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Königin Genevier 1: Verzweiflung, Hoffnung, Neubeginn
Königin Genevier 1: Verzweiflung, Hoffnung, Neubeginn
Königin Genevier 1: Verzweiflung, Hoffnung, Neubeginn
eBook363 Seiten4 Stunden

Königin Genevier 1: Verzweiflung, Hoffnung, Neubeginn

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Über dieses E-Book

Es ist die wahre Geschichte der Königin Genevier, der Frau des Britenkönigs Artus. sie schließt nahtlos an die unbekannte Überlieferung der Ritter der Tafelrunde an und ist als historisch begründete Geschichte in spannender romanform erzählt.
Genevier verließ 473. n. Chr. ihren Zufluchtsort, ein Kloster, und baute die Gralsburg des Parcival in den Pyrenäen wieder auf. Dort gründete sie nach den Überlieferungen der Gottkönigin Diana einen Frauenorden. Ausgebildet in allen Waffengattungen verteidigt sie das Land gegen den Merowingerkönig Childerich I.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum7. Juni 2018
ISBN9783864734878
Königin Genevier 1: Verzweiflung, Hoffnung, Neubeginn

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    Buchvorschau

    Königin Genevier 1 - Frank Bruns

    KÖNIGIN GENEVIER

    Eine Frau kämpft für das Recht

    Band 01

    VERZWEIFLUNG,

    HOFFNUNG,

    NEUBEGINN

    von

    FRANK BRUNS

    KÖNIGIN GENEVIER

    Eine Frau kämpft für das Recht

    Herausgeber: ROMANTRUHE-Buchversand.

    Cover: Romantruhe (Bildrechte: shutterstock).

    Satz und Konvertierung:

    ROMANTRUHE-BUCHVERSAND.

    © 2018 Romantruhe.

    Alle Rechte vorbehalten.

    Die Personen und Begebenheiten der

    Romanhandlung sind frei erfunden;

    Ähnlichkeiten mit lebenden oder

    verstorbenen Personen sowie mit tatsächlichen

    Ereignissen sind unbeabsichtigt.

    Abdruck, auch auszugsweise,

    Vervielfältigung und Reproduktion sowie

    Speichern auf digitalen Medien zum

    Zwecke der Veräußerung sind untersagt.

    Internet: www.romantruhe.de

    Kontakt: info@romantruhe.de

    Produced in Germany.

    Prolog

    Diese Geschichte basiert auf den Überlieferungen eines Frauenordens, der um 472/480 auf einer Burg in den spanischen Pyrenäen wirkte.

    Man sagte ihm nach, er habe aus heilkundigen Frauen bestanden, die aber auch kriegerisch geschult der Mero-winger Besatzungsmacht harte Attacken versetzte.

    Childerich soll endlich den Orden geduldet haben, weil dieser bei der umliegenden Bevölkerung in hohem Ansehen stand und der Bischof von Rom Druck ausübte.

    Die Ordensschwestern sollen sich auf den Gral berufen haben und abweichend von der dogmatischen Christenlehre einer alten Religion der Astarte der Pyrenäen, der Diana / Inanna von Sumer angehört haben.

    Wie die Kartarrer, leugneten sie die Kreuzigung Jesu und stritten seinen Tod durch die Römer ab.

    Die Überlieferung und Legendenbildung lässt den Schluss zu, dass nach der Schlacht bei Berry am Indre (Gallien), Königin Genevier und einige Frauen der Artusritter auf der ehemaligen Gralsburg Mont Salvage den Orden der Schwestern der Diana gründeten.

    Sie ließen sich kämpferisch ausbilden und geboten so den grausamen Plünderungen der Horden des Merowingers Childerich I in vielen Fällen Einhalt.

    Obwohl vieles mystifiziert ist und die Legenden oft nur Bruchstücke der Ereignisse darstellen, lässt sich die Geschichte und Lebensweise des Ordens um Genevier in bestimmten Teilen rekonstruieren.

    Vieles der nachfolgenden romanhaften Wiedergabe wird sich so oder ähnlich zugetragen haben, wenn man auch in einigen Fällen auf Vermutungen angewiesen ist.

    Die Annahme, dass der Orden von der ehemaligen britischen Hochkönigin Genevier (Gwynviwer / Genebra) gegründet worden ist, erweist sich als legitim, da sich auch die Geschichte nahtlos in die Nachfolgezeit – also nach dem Verschwinden Artus’ – einfügen lässt.

    Ebenso ist es nachvollziehbar, dass es sich bei der Gralsburg um die Burg San Salvador de Verdera oberhalb des Fischerortes Cadaques handelt, da Wege- und Ortsangaben übereinstimmen.

    Frank Bruns – Museumspädagoge

    Verzweiflung – Hoffnung – Neubeginn

    1

    »Die Zeiten werden immer schlimmer. Die Unruhen nehmen zu.« Genevier strich sich eine Strähne des rötlich braunen Haares aus der Stirn. Die goldenen Strahlen der Spätherbstsonne warfen sanfte Schatten auf ihre schönen, leicht römischen Gesichtszüge. Sie lehnte sich mit dem Rücken an eine Zinne der Burgmauer. Ihr Blick glitt an dem Turm entlang, auf dem das Drachenbanner wehte.

    Obwohl seit dem Tode Artus’ bereits zwei Jahre vergangen waren, zeigten die Feinde vor dem Wappen immer noch Respekt.

    Eileens braune, sanfte Augen ruhten auf der schlanken Gestalt der Königin. Während der Abendwind ihr weiches blondes Haar umspielte, ergriff sie die zarte Hand der Freundin.

    »Ja«, bestätigte sie leise. »Doch hier oben in den Pyrenäen sind wir sicher.«

    Genevier lächelte ob der beruhigenden Worte. »Liebste Eileen – deine Zuversicht ist wohl unerschütterlich.«

    Die Angesprochene legte nun beide Hände um Geneviers Schultern. »Du bist meine Zuversicht! Bedenke, wie viel du bereits getan hast. Du hast diese Burg – die einige Shangrilah, die anderen San Salvador nennen – hier auf dem Mont Salvage wieder aufgebaut. Der Merowinger lässt dich in Ruhe. Ganz davon abgesehen, dass er mit Aetius ganz andere Sorgen hat. Der Römer würde ihn lieber heute als morgen vom Thron stoßen.«

    Die Königin zog ihr Wollcape enger um die Schultern. Die Zehen ihrer nackten Füße wippten leicht. Sie wandte sich halb um und schaute hinab in den Burghof. Die leichten Rüstungen der Kämpferinnen glänzten und ihre Schwerter blitzten, wenn die Klingen im Übungsspiel aufeinander prallten.

    Sechzig Frauen hatten vor der Verfolgung Childerichs hier oben Zuflucht gefunden. Doch Genevier wusste, dass diese Ruhe nicht von langer Zeit sein konnte und ließ daher vom alten Garms alle gründlich im Kampfe ausbilden.

    Die meisten Ritter der Tafelrunde waren im großen Kampf bei Berry gefallen. Nur auf Lancelot würde man noch bauen können. Doch er hielt sich zur Zeit in Benoic auf. Er hatte innerhalb der politischen Wirren alle Hände voll zu tun und konnte sich wenig um die Königin und ihre Getreuen kümmern.

    Nach dem großen Kampf hatte Childerich Camelot zerstört. Er ließ alle Angehörigen des Hochkönigs verfolgen und töten. Die Frauen der königstreuen Ritter flohen und versteckten sich. Genevier hatte Zuflucht in einem Kloster nahe der Küste gefunden. Als sie die Kunde erreichte, welche Grausamkeiten der Merowinger im Lande vollziehen ließ, sammelte sie die verfolgten Frauen um sich und konnte mit ihnen unter lebensgefährlichen Umständen die Bretagne erreichen. Von der Küste aus begann die schwierige Reise quer durch das Land.

    Allein Lancelot konnten sie es verdanken, dass sie die alte Gralsburg Parcivals erreichten. Dieser Teil der Gralsfamilie hatte sich bei den Wirren in alle Winde zerstreut. Repanse de Schoy starb in Arles einen furchtbaren Martertod und Orgeluses Spur verlor sich auf einem maurischen Sklavenmarkt. Auf den Verbleib Parcivals gab es keinen Hinweis.

    Genevier drückte Eileen an sich. »Lass uns gehen, es ist Zeit für die Abendandacht.«

    Sie liefen die steilen Steinstufen hinab und gelangten in den Hof. Die Mauern warfen nun lange Schatten.

    Die Kämpferinnen hatten die Waffen und Schilde zur Seite gelegt. Der alte Garms klopfte den Mädchen auf die Schultern.

    »Gut gemacht.«

    Genevier lächelte still. Garms hatte immer zu ihr gestanden. Auch damals, als die Intrige um sie und Lancelot bald zu einer Katastrophe geführt hätte. Der Waffenmeister war es auch, der Modreds Spiel durchschaute.

    Durch eine kleine Pforte erreichten die Königin und Eileen einen wundervollen Garten. Mit viel Liebe und Mühe hatten die Frauen der Burg ihn in zwei Jahren angelegt. Alter Baumbestand hatte mit verwendet werden können. Jeder, der diesen Garten betrat, spürte sogleich die Ruhe, die er ausstrahlte. Alle Pflanzen waren nach einem uralten System angepflanzt und gesetzt worden.

    »In gewisser Weise stellen sie ein Spiegelbild des Kosmos dar«, hatte Genevier damals zu Eileen gesagt.

    »Kosmos? Was ist das?«

    Dann hatte die Königin ihr das erklärt, was ihr einst Merlin Ambrosius gesagt hatte. Der weise, ehemalige Hochkönig hatte Genevier in vielen Dingen unterrichtet. So in der Mathematik, in der Astronomie und der Chemie.

    »Als Frau meines Neffen musst du ihm auch im Wissen zur Seite stehen«, hatte der Alte damals gesagt.

    »Wissen bedeutet Macht – das hat auch Artus erkannt.« Dinge um die Natur und die Heilkunde wusste Genevier von Morgana – Artus’ Schwester.

    »So ist Morgana nie böse gewesen?«, hatte Eileen erstaunt gefragt.

    Die Königin hatte darauf den Kopf geschüttelt. »Sie fiel einem schlimmen Gerücht des Merowingers und Modreds zum Opfer. Morgana ist eine sehr weise und schöne Frau gewesen. Oberste Priesterin eines uralten Frauenordens. Sie besaß das Wissen Dianas.«

    Genevier erinnerte sich an jedes Wort, als sie nun durch das Bogentor schritten. Das Emblem Dianas drehte sich zwischen den Kletterrosen leicht im Wind.

    Genevier spürte die Unebenheiten der steinernen Stufen unter den nackten Fußsohlen. Alle Frauen auf San Salvador de Verdera hatten ihre Erfüllung und den Sinn der Schöpfung in der alten Religion gefunden. Dort – wo eigentlich das Erbe des Grals begann.

    »Was ist eigentlich mit Morgana geschehen?«, drang Eileens Stimme in die Gedanken der Königin.

    Diese zuckte die Schultern. »Niemand weiß es. Doch ich denke, dass Morgana Mittel und Wege kannte, um dem Merowinger ein Schnippchen zu schlagen. Merlin allerdings« – setzte Genevier leise hinzu – »wurde von Modred ermordet.«

    Sie hatten den Heiligen Hain erreicht. Trotz des voranschreitenden Herbstes entfaltete sich hier eine berauschende Blumenpracht.

    An den Wasserspielen blieb Genevier vor der Statue der Göttin stehen. Sie zeigte Diana im weichfließenden, knöchellangen Gewand – den Blick stolz nach Osten gerichtet. Das Gesicht strahlte Weiblichkeit, Güte, Wissen – aber auch zugleich Durchsetzungsvermögen aus. Die Füße der Statue waren nackt, so wie es die Göttin einst vor dem Götterrat der Zwölf geschworen hatte. Am mittleren Zeh des rechten Fußes glitzerte ein Diamant. Alle Frauen auf San Salvador trugen am mittleren Zeh ihres rechten Fußes einen kleinen Ring mit eingelassenem Diamanten und dem Symbol Dianas. Dieses Symbol charakterisierte gleichzeitig den Gral.

    Genevier und Eileen trafen auf dem sanft ansteigenden Weg zum Tempel immer mehr Frauen. Alle trugen das leicht bläuliche Gewand und liefen barfuß.

    Vom Säulenportal des Tempels her trug der Wind leise, einschmeichelnde Musik herüber. Durch die einsetzende Dämmerung sah man den Widerschein des Heiligen Feuers zwischen den Verzierungen der Kapitelle.

    Der Tempeleingang wirkte Ehrfurcht gebietend.

    Halb griechisch und halb ägyptisch. Hoch über dem Portal erstrahlte im letzten Licht der Abendsonne gold und blau das Emblem des Planeten des Durchquerens – der Heimat Dianas.

    Eileen löste vor den vier breiten Treppenstufen die Riemen ihrer Sandalen. Sie hatte sich noch nicht an die Barfüßigkeit gewöhnen können. Genevier ließ sie gewähren. Sie wusste: eines Tages würde auch sie sich voll zu Diana und ihrer Liebe zu den Menschen – insbesondere dem Schutz der verfolgten Frauen – bekennen.

    Eileen war einst Genevier zur Hilfe gekommen. Eine versprengte Kampfeinheit Childerichs hatte sie in einem Dorf nahe Burgunds gejagt. Genevier hatte sich in arger Bedrängnis befunden. Wie ein Wirbelwind war plötzlich Eileen auf ihrem Gescheckten daher gerast und hatte mit mächtigen Schwerthieben vier Merowinger in eine andere Welt geschickt, worauf der Rest sich feige davon machte.

    »Verfluchte Brut!«, hatte sie gerufen.

    Erst nach Tagen – sie hatte sich Genevier angeschlossen – lüftete sie das Geheimnis ihrer Herkunft.

    »Du… du bist eine Schwester Childerichs?«, hatte die Königin nach Luft schnappend gefragt.

    Eileens Augen hatten geblitzt.

    »Ja – ich bin eine Merowinger. Doch ich weiß auch, dass Childerich der Satan in Person ist, obwohl er immer die Worte des Königs von Jerusalem auf den Lippen trägt.«

    Dann hatte sie die Königin umarmt und gesagt: »Unsere beiden Familien entstammen dem Gral. Die Pendragon und die Merowinger. Unser Zweig entstammt dem des Jesus und seiner Frau Maria. Eurer aus dem des Joseph von Arimathia und seinem Weibe. Doch mein Bruder hat das angeborene Erbe eigennützig missbraucht. Er schreckt in seiner Machtbesessenheit vor nichts zurück. Sieh hier!«

    Damit zog sie ihr Wams über den Schultern auseinander. Genevier sah die tiefen, vernarbten Striemen der Peitsche.

    »Wer sich widersetzt, spürt seine Wut. Selbst in der eigenen Familie! Aetius hätte ihm nie wieder die Macht geben dürfen. Doch der Caesar in Rom wollte es so. Ich hasse sie beide!«

    Die geheimnisvolle Musik, deren Ursprung in einem nicht erkennbaren Bereich lag, umfing Genevier und vertrieb die Gedanken der Vergangenheit.

    Vor dem Alabasteraltar erhob sich auf einem mächtigen Dreibein eine eherne Halbkugel. Darin flackerte das ewige Heilige Feuer. Im Hintergrund glitzerte die mit Goldstaub überzogene, beinahe drei Meter hohe Statue Dianas.

    Im Gegensatz zu der Figur bei den Wasserspielen, zeigte sich die Göttin hier nackt. So – wie sie die Götter im Rat beschämte.

    Der Boden des Tempels bestand aus kostbaren Mosaiken. Sie spiegelten die Umlaufbahnen der einzelnen Planeten um die Sonne wider. Eine leicht blaue Spur deutete die Bahn des Immerwiederkehrenden Planeten der Götter an. An der Decke des Tempels herrschte das Symbol des Planeten – die geflügelte Kugel. Gleichsam Zeichen des Grals. »Der Gral hat seinen Ursprung nicht im Hause David«, hatte Morgana einst Genevier erklärt.

    »Sein wahrer Ursprung liegt in einer Zeit vor der letzten großen Flut.«

    Bis auf die Frauen, die San Salvador bewachten, sammelten sich alle im Kreise der Planeten. Sie ließen ihre Gewänder zu Boden gleiten, sanken auf die Knie, hoben die Arme in Kopfhöhe und richteten die Handflächen nach vorn zur Statue aus.

    »Diana – Urmutter des Seins – unsere große Hoffnung – wir, deine Schwestern, ehren und grüßen dich…« So begann das abendliche Gebet.

    Genevier erinnerte sich noch an das, was sie damals zu Eileen gesagt hatte, als sie dieser das Ritual erklärte. »Wir ehren die Göttin als gleichwertige Mitglieder einer Familie. Unsere Gebete sind nicht das winselnde, nach Gnade heischende Flehen dieser Kuttenträger.«

    Darauf hatte Eileen erstaunt zurückgefragt: »Das sagst du, die doch zwei Jahre unter Nonnen gelebt hat?«

    »Diese Nonnen! Sie flehen einen angeblichen Leichnam um Erleuchtung und Hilfe an. Sie wissen nichts! Das einzige, was ich mit ihnen gemeinsam habe, ist der Schwur der Barfüßigkeit. Doch die Nonnen laufen auf nackten Füßen, um sich vor Paulus falscher Religion zu erniedrigen. Meine nackten Füße symbolisieren den Stolz Dianas! Außerdem –«, fügte sie nach einer minimalen Pause hinzu, »– nehme ich über die feinen Nerven der Fußsohlen die Kraft des Kosmos aus der Erde auf.« Es hatte lange gebraucht, bis Eileen die Zusammenhänge begriffen hatte. Trotzdem hatte sie sich noch nicht durchringen können, sich ganz zu Diana zu bekennen.

    Wie Perlen bedeckten die Gestirne den dunklen Himmel, als die Frauen, angeführt von Genevier, den Tempel verließen. In der großen Halle der Gralsburg nahmen sie gemeinsam das Abendessen ein. Gegen Mitternacht bestimmte das Los die neuen Wachen.

    Ein scharfer Wind tat sich in den frühen Morgenstunden auf und trieb bedrohliche Wolken vor sich her. Genevier war gegen vier Uhr erwacht. Sie konnte nicht wieder einschlafen. So hatte sie ihre Kemenate verlassen und war auf den Turm gestiegen. Dort traf sie den alten Garms, den einzigen Mann auf der Burg. Er lehnte an einer Zinne und blickte über das Land, das sich durch den Frühnebel der Dämmerung schälte. Überrascht wandte er sich um. Er hatte seine Königin gehört, obwohl ihre nackten Sohlen kaum ein Geräusch verursachten.

    »Genevier! Was treibt dich so früh herauf?«

    Er nahm sie in den Arm. Garms zählte bald achtzig Jahre. Von Anbeginn – seit sie ihre Heimat auf Camelot gefunden hatte – war Garms ihr ein väterlicher Freund und Ratgeber gewesen. Wenn er das Handeln der Burgfrauen auf dem Mont Salvage auch nicht verstand, so würde er doch jede einzelne mit seinem Leben verteidigen.

    »Ich konnte nicht mehr schlafen«, entgegnete Genevier auf die Frage des Alten. »Was quält meine Herrin?«, erkundigte er sich mit leiser, angenehmer Bass-Stimme.

    »Es sind Erinnerungen der Vergangenheit. An ein Königreich des Sommers. Eine Welt des Friedens.«

    Garms drückte sie fest an sich und nickte. »Es waren gute Zeiten auf Camelot. Einen Mann wie Artus wird es nicht mehr geben.«

    Eine Träne stahl sich aus dem rechten Auge der Königin und hing wie ein glitzernder Tautropfen an ihrer Wange. Garms wischte sie sanft weg. Obgleich Genevier dabei war, die Vierzig inzwischen zu überschreiten, zeigte ihr Gesicht immer noch mädchenhafte Züge. Lediglich die Augen bewiesen die Weisheit der Jahre.

    »Ist Artus wirklich tot?«

    Der Alte hob leicht die Schultern. »Zuletzt sah man ihn schwer verwundet bei Avallon. Wenn der Merowinger ihn gefunden hat, ist sein Tod sicher.«

    »Lancelot hat nach ihm gesucht.«

    »Ja«, nickte Garms. »Die Spur war wage. Doch Lancelot wird von seiner eigenen Verwandtschaft bedrängt. Childerich verzeiht ihm nicht, dass er als Merowinger – wenn auch aus einer Nebenlinie – Bannerführer des Pendragon wurde.«

    Die Königin zog tief die feuchte Morgenluft ein.

    »Lance…«, seufzte sie.

    Garms lächelte wissend. Ihre unglückliche Liebe, ihre gespaltenen Gefühle zwischen Artus und Lancelot, hatten eine ernste Krise in der Tafelrunde heraufbeschworen. Dies hatte Modred genutzt.

    »Doch dieser Bastard ist tot«, erklärte Garms mit fester Stimme. »Das wissen wir.«

    Genevier blickte zu Boden. »Vielleicht sind es nur die Umstände gewesen, die Modred so werden ließen. Ein Vater – der ihn nicht anerkennen durfte – weil er seinen Sohn in Unwissenheit mit seiner Schwester zeugte. Seine Mutter besaß nicht genügend Macht über ihn.«

    »Ach was!« Garms Stirnader schwoll an. »Er war ein Lump! Ganz das Gegenteil von seinem Bruder Gawan.«

    »Gawan wuchs behütet am Hofe Lots auf«, wandte Genevier ein.

    »Heißt das etwas?« Der Waffenmeister schüttelte unwirsch den Kopf. »Seine Mutter gab ihm alle Liebe dieser Welt. Als Dank stellte Modred sie als Hexe dar.«

    Verächtlich spuckte der Alte über die Brüstung. Plötzlich stutzte er. Er kniff die Augen zusammen und deutete nach Norden.

    »Sieh!« Rötlicher Schein zeichnete sich am Horizont ab.

    Genevier schluckte. »Das ist Ceret!«

    Garms knirschte mit den Zähnen. »Der merowingische Hurensohn hat wieder zugeschlagen. Er raubt und mordet, nur um seiner Macht Willen!«

    Genevier wandte sich rasch um. »Wir müssen etwas tun!«

    Garms hielt sie energisch zurück. »Warte! Es ist zu früh! Deine Frauen sind inzwischen wohl die besten Kriegerinnen, die es auf dieser verdammten Welt gibt, doch der Mörderhorde sind sie dennoch nicht gewachsen.«

    Er drückte die Hand der Königin fest an seine Brust. »Auch mein Herz schmerzt«, sagte er leise – »doch wir können nichts tun. Erst wenn sie fort sind.«

    Geneviers Augen füllten sich mit Tränen.

    »Aber Menschen werden hingeschlachtet. Wozu?!«

    »Tja«, machte Garms leise. »So wird es immer sein.«

    Die Königin riss sich los. Sie hastete in den Burghof und ließ Alarm geben.

    »Genevier! Warte!« Garms eilte hinter ihr her. »Warte doch! Du brauchst vier Stunden bis Ceret. Es ist zu spät!«

    Die Augen der Frau blitzten. »Es kann nicht zu spät sein.« Sie holte tief Atem. »Garms! Wenn ich nur ein einziges Leben vor dieser Horde rette, so ist es mir den Einsatz wert!«

    Nur Minuten später jagte ein Trupp von dreißig schwerbewaffneten Amazonen über die Zugbrücke und nahm den steilen Weg ins Tal. Allen voran ritt – in goldbronzener Rüstung – Genevier. Eileen ritt an ihrer Seite. An der Lanze das Banner des Pendragon.

    2

    Der Rauch drang beißend in die Augen. Doch auch Wut und Verzweiflung riefen die Tränen Geneviers hervor.

    »Hat gründliche Arbeit geleistet – dein Verwandter«, knurrte Garms.

    »Er ist nicht mein Verwandter«, gab die Königin mit fast erstickter Stimme zurück. Ihr Blick glitt über das, was einmal das Dorf Ceret gewesen war.

    Der alte Waffenmeister lenkte seinen Braunen an einem verkohlten Balken vorbei.

    »Leider doch. Deine Mutter ist eine Tante Childerichs gewesen. Sie hat es dir nie verziehen, dass du den Pendragon geheiratet hast.«

    Genevier verzog das Gesicht. »Du bist gut informiert.«

    Der Alte drängte sein Pferd nahe an das seiner Herrin. Er ergriff ihre Hand. Sie fühlte sich so zart an und doch konnte sie so hart und unbarmherzig das Schwert führen.

    »Ich habe dich auf den Knien geschaukelt. Vergiss das nicht!«

    Die Königin schluckte. Nun wusste sie mit Gewissheit, dass es kein Zufall gewesen sein konnte, dass Garms ihr später nach Camelot gefolgt war.

    Alyshia kam auf ihrem Gefleckten heran und wischte sich den Ruß aus dem Gesicht. Dichte schwarze, fettige Rauchwolken lagen über den Ruinen.

    »Es ist zu spät, Genevier«, stöhnte die hochgewachsene, durchtrainierte Frau. »Obwohl wir wie die Teufel geritten sind – es ist zu spät. Die nicht ermordet worden sind, wird der Merowinger in die Sklaverei entführt haben.«

    Das befürchtete die Königin auch.

    Da ließ sie ein Wimmern aufhorchen. Sie hob die Hand. »Was ist das?«, flüsterte sie.

    Alyshia und Garms wandten sogleich ihre Köpfe in die Richtung, aus der das Wimmern gekommen war.

    Garms entdeckte es zuerst! Ein vielleicht gerade zehn Monate altes Kind lag neben der Leiche seiner Mutter.

    »Himmel!«, kam es aus der Kehle des Waffenmeisters und es hörte sich an, als ob ein Wolf knurre. Er stieg vom Pferd und nahm das Kind auf.

    »Es scheint unverletzt«, stellte er fest.

    Er reichte es Genevier herauf.

    »Armes Kerlchen«, flüsterte sie und drückte das kleine Wesen an sich. Dann rief sie ihre Kriegerinnen zusammen.

    »Sucht alles sorgfältig noch einmal ab. Vielleicht gibt es doch noch Leben hier.« Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Nach einer Stunde intensiven Suchens, in den Trümmern und der näheren Umgebung, brach der Trupp auf. Genevier hielt das Kind an sich gedrückt. Es war inzwischen eingeschlafen.

    Garms schaute mit mildem Blick zu den beiden.

    »Die Mutterrolle steht dir gut.«

    Trotz der schlimmen Situation lächelte Genevier. Wie gern hätte sie mit Artus Kinder gehabt. Doch dazu war es nicht gekommen.

    »Ich werde ihn Moses nennen«, erklärte die Königin.

    Garms zog die buschigen, rötlichen Augenbrauen hoch. »Ihn?«

    Genevier lachte und nickte. »Es ist ein Knabe.«

    »Hm«, machte der Alte. »Aber weshalb Moses? Wie wär’s mit Dietrik?«

    Die Königin schaute den Freund von der Seite an.

    »Dietrik? – Ein guter Name. Es sei!«

    Garms nickte befriedigt. »In deiner Obhut wird er ein stolzer Recke werden.«

    »Wer weiß?!« Genevier trieb ihr Pferd an und setzte sich an die Spitze ihrer Kriegerinnen.

    Unterwegs trafen sie immer wieder auf brennende Gehöfte und hingemetzelte Menschen. Childerich kehrte sein Land – oder das, was er dafür hielt – mit eisernem Besen. Nur wer sich zu ihm bekannte, blieb verschont.

    Das Dorf, das der Trupp nach einigen Stunden erreichte, lag in einem malerischen Tal. Der Fluss schlängelte sich im weichen Licht der Herbstsonne dahin. Nichts schien das idyllische Bild zu stören.

    »Weshalb kann die Welt nicht so friedlich sein?«, fragte Genevier mehr zu sich selbst. »Die Mönche sprechen von ihrem barmherzigen Gott. Weshalb lässt er dann morden und brennen zu?«

    Sie ritten langsam den Weg hinab, der ins Dorf führte. Plötzlich hielt Garms sein Pferd an und griff Genevier in die Zügel.

    »Warte!«, zischte er und machte den anderen ein Zeichen, ebenfalls anzuhalten. »Da stimmt etwas nicht.«

    Sein Blick glich dem des Adlers, als er Richtung Dorf starrte. »Seht ihr irgendwo Leben?«

    Der alte Waffenmeister setzte sein Pferd vorsichtig in Trab – hielt es aber nach wenigen Metern wieder an.

    Er lauschte.

    Dann vernahmen es alle.

    Das typische Pfeifen einer Peitsche und das klatschende Geräusch, welches entsteht, wenn das Schnurende auf einen Körper traf.

    Geneviers Kriegerinnen zogen wie auf Kommando ihre Schwerter.

    Im Schritt lenkten sie ihre Reittiere zum Dorf. Sie bildeten zwei Reihen, deren Anführer Garms war.

    Seine Augen glitten unaufhörlich von links nach rechts und zurück. Er schien jede Einzelheit der Umgebung in sich aufzusaugen.

    Das Klatschen der Peitsche wurde lauter. Sie näherten sich dem Dorfplatz.

    Nun sahen sie es!

    Geneviers Lippen bildeten nur noch einen schmalen Strich. Ihr Gesicht unter dem Helm mit dem roten Drachenzeichen verwandelte sich in eine harte Maske.

    Auf dem runden Dorfplatz hatten mehrere Männer – teils in verwahrlosten Rüstungen – Menschen zusammengetrieben. An zwei Pfählen hingen Körper. Nackt und mit Blut überströmt.

    Ein Mann und eine Frau.

    Der Mann schien tot zu sein. Eine gewaltige Blutlache hatte sich unter seinen freischwebenden Füßen gebildet und Rinnsale suchten sich ihren Weg durch das grobe Pflaster des Platzes.

    Die Menschen des Dorfes hielten sich verängstigt in den Armen.

    Kein Wort wurde gesprochen.

    Kein Schluchzen.

    Kein Schrei der Gemarterten.

    Eine gespenstische Szene.

    Der Körper der Frau zuckte lediglich unter der Wucht der Hiebe. Der Körper bildete eine blutüberzogene Masse.

    Kleine rote Bäche rieselten über ihre Beine und Füße zu Boden.

    Der Profoss, der die Peitsche mit satanischem Lächeln schwang, machte endlich eine Pause und wischte sich den Schweiß ab.

    Doch gleich wurde er von einem Mann auf einem schwarzen Pferd angeherrscht:

    »Weiter! Weiter! Erschlagt diese verdammte Brut!«

    Genevier hatte inzwischen erkannt, dass es sich um zwölf Männer handelte, die das Dorf strafen wollten.

    Die rechte Hand der Königin verkrampfte sich um den Schwertgriff.

    »Angriff!«, schallte ihre Stimme über den Platz. Mit einer Macht, die man der zierlichen Frau nicht zugetraut hätte.

    Da stoben die Kämpferinnen mit Garms auch bereits in die Mitte der Schergen, die vor Verblüffung kaum zur Gegenwehr greifen konnten. Wie eine Furie ging die Königin dazwischen.

    Ein ausholender Schwertstreich!

    Der Arm des Profosses mit samt der Peitsche flog durch

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