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Generationsbrücke: Wie das Miteinander von Alt und Jung gelingt
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Generationsbrücke: Wie das Miteinander von Alt und Jung gelingt
eBook292 Seiten3 Stunden

Generationsbrücke: Wie das Miteinander von Alt und Jung gelingt

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Über dieses E-Book

Der demografische Wandel einerseits, die wachsende Kluft zwischen Alt und Jung andererseits - neue Wege im Umgang der Generationen miteinander sind nötiger denn je. Die Generationsbrücke Deutschland zeigt, wie ein solcher Weg aussehen kann: Senioren und Kinder kommen regelmäßig zusammen, sie spielen miteinander, lachen gemeinsam, schließen Freundschaften und lernen voneinander.
Dieses Buch gibt erstmals Einblicke in die Arbeitsweisen, Strukturen und Potenziale dieses außergewöhnlichen Sozialunternehmens und zeigt zukunftsweisendes Modell, das es verdient flächendeckend umgesetzt zu werden.
SpracheDeutsch
HerausgeberVerlag Herder
Erscheinungsdatum10. Mai 2016
ISBN9783451809477
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    Buchvorschau

    Generationsbrücke - Verlag Herder

    Rocco Thiede

    DIE GENERATIONSBRÜCKE

    Wie das Miteinander von Alt und Jung gelingt

    Mit einem wissenschaftlichen Nachwort

    von Prof. Andreas Kruse

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    © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2016

    Alle Rechte vorbehalten

    www.herder.de

    Umschlaggestaltung: Verlag Herder

    Umschlags- und Innenteilfotos: © Rocco Thiede

    Außer S. 16> und S. 20> © BMW Stiftung Herbert Quandt

    E-Book-Konvertierung: Daniel Förster Belgern

    ISBN (E-Book) 978-3-451-80947-7

    ISBN (Buch) 978-3-451-31134-5

    Inhalt

    Vorbemerkung

    Statt einer Einleitung: »Glücksmomente schaffen«

    I Alt und Jung – Begegnungen

    »Wir arbeiten nach einem klaren Zeitplan«

    Besuch der Kitakinder von St. Monika im Marienheim Aachen

    »Wichtig ist, dass sich beide Seiten bei den Begegnungen wohlfühlen«

    Spiele und feste Regeln – wie ein typisches Treffen abläuft

    »Große und Kleine sind füreinander da«

    Gemeinsames Basteln und ernste Themen

    »Man kommt unter Menschen«

    Die Generationsbrücke bringt den Senioren Abwechslung ins Heim

    »Wenn ich gesund bleibe, möchte ich hier 100 Jahre alt werden«

    Die Begegnungen mit Kindern sorgen für Leichtigkeit und Lebensfreude

    »Trotz Einschränkungen dabei sein«

    Es entstehen echte Freundschaften

    »Die Begegnungen mit den Kindern machen großen Spaß und halten mich fit«

    Voneinander lernen – Erzählungen aus einer anderen Zeit

    »Der Tod gehört zum Leben«

    Kinder lernen den Umgang mit Abschied und Trauer

    »Wer Zeit, Lust und Interesse hat, der kommt, und vor Ort stellen wir dann die Paare zusammen«

    Offene Treffen an den Wochenenden

    II Mithelfen und Ermutigen – Die Brückenbauer

    »Im Prinzip war ich früher ein ganz anderer Mensch«

    Der Gründer der Generationsbrücke und erfolgreiche Sozialunternehmer Horst Krumbach

    »Ich hatte nie vor, Heimleiter zu werden«

    »Mittlerweile sind wir fast vom Lehrling zum Meister geworden«

    »Wie kann es gelingen, aus dem lokalen Projekt eine bundesweite Initiative zu machen?«

    »Das einzigartige Netzwerk der BMW Stiftung, das uns hilft«

    »Finanziell die Zukunft unseres Projektes sichern«

    »Generationsbrücke Deutschland besiegelt Partnerschaft mit China«

    »Theorie und Praxis ideal miteinander verbinden«

    Der Allrounder und Projektkoordinator Hans Schleicher-Junk

    »Es geht um Menschlichkeit«

    Die politisch engagierte Projektkoordinatorin Anne Hochgürtel

    »Ich musste lernen, mich für meine Ziele einzusetzen«

    Susanne Schmitz ist seit Gründung im Team der Generationsbrücke dabei

    »Wir machen mit, wenn du alles organisierst«

    Holger Schmidtke hat die Generationsbrücke in Berlin aufgebaut

    »Ich merkte, wie viel Freude diese Begegnungen mit Kindern meiner Mutter und den anderen Bewohnern gebracht haben«

    Die ehrenamtliche Mitarbeiterin Ursula Schumacher

    »Ein Marathon durch die unterschiedlichen Verfahren«

    Der ehrenamtliche Mitarbeiter und Finanzexperte Franz Zellner

    »Das ist eine große Verantwortung«

    Marita Luxen und Elisabeth Bremm unterstützen als Ehrenamtliche die Generationsbrücke

    III Wie das Miteinander von Alt und Jung gelingt

    »Viel Kraft und Segen beim Brückenbau«

    Die jährliche Fachtagung der Generationsbrücke

    »Altenheime und Kindergärten unter einem Dach führen«

    Der Leiter des Marienheims Stephan Schirmel

    »Das erzeugt Nachhaltigkeit«

    Anke Schürings ist Rektorin einer Gemeinschaftsgrundschule und Kooperationspartnerin der Generationsbrücke

    »Respekt und Rücksichtnahme«

    Die Kitaleiterin und Kooperationspartnerin Katharina Beyer

    »Es sind Bewohnerpartner und keine Omas und Opas«

    Ulla Mennicken hat viele der Methoden und Rituale mitentwickelt

    »Das Leben von Menschen endet nicht mit dem Einzug in ein Heim«

    Pastor Ralf Freyaldenhoven ist Stiftungsratsvorsitzender der katholischen Stiftung Marienheim Aachen-Brand

    »Die Kontinuität der Treffen ist wichtig«

    Besuch von Schülern im Alten- und Pflegeheim Residenz in Berlin-Zehlendorf

    Nachwort: Die Gestaltung der Generationenbeziehungen aus der Perspektive des Alters

    Vorbemerkung

    1. Mitverantwortung alter Menschen für junge Menschen

    2. Differenzierung zwischen drei Verantwortungsbezügen

    3. Sorgemotive im hohen und sehr hohen Lebensalter

    4. Ein umfassender Produktivitätsbegriff

    5. Ausbildung und Aufrechterhaltung von Vertrauen im Lebenslauf

    6. Mehrgenerationenprojekte im Kontext der altersfreundlichen Kultur

    Abschluss: Der Dienst am Anderen

    Literaturverzeichnis

    Literaturempfehlungen zu den Themen Älterwerden und Sterben

    Bücher für Kinder

    Bücher für Erwachsene

    Soziales Unternehmertum – Partnerorganisationen der BMW Stiftung Herbert Quandt

    Die Autoren

    Vorbemerkung

    Mit der Generationsbrücke Deutschland hat Horst Krumbach ein Sozialunternehmen gegründet, das vorbildlich zeigt, wie das Miteinander von Alt und Jung gelingen kann. Senioren¹ und Kinder kommen zusammen – regelmäßig und verbindlich; sie spielen miteinander, lachen gemeinsam und lernen voneinander. Die Generationsbrücke Deutschland gibt es mittlerweile in acht Bundesländern und in über 40 Alten- und Pflegeheimen – ein weiterer Ausbau ist geplant.

    Dieser kann jedoch nur durch einen systemischen Wandel gelingen. Wenn Politik, Zivilgesellschaft und freie Träger an einem Strang ziehen und das Erfolgsmodell aus Aachen flächendeckend etablieren. Das heißt konkret: Wenn die politischen Entscheidungsträger die gesetzlichen Leitplanken setzen, wenn Wohlfahrtsverbände und freie Träger von Altenheimen das Modell zum Standard in ihren Einrichtungen machen. Damit die Generationsbrücke ihre gesellschaftspolitische Wirkung voll entfalten kann, gilt es, in einer alternden Gesellschaft zwischen den Generationen Brücken zu bauen und mehr Sensibilität für die Bedürfnisse alter und pflegebedürftiger Menschen zu schaffen. Das Potenzial ist riesig, denn aktuell gibt es rund 13.000 Altenheime in Deutschland.

    Wie lässt sich dieses Modell im großen Stil implementieren? Welche politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen sind nötig? Und welche Rolle können dabei Stiftungen spielen? Speziell, wenn sie sich wie die BMW Stiftung Herbert Quandt als Treiber sozialer Innovationen verstehen und Social Entrepreneurs wie Horst Krumbach fördern?

    Um Antworten auf diese Fragen zu finden, haben sich in Berlin die ehemalige Bundesfamilienministerin Ursula Lehr, der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Prälat Peter Neher, sowie Markus Hipp, Geschäftsführender Vorstand der BMW Stiftung Herbert Quandt, und natürlich Horst Krumbach getroffen. Dieses Gespräch dient als Einführung in das Buch und spiegelt verschiedene Perspektiven auf das Thema des demografischen Wandels wider.

    Um eines gleich vorweg zu betonen: Dieses Buch ist keine klassische Fachlektüre, sondern anregender Lesestoff für ein breites Publikum. Es geht um die Entstehung der Generationsbrücke, ihre Arbeitsweise und natürlich die vielen Menschen hinter dem Sozialunternehmen. Wie die Einführung steht auch das wissenschaftliche Nachwort des renommierten Gerontologen Andreas Kruse für sich, zusammen rahmen sie die Einblicke in den Alltag der Generationsbrücke mit fundiertem Wissen. Der Experte Andreas Kruse betont besonders ein Merkmal der Generationsbrücke: Hier wird nicht über ältere Menschen geredet, sondern mit ihnen!

    Als ich selbst zum ersten Mal das Marienheim in Aachen, in dem die Generationsbrücke ihren Ursprung hat, für einen journalistischen Auftrag besuchte, war ich sehr von den Begegnungen und dem Austausch zwischen den Kindern und Heimbewohnern beeindruckt. Diese Treffen sind höchst professionell durchgeführt und zugleich auf gegenseitigen Austausch und Wertschätzung zwischen den Generationen bedacht. So reifte zusammen mit Markus Hipp die Idee, dieses herausragende Beispiel intergenerationeller Begegnungen einem breiteren Publikum ausführlich vorzustellen.

    Das Buch gibt szenische Einblicke in die Entstehung und Arbeitsweise der Generationsbrücke – und zwar aus ganz verschiedenen Perspektiven. Zu Wort kommen sowohl die Kinder und Senioren, die an den Treffen teilnehmen, als auch die Macher dahinter, hauptberufliche Projektkoordinatoren, ehrenamtliche Helfer und Kooperationspartner in Schulen, Heimen und Kitas.

    Die Generationsbrücke Deutschland soll durch dieses Buch als zukunftsweisendes und beispielhaftes Projekt für ein besseres Miteinander eine große Öffentlichkeit finden: Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen ebenso wie Mütter und Väter von Kita- und Schulkindern, alte wie junge Menschen. Vor allem aber richtet sich das Buch an Menschen, die politische und gesellschaftliche Verantwortung tragen, die in Altenheimen, Schulen, Kitas, Verwaltungen, Behörden und Stiftungen arbeiten. Nur wenn sie vom Modell der Generationsbrücke Deutschland überzeugt werden, kann die Erfolgsgeschichte fortgeschrieben werden.

    Viel Spaß bei der Lektüre und reichlich neue Erkenntnisse wünscht allen Lesern der Herausgeber und Autor Rocco Thiede.

    1 Es gilt inklusive Sprache: Wenn zum Beispiel Bewohnerpartner im Text im Plural steht, sind gleichzeitig auch die Bewohnerpartnerinnen gemeint, was ebenso auf Lehrer/Lehrerinnen oder Senioren/Seniorinnen usw. zutrifft.

    Statt einer Einleitung: »Glücksmomente schaffen«

    Ein Gespräch über die Geschichte, Wirkung und Potenziale der »Generationsbrücke Deutschland« mit Ursula Lehr, Peter Neher, Horst Krumbach und Markus Hipp

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    Markus Hipp (BMW Stiftung Herbert Quandt), Prälat Peter Neher (Caritas), Ursula Lehr und Horst Krumbach (Generationsbrücke) auf dem Balkon der BMW Stiftung Herbert Quandt in Berlin

    Markus Hipp: Ich freue mich, als Gastgeber dieser Runde heute etwas tiefer in das Thema der Generationsbrücke einzusteigen. Nicht nur, weil sie aus Sicht der BMW Stiftung ein beispielhaftes Sozialunternehmen ist, das wir fördern. Sondern sie symbolisiert auch den Versuch, eine soziale Innovation mit dem Wohlfahrtssystem in Einklang zu bringen – und so einen systemischen Wandel voranzutreiben. Wir haben als Stiftung in den vergangenen zehn Jahren bemerkt, dass dieser Ansatz bei uns in Deutschland oftmals fehlt. Das Buch über die Generationsbrücke ist eine großartige Chance, die erfolgreiche Entwicklung für ein breites Publikum nachvollziehbar zu machen und Veränderungen einzuleiten. Wir wollen aber nicht nur Verantwortliche in der Pflege ansprechen, sondern vor allem auch politische Entscheidungsträger.

    Horst Krumbach: Dieser Blick auf die uns betreffenden Veränderungen freut und motiviert mich ganz besonders. Meine Verbindung zu Markus Hipp ist nun auch schon über ein halbes Jahrzehnt alt. 2010 trafen wir uns zum ersten Mal, als zur Debatte stand, ob die damals noch »Generationsbrücke Aachen« genannte Initiative das Potenzial hat, sich in ganz Deutschland zu etablieren. Das war beim Trans­atlantic Forum in New York, als wir einen Tag lang die hochkarätige Beratung der kompetenten Menschen des Netzwerkes der BMW Foundation Responsible Leaders in Anspruch nehmen konnten. An diesem Tag bekam ich hilfreiche Antworten auf so viele existentielle Fragen, dass am Ende des Tages unser Verbreitungskonzept quasi stand. Und wenige Wochen nach New York folgte bereits ein erster Geldsegen der BMW Stiftung in Form einer Fördersumme von 25.000 Euro. So konnten wir in den Folgemonaten beginnen, das in den USA erarbeitete Konzept zu realisieren, um aus der Generationsbrücke Aachen ein bundesweites Modell zu entwickeln. Bis zum heutigen Tag basieren gut 80 Prozent unserer Arbeit auf den damaligen Empfehlungen der Experten des New Yorker Workshops.

    Markus Hipp: Das war eine gute Investition unsererseits. Dennoch möchte ich betonen, dass Horst Krumbach, der ebenfalls zum Responsible-Leaders-Netzwerk der BMW Stiftung gehört, nicht nur von uns gefördert wird. Als Erstes hat ihn sein damaliger Arbeitgeber, die katholische Kirche, unterstützt, indem sie ihm überhaupt erst Freiräume zum Weiterdenken und für Fortbildungen ermöglicht hat. Zudem hat Horst Krumbach an einem Hospitationsprogramm der Robert Bosch Stiftung teilgenommen, bei dem er in den USA die Pflegeeinrichtung »Bessie’s Hope« kennenlernte. Die Körber-Stiftung wiederum half ihm dabei, die Idee für dieses generationsübergreifende Projekt nach Aachen zu bringen – und zu überarbeiten. Erst dann kamen wir ins Spiel mit unserem Workshop beim Transatlantic Forum in New York. Für Horst ging es dann weiter mit der Initiative »startsocial«, vielen Preisen sowie der Aufmerksamkeit des Bundesfamilienministeriums, der Bundeskanzlerin und einem Kontakt zum Bundespräsidenten. Die Verbindung zur Caritas ist nun ein neues Glied in dieser Kette. Und solche klugen Wirkungsketten sind absolut notwendig, um einer guten sozialen Innovation zum Durchbruch auf breiter Ebene zu verhelfen.

    Horst Krumbach: Absolut, denn jeder kleine Sozialunternehmer ist am Beginn auf Förderer angewiesen, die an ihn glauben und ihn unterstützen. Das waren bei uns neben der Körber-Stiftung in Hamburg auch der Generali Zukunftsfonds in Köln und vor allem und bis heute maßgeblich die BMW Stiftung. Dabei ist Geld nur ein Aspekt, denn der eigentliche Startschuss für die Generationsbrücke Deutschland fand hier in diesem Haus statt, wo ich auch Frau Lehr als Grande Dame der Gerontologie kennenlernen durfte. Als wir 2013 unseren Beirat gründeten, war Ursula Lehr die erste Person, die ich dafür gewinnen wollte, und sie sagte spontan zu.

    Ursula Lehr: Ja, unser erstes Gespräch kreiste sowohl um Alters-, als auch um Kindheitsfragen. Als Familienministerin wurde ich damals furchtbar kritisiert, weil ich Kindergärten schon für Zweijährige öffnen wollte. Ich bekam Briefe und Unterschriftenlisten gegen meinen Vorschlag aus dem ganzen Land, weil ich angeblich die Familie kaputt machen würde. Bundeskanzler Helmut Kohl bat mich damals um Zurückhaltung, da die süddeutsche Bevölkerung, Franz Josef Strauß und viele andere sehr gegen meinen Vorstoß waren. Da wollte ich wenigstens das Recht auf einen Kitaplatz für Dreijährige erwirken und klapperte im Vorfeld die Ministerpräsidenten der Länder ab. Als ich bei Herrn Albrecht in Niedersachsen war, sagte er nur: »Ein Kind gehört in die Familie und auch Dreijährige bekommen nicht das Recht auf den Kindergartenplatz«. Heute freue ich mich, dass seine Tochter Frau von der Leyen da mehr bewirkte. Es hat aber 25 Jahre gedauert … Mittlerweile kommt niemand mehr um den demografischen Wandel und die Veränderungen der Familienstrukturen herum. Dreigenerationenfamilien findet man heute kaum noch, in nur 0,1 Prozent aller Haushalte in Deutschland leben drei Generationen unter einem Dach. Oft sieht es so aus: Der »Einzelenkel« hat nicht nur vier Großeltern, sondern auch noch Urgroßeltern und manches Mal auch Stiefgroßeltern. Obwohl sie nicht zusammen wohnen, werden viele dieser Kinder ordentlich verwöhnt. Immer mehr Kinder haben dennoch keinen regelmäßigen Kontakt zu älteren Menschen und ältere Menschen verlieren umgekehrt auch mehr und mehr den Kontakt zu Kindern, nicht zuletzt weil nun Senioren in die Heime kommen, die nie eigene Kinder und Enkel hatten. Das Zusammenbringen der Generationen ist eine sehr große gesellschaftliche Aufgabe. In einer mir bekannten Studie, die auch schon gut zehn Jahre alt ist, sagten Kinder nach dem Besuch im Altenheim: »Nein, alt will ich nicht werden, die sabbern ja beim Essen.« Aber als dieselben Kinder mit einem Altenklub in den Zoo gingen, waren sie von diesem Besuch begeistert. Sie konnten etwas von den alten Menschen lernen, und sie bewunderten sie dafür, dass sie alle Tiere kannten. Mit anderen Worten: Wir müssen darauf achten, dass das Altersbild der Kinder nicht ausschließlich von pflegebedürftigen alten Heimbewohnern geprägt wird.

    Peter Neher: Ich bin mal ganz offen: Als ich das erste Mal von der Generationsbrücke hörte, habe ich mich schon gefragt, was denn daran neu ist. Ich bin ja im Allgäu zu Hause. Nach dem Krieg baute dort ein Pfarrer in einem kleinen Ort ein Altenheim und einen Kindergarten an einer Stelle. Das fand ich faszinierend, weil er von Anfang an die Idee hatte, dass in seinem Ort alte Menschen und Kinder zusammengehören. In diesem Caritas-Heim war auch Jahre später meine eigene Mutter. So hatte ich eine persönliche Berührung mit dem Thema. Was ich aber bei der Generationsbrücke als Besonderheit sehe, ist die Systematik, mit der hier gearbeitet wird. Ich kenne wenige Häuser der Caritas, wo es so etwas gibt.

    Markus Hipp: Ich erinnere mich an meine Zeit als Caritas-Helfer. Damals habe ich Theologie bei den Jesuiten in München studiert. Jesuit bin ich dann zwar nicht geworden – ich bin Familienvater mit vier Kindern –, aber ich habe damals etwas Wichtiges gelernt: Zu einem gelungenen Miteinander zwischen Jung und Alt gehört auch eine gute Vorbereitung. Die Generationsbrücke bringt dieses Miteinander nun auf eine professionelle Ebene. Und sie zeigt: Es braucht nicht Unmengen von Geld, sondern engagierte Pädagogen, Altenheimbetreuer und Freiwillige – der Rest ist Lernen, ein gutes Handbuch und ein System.

    Ursula Lehr: Als ich das erste Mal von der Generationsbrücke hörte, war ich auch etwas skeptisch. Doch dann erlebte ich die Begegnungen in Aachen und war von da an zu hundert Prozent überzeugt. Vor allem auch, weil die Kinder nicht nur einmal im Jahr im Heim vorbeikommen, sondern regelmäßig, und weil spielerisch Verständnis für die Belange der älteren Menschen geweckt wird. Bei meinem Besuch gab es eine Reihe von Interaktionen: Ball spielen, zur Musik tanzen, das gegenseitige Ummalen der Hände. Das Wichtigste war das gemeinsame Tun. Seitdem ist mir klar: Das muss man unterstützen und fördern!

    Horst Krumbach: Sie alle haben Recht. Wir machen grundsätzlich nichts Neues und haben das Rad nicht neu erfunden. Jung und Alt zusammenbringen – das hat es immer gegeben. Uns war es darüber hinaus wichtig, dass wir eine Nachhaltigkeit und höhere Wirkung erzielen, und das bewirken wir durch folgende fünf Elemente: die altersgerechte Vorbereitung der Kinder und Jugendlichen, Regelmäßigkeit und Langfristigkeit, die feste Paarbildung in fester Gruppe, das aktive Miteinander und strukturierte, ritualisierte Begegnungen. Im Unterschied zu den USA haben wir feste Partnerschaften zwischen Jung und Alt, die sogenannten ­Bewohnerpartner. Wenn ein Mensch bei uns im Heim stirbt, stehen wir also vor einem Problem. Aus dieser Herausforderung ist mittlerweile eine der größten Stärken der Generationsbrücke geworden. Wir enttabuisieren den Tod, indem wir ihn zurück ins Leben holen. Kinder werden bei uns auf eine sanfte, aber verbindliche Weise mit Tod, Sterben und Trauer konfrontiert. Da ist es wichtig, dass nicht gleich ein neuer Partner für das Kind bereitsteht, wenn ein Bewohnerpartner verstirbt. Wir bieten Raum zum Abschied.

    Ursula Lehr: Das stimmt. Es beeindruckt mich, wie man mit dem Thema Tod bei der Generationsbrücke umgeht. Wenn der Partner eines Kindes aus dem Heim verstirbt, gibt es nicht gleich Ersatz. Sondern es folgt eine Phase des Abschiednehmens. Das habe ich auch noch einmal im Handbuch der Generationsbrücke für die Sozialarbeiter nachgelesen – ein Kapitel, das unter die Haut geht.

    Peter Neher: Das Verhältnis zwischen Jung und Alt beschäftigt auch den Deutschen Caritasverband seit vielen Jahren. 2010 hatten wir die Jahreskampagne »Experten fürs Leben« umgesetzt, mit der Idee, dass im Alter nicht nur Defizite, sondern auch Chancen und Kompetenzen stecken. Im Jahr 2015 hatten wir den demografischen Wandel im ländlichen Raum als Schwerpunktthema unserer politischen Kampagne. Auch hier suchten wir nach kreativen Ideen, wie die Versorgung, angefangen bei Ärzten bis hin zum öffentlichen Verkehr, aufrechterhalten werden kann, wenn die Jungen wegziehen und die Alten zurückbleiben. Hier geht es auch um das Thema Generationengerechtigkeit. Denn der demografische Wandel ist kein Tsunami, der plötzlich über uns hereinbricht. Ich sehe da auch Chancen. Doch natürlich muss die Politik reagieren, damit alle Generationen zu ihrem Recht kommen. Es geht um eine Balance und da sind die konkreten Begegnungen der Generationsbrücke

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