Abraham Auerbach: Lebensbild eines Rabbiners in wechselvoller Zeit 1763-1845
Von Gabriele Wasser und Eli Harnik
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Über dieses E-Book
Gabriele Wasser
Gabriele Wasser - Studium der Pädagogik, Germanistik und Geschichte. Veröffentlichungen zur Geschichte der jüdischen Gemeinden des Rheinlandes und einzelner jüdischer Familien.
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Buchvorschau
Abraham Auerbach - Gabriele Wasser
Laß dieses Buch des Gesetzes nicht von deinem Mund weichen, sondern forsche darin Tag und Nacht, damit du darauf achtest, alles zu befolgen, was darin geschrieben steht ; denn dann wirst du Gelingen haben auf deinen Wegen, und dann wirst du weise handeln.
(Josua 1,8)
Gewidmet
Rabbiner Nathan Rafael Auerbach, Jerusalem
mit Dankbarkeit.
Bis zur Zeit des Nationalsozialismus haben die Rabbinerfamilien Auerbach, Bamberger und Carlebach die Geschichte der jüdischen Gemeinden entscheidend mitgestaltet und bis heute gültige Richtlinien für jüdisches Leben gegeben. Heute wirken einige ihrer Nachfahren in Israel und setzen dort die Familientraditionen fort.
Inhaltsverzeichnis
Der Talmud als Wissensideal
Aschkenaz | Heimat und Herkunft
Der Großvater | Zwi Hirsch Auerbach
Der Vater | Selig Aviezri
Buchsweiler | Geburt und Kindheit
Frankfurt | Talmudstudien
Bischheim | Leben mit D. Sinzheim
Gleichstellung | Abschaffung des Leibzolls
Stiftung | Die Talmudschule
Revolution | Schreckensherrschaft und Gefangenschaft
Rettung | Neue Aufgaben
Neue Stationen | Forbach und Neuwied
Notabelnversammlung | Sanhedrin
Oberrabbiner | Konsistoriums Bonn
Verlust | Sinzheims Tod und Testament
Napoleons Ende | Alltag in Bonn
Preußen | Neue Herausforderungen
Letzte Jahre | Tod
Der Talmud als Wissensideal
Der Talmud ist nicht nur eines der wichtigsten Werke, sondern er ist eine Säule des Judentums. Seine Bedeutung ist jedoch für die verschiedenen Ausrichtungen des Judentums unterschiedlich groß. Für eine große Zahl Rabbiner gilt das Talmudstudium als höchstes Wissensideal.
Gott gibt Moses am Sinai nicht nur die geschriebene Tora, sondern auch die ›mündliche Lehre‹. Diese Lehre nennt sich Mischna. Sie besteht aus Religionsgesetzen für alle Bereiche (Halacha) und aus ergänzendem Material bestehend aus Geschichten, Gleichnissen und Begebenheiten ethischen Charakters (Aggadah). Der Gelehrte Jehuda ha Nasi¹ ordnete die mündliche Lehre und hielt sie schriftlich fest. Er teilt die Mischna in sechs Ordnungen auf:
Seraim – Saaten
Moed – Festzeiten
Naschim – Ehe und Familienrecht
Nesikin – Beschädigungen ; Zivil und Strafrecht
Kodaschim – Heilige Dinge – Tempel und Opferriten
Toharot – Reinheitsgebote
Der Talmud besteht aus dieser Mischna und ihrer Diskussion, der Gemara. Beide gemeinsam bilden den Talmud. Im Laufe der Geschichte werden auch diese Texte kommentiert und besprochen. In jeder Ausgabe des Talmuds ist deshalb der Raschi-Kommentar zu finden. Raschi ist ein Akronym für Rabbi Schlomo ben Jitzchak², der 1040 in Troyes geboren wurde. Die Arbeiten Raschis zum Talmud und zur Tora sind bis heute unvergleichlich und daher unverzichtbar.
Den Talmud kann man nicht einfach nur lesen, den Talmud muss man studieren. Je mehr man vom Talmud weiß, desto mehr Fragen stellen sich noch. Wie schon bereits erwähnt wurde, besteht der Talmud aus Mischna und Gemara, der Talmud ist also von seiner Struktur her »dialogisch«. Während die Mischna eine Sammlung von Gebräuchen und Einrichtungen ist, diskutiert die Gemara darüber und bringt auch Gegenmeinungen vor, die gleichfalls wieder diskutiert werden. Im Talmud kommen so viele verschiedene Sprecher zu Worte und es gibt immer Diskurse über neue Stichwörter. So werden nicht nur religiöse Gesetze besprochen (Halacha), sondern auch Geschichten, Auslegungen, Sinnsprüche oder Gleichnisse erzählt (Aggada).
Die Religionsschulen beschäftigen sich heute fast ausschließlich mit dem Babylonischen Talmud, der in den Lehrstätten Babylons entstanden ist, während es noch den Jerusalemer Talmud gibt, der in den Lehrhäusern Israels entstanden ist.
Nach jüdischer Tradition hat der Rabbiner jeder Gemeinde das Recht, eine eigene Schülerschaft in einem Beit Midrasch³ genannten Gebäude, das sich in der Regel in der Nähe der Synagoge befindet, zu unterrichten. Ihr Auskommen wird aus dem Steueraufkommen der Gemeinde bestritten oder häufig privat gestiftet. Nach einigen Jahren können die Schüler entweder nach Ablegen der S’micha⁴ selbst eine Rabbinerstelle antreten oder sich einem weltlichen Beruf widmen.
Im deutschsprachigen Raum genossen im 11. bis 13. Jahrhundert die drei kooperierenden Talmudschulen von Mainz, Worms und Speyer, den SCHUM-Städten⁵, besonderes Ansehen, auch in der christlichen Welt.
1 Jehuda ha-Nasi * ca. 165 ; † 15. Kislew 217 in Sepphoris, war ein wichtiger jüdischer Gelehrter und Patriarch. Sein großes Verdienst ist die abschließende Redaktion der Mischna.
2 Genannt Raschi (geboren 1040 in Troyes, gestorben am 5. August 1105 ebenda). 1055 ging Raschi zunächst nach Mainz und dann nach Worms, um dort an den jüdischen Lehrhäusern, die zu den bedeutendsten in Europa gehörten, zu studieren.
3 Beit Midrasch wird auch Jeschiwa, Klaus oder Lehrhaus genannt.
Auflegen (der Hände)), bezeichnet im Judentum die formelle Einsetzung als Rabbiner. Durch die S’micha wird die Berechtigung zugesprochen, gültige Entscheidungen in Fragen des Religionsgesetzes, der Halacha, zu treffen.
) für Magenza.
Aschkenaz | Heimat und Herkunft
Ursprünglich kommt die Familie Auerbach wohl aus dem gleichnamigen Städtchen in der Oberpfalz. Im Archiv von Karlsruhe wird ein Schutzbrief⁶ für »Moishe Jude von Auerbach« von 1499 erwähnt. Moishe wird erlaubt, in Auerbach zu wohnen und als Geldeintreiber⁷ zu arbeiten.
Die ersten besser belegten Wurzeln der Familie Auerbach liegen im Wien des 16. Jhd. Rabbiner David Tevele Auerbach ist einer der herausragenden Gelehrten der Stadt. Sein ältester Sohn Rabbi Isaak Auerbach stirbt 1607 in Wien nach langjähriger Lehrtätigkeit. Die nachfolgenden