres Mannes beobachtete und drehte ihren Ehering extra provokant an ihrem Finger hin und her. Sie liebte es, William bis aufs Äußerste zu reizen. Sie wünschte sich kaum etwas sehnlicher, als dass er sich endlich einmal – nur ein einziges Mal – die Blöße gab, vor Wut außer sich zu geraten. Leider war das in den letzten 220 Jahren, in denen sie es nun schon gezielt darauf anlegte, noch nicht vorgekommen. Doch sie gab die Hoffnung nicht auf.

    Um sich von der unverschämten Provokation seiner Gattin abzulenken und die immer größer werdende Wut niederzukämpfen, hob William demonstrativ den schwanzwedelnden Chouchou auf seinen Schoß und hielt ihm seine Tasse hin, aus der der kleine Hund begeistert den stark gezuckerten Tee schleckte.

    Angewidert betrachtete Elaine diese Szene. Sie fand es abstoßend, dass William es scheinbar für völlig normal befand, nicht nur das Bett mit seinem Hund zu teilen, sondern auch Speisen und Getränke. Er nahm diesen ekelhaften, stinkenden Köter ja sogar mit in den Badezuber, wenn er diesen denn hin und wieder einmal nutzte. Und als wäre all das nicht genug, 'unterhielt' er sich auch noch mit dem Hund, während er auf dem Nachttopf saß und sich erleichterte.

    Oh, wie sie diesen wandelnden Flohsack verabscheute. War er doch Sinnbild all dessen, was sie im Leben verbittert hatte und sie auch im Tode noch unaufhörlich quälte. Das elende Vieh bekam all die Aufmerksamkeit und Zuneigung, die eigentlich nur ihr zugestanden hätte, die sie aber niemals auch nur in groben Ansätzen von William erfahren hatte.

    Lange hatte sie vergeblich auf eine Berührung oder ein Wort der Zuneigung ihres Mannes gewartet. Irgendwann war die Hoffnung der Ernüchterung und Resignation gewichen, bis sie schlussendlich in Abscheu und Hass umgeschlagen war.

    William war so in Gedanken, dass er Elaines Widerwillen gar nicht bemerkte. Anderenfalls hätte ihn dieser sehr amüsiert und er hätte sich redlich Mühe gegeben, ihn noch weiter zu verstärken. Alles was seiner Gemahlin zuwider war, war ihm höchst willkommen.

    Und so griff William geistesabwesend nach der silbernen Platte mit dem Teegebäck, nahm sich eines der exquisiten Schokoladenplätzchen und hielt dieses Chouchou vor die Schnauze. Das Hündchen war ein wahres Leckermaul und fraß ihm in Windeseile unter lautem Geschmatze und mit viel Gebrösel das kleine Süßgebäck von der ausgestreckten Handfläche. Anschließend leckte Chouchou diese noch gründlich ab, um sicherzustellen, dass ihm auch nicht der kleinste Krümel vorenthalten blieb und um seinem geliebten Herrchen für seine Großzügigkeit zu danken.

    Immer noch in Gedanken streichelte William seinem treuen Hund das seidige Fell und kraulte ihn hinter den Ohren. Doch Chouchou stand der Sinn nicht nach Streicheleinheiten, sondern nach weiteren Schokoladenplätzchen. Und so gab er als Ausdruck seiner Beschwerde ein kurzes Fiepen von sich und stupste seinem Herrchen energisch mit der Schnauze gegen die Hand, um diesem ein wenig auf die Sprünge zu helfen.

    Unglücklicherweise musste Chouchou auf Nachschub verzichten, da Williams Aufmerksamkeit im nächsten Augenblick durch ein zaghaftes Klopfen an den Türen des Salons abgelenkt wurde.

    Ja?, brummte William unwirsch und im nächsten Moment trat der Butler mit schuldbewusst gesenktem Kopfe ein.

    Bitte entschuldigt die Dreistigkeit, mit der ich Euch störe, Eure Lordschaft. Mir ist bewusst, dass mir ein solch eigenmächtiges Handeln nicht zusteht und ich die Ehre Eurer Gegenwart nur genießen darf, wenn mir dies ausdrücklich von Euch gestattet oder von Euch befohlen wurde., leierte der arme Butler eine schier endlose Aufreihung demütigster Entschuldigungen herunter.

    William brachte seinen Bediensteten mit einem ungeduldigen Wink seiner grazilen Hand zum Schweigen.

    Ja, ja. Spare Er sich das und erkläre Er mir lieber, weshalb Er sich erdreistet unsere Teezeremonie in so ungehöriger Weise zu unterbrechen., herrschte William den armen Mann ungehalten an, wobei er den Butler, wie es für seine Zeit üblich war, in der dritten Person ansprach, was die Distanz zwischen ihnen verdeutlichen sollte.

    Im 18. Jahrhundert war es unter Mitgliedern der höheren Gesellschaft und des Adels verpönt, sich zu duzen. Man duzte niemanden. Weder Ehepartner, noch Eltern. Lediglich seine Kinder konnte man duzen.

    Sehr wohl, Eure Lordschaft. Wie Eure Lordschaft wünschen., sagte der Butler hastig unter unzähligen Verbeugungen und setzte dann endlich zu der verlangten Erklärung an.

    Als ich gerade das Polieren des Tafelsilbers überwachte, rief mich ein lautes, nachhaltiges Klopfen zur Haupttüre und als ich öffnete, stand ein junger Bursche davor und begehrte Einlass. Ich erklärte ihm, dass er nicht befugt sei, sich ohne Erlaubnis meiner Herrschaften in diesem Hause aufzuhalten, doch er ließ sich nicht abweisen und besteht darauf, Eure Lordschaft persönlich zu sprechen. William legte die Stirn in Falten.

    Ein junger Bursche, sagt Er? Demnach ein Unbekannter? Und er wagt es, mein persönliches Erscheinen zu verlangen? Was erlaubt er sich? Ist er denn von entsprechendem Stande, der ihn zu einer solch frechen Forderung bemächtigt?, wollte er leicht verärgert wissen.

    Oh nein, Eure Lordschaft. Er ist es nicht würdig, dass Ihr Euch ihm zeigt. Sein Anblick würde Eure herrschaftlichen Augen beleidigen., berichtete der Butler.

    Was heißt das? Ist er ein Mitglied des gemeinen Pöbels?, hakte William nach.

    Davon ist auszugehen, Eure Lordschaft. Er wirkt sehr verwahrlost und entstammt meines Erachtens der Gosse. Auch sein Gebaren und seine Wortwahl lassen keinen anderen Schluss zu. Er ist recht ungehobelt und scheint jeglicher Manieren zu entbehren. Weiterhin scheint er auf seinem Wege verunfallt oder in eine Rauferei verwickelt gewesen zu sein, denn er ist zwar nicht sehr schmutzig, doch seine Kleidung ist zerschlissen und er trägt eine unschöne, blutende Wunde am Kopfe., lautete die Auskunft des Butlers.

    Voller Ekel verzog William das Gesicht. Er konnte kein Blut sehen. Das hatte er noch nie gekonnt. Da wurde ihm immer furchtbar übel.

    Ist er vielleicht der neue Kammerdiener, um den ich bereits vor einiger Zeit ersucht habe und der längst eingetroffen sein sollte?, erkundigte William sich weiter.

    Ich hoffe doch nicht!, erwiderte der Butler mit ungewohnter Heftigkeit. Der Bursche taugt höchstens zum Küchenjungen oder zum Stallknecht, doch für beides haben wir keine Verwendung. Zum Dienste in Anwesenheit einer Herrschaft ist dieser ungehobelte Knilch jedoch keinesfalls zu verwenden. Man sollte ihm nicht einmal gestatten, den Nachttopf Eurer Lordschaft zu entleeren., ereiferte sich der Butler und war sich gar nicht bewusst, welch unbedachte, gefährliche Äußerung er da gerade von sich gegeben hatte.

    Doch William entging nichts. Was soll das heißen? Ist es nicht etwa eine große Ehre, mir dienen und meinen Nachttopf leeren zu dürfen?, fauchte er bedenklich leise.

    Erschrocken und über seine eigene Dummheit entsetzt zuckte der Butler heftig zusammen und sank in eine tiefe Verbeugung.

    Oh doch, Eure Lordschaft. Der Bursche könnte sich glücklich schätzen Euer Nachtgeschirr entleeren und säubern zu dürfen. Es gäbe keine größere Wertschätzung Eurerseits. Doch ich fürchte, dass er dieser ehrenvollen Aufgabe nicht gewachsen wäre. Er würde vermutlich stolpern, den Inhalt verschütten und somit Euren wertvollen persischen Teppich beschädigen und Eure feine Nase mit unangenehmen Gerüchen belästigen.

    Die steile, missbilligende Falte auf Williams Stirn vertiefte sich und seine Augen sprühten Funken.

    Unangenehme Gerüche? Wovon spricht Er? Spreche Er verständlich oder halte Er den Mund!, giftete der Earl, der über die Unverschämtheit seines Dieners sehr erbost war.

    Dieser wäre am liebsten augenblicklich im Boden versunken, um dem Zorn seines Herrn zu entgehen. Denn so ausgeglichen Sir William sich auch in Gegenwart von gleich- oder höhergestellten Personen gab, so war er doch in Kreisen der Dienerschaft für sein aufbrausendes Gemüt und seine Härte gegenüber Untergebenen berüchtigt.

    Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Eure Lordschaft. Welch unverzeihlicher Fehler, einfach von mir auf Euch zu schließen, wo ich doch gar nichts mit Euch gemein habe und Ihr ein so viel edlerer Mensch seid. Selbstverständlich ist alles an Euch ausnehmend wohlduftend, Eure Lordschaft., versuchte der Butler seine Haut zu retten.

    Gnädigerweise ließ William sich zu einem knappen Nicken herab, mit dem er seinem Diener signalisierte, dass er es ausnahmsweise bei einem Tadel belassen würde und keine weitere Bestrafung andachte.

    Wie dem auch sei. Ich sehe, Er ist einsichtig und erkennt Seine geistige Unterlegenheit. Ihm sei verziehen. Er kann ja nichts für Seine Dummheit. Wo befindet sich der Bursche nun?, sagte William gewohnt arrogant und herablassend. In der Eingangshalle, Eure Lordschaft.

    Hmmm…, murmelte William nachdenklich und kratzte sich unbewusst am Kinn, was er sich strikt untersagt hätte, wäre er sich dessen bewusst gewesen.

    Was spricht der Bursche? Wie erklärt er sich? Warum verlangt er mich zu sprechen?

    Er verweigerte mir jegliche Auskunft, Eure Lordschaft. Ich bin untröstlich.

    Nun gut. So sei es denn., seufzte William resignierend. Gehe Er zu ihm und sage Er ihm, dass ich ihn empfangen werde. Zuvor reinige und versorge Er seine Wunde. Ich wünsche keinen Tropfen Blut zu sehen, wenn er mir gegenübertritt. Hört Er? Und dann führe Er ihn hierher in den Salon, sodass meine Gattin und ich ihn in Augenschein nehmen können. Ich werde ihn dann nach seinem Anliegen befragen.

    Sehr wohl, Eure Lordschaft. Sofort, Eure Lordschaft., versicherte der Butler unter erneuten Verbeugungen und eilte dann so schnell aus dem Salon, dass er dabei beinahe gestolpert wäre, da er ja rückwärts gehen musste.

    Es war ihm schließlich nicht erlaubt, seinem Herrn den Rücken zu kehren. Das wäre unverzeihlich gewesen und hätte eine harte Strafe nach sich gezogen, die nicht nur körperliche Züchtigung beinhaltet hätte. Viel schlimmer noch wäre gewesen, dass sein Herr ihn umgehend hinausgeworfen und kein anderes herrschaftliches Hause ihn jemals wieder beschäftigt hätte, denn Sir William hätte überall verbreitet, was für ein liederlicher Butler er sei.

    Als es erneut klopfte, setzte William liebevoll sein Hündchen auf den Boden und drehte seinen Oberkörper im Sitzen halb zur Tür hin. Erheben würde er sich nur, wenn die gesellschaftliche Position seines Besuchers eine solche Ehrerbietung seinerseits verlangte. Da es sich aber offenbar um einen Gossenjungen handelte, gab es für ihn keinerlei Anlass, sich diese Mühe zu machen.

    Eure Lordschaft, ich melde Euch den Burschen Benjamin., verkündete der Butler mit einer so tiefen Verbeugung, dass er fast mit der Nasenspitze gegen sein eigenes Knie stieß.

    Nach wie vor in seiner Verbeugung versunken, trat der Butler einen Schritt zur Seite und ließ den angekündigten Gast vortreten, dem beim Anblick von William und seiner Gattin die Kinnlade herunterklappte.

    Scheiße!, murmelte er und fasste sich an den Kopf, um den er einen dicken, strahlend weißen Verband trug, der unter einer grauen Stoffmütze saß.

    Offensichtlich hatte er sich den Kopf doch heftiger gestoßen, als er gedacht hatte. Oder wurde hier gerade ein historischer Film gedreht und er war irgendwie nichtsahnend da hineingeraten?

    Er schreckte aus

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