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Durch Astrids Augen
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eBook139 Seiten1 Stunde

Durch Astrids Augen

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Über dieses E-Book

Als Sohn eines dominierenden Vaters ist Francis besessen von seiner Karriere und ein arbeitssüchtiger Millionär, der vor Kurzem in den Konkurs gehen musste und nun am Rand zum Selbstmord steht. Mit der Absicht, eine Lösung für seine Probleme zu finden und über sein Leben nachzudenken, findet er sich unvorhergesehen an einem weitentfernten Strand wieder, an dem er sich mit einer Fremden unterhält. Ihr Name ist Astrid. Mit der Zeit entwickelt sich ihre Unterhaltung in eine Lektion, in der Astrid Francis dabei hilft, seinen wahren Problemen auf den Grund zu gehen, und sie steuert ihn auf einen neuen Kurs zu, entgegen des Glücks, das eigentlich schon zum Greifen nah ist.

Die letzten Seiten des Romans warten mit einer überraschenden Wendung des Schicksals auf.

SpracheDeutsch
HerausgeberBadPress
Erscheinungsdatum10. Juni 2018
ISBN9781547532421
Durch Astrids Augen

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    Buchvorschau

    Durch Astrids Augen - Jean-Marie Kassab

    Durch Astrids Augen

    Roman

    Jean-Marie Kassab

    EINES SONNIGEN TAGES

    I

    ch erinnere mich an jenen Morgen, als wäre es gestern gewesen. Viele Jahre waren vergangen, seitdem ich sie kennengelernt hatte. Der schläfrige Strand, frei von beinahe jeglicher Präsenz, außer der ihren, stille, anschmiegsame Sonnenstrahlen, die Szenerie, ihr Antlitz, ihre Stimme und ihre Worte bleiben bis zu diesem Zeitpunkt tief in meine Erinnerung eingraviert.

    Fest dazu entschlossen, meinen Problemen ein für alle Mal ein Ende zu setzen, war ich fieberhaft auf der Suche nach einem abgeschiedenen Ort gewesen, an dem ich in Ruhe nachdenken konnte, bevor ich eine Tat begehen würde, die ich eventuell später bereute.

    Während meiner gesamten Karriere hatte ich immer wieder bedeutende Entscheidungen unter der Dusche getroffen oder sogar, wenn ich im Stau steckte, und einmal sogar in einem gedrängten Fahrstuhl. Dieses Mal jedoch, angesichts der Dinge, die auf dem Spiel standen, drängte sich mir das Bedürfnis auf, allein zu sein. Ich war am Ende meiner Kräfte angekommen.

    Oft hatte ich mich über jene lustig gemacht, die Zeit zum Nachdenken benötigten. Die Art Leute, die zuerst Rodins Statur Le Penseur nachahmen mussten, bevor sie in Gedanken eintauchen konnten. Ich spreche von jenem Mann, der mit dem Kinn auf der Hand aufgestützt dasitzt und so tut, als denke er nach. Ein bedeutungsloses Klischee, das mich äußerst amüsierte.

    Was mich anging, so mussten Entscheidungen unverzüglich getroffen werden, ohne jeglichen Aufschub. Angenommen natürlich, dass die Angaben eindeutig in einer kurzen Tabelle unter »Ungeraden« und »Geraden« aufgeführt waren. Die »Geraden« in der rechten und die »Ungeraden« in der linken Spalte, aufgelistet wie in einer Bilanzaufstellung. Immer wenn die »Geraden« den »Ungeraden« in Zahlen überlegen waren, warf ich mich Hals über Kopf ins Geschäft, anderenfalls zog ich mich aus dem Projekt zurück, ohne es mir noch einmal zu überlegen, und verfolgte stattdessen mit aller Kraft eine andere Beute zum Aussaugen.

    Ich praktizierte diese Herangehensweise in meinem Beruf genauso wie in meinem Privatleben. Dieses System war lange idiotensicher gewesen, bis es vor nicht allzu langer Zeit versagte.

    Mit der Zeit wurde diese Methode, Entscheidungen zu treffen, zu meinem ganz eigenen Lebensstil, eine Art persönliches Grundprinzip. Zusätzliche Informationen anzufordern, erschien mir ganz natürlich. Alle Fragen dieser Welt zu stellen, na klar, wieso auch nicht, aber selber nachdenken? Niemals. Ich hatte mir immer gesagt, dass sich die Schlussfolgerungen entweder sofort und am helllichten Tage zeigen würden, oder sie würden es nie tun.

    Als überzeugter Befürworter von Schwarz oder Weiß, existierte Grau für mich schlichtweg nicht. Es war eine Nichtfarbe, und doch umgab sie uns von allen Seiten. Es ist doch schon traurig genug, dass die Welt ein so grauer Ort ist. Dennoch bleibt die Tragödie bestehen, dass sie die bevorzugte Farbe unentschlossener Leute war, und von denen gab es sehr viele. Grau ist die Farbe, bei der sie sich daheim fühlen, und sie winden sich wohlig in der Sicherheit, die sie ihnen bietet. Außerdem, und das ist meine ganz persönliche Meinung, ist Grau lediglich ein schmutziges Weiß oder ein ausgebleichtes Schwarz, nicht mehr, nicht weniger.

    Bei mehreren Anlässen im Kreis meiner engeren Bekannten hörte ich mir an, was für ein unbarmherziges und unnachgiebiges Raubtier ich doch geworden sei. Nur wenige Leute wagten es, mir das ins Gesicht zu sagen, aber in den stummen Blicken der übrigen Leute um mich herum erkannte ich genau dasselbe Urteil.

    Während ich eine Art Barmherzigkeit von jenen verspürte, die ihrer Meinung freien Lauf ließen, traf mich stumme Kritik umso tiefer. Manche kritisierten meine Art zu denken, andere verurteilten mein schroffes Handeln. Mir wurde einmal gesagt, dass das Leben zu wichtig sei, um bloß auf eine schlichte, binäre Gleichung mit nur zwei möglichen Ergebnissen reduziert zu werden: »Entweder ein Ja oder ein Nein«. Wie oft hatte ich von Freunden und Feinden gleichermaßen gehört, dass das Leben nicht in einer Reihe von Nullen und Einsen zusammengefasst werden konnte, wie es bei Computerprogrammen der Fall war? Und dennoch war es für mich die einzige Wirklichkeit, die Vernunft die meinem Verhalten zugrunde lag. Oftmals wurde ich als herzloser Roboter bezeichnet, doch snobistisch, wie ich war, lehnte ich diese Bemerkungen als unwürdig ab und machte mit meinem Leben weiter wie zuvor. Meine Antwort war stets dieselbe: »Überlassen Sie das Herzenflicken den Dichtern und die Zahlen den Jungs, die sich mit Geld auskennen, dann wird die Welt sicher schon ein besserer Ort.«

    Dies war meine Art, mit den Dingen umzugehen, und schon seit Langem war genau das meine Geheimwaffe gewesen – eine Art Äquivalent des berühmten botte de Nevers[1], den Lagardère[2], die Hauptfigur in Paul Févals berühmten französischen Roman Le Bossu, übernommen hatte und von da an seinen Degen hin und her zu wedeln pflegte, bevor er ihn in unaufhaltbarer und tödlicher Manier dem Feind in die Stirn stieß. Als ich noch jünger war, träumte ich oft davon, während ich auf dem Boden saß und fernsah. Ich wollte auch eine haben, meine eigene Geheimwaffe, eine unschlagbare, eine, die mich jedes einzelne Mal gewinnen ließ und mich unbesiegbar machte. Sobald ich sie für mich entdeckt hatte, missbrauchte ich sie. Nach einiger Zeit und einer langen Reihe von Erfolgen richtete sie sich gegen mich und stach mir geradewegs ins eigene Herz. Mein Streben nach Sieg war zu einer grenzenlosen Gier geworden.

    Sobald ich ein Projekt als bedeutend genug erachtete, widmete ich mich ihm vollkommen, mit Körper und Seele, mit all meinen derzeitig verfügbaren Ressourcen. Ich ging mit meinem Pokerspiel stets aufs Ganze und schob jedes Mal alle meine Chips mit fester und entschiedener Hand in die Mitte des grünen Tisches. Um ehrlich zu sein, war es ein wirklich aufregendes Gefühl.

    Ich machte diese »Alles oder nichts«-Einstellung zu meinem persönlichen Vorteil anderen gegenüber. Sie wurde sogar zu meinem Lebensmotto. Unglücklicherweise verwandelte sie sich jedoch allmählich in einen Fluch, noch bevor ich es bemerkte. Ich wurde wie ein Spieler, der hofft, zu gewinnen oder zumindest ausgezahlt zu werden, indem er noch eine weitere Runde spielt und dann noch eine, wobei er jedes Mal Gott schwört, dass dies der letzte Versuch sei, nur ist er das nie.

    Ausgelaugt, ruiniert, doch fest dazu entschlossen, meinen Problemen ein für alle Mal ein Ende zu setzen, steuerte ich auf diesen Strand am Ende der Welt zu. Ich musste entscheiden, ob es eine bessere Option war, meinem Leben ein Ende zu setzen oder den Kampf aufrecht zu erhalten. Der Gedanke an Selbstmord war mir seit jeher abscheulich und unverantwortlich vorgekommen, doch er hatte sich hinterlistig in meine Gedanken eingeschlichen. Meinem Leben ein Ende zu setzen, war zu einer Option geworden, war keine Unmöglichkeit mehr.

    Obwohl dieser Ausflug ursprünglich als das Ende einer lebenslangen Reise angedacht war, stellte er sich paradoxerweise als meine eigene Wiedergeburt heraus. Er zeigte mir, dass es zwar einfach sein konnte, das Steuer in die Hand zu nehmen, doch das Ziel zu erreichen, war eine ganz andere Geschichte.

    Ich war mir im Vorhinein durchaus bewusst, dass ich am Ende zögern würde, wenn es soweit war, den Abzug zu betätigen. Dennoch hatte ich am Morgen meines Ausflugs meine Pistole aus dem Safe genommen und sie eilig gereinigt, bevor ich mich auf den Weg machte. Sie zu benutzen, um mir das Leben zu nehmen, schien mir in diesem Augenblick surreal und sogar absurd und doch wälzte sich das Spielzeug bedrohlich in meiner Manteltasche und war bereit, mich von meiner Hölle zu erlösen.

    SMITH AND WESSON UND ICH

    S

    ie war nickelbeschichtet und vom Kaliber 38. Genau genommen war sie ein Geschenk von einem engen Freund meines Vaters, einem alten Polizeibeamten, der mich wie seinen eigenen Sohn betrachtete. Als er mir die Pistole reichte, mit seiner knotigen Hand sanft auf meiner Schulter ruhend, sagte er zu mir: »Ich hoffe, dass du sie niemals brauchst. Die beste Waffe ist die, die man niemals braucht. Es ist eine Frage der Selbstkontrolle.« Damals verwirrten mich seine Worte.

    Wie üblich waren eine Menge Gäste anwesend. Da ich das Gefühl hatte, dass der alte Mann mir später noch etwas zu erzählen hatte, notierte ich mir gedanklich, was ich soeben gehört hatte, und machte mich wieder daran, meine Gäste zu unterhalten. Da der Alkohol unentwegt floss und die Musik zu laut war, als dass ich hätte ergründen können, was der alte Mann soeben zu mir gesagt hatte, suchte ich nach der erstbesten Gelegenheit für ein vertrauliches Gespräch unter vier Augen.

    Es war mein fünfzigster Geburtstag.

    Dieses gänzlich unerwartete Geschenk erweckte meine Neugierde. Trotz meiner machohaften Arroganz bin ich doch von Natur aus ein eher friedlicher Mensch. Ich habe noch nie eine Pistole besessen oder je das Verlangen verspürt, eine zu besitzen. Eine als Geschenk zu erhalten, und das auch noch von einem ehemaligen Polizisten, erschien mir absurd. Ich hatte sicher auch nicht erwartet, dass er mir goldene Manschettenknöpfe schenken würde, wie es so oft der Fall bei solch einem Anlass war, und ich bedankte mich höflich mit einer warmen Umarmung.

    Sobald alle Gäste gegangen, die Musikinstrumente eingepackt und das Besteck und Geschirr weggeräumt waren, warf sich mein Gast regelrecht

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