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Mit Liebe Lernen: Eine nachhaltige und kybernetische Auseinandersetzung mit dem Leben
Mit Liebe Lernen: Eine nachhaltige und kybernetische Auseinandersetzung mit dem Leben
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eBook439 Seiten4 Stunden

Mit Liebe Lernen: Eine nachhaltige und kybernetische Auseinandersetzung mit dem Leben

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Über dieses E-Book

Die Menschheit steht vor einer großen Herausforderung. Sie muss sich neu erfinden und lernen, wie sie nachhaltig in einer gemeinsamen Welt leben kann. Das erfordert vor allem eines: das Wissen darüber, wie sie das erlernen und folglich tun kann.
Ausgehend von einer kybernetischen Perspektive zeigt Markus Messerschmidt in dieser wissenschaftlichen Arbeit, dass sich nachhaltige Veränderungen ausschließlich in der nichttrivialen Auseinandersetzung des Menschen mit sich selbst konstituieren: Mit Komplexität, Emotionen und Gefühlen konfrontiert findet der Mensch sich als Beobachter seines eigenen Zustandekommens wieder und vermag sich ausgehend hiervon zu verändern.
Markus Messerschmidt beantwortet so auf bemerkenswerte Weise, wie Lernen gestaltet werden kann, so dass der Mensch, bzw. die Menschheit, sich nachhaltig "unverändert verändert" in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wiederfinden kann.
Der Leser wird in ein Erlernen des Erlernens begleitet - in ein kybernetisches Bewusstsein.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum27. Nov. 2017
ISBN9783746001739
Mit Liebe Lernen: Eine nachhaltige und kybernetische Auseinandersetzung mit dem Leben
Autor

Messerschmidt Markus

Markus Messerschmidt erforscht und erfindet eine Wirklichkeit, die das nachhaltig Mögliche aufzeigt und erfahrbar macht. In einem solchen Tun verändert er die Welt. Besonders interessieren ihn evolutionäre Lernformen, bzw. das Lernen von und mit Emotionen und Gefühlen. Markus Messerschmidt ist Kybernetiker, Meditationslehrer und Gründer der Schule des Lebens Österreich.

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    Buchvorschau

    Mit Liebe Lernen - Messerschmidt Markus

    war«."

    1 Einleitung

    Die Menschheit steht vor einer großen Herausforderung: sie muss sich neu erfinden und lernen wie sie nachhaltig in einer gemeinsamen Welt leben kann. Das erfordert vor allem eines: das Wissen darüber, wie sie das erlernen und folglich tun kann. Diese Arbeit versucht jenen Prozess des Lernens oder genauer des Erlernens des Lernens mit Hilfe der Kybernetik darzustellen. Es soll ein „Werkzeug zum Denken" – ein konkretes Bewusstsein beschrieben werden,

    das zu nachhaltigem Tun befähigt

    und anleitet, wie jenes Bewusstsein erreicht oder besser erlernt werden kann.

    Das Denken in Kybernetik ist auf diese Weise immanenter Bestandteil dieser Arbeit – mit Hilfe diesem ein Denkgebäude entworfen wird, das den Leser im Erlernen eines „Denkens des Erlernens" bzw. dem Erlangen eines kybernetischen Bewusstseins begleiten soll.

    Das Phänomen des Lernens kann aus zahlreichen Perspektiven beschrieben werden. So gibt es Ansätze aus der Psychologie, der Soziologie, der Philosophie, der Pädagogik etc. Die in dieser Arbeit gewählte kybernetische Perspektive spielt in jenen Wissenschaftsdisziplinen jedoch kaum eine Rolle. Noch weniger findet die Kybernetik im Zusammenhang mit den neuesten Erkenntnissen aus den Kognitions- und Neurowissenschaften Erwähnung, um menschliches Lernen zu beschreiben. Ausgehend von „Schlüsselwerken" der Systemwissenschaften von u.a. Gregory Bateson, Warren S. McCulloch, Humberto R. Maturana, Francisco J. Varela, Heinz von Foerster wird jenes Modell des Lernens entworfen, das den („kybernetischen") Prozess des Lernens beschreibt. Dabei hat diese Arbeit nicht den Anspruch die Historie der Kybernetik wiederzugeben, was den Leser (aufgrund des Umfangs und der unterschiedlichen semantischen Herangehensweisen) nur verwirren würde. Sie versucht vielmehr aus der umfangreichen Literatur das aufzugreifen, was den Prozess des Lernens des Menschen darzustellen vermag und verweist an passender Stelle auf den Ursprung der Gedanken.

    1.1 Inhalte der Arbeit

    Ausgangspunkt der Darstellung ist die Arbeit von Maturana und Varela (2012): Dabei wird besonders auf das Buch „Der Baum der Erkenntnis" Bezug genommen. Ausgehend von diesem, werden in Kap. 2 Prinzipien des Denkens in Kybernetik (Zirkularität, Autopoiesis etc.) formuliert und mit den Arbeiten von McCulloch, Bateson, von Foersters etc. verknüpft. Jene Überlegungen stellen den Beobachter in den Mittelpunkt der Erkenntnis, der über sein Tun subjektiv eine Vorstellung von dem gewinnt, was allgemein als Leben bezeichnet wird.

    In Kap. 3 wird gezeigt, dass eine sich auf diese Weise erschließende Vorstellung – eine Idee des Beobachters von Realität – Ergebnis der Rekonstruktion von Realität ist, aus der sich auf rekursive Weise die Wirklichkeit des Beobachters immerwährend neu ausformt und in und durch die Sprache zum Ausdruck kommt¹. Es wird auch gezeigt, dass dadurch – durch ein „Gemeinsam-in-der-Sprache-Sein" – Wirklichkeit bzw. die Idee von Realität zu einem sozial geteilten Phänomen wird, welches durch das Symbol sozial bindend und ethisch verpflichtend zum Ausdruck kommt. Um darauf dezidiert eingehen zu können nimmt die Arbeit Bezug auf Literatur der Kommunikationswissenschaften. Unter anderem auf das Buch „Die vermittelte Welt" von Bernhard Pelzl (2011), das Mechanismen zwischenmenschlicher Vermittlungsprozesse beschreibt.

    In Kap. 4 und Kap. 5 werden u.a. die Möglichkeiten erläutert, den Mensch als „kybernetisches System" zu denken. Es wird die Kybernetik als Logik zur Beobachtung sichtbar, welche beschreibt, wie das eine Beobachtete (nämlich Leben) auf ein Ziel zusteuern kann, das es selbst determiniert. Der Mensch erscheint dabei als „Informationssystem" das auf Basis der logischen Operatoren der Unterscheidung und der Entscheidung bzw. auf Basis des Prinzips der Resonanz steuert. Desweiteren werden dessen prinzipielle Möglichkeiten erläutert, sich in Zielen – seinen Bedürfnissen – lernend wiederzufinden und sich für diese zu entscheiden.

    Von Kap. 6 ausgehend wird erläutert, wie der Prozess des Lernens des „kybernetischen Systems Mensch"

    als subjektiver, individueller und rekursiver Prozess,

    als integrierter Bestandteil von sozialer Interaktion,

    als eine individuelle Ethik konstituierend,

    und zu Nachhaltigkeit führend,

    gedacht werden kann. Die Darstellung dessen erfolgt im Rahmen des von Bateson (1994) in „Ökologie des Geistes" beschriebenen „vier-Stufenmodell des Lernens. Es beschreibt formal den rekursiv organisierten individuellen Prozess des (kybernetischen) Lernens (aus dem sich die Wirklichkeit des beobachtenden Menschen ausformt) auf den Ebenen von „Lernen null, „Lernen I, „Lernen II, „Lernen III und „Lernen IV. Diese „Lernformen werden wiedergegeben und mit Literatur aus den Wissenschaftsdisziplinen der Pädagogik, der Entwicklungspsychologie und der Neuro- bzw. Kognitionswissenschaften erweitert. Auf diese Weise wird diese Arbeit einem interdisziplinaren Verständnis gerecht, das der Kybernetik „innewohnt und diese mit „Inhalt ausstattet. Dem entsprechend wird in dieser Arbeit ein „Werkzeug zum Denken – ein konkretes kybernetisches Bewusstsein dargestellt.

    Darin erschließt sich, so wird gezeigt, eine „ethische Konsequenz", die Nachhaltigkeit einfordert, welche aus der konzeptuellen Unterscheidung des trivialen und des nichttrivialen Denkens hervorgeht und zugleich zu einer notwendigen Unterscheidung von Moral und Ethik führt. Um dies zu erläutern wird u.a. auf „Understanding Understanding und „KybernEthik von von Foerster (2003 und 1993) eingegangen. Der kybernetische Prozess des Lernens bzw. die darin enthaltene ethische Konsequenz ist eng verbunden mit dem Aspekt der Nachhaltigkeit: einer Nachhaltigkeit „erster und „zweiter Ordnung, welche es dem Mensch bzw. der Menschheit ermöglicht, sich nachhaltig (unverändert verändert) immerwährend neu zu erfinden. Jene Zusammenhänge – die Idee einer „kybernetischen Nachhaltigkeit" – wird in Kap. 7 erläutert.

    Die nachhaltige lernende Auseinandersetzung des Menschen mit sich selbst bedeutet auch immer eine Begegnung mit dessen Emotionen bzw. Gefühlen: mit unangenehmen, wie auch angenehmen Empfindungen –mit Ängsten, mit Wut und mit Trauer, aber auch mit Freude, einem empfinden von Glück und das verspüren von Liebe. Jene Mechanismen des Lernens bzw. die für den Menschen sich darbietenden Möglichkeiten des Lernens mit und über Emotionen bzw. Gefühlen werden über eine „psychophysiologische Perspektive" dargestellt. Dabei wird u.a. auf „Biologische Psychologie" von Niels Birbaumer und Robert F. Schmidt (2006), auf „EQ: Emotionale Intelligenz" von Daniel Goleman (2011), auf „Alles fühlt: Mensch, Natur und die Revolution der Lebenswissenschaften" von Andreas Weber (2014) Bezug genommen. Es wird ersichtlich, das sich der Lernende Mensch im Fühlen bedingt: Lernen bedeutet Fühlen. Jener Zusammenhang wird ausführlich in Kap. 6.3 erläutert und findet sich selbstähnlich angewandt in den darauf folgenden Kapiteln wieder.

    Diese Arbeit ist in diesem Sinn in der Kognitionswissenschaft beheimatet und versucht, die „Frage des Seins (der Ontologie), und die „Frage des Ziels (der Teleologie bzw. Teleonomie²) umfassend zu vereinen und zu lösen. Gerade durch die Bezugnahme der erwähnten Literatur soll das Modell des Lernens anschaulich, nachvollziehbar bzw. nutzbar beschrieben werden und theoretisch validiert werden. Von der kybernetischen Konzeption ausgehend sollen die folgenden Forschungsfragen beantwortet werden: Was ist lernen? Wie lernt der Mensch?

    Mit dem „Praxiskapitel" 8 wird die Absicht verfolgt, zu untersuchen, inwiefern das dargestellte kybernetische Modell von Lernen verallgemeinert werden kann. Hierzu wird auf „Reinventing Organizations" von Frederic Laloux (2015) Bezug genommen, welcher empirisch Strukturen, Prozesse, Praktiken und Kulturen zukunftsweisender „evolutionärer" Organisationen (Wirtschaftsunternehmen, gemeinnützige Organisationen, eine Schule etc.) untersucht und in der Konzeption eines evolutionären Bewusstseins zusammenfasst. Die weitere praxisorientierte Ausarbeitung des Phänomens Lernen erfolgt in der Auseinandersetzung mit Sandra Krautwaschl. Sie hat nach der Premiere des Kinofilms „Plastic Planet von Werner Boote gemeinsam mit ihrer Familie beschlossen fast ohne Plastik zu leben. Das „Experiment dauert mittlerweile seit dem Jahr 2009 an und hat das Leben von Frau Krautwaschl und ihrer Familie auf bemerkenswerte Weise nachhaltig verändert. Bezugnehmend auf das von Krautwaschl (2012) veröffentlichte Buch „Plastikfreie Zone: Wie meine Familie es schafft, fast ohne Plastik zu leben", der Homepage „http://www.keinheimfuerplastik.at/" und einem geführten Interview (siehe Anhang 11.4; B4) wird untersucht,

    inwiefern formulierte Ziele erreicht wurden und werden

    und wie das Lernen gemeinsam im Familienverbund gelungen ist.

    Um nachhaltige päd-(agogische) Aspekte des Lernens zu untersuchen werden Konzepte des Lernens, wie auch praktische Erfahrungen des Lernzentrums des Colearning Wien (2016) untersucht. Dessen im „Selbstexperiment angewandte und erforschte (Päd-)Agogik findet sich im Versuch wieder, „natürliches Lernen mit „bildendem Lernen und deren praktischen Anwendung zu verbinden. Vor allem durch geführte Interviews (siehe Anhang 11.4; B1, B2, B3) mit den Gründern des Colearning Wien soll das Phänomen der Nachhaltigkeit von Lernen in der Pädagogik untersucht werden. Bedeutend hierbei ist die Sichtbarmachung der Antworten auf die Frage, wann Information bzw. Wissen „lebendig wird, also Wissen zu nachhaltigen Entscheidungen und nachhaltig veränderten Verhalten führt.

    Diese Arbeit stützt sich im Zuge dessen auf eine umfassende Literaturrecherche (Quellen untersuchende Methode). Diese werden mit Interviews und Informationen aus Praxisbeispielen (empirische Methode), sowie mit Wissen aus anderen Disziplinen zusammengeführt (zusammenfassende Methode). Auf Basis dessen werden Möglichkeiten zur Verallgemeinerung erarbeitet und ein theoretisch/philosophisches in der Praxis anwendbares Modell des kybernetischen Lernens des Menschen entworfen.

    Das in dieser Arbeit konstruierte Denkgebäude des kybernetischen Lernens des Menschen ist, so wird gezeigt werden, Ausgangspunkt einer Sinn machenden Auseinandersetzung mit der Auseinandersetzung mit dem Leben. Aus einer solchen „Auseinandersetzung zweiter Ordnung gehen nicht nur die der Kybernetik innewohnenden Ideen von „Zirkularität und „self-correction" hervor, sondern es werden auch mit Sinn die Begrifflichkeiten des „Selbst-bewusst-Seins, der „Selbst-Verantwortung und der „Selbst-bestimmt-heit erläutert – „in denen der Mensch auf die Prozesse seines eigenen Zustandekommens zurückgeworfen wird und ihn konsequent dazu auffordern sein eigenes Zustandekommen lernend zu verändern.

    1.2 Grundaspekte der Kybernetik

    Diese Einleitung erfährt mit den folgenden drei Unterkapiteln eine Fortführung, welche dem Leser vorweg eine „Ahnung" dessen geben soll, was ihn in dieser Arbeit aus einer kybernetischen Perspektive erwartet. So werden in Kap. 1.2.1 die Grundzüge der hier eingenommenen kybernetischen Perspektive erläutert, welche die Kybernetik als Informationstheorie erscheinen lässt. Kap. 1.2.2 beschreibt den historischen Kontext der Kybernetik und gibt Einblick in die ursprüngliche Motivation, etwas kybernetisch zu denken. Kap. 1.2.3 findet sich im „Ursprung" (mit dem 1943 verfassten Artikel „Behaviour, Purpose, and Teleology" von Arturo Rosenblueth, Norbert Wiener und Julian Bigelow) des kybernetischen Paradigmas wieder und beschreibt ausgehend hiervon einleitend und schemenhaft dessen Anwendung auf das hier im Mittelpunkt stehende „lernende System Mensch".

    1.2.1 Kybernetik als Informationstheorie

    Bateson (1994, S. 366-367) zufolge beschreibt das Wort Lernen „eine Veränderung irgendeiner Art". Beobachtbar wird diese beim Menschen durch eine Verhaltensänderung, welche durch „Erfahrung und Übung" ausgelöst wird, so Oerter et al. (2008, S. 967). Dabei bedingt sich der Prozess des Lernens zwar in den genetischen Voraussetzungen des Menschen – von übergeordneter Bedeutung ist jedoch dessen Umwelt (Ebd., S. 968).

    Aus entwicklungspsychologischer Sicht ist Lernen von besonderer Bedeutung, wenn es den Charakterzug der „Nachhaltig aufweist, sprich Ergebnisse eines vorangegangenen Lernens für den Menschen „anwendbar erhalten bleiben (Ebd., S. 967-968): Veränderung bzw. Felxibilität und Stabilität im Laufe des Lebens eines Menschen sind darin unmittelbare „Größen" der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Das entwicklungspsychologische Paradigma geht in diesem Zusammenhang auch davon aus, dass der Mensch Einfluss auf die eigene Entwicklung hat. Implizit ist dabei die Annahme, der Willensfreiheit und Wahlmöglichkeit, wodurch der mündige Mensch in der Interaktion mit sich selbst und seiner Umwelt sein Potential erforschen und entwickeln kann (Ebd., S. 11). Diese Ansicht findet als Ausgangspunkt – in Form einer Präsumtion des hier konstruierten Denkgebäudes Anwendung.

    Die Wissenschaftsdisziplinen der Kognitiven Psychologie und der Kognitiven Neurowissenschaft beschäftigen sich mit den möglichen spezifischen Signalfolgen im Nervensystem des Menschen, die Ergebnis konkreter Interaktion des Menschen mit seiner Umwelt sind und geben auf diesem Weg Aufschluss über das Phänomen Lernen (Nicholls et al. 1995, S. 5). Die Kognitiven Psychologie, die Kognitiven Neurowissenschaft, wie auch die Entwicklungspsychologie, versuchen dabei Lernen über den abstrakten Weg einer Informationstheorie zu beschreiben und teilen sich aus diesem Grund eine Fülle von Begriffen und Konzepte (Anderson 2007, S. 11-18).

    Die in dieser Arbeit verwendete Theorie der Kybernetik (gr. κυΒɛρνήτης „Steuermann") beschreibt die Steuerung und Regelung von Systemen auf Basis von Informationen (Weller 2011, S. 11). Die Kybernetik kann aus diesem Grund als Theorie über die Physiologie der Information bzw. des Wissens bezeichnet werden und hat Rustemeyer (2005, S. 110) zufolge, zudem den Anspruch eine Einheitswissenschaft zu sein: Sie beschreibt ein disziplinüberschreitendes humanwissenschaftlichen Modell, welches fähig ist, die Grenzen der Geistesund Naturwissenschaften aufzuheben, indem sie als „unterschiedliche Konkretisierungsformen" eines abstrakten Paradigmas – nämlich im Rahmen einer Informationstheorie formuliert wird (Simon 2005, S. 31). In ihrer Formulierung versucht sie Aufschluss darüber zu geben,

    was Realität für den Mensch bedeutet,

    wie er sich diese erschließt (Wirklichkeit),

    wie er sich in der Realität und Wirklichkeit entsprechend seiner Ziele orientiert

    bzw. wie er auf Basis dessen sein handeln konstituiert

    und wie er lernt.

    Die Ausformulierung findet auf Basis der Neuro- und der Informationswissenschaften als Referenzwissenschaft statt (Rustemeyer 2005, S. 110). Dabei wird das Funktionieren des Menschen als Zusammenspiel des „Körpers Mensch und des „Geistes Mensch als Einheit beschrieben: Das Physische wird mit dem Psychischen verbunden und in eine soziale Dimension integriert. „Geist und Natur werden so zu einer „notwendigen Einheit, so Gregory Bateson (1990) in seinem 1979 erschienenen Buch „Mind and Nature. A Necessary Unity".

    1.2.2 Die Historie der Kybernetik

    Im Text „An essay on the Origins of Cybernetics" beschreibt D. J. Stewart (2000) den Entstehungsprozess der Kybernetik als Paradigma, das sich bis in die Gegenwart weiter ausformt. Stewart (2000) zufolge waren die von Arturo Rosenblueth organisierten monatlichen dinner parties Begegnungsraum zahlreicher Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen. Sie fanden zu Beginn der 1940er statt und waren so organisiert, dass am Beginn der Treffen ein Teilnehmer eine Einführung zu einem spezifischen Thema gab, das dann im Anschluss diskutiert wurde. Vor allem die dabei entstandene Begegnung von des Physiologen Rosenblueth mit dem Mathematiker Norbert Wiener war der Grundstein für die Entwicklung der ersten Formalismen der Kybernetik. Diese entstanden zunächst in der Auseinandersetzung mit einer konkreten militärischen Herausforderung: der Weiterentwicklung von Flugabwehrgeschützen.

    Durch die rasant zunehmende Geschwindigkeit von Flugzeugen musste die Treffsicherheit der Geschütze erhöht werden. Gemeinsam mit dem Mathematiker Julian Bigelow und Rosenblueth entwickelte Wiener eine Regressionsfunktion (e. „prediction function), welche fähig war, die Flugbahn eines Flugzeugs vorherzubestimmen. Auch arbeiteten die Forscher an dem Design eines Computers, welches in einem Flugabwehrgeschütz integriert werden konnte und die Regressionsfunktion ausführen konnte. Bei all dem musste auch der Mensch berücksichtigt werden, der das Geschütz bedienen sollte, welcher (in der Funktion ähnlich der Funktion des Geschützes) auf Basis seines sensomotorischen Systems (Nervensystem, Muskeln etc.), Bewegung bzw. Verhalten auf ein konkretes Ziel ausrichtet. Das gelingt ihm, indem (vereinfacht ausgedrückt) sein Nervensystem in der Interaktion mit seiner Umwelt sogenannte „Feedbacks erzeugt, wodurch dieser sich „verorten bzw. sich selbst steuern kann: Feedbacks machen einen Ist-Wert zu einem Zielwert „sichtbar und liefern so die Grundlage für ein zielgerichteten Verhalten. Auf Basis dessen kann sich der Mensch in einer sich ständig verändernden Umwelt widerfinden, in ihr interagieren und sich entsprechend eines von ihm selbst definierten Ziels ausrichten. Diese „Parallelität", nämlich das Verhalten des Menschen inmitten seiner Umwelt und der Problemstellung für die Weiterentwicklung des Flugabwehrgeschützes, studierten die Wissenschaftler für ihre Arbeit und entwickelten eine Rückkoppelungsfunktion (e. feedback function). Im Journal „Philosophy and Science" erschienene Artikel „Behaviour, Purpose, and Teleology" legen die Autoren Rosenblueth, Wiener und Bigelow 1943 die Überlegungen darüber dar. Es gilt als „the birth certificate of cybernetics" (Goujon 2006, S. 189).

    1.2.3 Das lernende „System Mensch"

    Im Mittelpunkt der Formulierungen Wieners und Bigelows bzw. des kybernetischen Paradigmas steht das System, das mit seiner Umwelt verbunden ist bzw. mit ihr interagiert. Im Fall dieser Arbeit wird das lernende „System Mensch" (dargestellt in Abbildung 1 als M) beschrieben. Dieses zeigt (grob umfasst) das folgende Verhalten: Indem es seine Umwelt beobachtet, erhält es darüber Informationen (einen Input): mit Input „is meant any event external to the object that modifies this object in any manner", so Rosenblueth et al. (1943 S. 1) in ihrem Artikel. Das System besitzt zudem die Fähigkeit seine Umwelt zu gestalten und erzeugt damit einen Output (Ebd.). Dabei ist das Beobachten und Gestalten der Umwelt abhängig von der „Programmierung – der „Eigenart – des Systems. Sie lässt sich über the examination of the output of the object and of the relations of this output to the input beschreiben (Ebd.).

    Abbildung 1 Kybernetische Konzeption eines lernenden Systems

    Durch das Beobachten der Wirkung des eigenen Outputs – der erzielten Veränderung in der Umwelt, besitzt das System das Vermögen, sich selbst zu erkennen bzw. sich seiner Programmierung – seinem eigenen Zustandekommen bewusst zu werden. Mit diesen Informationen über sich selbst (dem Feedback) kann das System in Folge seine Programmierung – sein Zustandekommen verändern: es lernt seine Programmierung entsprechend eines télos³ anzupassen.

    Der Fokus dieser Arbeit ist die Beschreibung der Vorgänge des Phänomens der Neuprogrammierung – eines Steuern des Steuerns oder anders: das Erlernen des Lernens. Auf diese Weise wird eine Antwort auf die Frage formuliert, wie das lernende System Mensch, Lernen organisiert, um seine Ziele zu erreichen.


    ¹ Anm.: Eine solch entsprechende Unterscheidung von Realität und Wirklichkeit bezieht sich auf die von Heinz von Foerster und Ernst von Glasersfeld (2014, S. 122-123) in „Wie wir uns erfinden: Eine Autobiographie des radikalen Konstruktivismus" beschriebene Differenzierung beider Begriffe.

    ² Der Begriff der „Teleonomie" geht auf Henri Atlans (1979) zurück, den er in „Entre le cristal et la fumée. Essai sur l’organisation du vivant" beschreibt. Darin schlägt er vor, den Begriff der Teleologie mit dem der Teleonomie zu ersetzen. Letzterer beschreibt die Ursache bzw. das Zustandekommen des Ziels eines Systems ausgehend eines dem System „innewohnenden „Programms (der Struktur und Organisation des Systems), das die „Durchführung von Sequenzen aufeinander folgender Zustände festlegt" (Miermont 2005, S. 268). Das Ziel eines Systems erscheint darin als intrinsische Größe eines Erklärungsmodells, die die Ontogenese des Systems konstituiert. Dies verhält sich im Gegensatz zum teleologischen Erklärungsmodell, in der der Zweck bzw. das Ziel eines Systems als extrinsische Größe vorangestellt wird und sich der Beobachter ein Erklärungsmodell konstruiert, welche die dazugehörige Ontogenese beschreiben muss.

    ³ aus dem altgr. τέλος „Zweck, Ziel, Ende"

    2 Die Biologie des Lebens

    Seit mindestens 5 Milliarden Jahren verändert sich das Leben auf der Erde. Francisco J. Varela und Humberto R. Maturana (2012) beschreiben in ihrem Buch „Der Baum der Erkenntnis" die dem zugrundeliegende Onto-und Phylogenese u.a. mit den Begriffen der „Organisation, der „Struktur und der „Autopoiesis". Mit diesen machen die Beobachter Maturana und Varela das Leben nicht nur für eine konzeptuelle Auseinandersetzung sichtbar, sondern auch in einem sich daraus formenden Denkgebäude des kybernetischen Paradigmas nutzbar. Dieses Kapitel beschreibt, was in dieser Arbeit unter Leben und im weiteren Sinn unter dem Phänomen „Mensch" verstanden werden soll: Miteinander interagierende Systeme, die sich auf Basis ihrer Organisation und Struktur im Rahmen ihrer Autopoiesis lernend verändern (können).

    2.1 Das Leben und seine Organisation

    Ein Prozess der kontinuierlichen Veränderung bzw. Transformation hat die Welt als solche entstehen lassen, wie wir sie heute kennen. Diese dauert nunmehr schon seit mindestens 5 Milliarden Jahre an: Aus einer zu Anfangs molekularen Homogenität entwickelte sich Leben, indem sich organische Moleküle anhäuften und diversifizierten. Das geschah und geschieht

    auf Basis von Kohlenstoffatomen, die eine unbegrenzte Anzahl von Möglichkeiten zur Bildung von chemischen Verbindungen mit anderen Elementen besitzen.

    im Verbund aus organischen Molekülen, die sich aus ihrem Verbund heraus selbst erzeugen, sich darin integrieren und sich zu ihrer Umgebung abgrenzen können.

    Solch ein System aus miteinander in Interaktion stehenden organischen Molekülen lies und lässt Lebewesen entstehen (Maturana et al. 2012, S. 44-47). Durch das beobachten der Interaktion organischer Moleküle – der Systemelemente des Systems – lässt sich (für den Beobachter) dessen Organisation beschreiben.

    Die Forscher Francisco J. Varela und Humberto R. (2012, S. 49) Maturana betrachten das Auffinden einer solchen Organisation als Bedingung, etwas als lebendig zu bezeichnen. Es ist eine ihrer vielen Entscheidungen als Beobachter, sich für konkrete Kriterien zur Beobachtung zu entscheiden aus denen sie ihre Formalismen der Beobachtung ableiten⁴, die soweit erwähnt in dieser Arbeit übernommen werden.

    Das System

    Der Begriff des Systems (altgr. sýstēma „aus mehreren Elementen zusammengesetztes Ganzes") ist ein Konzept, das sich darüber definiert, wenn in einer Beobachtung drei Merkmale auftreten (Füllsack 2015):

    eine Funktion bzw. ein Zweck lässt sich beobachten: Bspw. hat ein Sessel die Funktion, dass man sich darauf setzen kann

    Elemente weisen eine Wirkungsverknüpfung auf (Organisation): Es besteht eine Relation zwischen der Lehne, den vier Füßen etc.

    Unteilbarkeit des Systems (Struktur): Der Sessel wäre ohne Füße kein Sessel

    Ausgehend von dieser Konzeption wird der „Kerngedanke der Systemmethodik" sichtbar, nämlich „einen betrachteten Teil aus der Gesamtheit der realen Welt herauszulösen"- der Beobachter grenzt sich mit seiner Beobachtung vom „Rest der Welt" ab (Weller 2011, S. 2). Es entsteht eine Systemgrenze.

    2.2 Autopoiesis: Die Charakterisierung der Organisation eines Systems

    Durch die Beobachtung der Organisation des Lebewesens wird eine Gemeinsamkeit aller Lebewesen sichtbar: sie erzeugen sich andauernd aus sich selbst heraus. Diesen Charakterzug der Zirkularität in der Organisation beschreiben Maturana et al. (1980) mit dem Begriff der Autopoiesis⁵. Er wurde 1980 erstmals umfassend in „Autopoiesis and Cognition: The Realization of the Living" näher erläutert. Das Lebewesen erscheint darin als funktional geschlossenes System, das sich auf Basis seiner eigene Struktur und zirkulären Organisation immerwährend selbst erzeugt (Füllsack 2011, S. 230).

    Es ist jenes selbstreferentielles Verhalten, dass dem Lebewesen Autonomie ermöglicht (Weiss 2005, S.244), welches sich so im Rahmen der zirkulären Organisation und Struktur selbst verwirklicht und spezifiziert (Krohn et al. 2005, S. 284): Das Produkt (seiner Organisation) ist es selber – die Trennung zwischen Erzeuger und Erzeugnis wird aufgehoben – das Sein wird mit dem Tun des Systems ident, so Maturana et al. (2012, S. 56) in „Der Baum der Erkenntnis".

    2.3 Funktionalität und die Struktur eines Systems

    Die autopoietische Organisation des Lebewesens wird erst durch die Struktur des Lebewesens ermöglicht. Mit Struktur ist der Verbund aus Systemelementen (den organischen Molekülen) gemeint. Bedeutend ist, dass sich verschiedene Lebewesen zwar hinsichtlich ihres autopoietischen Charakters gleichen, aber unterschiedliche Strukturen – eine sich unterscheidende Funktionalität bzw. Identität aufweisen können (Ebd., S. 54-55).

    Ausgehend hiervon besitzt jedes autopoietische System die Möglichkeit über seine zirkuläre Organisation seine Struktur zu verändern. Funktionalität beschreibt, dass dies (die Verwirklichung und Spezifizierung des Lebewesens) nur unter der Prämisse der Erhaltung der Einheit des Lebewesens stattfinden kann. Sie ist eine notwendige Bedingung des Systems, um die Existenz des Systems aufrechterhalten zu können (Krohn 2005, S. 283-285).

    Es ist jenes Werden – ein Prozess der kontinuierlichen Transformation aller Möglichkeiten im Rahmen des Möglichen, dem jedes Lebewesen entstammt, welches sich auf eine (zufällige) Anordnung von organischen Molekülen zurückführen lässt. Das Leben erscheint darin als unbegrenzte Phänomenologie und gleichzeitig als mögliche Beobachtung des Lebens.

    2.4 Ontogenese

    Die Ontogenese⁶ beschreibt eine individuelle Veränderung bzw. Transformation eines Lebewesens. Sie entsteht durch die Veränderung der Struktur des Systems im Rahmen der Dynamik der zirkulären Organisation des Systems. Der Auslöser hierfür ist die Interaktion mit dessen Umwelt (Abbildung 2): bspw. einem konkreten Milieu oder anderen autopoietischen Systemen. Die Entwicklung von Leben ist aus dieser Perspektive ein interaktiver Prozess und führte beim Menschen zu einem Metazeller: einem Verbund von Zellen, der komplementär Leben konstituiert. Das Leben vollzieht sich dabei im Operieren autopoietischer Bestandteile, lässt sich aber nicht durch die Eigenschaften der Bestandteile bestimmen (Maturana et al. 2012, S. 83-93).

    Abbildung 2 Interaktion von autopoietischen Systemen in einem Milieu

    Quelle: Maturana et al. 2012, S. 84

    Die Ontogenese gestaltet sich so auf Basis von Interaktion, welche durch die Struktur (Verbund an Systemelementen) eines jeden autopoietischen Systems determiniert ist: „Die zelluläre Einheit sieht und ordnet ihre ständigen Interaktionen mit dem Milieu immer im Sinne ihrer Struktur, welche wiederum im Zuge ihrer inneren Dynamik ebenfalls in ständigem Wandel begriffen ist" (Ebd., S. 84). Das autopoietische System wird im Rahmen dessen alles machen, was funktioniert. Sogar seine Funktion und somit seine Struktur verändern: Es passt sich an. Die Entwicklung bzw. die Evolution des Lebens ist somit das Ergebnis der Aufrechterhaltung von Anpassung und lässt sich als natürliches strukturelles Driften in Form einer ständigen Stabilisierung und Diversifizierung von Systemen beobachten (Ebd., S. 129). Die Ontogenese eines Lebewesens wird dabei als kollektives Phänomen sichtbar, in der sich eine Vielfalt von Arten innerhalb eines Stammes oft über hunderte Millionen Jahre durch Interaktion und in Abhängigkeit von der Umwelt entwickeln. Die kollektive bzw. komplementäre Dimension von Veränderung eines Lebewesens wird mit dem Begriff der Phylogenese⁷ beschrieben.

    2.5 Subjektivität: Das Leben und der Mensch

    Im Mittelpunkt der Ontogenese von Leben steht somit dessen Struktur und dessen autopoietische Organisation. Leben wird in diesem Sinn dadurch sichtbar, insofern sie andauernd Struktur bzw. Identität aufbaut, so Varela (1997, S. 79) in seinem Artikel „Patterns of Life: Intertwining identity and cognition". Weber (2014, S. 48) knüpft hier wie folgt an:

    „Ein Gebilde lebt, wenn es sich über eine längere Zeit von selbst als Ganzes erhält – auch gegen Störungen von außen. [...] Leben ist keine Kaskade von Reaktionen, sondern ihr Gegenteil: Autonomie."

    Erst die Autonomie eines Lebewesens bzw. des Menschen ermöglicht es diesem aus kybernetischer Perspektive eine Struktur bzw. Identität zu erzeugen und aufrecht zu erhalten – sie ist die

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