Ein Pilzfreund erzählt: Mit Illustrationen von Gertrud Zucker
Von Gerhard Kurenz
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Buchvorschau
Ein Pilzfreund erzählt - Gerhard Kurenz
Gerhard Kurenz
EIN PILZFREUND ERZÄHLT
Mit Illustrationen von Gertrud Zucker
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2014
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Copyright (2014) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Illustrationen © Gertrud Zucker
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
www.engelsdorfer-verlag.de
Inhalt
Cover
Titel
Impressum
Vorwort
Ich sehe eine Rotkappe
Eine angenehme Überraschung
Der Tod der Rotkappe
Kommen und Gehen
Auf vier Rädern
Fröhlicher Marsch
Nachtjagd
Pilzriesen
»Heimsuchung«
Auf Wiesen und Weiden
Tschernobyl und riesige Riesen
Eine gefährliche Verwechslung
Das herrlich duftende Pilzgericht
Der Zweifel
Vorsicht Pilze!
Konsalik
»Rothädl« und »Graspilz«
Man lernt nie aus
Vorsicht Wildschweine!
Schlangen
Verstrickungen
Hoffen und Harren
Auf der Flucht
Tierbeobachtungen
Die verschmähten Pilzschnitzel
Trüffeln auf der Spur
Wo Hexen und Elfen tanzen
Schöner grüner Wald
Endnoten
Vorwort
Der Titel sagt schon: Dies ist kein »Pilzbuch«. Ein paar Betrachtungen über Lebensbedingungen und -äußerungen der Pilze unserer Heimat, über den Umgang mit ihnen bis hin zu ihrer Verwertung erschienen mir unumgänglich. Sie stützen sich auf belegbare Quellen, doch wissenschaftlichen Anspruch erheben sie nicht. Ich wollte vor allem über meine Pilzwanderungen und - jagden berichten und erzählen, was mir und meinen jeweiligen Begleitern dabei an erhebenden, freudigen und schrulligen, aber auch spannungsgeladenen und nicht ganz ungefährlichen Ereignissen und Begegnungen beschert war. Ich bin sicher, dass manche Leserin, mancher Leser bei der Lektüre an eigene Erlebnisse erinnert wird und viele interessante Beiträge aus eigenem Erleben hinzufügen könnte.
Gerhard Kurenz, Bad Saarow, 2014
Ich sehe eine Rotkappe
Ich war mit meiner Familie zum Pilzesuchen hinausgefahren. Als ich den Wagen auf »unserem Parkplatz« am Birkenwäldchen bei Potthagen abgestellt hatte, quoll die Kinderschar lärmend ins Freie. Es war Sonntag, nicht nur dem Kalender nach: eine warme, atmende Erde, eingehüllt von würziger und klingender Luft, über allem ein herrlich blauer Himmel mit reinweißen Schäfchenwolken und Sonnenstrahlen wie gleißendes Gold – ein wahres Paradies. Kein Wunder, dass uns der Übermut packte. Auch mir saß der Schalk im Nacken, als ich rief: »Ich sehe ein Rotkappe!«
Da hörten sie auf, sich und die Grashüpfer zu haschen und starrten mich an. Ich wies auf einen etwa fünfzehn Schritt entfernten Baum am Rande des Wäldchens und beteuerte: »Da, unter dieser Birke!«
Während die anderen hinübersahen und, weil sie nichts entdecken konnten, unschlüssig verharrten, stürmte mein Ältester mit ein paar Sprüngen auf die Birke zu. Wir sahen ihn im Erdreich herumfingern. Was genau geschah, war nicht auszumachen, doch schon bald erkannten wir in der erhobenen Rechten des Jungen ein Prachtexemplar von einer Rotkappe. Als ich nach Sekunden der Sprachlosigkeit erklärte, dass ich nur geblufft hatte, wollte mir niemand glauben. Vor allem der glückliche Finder, der im blinden Vertrauen auf »Vaters Pilzauge« losgerannt war und sich darin bestätigt fühlte, war nicht leicht zu überzeugen. Ich musste hoch und heilig schwören, die Rotkappe vorher nicht gesehen und gleich gar nicht vorher dort unter dieser Birke eingegraben zu haben.
Wenig später sollte sich ein ähnliches Geschehen abspielen. Ich hatte einen pilzunkundigen Bekannten und dessen Sohn Steffen mit in den Wald genommen. Der Vater wollte unbedingt selbst ein paar Steinpilze finden, um sie anschließend zu trocknen und zum Würzen von Saucen zu verwenden.
Steffen, damals fünf oder sechs Jahre alt, folgte mir in der Dickung auf Schritt und Tritt, fand wohl auch hin und wieder einen Pilz, den er mir zur Prüfung vorzeigte, doch die ersehnten Steinpilze blieben aus, und der Junge wurde missmutig. Vielleicht wollte ich ihn nur aufmuntern, vielleicht erfüllte mich auch ein hoffnungsfrohes Ahnen, als ich vorschlug: »Legen wir uns doch einmal hin, hier müssen doch welche stehen!« Wer zuerst unten war, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich nur, dass wir, auf dem Boden liegend, ein Bild gewahrten, das uns für eine Weile die Sprache verschlug: Unter einer nahen Baumgruppe präsentierte sich uns eine reichliche Handvoll wunderschöner Steinpilze. Der schallende Kommentar von Steffen: »Papa, hinlegen musst du dich!«
In diesem Moment war der Junge wohl ernstlich davon überzeugt, dass man Steinpilze im Liegen sucht. Wir zwängten uns durch dichte Baumzeilen zum Standort und ernteten unseren Fund, alles kräftige, gesunde Pilze. Glücklicherweise verlief unsere Suche fortan auch im aufrechten Gang so erfolgreich, dass ich nicht noch einmal mit Steffen zu Boden gehen musste.
Der Vater hatte seine Pilze zum Trocknen. Der Sohn hatte eine interessantes Erlebnis, ich konnte helfen. Alle waren zufrieden.
Es war das einzige Mal, dass uns mein Bekannter in den Wald begleitete. Er kaufte sich, wenn er nicht von uns ein paar abbekam, seine Trockenpilze wieder im Laden. Steffen hat die Episode sicher schnell vergessen. Er ist, soviel ich weiß, kein Pilzfreund geworden.
Eine angenehme Überraschung
An mehr oder weniger guten Bekannten, die zu einer Pilzwanderung mitgenommen werden möchten, fehlt es dem erfahrenen Pilzfreund kaum. Deren Motive können weit auseinander liegen: den einen geht es um den Einmaleffekt, ein paar selbst gesuchte Pilze heimzuholen, die anderen wollen auf Dauer Nutzen ziehen. Letztere sind potenzielle Konkurrenten. Also muss man sich die Bittsteller genauer ansehen und mögliche Folgen überdenken, ehe man ihrem Drängen nachgibt.
In unsere Einrichtung kam eines Tages von weither ein neuer Mitarbeiter, der mich, nachdem ihm mein Ruf als Pilzfan zu Ohren gekommen war, geradezu bestürmte, ihm »auf die Sprünge zu helfen«. Das war so ein Potenzieller. Obwohl ich das erkannte und Nachteile voraussah, konnte ich ihn aus Höflichkeitsgründen nicht abwimmeln. Dass er mir in der Folgezeit nicht ins Gehege kam, lag daran, dass er das von mir ausgewählte Gebiet in einem Waldmassiv bei Hanshagen später allein nicht wiederfand. Bald hatte er seine eigenen Reviere abgesteckt.
Also fuhren wir mit Wagen bis zu einem Wegekreuz, wo ich jedes Mal parkte, stiegen aus und schlugen die von mir bevorzugte Route ein, die mehrere hundert Meter durch lichten Kiefernhochwald führte. Die Suche war mühelos, unsere Körbe füllten sich zusehends vor allem mit jungen, kräftigen Maronenröhrlingen. Mein Begleiter ließ seiner Begeisterung freien Lauf, während in mir der Gedanke Gestalt annahm,