Griechische Götter und ihre Macken: Anthologie
Von Saskia V. Burmeister, Dörte Müller und Heike Zöller
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Buchvorschau
Griechische Götter und ihre Macken - Saskia V. Burmeister
Griechische Götter
und ihre Macken
Anthologie
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www.net-verlag.de
Dritte Auflage 2013
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
© Coverbild: Roselinde Dombach
Covergestaltung: Maria Weise
Korrektorat und Layout: Miriam Steinröhder
Auswahl der Geschichten:
Lysann Rößler & Leserteam
© Illustrationen:
Dörte Müller (S. 25)
Franziska Kloth (S. 89)
Saza Bacheh (S. 158)
© net-Verlag, Cobbel
ISBN 978 - 3-942229 - 69-2
Griechische Götter und ihre Macken
Begeben Sie sich mit uns in die Welt der Götter und Halbgötter, allen voran Hera und Zeus, und erleben Sie deren Eskapaden und Geschehnisse im Olymp!
Erleben Sie, wie die Götter ihre Langeweile bekämpfen, Streit forcieren oder ihre Umgebung ins Chaos stürzen!
Wir wünschen allen Lesern einige unterhaltsame Stunden!
Ihr net-Verlag-Team
Inhaltsverzeichnis
Cover
Titel
Impressum
Vorwort
Saskia V. Burmeister - Eine göttliche Wette
Dörte Müller - Tod eines Gottes
Heike Zöller - Von Datteln und Kriegen
Andreas Thiel - Die Früchte aus dem Garten der Götter
Valentina-Elisabeth Langer - Hila
Alisha Pilenko - Kirkes Tierparadies
Anna-Maria Weigelt - Wein, Weib und Wahnsinn
Peter Suska-Zerbes - Als es den Göttern dämmerte
Nicole Schnetzke - Der Springbrunnen des Poseidon
Regine Tewes - Hotel Olymp
Harry Straach - Die Triade
Helmut Glatz - Säuberung in Elis Ein mythologisches Kurzdrama
Carmen Matthes - Schrecklich gelangweilte Inselgötter
Bianca Schläger - Der Zauber zweier Herzen
Christina Holzinger - Narziss & Echo
Barbara Avato - Über die Bedeutung der Stubenfliege im alten Griechenland
Miriam Rademacher - Die Arme
Yasemin Sezgin - Gespräch unter Göttern
Antje Steffen - Zeus, der Schwerenöter
Regina Müller - Kallisto
Kerstin Rueß - Die Liebe und der Tod
Josef Herzog - Nächtlicher Besuch
TwinXX - Pan
Mano Anandason - Torheit und Aphrodisiaka
Claudia Romes - Ein göttlicher Gast
July Georges - Daphne
Jana Engels - Verdorbene
David Seifert - Feierabend
Shanna Liebl - Wunschlos un’glücklich
Henning Brunke - ORPHEUS & EURYDIKE quasi kurz im Lendenschurz
Alea-Louise Mai - Nachthimmels Seelen
Katharina Seifert - Die Götter müssen verrückt sein
Hermann Moser - Apollo und Hyazinth
Björn Sünder Der Wettlauf
Simone Wertenbroch - Götter-Witz
Autorenbiografien
Illustratorenbiografien
Buchempfehlungen
Saskia V. Burmeister
Eine göttliche Wette
Donner grollte, und Blitze zuckten im Sekundentakt über das Firmament. Im göttlichen Palast von Zeus und seiner Angetrauten Hera hing wieder einmal der Haussegen schief. Grund dafür waren aber keine Gelage, Affären, Schäferstündchen mit Nymphen oder gut gebauten Knaben – denn solch triftiger Gründe bedurften die Götter nicht, um sich derart heftig zu zanken, dass die Säulen der Welt fast aus den Fugen gerieten. Es reichte allein, dass sie am Frühstückstisch mit Nektar und Ambrosia ganz nebenbei diskutierten.
»Helden erheben sich lediglich aus edlem Stand heraus!«, beharrte Zeus auf seinem Standpunkt und schleuderte gleich ein ganzes Bündel von Blitzen zum Fenster hinaus.
Der himmlische Schmied Hephaistos kam gar nicht so schnell dazu, neue Blitze zu produzieren, wie der Alte sie verschleuderte.
Hera nahm den Wutausbruch des Gatten gelassen hin und hielt dagegen an: »Ich hingegen denke, selbst ein Landstreicher kann unter der richtigen Anleitung zu einem Helden werden, dem man auch noch in Jahrhunderten gedenkt.«
»Unsinn!«, wetterte der Oberste aller griechischen Götter, und sein wallender Bart sträubte sich vor Wut. »Nur die Götter bringen wahre Helden hervor! Herakles, wenn auch nur zur Hälfte Gott, war ein solcher!«
»Hört, hört!«, belächelte Hera dies.
Währenddessen schwadronierte Zeus weiter: »Allenfalls können noch menschliche Könige Heroen hervorbringen – aber niemand sonst!«
»So wie Achill, Sohn einer Nymphe und eines Königs? Unverwundbar durch ein Bad im Fluss der Unterwelt und doch geschlagen durch eine kleine Verletzung an der Ferse?«
Nun warf der göttliche Gemahl vor Zorn gleich zwei Bündel von Blitzen auf die Erde hinab. »Schweig, Weib! Anstatt zu sticheln, nenne mir den Namen eines wahrhaft kühnen und großen Helden, der aus dem einfachen Volk entstammt! Du musst deine Behauptung auch belegen können!«
Auf diese Reaktion hatte Hera freilich nur gewartet. Grazil schlug sie die Beine übereinander und lächelte süffisant: »Ich weiß etwas Besseres, mein Gemahl. Anstatt die Vergangenheit zu bemühen, werde ich dir im Hier und Jetzt einen solchen Helden zeigen. Er soll sich beweisen in der größten Schlacht, welche die Menschen zu schlagen haben: der Liebe!«
Das gefiel dem alten Zausel nun sehr, und er willigte in die Wette ein, nur eine Bedingung hatte er noch: »Schaff alle Voraussetzungen, die nötig sind für deine Prüfung, Frau! Aber misch dich hernach nicht mehr in das Geschehen ein!«
So sollte es geschehen.
Doch wenn Götter wetten, haben in jedem Fall Sterbliche etwas zu verlieren. So kam es, dass von einem der vielen Höfe auf dem Erdball eine junge Königstochter über Nacht spurlos verschwand. Die Kunde ging um, ein bösartiges Monster hätte die wunderschöne Dirne in die Ferne der Einöde verschleppt. Passenderweise trug das Mädchen den Namen Olympia, was sie zu einem ausgesucht passenden Objekt im großen Spiel der Götter machte.
Viele tapfere Heroen zogen in den folgenden Tagen aus, um die Schöne zu befreien. Doch alle kehrten mit leeren Händen zurück. Das Ungeheuer hatte es ohne Mühe geschafft, sie alle in die Flucht zu schlagen. Tapfer hatten sie es mit Schwert, Lanze oder Pfeilen bekämpft und sich damit seinen Zorn zugezogen. Viele von ihnen kamen schwer verwundet oder gar als Invaliden zurück. Manche tauchten gar nicht mehr auf.
Der Toten ungeachtet zogen immer neue, tapfere Männer aus. Viele von ihnen hatte Zeus persönlich für diese Heldentat aus den besten Familien erwählt, aber keiner kam mit der Königstochter wieder.
Das Volk war verzweifelt sowie auch die Eltern von Olympia. Sie beteten zu Zeus, der langsam sehr verärgert darüber wurde, dass keiner seiner ausgesuchten Krieger Erfolg hatte. Doch bisher konnte er seiner Gemahlin keinen Betrug nachweisen. Das Scheitern der Recken lag einzig und allein in der Macht und Kraft des Ungeheuers begründet, welches das Mädchen verschleppt hatte. Dies erzürnte den großen Gott umso heftiger, und er fragte sich, welchen Helden er noch aussenden konnte. Während er noch grübelte, hatte Hera unterdessen den Richtigen aufgespürt, den sie auszusenden gedachte.
Kühne Helden aus gutem Hause wurden bald rar. Bisweilen waren unter den Aufbrechenden daher auch nicht ganz so hochrangige Herrschaften.
Einer jedoch zog nicht los. Der Name des jungen Mannes war Hero. Er trug nur ein schmutziges, zerlumptes Gewand und war auf die Brotkrumen angewiesen, die ihm die Leute schenkten. Hero zog als Bettler durch das Land. Sein braunes Haupthaar war ganz zerzaust. Er hätte es nie gewagt, in die Schlacht zu ziehen, um die edle, wunderschöne Königstochter zu retten. Wie wäre er auch dazu gekommen? Schließlich war er kein Held und entstammte keinem guten Haus.
Stattdessen verdiente er sein Geld damit, die Leute mit Faxen zum Lachen zu bringen. Am häufigsten lachten sie jedoch über seine Segelohren, die ihm wahrhaft kein kühnes Erscheinungsbild verliehen. Hero selbst hielt sich für einen Narren und Nichtsnutz.
Traurig sah er zu jenen, die ohne die holde Maid zurückkehrten. Viele waren dabei nur ein Schatten ihrer selbst. Jede Hoffnung auf Rettung schien schon bald verloren. Mehr als zwei Wochen waren vergangen seit dem Verschwinden der Königstochter, und kaum jemand glaubte daran, dass Olympia noch lebte. Ganz sicher hatte das Ungeheuer sie bereits verzehrt.
Seufzend sah Hero zu einem der letzten Helden, welcher ausgezogen war, das Mädchen zu retten. Mehr tot als lebendig hing dieser im Sattel seines Gaules, welcher den Weg an diesen Ort zurückgefunden hatte. Ein alarmierter Heiler kam schnell herbei, konnte aber nur noch den Tod des Recken attestieren.
Im Stillen betete Hero für das Mädchen. Das Bild ihres schönen Gesichtes sah er vor seinem inneren Auge aufflackern und vor allem ihre mysteriös schimmernden, wasserblauen Augen. Sie hatte ihm persönlich mehr als einmal etwas gespendet, auf die Idee, sie selbst zu retten, wäre er aber nie gekommen.
Doch gerade er war es, den in der folgenden Nacht ein Traum ereilte. Er sah die Königstochter vor sich. Sie war am Leben und wartete in einer Höhle, vor dessen Eingang ein fürchterlicher Drache Wache hielt.
»Rette sie!«, flüsterte die Stimme einer Frau in seinem Traum. »Du bist ihre letzte Hoffnung! Eile dich, Hero!«
Als Hero gleich darauf erwachte, musste er lange nachdenken. Was nur hatte der Traum zu bedeuten? Völlig verstört sah er hinauf zu dem Tempel, an dessen Treppe er die Nacht verbracht hatte. Jener Schrein war Hera geweiht.
Will mich die mächtige Ehefrau des Zeus persönlich prüfen?, gingen ihm ganz abwegige Gedanken durch den Kopf. Doch ich bin schwach und arm.
Er versuchte vergeblich, das Ganze zu vergessen, denn sein schlechtes Gewissen regte sich. Schließlich hatte er nichts zu verlieren, da ihm an seinem armseligen Leben nichts lag. Zudem hatte wohlmöglich eine Gottheit zu ihm gesprochen, und er wäre der Letzte gewesen, der sich einem göttlichen Willen widersetzte.
Also fasste Hero einen Entschluss. Er packte zusammen, was ihm die Leute gespendet hatten, und machte sich auf den beschwerlichen Weg.
Kopfschüttelnd sahen die Menschen dem jungen Bettler nach. Dem Gaukler war das Gerede auf den Straßen über Mut und Heldentum wohl zu Kopf gestiegen. Den mutigsten Recken des Landes war es nicht gelungen, die Königstochter heimzubringen. Für sie stand fest, sie würden den Unglückseligen nie wieder zu Gesicht bekommen.
Hero ließ sie reden, für ihn war es zu spät, um noch umzukehren. Er war schon mittendrin im Abenteuer seines Lebens.
So betrat er mutig das Ödland, in dessen Weiten die Drachenhöhle zu finden war. Er marschierte zunächst über eine Ebene, später zwischen aufragenden Gesteinsformationen hindurch. Schreie der Wildtiere waren zu hören. Hero klapperten die Zähne, doch wie von einer himmlischen Macht beflügelt ging er weiter, Schritt für Schritt.
Dann bog er um eine Felsspitze herum, und eine schwarze Schlange kreuzte seinen Weg. Sie zischte warnend. Auch von ihr ließ er sich nicht in die Flucht schlagen. Er war schon so weit gekommen, er wollte jetzt nicht kehrtmachen. Die Königstochter war immer sehr gütig gewesen und hatte den Armen und Bedürftigen Geld gespendet.
Also packte er einen Knüppel, und als sich das Reptil drohend aufrichtete, schwang er den Ast und traf auch. Ein wenig wankte die Schlange, und Hero rannte so schnell, wie er konnte.
So sah er nicht, wie sich hinter ihm das Tier in einen Göttervater mit wildem Bart verwandelte. Leise Flüche ausstoßend rieb sich Zeus die getroffene Stirn. Zu seinem Glück hatten Unsterbliche nie lange unter Kopfweh zu leiden.
Hero atmete erst auf, als er die Felsen hinter sich gelassen hatte. Unter einem kahlen Baum hielt er kurz inne. Über ihm im Astwerk hockte eine schwarze Katze. Ihre Augen funkelten gespenstisch. Für einen Moment glaubte Hero, sie wolle ihn zur Rückkehr auffordern. Dann aber bemerkte er, dass in ihrem Blick doch eher etwas Anspornendes lag.
So zog er weiter, sich selbst einredend, dass er an seiner Aufgabe wuchs. Sein Selbstbewusstsein war bereits gestärkt. Was Hera, im Katzenpelz, mit großer Freude erkannte.
Es liegt auf der Hand, dass Zeus wiederum diese Entwicklung nur sehr widerwillig beobachtete. Bisher hatte er nur sterbliche Recken in die Schlacht geschickt. Nun aber wurde es Zeit, härtere Kaliber auszusenden, und so ließ er einem seiner vielen unehelichen Söhne eine Botschaft zukommen. Apollon hieß seine Wahl der Stunde.
Doch der Lichtgott, der berühmt war für seine Schönheit, seinen Gesang und sein Leierspiel, war trotz des ihm nachgesagten Gerechtigkeitsempfindens in Wahrheit ein ganz eitler Pfau.
Da traf es sich gut, dass die Eltern des entführten Mädchens zur selben Zeit verkündeten, sie würden dem Recken die Hand ihrer Tochter vermachen und das Königreich, der in der Lage wäre, Olympia lebend zurückzubringen.
Dies allein hätte den Gott mit den vielen Liebhaberinnen sicher nicht gereizt. Dennoch bequemte er sich zu einer Audienz mit den Sterblichen. Die Eltern fielen ihm der Länge nach zu Füßen, und als sie ihm versprachen, ihm zu Ehren einen Tempel zu errichten – größer noch als der Schrein des Zeus in der Landschaft Elis – da war Apollon endlich überzeugt.
»Sie haben richtig getan, werte Eltern! Apollon hat noch nie einen Kampf gegen ein Ungeheuer verloren!«, protzte der Held.
Und Olympias Eltern vertrauten ihm. Schließlich ging die Legende um, er hätte einst ein schreckliches Ungeheuer namens Python erschlagen.
Apollon machte sich sogleich mit seinem schneeweißen Hengst auf den Weg zu der Höhle des Untiers. Unterwegs hätte sein Gaul fast Hero umgerannt.
Nach kurzer Vorstellung gab sich der Göttersohn überaus großzügig und ließ den Sterblichen als seinen Knappen mit ihm kommen. Jener konnte sein Glück gar nicht fassen und ertrug es mit Würde, dass der Gott tagein, tagaus nur ein Thema besprach: sich selbst und seine Heldentaten. Er prahlte von einem erfolgreichen Wettkampf im Bogenschießen und davon, der Schnellste aller Läufer zu sein. Auch um den Kampf mit einer Riesenschlange Python drehte sich so manche Anekdote. Ebenso um Heldentaten an der Seite des legendären Herakles.
Doch bei all seinen Geschichten kam Apollon stets irgendwann auf eines zu sprechen: »Habe ich dieses Mädchen befreit, so werde ich endlich einen eigenen Tempel erhalten, in dem die Menschen einzig und allein zu mir beten, dem schönsten aller Götter!« Nach solch einem Ausruf gefiel es ihm jedes Mal, sich selbst zu besingen und auf der Leier zu spielen.
Hero nickte stets nur stumm und ergriffen. Sein Selbstvertrauen schwand wieder ein wenig, und er wollte alles dem Gott überlassen. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis sie endlich die Grotte des Untieres erreichten. Apollon hatte unterwegs so viel über sich erzählt, dass Hero der Kopf dröhnte.
Dort angekommen stieg der Heroe ab, putzte sich einen Fleck vom goldenen Brustpanzer, strich seinen Umhang glatt, zückte sein Schwert und trat auf den Eingang zu. »Mir nach, Knappe!«
Hero nickte nur ergeben und folgte ihm.
Gemeinsam betraten sie das Halbdunkel der Höhle. Apollon entzündete mit magischen Feuersteinen zwei Fackeln. Eine überreichte er Hero, der deutlich hörbar mit den Zähnen klapperte.
»Reiße er sich gefälligst zusammen!«, verlangte Apollon und stoppte.
Der Tunnel, in dem sie sich befanden, mündete in eine Gabelung, und just in diesem Moment war ein tiefes Grollen zu hören. Jetzt schlotterten Hero auch noch die Knie, und er sah sich nicht imstande, noch einen Schritt weiterzugehen.
»Ich gehe hier entlang, um die Königstochter aufzuspüren«, wandte sich der Held an seinen Knappen und trat in den abzweigenden Tunnel ein, aus dem das Grollen definitiv nicht gekommen war. »Und du hältst das Untier in Schach!«
Ehe Hero noch protestieren konnte, war Apollon auch schon entschwunden. Dafür ertönte aus dem anderen Gang erneut ein Knurren, und schon erschien ein ungeheuerlicher Drache von den Ausmaßen eines Elefanten.
Ganz dicht an Hero heran kam das Biest mit den drei Köpfen, die auf langen Hälsen saßen. Sechs Reptilienaugen nahmen Hero ins Visier, und Rauch stieg aus den Nüstern auf. Drohend breitete das Untier seine winzigen Flügel aus. Spitze Zähne blitzten in seinen Schnauzen, und auch die Hörner des Reptils waren sehr beeindruckend.
Hero war noch immer starr vor Schreck. Schlechter Atem schlug ihm aus den Mäulern der Bestie entgegen, und endlich gehorchten ihm seine Beine. Rückwärts stolperte er aus der Höhle wieder hinaus, doch Hydra folgte ihm.
Draußen angekommen richtete sich das mächtige, vierbeinige Tier zu seiner vollen Größe auf. Aggressiv peitschte es mit dem Schwanz umher. Hero stand vor ihm, nur bewaffnet mit einem Stock, und glaubte, sein letztes Stündlein habe geschlagen. Er zitterte vor Angst, als er unweit der Höhle Stimmen vernahm.
»Sieh an!«, raunte es, und eine schwarze Katze erschien. »So gewinnt dein Sohn also seine Schlachten – indem er andere für sich in die Schlacht ziehen lässt.«
Ein giftiges Zischen war neben dem Katzentier zu hören, wo eine mächtige Schlange das Haupt aus dem trockenen Gras reckte. »Pah!«, schnauzte Zeus. »Einen Helden kann man dieses zitternde Häufchen voll Elend auch nicht nennen! Wie soll dieses halbe Hemd das Ungeheuer besiegen? Immerhin wird es, wenn es sich an dem Bettler satt gefressen hat, träge werden, und dann wird es für Apollon ein Leichtes, die Hydra zu erschlagen – womit ich meine Wette gewonnen habe!«
»Nicht so voreilig, mein Gemahl!« List blitzte in den Augen der schwarzen Katze. »Noch ist nichts entschieden! Hero! Sieh ganz genau hin!«
Der junge Bettler hörte die Aufforderung mit halbem Ohr, und obwohl ihm der Hintern auf Grundeis ging, fasste er sich ein Herz und starrte der Bestie ins Angesicht.
Viele Spuren hatten die tapferen Kämpfer an der Hydra hinterlassen. Narben durchsetzten ihre Schuppenhaut. Ein Pfeil steckte in ihrer rechten Achselhöhle und ein abgebrochener Speer in ihrem Rücken. Geifer triefte aus ihren Mäulern, als sie langsam den Kopf senkte, bereit zuzuschlagen, machte der Winzling vor ihr auch nur eine falsche Bewegung.
Hero sah wohl, dass er diesem Widersacher im Leben nicht gewachsen war, und so ließ er die Keule fallen. Als wäre sie darüber sehr erstaunt, zog die Hydra daraufhin alle Köpfe zurück und zuckte gar merklich zusammen, als Hero einen Schritt vortrat und vor ihr auf die Knie fiel.
»Höre, mächtige Hydra!«, flehte der junge Bettler und senkte sein Haupt demütig, »verschone die Königstochter dem Volk zuliebe! Wenn sie nicht zurückkehrt, werden die Menschen ihre Hoffnung und Inspiration verlieren. Sie brauchen eine gütige Herrscherin, die ihnen Mut macht. Lass sie gehen und friss mich an ihrer Stelle!«
Die Hydra reckte ihre ohnehin schon langen Hälse, legte die Köpfe leicht schief. Vor Staunen standen ihr die Mäuler offen.
»Das ist wahrer Heldenmut!«, erklang wieder die Stimme von Hera, die der Bettler schon im Traum vernommen hatte. »Nun schließ deine Augen und sieh dann noch einmal genau hin!«
Hero gehorchte und blickte dem Ungeheuer tief in die wasserblauen Augen. Das Biest gebärdete sich nicht länger aggressiv, sondern ließ sich auf dem Bauch nieder.
In dieser Sekunde ereilte Hero die Erleuchtung, und er fuhr zusammen: »Ihr seid die Königstochter!« Seine Stimme bebte.
Der Drache stieß ein Seufzen der Erleichterung aus, denn es entsprach der Wahrheit.
»Verflucht!«, grollte Zeus im Hintergrund, noch immer getarnt als Schlange. »Das darf nicht wahr sein!«
Seine Frau lächelte nur, während sich schwarze Wolken am Himmel zusammenballten als Resultat des Zorns ihres Gatten. »Der kleine Bettler ist tapferer als deine adligen Heroen! Keiner hätte sein Leben für die Königstochter gegeben. Ihnen ging es nur um Ruhm und Prestige! Sie alle waren zu dumm, die Wahrheit zu erkennen.«
»Du hast ihm geholfen und somit betrogen!«, wetterte Zeus dagegen.
»Und du wolltest ihn als Schlange aus dem Weg schaffen!«, beschwerte sich Hera und brach just einen neuen Ehestreit vom Zaun.
Schon fegten heftige Windböen über das Land, Donner grollte, Blitze zuckten, und es begann, in Strömen zu regnen.
Von all dem ließ Hero sich jedoch nicht ablenken, denn vor seinen Augen ereignete sich etwas noch viel Unglaublicheres: Gerade verwandelte sich die Hydra in die wunderschöne Königstochter. Sie war unverletzt und klimperte kokett mit den Wimpern. Der Bettler gefiel ihr, trotz seines abgerissenen Äußeren und der Segelohren.
»Ich bin erlöst!«, rief Olympia aus. »Wie viele Recken wollten mich töten, und wie viele habe ich in Notwehr geschlagen! Doch nun hat der Fluch ein Ende gefunden, oh, ich danke dir, Knabe!«
Hero, der sein Glück noch gar nicht fassen konnte, stand nur da und kratzte sich vor lauter Verlegenheit am Hinterkopf. »Nicht der Rede wert, Hoheit. Ihr wart gut zu mir …, es wurde Zeit, sich zu revanchieren.«
Seine Bescheidenheit gefiel ihr umso mehr, und sie reichte ihm ihre Hand: »Kehre mit mir zurück an den Hof meines Vaters! Von nun an wirst du nie wieder arm sein.«
Unbeachtet von den beiden fuhr soeben Zeus als Blitz in den Himmel hinauf, um auf seinen Olymp zurückzukehren. Den Disput mit Hera wollte er dort fortsetzen. Doch seine Frau hatte ganz andere Pläne.
»Was ist hier los?« Apollon erschien aus der Dunkelheit der Höhle. »Wo ist die Königstochter?«
Genau in dieser Sekunde erblickte er Olympia, die vor Dankbarkeit Hero hingebungsvoll küsste. Das trieb dem Schönling die Zornesröte ins Gesicht.
»Ich bin der Heroe! Mir gebührt die Königtochter, und auf meinen Tempel werde ich nicht verzichten!«, drohte er.
Er zückte sein Schwert und richtete es auf den entsetzten Hero. Olympia begann, in Hysterie zu schreien, als der Lichtgott die Waffe schwang und den Bettler nur um ein Haar mit der Klinge verfehlte.
»Nur die Götter können