Lebendige Vergangenheit der Familie meiner Großmutter Buch 4: Leben in dunklen Zeiten
Von Brigitte Klotzsch und Uwe von Stosch
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Über dieses E-Book
Nach weiteren schweren Jahren begannen erst mit der Übersiedlung Lieses zu ihrer Schwester und ihrem Schwager nach Niederaudorf 1949 wieder hellere Zeiten.
Ihr Sohn Jochen begegnete seiner Gertrud, und Lieses neues Leben an der Seite ihrer Schwester Maritta wurde 1953 mit der Geburt ihrer ersten leiblichen Enkeltochter Brigitte gekrönt.
Brigitte Klotzsch
Brigitte Klotzsch: 25 Jahre war Brigitte Klotzsch Lehrerin für Biologie und Chemie. Sie lehrte mit Begeisterung Biologie. Dabei lag es ihr am Herzen, dass die Kinder die Jahreszeiten nicht nur vom Kalender her kannten, sondern anhand der Zeichen in der Natur. Seit 1999 ist sie Heilpraktikerin für Homöopathie. In der Zeit gab sie Kreativ-Kurse. Seit 2004 behandelt sie nachmittags Patienten und malt und schreibt vormittags Kinderbücher und Biografien und Bilderbücher für Erwachsene. Sie machte mit ihrem Mann zusammen aus einigen ihrer Bücher Papiertheater-FIlme. Brigitte hat zwei Söhne und vier Enkelkinder.
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Buchvorschau
Lebendige Vergangenheit der Familie meiner Großmutter Buch 4 - Brigitte Klotzsch
Inhaltsverzeichnis
1. Politik ist nichts für Frauen! (Oktober 1933)
2. Du warst beliebter! (November 1933)
3. Der Sturz (Juni 1934)
4. Der Brunnen und Jojo (August 1934)
5. Der Herr Hitler hat keine schöne Nase! (August 1934)
6. Wer soll sterilisiert werden? (Mai 1935)
7. Muschi war wie ihr gemeinsames Kind (Januar 1936)
8. Wir hatten uns für Opern entschieden! (März 1937)
9. Das neue Fahrrad für Jochen (Juni 1937)
10. Die Diva (Juli 1937)
11. Wir holen Löwenmäulchen (August 1937)
12. Vertreib dir die krausen Gedanken (November 1937)
13. Sie hatte ihr Herz an dieses Haus verloren (Januar 1938)
14. Wie zahlen wir denn das Haus? (Februar 1938)
15. Maritta biss herzhaft in ein Röstebrot (Mai 1938)
16. Sie sind so eine gute Köchin und ich so eine miserable! (Mai 1938)
17. Bratkartoffeln von der Frieda (März 1939)
18. Du sollst nicht so sorgenvoll gucken! (15. September 1939)
19. Rutschige Wege (November 1939)
20. Was soll nur mit Jochen werden? (April 1940)
21. Sie sollte dankbarer sein! (Juni 1941)
22. Hin und hergerissen (Juni 1941)
23. Die Verteidigung hinter den feindlichen Linien (August 1942)
24. Das brauche ich mir nicht bieten zu lassen! (November 1942)
25. Zerrissen (August 1943)
26. Liese ist neugierig (12. August 1943)
27. Die Tötungslawine (August 1943)
28. Aber Erich, wenn es doch stimmt? (12. August 1943)
29. Ich mag meine Graupensuppe nicht, nein! (August 1943)
30. Frau Nehrkorn hat eine Idee (5. September 1943)
31. Das würde Gott nicht zulassen (7. September 1943)
32. Frauen sind anders (10. September 1943)
33. Hätte sie sich doch mit der Anne ausgesöhnt! (Dezember 1943)
34. Nichts als dumme Gedanken! (Mai 1944)
35. Die entsetzliche Fahrt nach Göttingen (Juni 1944)
36. Ausgeliefert (Juli 1944)
36. Ach hätte ich ihn hierbehalten! (September 1944)
37. Kartoffelsuppe (Juli 1945)
38. Opium für den Erich (Juni 1945)
39. Wir haben alle weggesehen! (Oktober 1945)
40. Der König geht, es lebe die Königin (Dezember 1945)
41. Vollkommen überdreht! (Juli 1946)
41. Lieses Genesung (2. März 1949)
42. Die Befreiung (3. März 1949)
43. Klein-Ditte (Juni 1954)
Liebe Großmutti, Herkenrath 2017
Brief an Maritta Herkenrath, 2017
Lieber Großvater Erich! Herkenrath, 2017
Epilog
Aus der Chronik meines Bruders Uwe:
Liese und Marittas Leben von 1933 bis 1954.
Marittas Leben mit Paolo in der Nazizeit 1933-1939
1935 haben Paolo und Maritta Berlin verlassen und sind nach Niederaudorf in das Haus Sonnenbichl Oberbayern gezogen. Sie mieteten zunächst das Haus. Paolo war alleiniger Musikreferent der Deutschen Zeitung, die Ende 1934 vom Völkischen Beobachter geschluckt worden war.
1938 kaufen sie das Niederaudorfer Haus.
Am 22.04.1938, anlässlich des gerade zurückliegenden 10. Hochzeitstages, schreibt Paolo zunächst:
Wenn ich jetzt 10 Jahre zurückdenke, so habe ich ein Recht zu sagen, dass alle die lieben und zärtlich besorgten Verwandten, die mir seinerzeit mit mangelndem Verständnis, Misstrauen und sogar ausgesprochenem Übelwollen gegenübertraten, Dittchen auf das Schlechteste beraten haben und sie um ein Haar um ihr ganzes Lebensglück gebracht hätten!
Das Niederaudorfer Haus wird für viele Jahre eine große Bedeutung für die ganze Familie und die Enkel bekommen.
1933-1954 Lieses Leben als Mutter, Stiefmutter und Ehefrau in der Nazizeit, im 2. Weltkrieg und der Zeit danach… und der Geburt des ersten Enkelkindes
1935 wurde das „Blutschutzgesetz in Nürnberg beschlossen. Danach war Liese „Mischling 1. Grades
. Zu diesem Zeitpunkt hätte sie keinen „Arier" mehr heiraten dürfen. Da die Heirat aber 1928 war, war sie durch Erich vor Verfolgung geschützt. Jochen war ein Mischling 2. Grades mit mehr Rechten.
Jochen wurde aber zunächst nicht in die Hitler – Jugend aufgenommen.
Paolo schrieb an Liese am 26.11.1938: Ich selber habe es an (nur allzu berechtigtem) Pessimismus nie fehlen lassen und habe auch in der Sache mit der Hitler – Jugend für Jojo von Anfang an schwarz gesehen, habe dann aber später doch geglaubt, dass beim Sohn eines amtierenden Landrats keine Schwierigkeiten gemacht werden würden. Aber man kann den Brüdern ja nicht über den Weg trauen. In ihrer sturen „Konsequenz der „Auskämmung
stellen sie eben jeden Rekord auf und „im Zuge" dieser Entwicklung werden auch Menschenherzen zertreten, darauf kommt gar nichts an.
Fotos aus dem Jahr 1939 belegen, dass Jochen dann doch vorübergehend in der Hitler- Jugend aufgenommen worden ist.
Weihnachten 1943 starb Anne von Stosch bei der Geburt ihres zweiten Kindes
Anfang 1944: Kinderlandverschickung Jochens
Jochen wurde für mehrere Monate nach Köthen zur Kinderlandverschickung geschickt. Über diese Zeit sprach er später niemals in seinem Leben.
Im Juli 1944 ging Erich in Pension
Juni bis Oktober 1944: Jochen in der Psychiatrie in Göttingen
Liese an Barbara August 1945: „Wenn ich an die Zeit vor einem Jahr denke, dann kommt sie mir wie ein furchtbarer Traum vor Jede Woche mache ich in Gedanken die Reise nach Göttingen wieder durch, es war zu schwer!"
Jochens Glück war, dass der Leiter der Anstalt in Göttingen Prof. Ewald war. Er berief sich als einziger führender Psychiater auf sein „ärztliches Gewissen", als die Ärzte für ein Gesetz zur Vernichtung lebensunwerten Lebens eingestimmt werden sollten.
Januar 1946 stirbt Erich an einer Überdosis Opium
Maritta: „Erich hatte in den letzten Jahren so schreckliche Magen- und Darmschmerzen, dass es nicht auszuhalten war. Er nahm eines Nachts so viel Opium, dass selbst das Auspumpen des Magens nicht mehr half."
Von August 1946 bis Anfang 1947 war Jochen in der Psychiatrie in Uchtspringe und danach in Berlion-Weißenseee
Schwere Krankheit Lieses 1948 bis Pfingsten 1949
Jochen an Maritta am 1948: Mutti geht es unverändert sehr schlecht. Heute ist schon der 10. Tag, an dem sie über 40 Grad Fieber hat. Wir sind alle sehr in Sorge. Ich würde dir raten, möglichst bald herzukommen, denn es wäre sicher sehr gut für Mutti, wenn sie dich hier wüsste."
Aus Marittas Memoiren:
Nach Pfingsten 1949 konnte ich nun endlich an die Heimfahrt denken, aber natürlich nur mit Liese, denn so schwach, wie sie war, konnte ich sie nicht allein zurücklassen…Hin hatte Jobst mich ja von Göttingen aus nachts schwarz über die Grenze gebracht, aber so elend Liese noch war, konnte man natürlich an so etwas nicht denken. So musste ich natürlich dafür sorgen, dass Liese alle Papiere vorschriftsmäßig beieinander hatte, weshalb ich 4 Wochen lang jeden Vormittag von Behörde zu Behörde lief. Als ich glaubte, alles richtig erledigt zu haben, ging ich zur russischen Botschaft, um mir den Interzonenpass ausfertigen zu lassen. Der Pass war auch schon in der Maschine, woraufhin mich die sehr freundliche Dame nach Liesens Personalausweis fragte, den ich ihr nicht vorweisen konnte, weil die Personalausweise während Liesens schwerer Erkrankung erneuert worden waren, und sie noch so schwach war, dass sie nicht einmal eine Unterschrift zustande gebracht hätte. Nun musste sie im Bett photographiert werden, und als ich die Bilder abholte, zeigte man mir eine Unmasse Bilder von lauter Insassen eines Altersheimes, die alle wie „unbekannte Leichen" aussahen. Gottlob fand ich sie aber heraus, obwohl sie genauso schrecklich aussah, wie die anderen. Nun ging ich stolz zum Landratsamt, um mir den Personalausweis stempeln zu lassen, woraufhin sie mir einen Haufen von etwa 300 Personalausweisen zeigten, die sie nicht erledigen konnten, weil der Stempel schon seit 3 Wochen kaputt sei. Tableau. Da kam Jochen auf den glorreichen Gedanken, dass Blankenburg denselben Stempel habe, worauf ich mich sofort nach Blankenburg aufmachte. Dort meinte die Dame nun, sie könne den Stempel doch nicht blanco machen, worauf ich fassungslos in Tränen ausbrach, was die Dame veranlasste, mit Berlin zu telefonieren, wo man bereit war, eine Ausnahme zu machen, und mir den Stempel blanco gab.
Triumphierend legte ich nun meinem „speziellen Freund (ich glaube er hieß Busen, jedenfalls nannte ich ihn in meinen Gedanken immer meinen „Busenfreund
) den Personalausweis mit dem Stempel vor (er sagte: „Sind Sie schon wieder da?"). Daraufhin sah er sich die Papiere alle noch einmal durch, es waren 7 Stück, und wegen des einen war ich von früh 7 Uhr bis nachts 12 Uhr nach Halberstadt gefahren…
Mit einem Male sagte er: „Und wo ist das polizeiliche Führungszeugnis? Woraufhin ich antwortete: „Ach so! Sie meinen die Landratsfrau hat silberne Löffel gestohlen? Das Polizeirevier in Berlin, wo sie zuletzt vor 21 Jahren war, ist ausgebombt! Die Papiere sind also nicht mehr vorhanden.
Aber er bestand darauf, dass ein Führungszeugnis herbeigeschafft werden müsse. Meinem Schwager, dem inzwischen verstorbenen Landrat, würde er sowieso keinen Interzonenpass ausstellen. Nun war ich am Ende. Der nette Herr Flesch, war, wie ich wusste, auf Urlaub (er arbeitete am Rathaus und hatte mir schon aus vielen Nöten geholfen), aber Gottlob nicht verreist. Da nahm ich mir ein Herz und besuchte ihn in seiner Privatwohnung, mich vielmals entschuldigend, dass ich ihn nicht einmal im Urlaub Ruhe ließe, woraufhin er antwortete: „Aber Frau Zschorlich! Für Sie 3 Tage barfuß!" So ging er dann auch am nächsten Tag mit mir auf die russische Botschaft, zeigte den nun vollständigen Personalausweis (zur Unterschrift wurde ein Polizeibeamter extra … gerufen und mit einer besonderen Tinte an Liesens Bett beordert) und all die vielen Ausweise, und da bemerkten die Leute gar nicht, dass das polizeiliche Führungszeugnis fehlte. Ich hätte Herrn Flesch direkt umarmen können…
Nun übersetzte er mir noch in Russisch alles, was Liese an Bettwäsche, Silber etc. mitnehmen wollte, denn er meinte, das sei erlaubt. Nachdem wir durch Lotte Heim ein Auto bekommen hatten, das uns nach der Grenze brachte, landeten wir also glücklich daselbst. Aber dort oben hieß es nun plötzlich: Bettzeug und Silber dürfe Liese nicht mitnehmen. Es wurde noch Berlin angerufen,