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Das Vogelbärbchen: Eine Erzählung aus den Zeiten des dreißigjährigen Krieges
Das Vogelbärbchen: Eine Erzählung aus den Zeiten des dreißigjährigen Krieges
Das Vogelbärbchen: Eine Erzählung aus den Zeiten des dreißigjährigen Krieges
eBook278 Seiten3 Stunden

Das Vogelbärbchen: Eine Erzählung aus den Zeiten des dreißigjährigen Krieges

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Über dieses E-Book

"Das Vogelbärbchen" ist eine im 19. Jahrhundert von Justus Treumund veröffentlichte Erzählung, die vor allem in Mittelhessen schon zu dieser Zeit bekannt und viel gelesen war, wohl nicht zuletzt, weil die Handlungsorte im Dreieck zwischen Battenberg, Gießen und Laubach liegen.
Der Autor verknüpft in seiner Erzählung fiktive Figuren mit historisch belegbaren Personen und Begebenheiten des Dreißgjährigen Krieges.
Eine Geschichte über unverbrüchliche Treue und festen Glauben, verflochten mit einer Geistergeschichte, eingebettet in die Zeit eines langen grausamen Krieges, dessen Auswirkungen gerade die hessische Bevölkerung immer wieder trafen.
Zuletzt 1980 im Karl-Brodhäcker-Verlag erschienen und längst vergriffen, ist "Das Vogelbärbchen" nicht vergessen ...
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum19. Jan. 2017
ISBN9783743187023
Das Vogelbärbchen: Eine Erzählung aus den Zeiten des dreißigjährigen Krieges
Autor

Justus Treumund

Justus Treumund, mit richtigem Namen Carl Glaser, war 1845 als Chronist der Stadt Grünberg tätig und außerdem Rektor der dortigen Knabenschule. Als Mitglied des historischen Vereins für das Großherzogthum Hessen verfasste er 1846 die "Beiträge zur Geschichte der Stadt Grünberg..." und veröffentlichte unter seinem Pseudonym u.a. "Das Vogelbärbchen" und "Schloss Friedelhausen".

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    Buchvorschau

    Das Vogelbärbchen - Justus Treumund

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort

    Kapitel

    Kapitel

    Kapitel

    Kapitel

    Kapitel

    Kapitel

    Kapitel

    Kapitel

    Kapitel

    Kapitel

    Kapitel

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    Kapitel

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    Kapitel

    Kapitel

    Kapitel

    Kapitel

    Kapitel

    Kapitel

    Kapitel

    Kapitel

    Kapitel

    Kapitel

    Glossar

    Vorwort

    Ein paar Gedanken zum Thema Heimat…

    Jeder verknüpft mit dem Begriff etwas anderes.

    Und doch gibt es Dinge, die, glaube ich, bei jedem von uns dieses eine, ganz bestimmte Gefühl auslösen: das Elternhaus und dessen nächste Umgebung, vertraute Menschen, kulinarische Genüsse, Traditionen und Feste, Kleidung, insbesondere Tracht, oder Musik.

    Auch die Muttersprache, egal ob Umgangssprache, Dialekt oder auch nur eine leichte Einfärbung der Hochsprache, weisen darauf hin, woher wir kommen, wo wir zu Hause sind oder waren, als wir sprechen gelernt haben.

    Die Summe all dessen prägt uns und stiftet einen Teil unserer Identität.

    Nicht zuletzt sind es die Geschichte und die Geschichten der Region, die wir Heimat nennen, die Kultur und Traditionen begründen, uns Begebenheiten aus der Vergangenheit im Gedächtnis behalten lassen und scheinbar trockener Materie ein Gesicht geben.

    Dies hier ist der Versuch, eine solche Geschichte weiterzugeben. Sollte es mir gelingen, auf diese Weise ein kleines Stück Kulturgut meiner Heimat und damit etwas Identitätsstiftendes zu erhalten…ich wäre mehr als zufrieden damit.

    Über die Leidenschaft meines Vaters für „seine Mundart hat es sich gefügt, dass ihm ein kleines Büchlein in die Hände gegeben wurde, das nach 1980 nicht mehr neu verlegt worden ist. Nur geliehen, hat er es Seite für Seite eingescannt und mir, wohl wissend, dass er mich alleine mit dem Hinweis „eine schöne alte Geschichte ködern würde, zum Lesen überlassen.

    Das „Vogelbärbchen" hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Es ist ein Mosaiksteinchen geworden zu dem, was Heimat für mich ist. Eine Legende, deren Handlungsorte ich zu einem großen Teil kenne, angesiedelt in einer Zeit, die man betrachten muss, wenn man die geschichtliche Zusammenhänge in Mittelhessen verstehen will, deren Folgen wir bis heute erkennen können. Justus Treumund, mit richtigem Namen Carl Glaser, hat sorgfältig recherchiert und reale Personen und historische Tatsachen auf wunderbare Weise mit seinen Figuren verknüpft.

    Ich hoffe, diese zauberhafte Legende berührt Ihr Herz ebenso wie meines.

    Vielleicht nehmen Sie sie, wie ich, zum Anlass, die Orte der Handlung zu besuchen und ihr nachzuspüren…

    Silke Kleinert

    Ich habe „Vogelbärbchen – Eine Erzählung aus den Zeiten des 30-jährigen Krieges" von Justus Treumund in der Ausgabe von Karl Brodhäcker aus dem Jahr 1980 zur Vorlage genommen, die laut dessen Aussage wörtlich den Text der 2. Auflage von 1899 wiedergibt.

    Diese Vorlage zitiert an verschiedenen Stellen die „Wetterfelder Choniken" des Pfarrers Johann Cervinius; insbesondere ist hier das Gespräch zwischen Kurt und Katharina in Kap. 12 zu nennen. Auch wenn diese in Teilen erst nach dessen Rückkehr aus dem Grünberger Exil aus der Erinnerung entstanden sind, stellen sie eine historisch authentische Grundlage dieser Erzählung dar. Auch die Plünderung Wetters sowie die Klagbriefe des Bürgermeisters Croll aus Wetter sind historisch belegt. Ferner lassen sich die erwähnten geographischen sowie städtebaulichen Besonderheiten bis heute nachvollziehen (z.B. die Unterpforte und ein Erkerhaus unweit der Kirche in Wetter (Marktplatz 7), der Edersteilhang unterhalb Battenbergs, die Gemarkungen Einfirste und Tiergarten in Laubach, der Engelshäuser Weg in Freienseen, die Neupforte und der nördlich der B49 gelegene Ziegelberg in Grünberg).

    Ich habe versucht, die Sprache des Textes behutsam anzupassen, sodass sie für Leser des 21. Jahrhunderts etwas einfacher zu lesen und zu verstehen ist. Einige Begriffe lassen sich nicht ohne weiteres in den heutigen Sprachgebrauch übersetzen. Erklärungen für diese, sowie Erläuterungen zu genannten realen Personen und Orten finden sich im Anhang.

    Für die Ausgestaltung und Füllung des Glossars, die dafür notwendigen Recherchen, das Korrekturlesen und dafür, mich durch sein Engagement bei der Stange gehalten zu haben, gebührt Martin Heller mein großer Dank. :-*

    Im Dezember 2016

    1. Kapitel

    Eine der beklagenswertesten Folgen, die den großen deutschen Krieg begleiteten, den man später den 30-jährigen nennen sollte, war der Zwiespalt, der sich durch das Volk der Hessen zog. So zogen Hessen-Darmstadt auf der einen und Hessen-Kassel auf der anderen Seite gegen einander ins Feld.

    Dies geschah nicht zum ersten Mal, hatte doch schon kurz nach der Mitte des 15. Jahrhunderts der Streit der Landgrafen und Brüder Ludwig und Heinrich erst nach mehreren Jahren der Verwüstung beigelegt werden können.

    Unter Philipp dem Großmütigen sollte daraufhin für etliche Jahre Frieden herrschen. Dieser hatte in seinem Testament verfügt, dass niemand mehr seines Glaubens wegen am Leben gestraft werden solle. Doch etwa vierzig Jahre nach Philipps Tod erwachte der Unfriede wieder und brach während des nun folgenden Krieges in helle Flammen aus.

    Der Anlass hierzu war die im Jahre 1604 eröffnete Marburger Erbschaft. Nachdem der Nachfolger Philipps, Ludwig IV. von Hessen-Marburg, kinderlos geblieben war, gingen die von ihm regierten Gebiete an seine Neffen, die Landgrafen von Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt unter der Bedingung, dass die Gebiete lutherisch blieben. Ein jahrzehntelanger Erbstreit war die Folge. Im Jahre 1623 wurde schließlich Oberhessen durch kaiserlichen Spruch Hessen-Darmstadt zugeschlagen, dessen Landgraf Ludwig V. sowie sein Nachfolger Georg II. treue Anhänger des katholischen Kaisers waren, während Landgraf Moritz von Hessen-Kassel zum reformierten Bekenntnis gewechselt war und sich der protestantischen Union angeschlossen hatte. Sein Erbe Wilhelm V. war es dann, der seine Truppen mit dem Heer Gustav-Adolphs von Schweden vereinigte.

    So kam es, dass die Niederhessen, verbunden mit den Schweden, gegen darmstädtisches Land und Volk vorrückten und die Hessen-Darmstädtischen, in Kriegsallianz mit den Kaiserlichen, gegen die Hessen-Kasseler Brüder ins Feld zogen, eine Spaltung begründend, die sich für sehr lange Zeit in das Gedächtnis des Volkes einbrennen sollte.

    Für die Gegenden, wo beide Gebiete sich berührten, kam eine schreckliche Zeit, fraß sich doch der Krieg durch Landschaft und Bevölkerung.

    Es waren die fruchtbaren Täler der Eder, der Schwalm, der Lahn und der Ohm, die in der zweiten Hälfte des Krieges mehr als ein Jahrzehnt widerhallten vom Geräusch der Waffen, dem Wutgeschrei ungezügelter Kriegsheere und dem Wehklagen der geschundenen einfachen Leute. Dabei ist noch nicht all des Elends gedacht, das Hunger, Pest und all die anderen Plagen, die ein solcher Krieg im Gefolge hat, über die Menschen brachten.

    Unsere Erzählung beginnt in den Tagen, da Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassel im Bunde mit den Schweden von Norden gezogen kam, um das von dem kaiserlichen Generalwachtmeister Lamboy seit Monaten hart bedrängte Hanau zu befreien. In den ersten Tagen des Juni 1636 war für die vereinigte schwedisch-niederhessische Armee, etwa 5000 Mann stark, unter dem Oberbefehl des schwedischen Feldmarschalls Alexander Lesle bei Kirchhain ein Lager aufgeschlagen worden. Ein Teil der niederhessischen Truppen war bereits eingetroffen, während die Schweden, durch furchtbare Regengüsse und unwegsame Straßen im Waldeckschen aufgehalten, langsam und in einzelnen Haufen heranzogen.

    Das Getümmel des Krieges war für diese Gegend nichts Neues; schon öfter hatten die Kaiserlichen hier gelagert. Sie hatten erst im Jahr vorher Schweinsberg und Amöneburg eingenommen, allerdings ohne sich deren Besitz erhalten zu können. Jetzt hatte ein größeres Heer, als es die Gegend je gesehen hatte, im Ohmtal seine Zelte aufgeschlagen, denn es galt, einen hohen Preis zu erringen. Landgraf Wilhelm wollte selbst sein Heer anführen, um die Belagerung Hanaus zu beenden.

    Die Geschichtsbücher schreiben, dass in der Zeit, von der wir reden, ein Kriegslager für die ganze Umgegend ein Schrecken und Unheil verkündendes Anzeichen war. In solchen Lagern wirtschafteten die Kriegsvölker, die eher den Namen Mörder- oder Räuberbande verdienten, in zügellosem Haushalt und waren selbst im Freundesland eine unerträgliche Plage. Städte und Dörfer mussten Holz, Stroh, Lebensmittel und Futter herbei schaffen; auf allen Wegen, oft im Umkreis von 10 Stunden, zogen Wagen und Herden von Schlachtvieh heran. Nicht selten verschwanden die nächstgelegenen Dörfer vom Erdboden. Das Holzwerk und Dachstroh wurde abgerissen und zum Bau von Hütten im Lager verwendet, während die verelendeten Bewohner in die Wälder flohen und häufig durch nackte Not zu einem Räuberleben gezwungen wurden. Plündernd und stehlend strichen auch die Soldaten und ihre Buben umher und die Marketender fuhren mit ihren Karren herbei und davon. Im Lager selbst drängten sich die Krieger vor ihren Hütten und auf den freien Plätzen zusammen, während die dem Heer folgenden Weiber kochten, wuschen, Kleider ausbesserten und miteinander stritten. Häufig gab es Tumulte, Kämpfe mit blanken Waffen, blutige Auseinandersetzungen und Schlägereien zwischen den verschieden Waffengattungen oder Nationen.

    Nach anhaltenden Regentagen hatte sich ein heiterer Abend über das Tal der Ohm gesenkt. Die Junisonne hatte den Tag über heiß geschienen, und näherte sich allmählich dem westlichen Horizont, der dort an den Hinterländer Bergkuppen endet, die sich in tiefem Blau auf beiden Seiten der Lahn erheben und das Tal zwischen Marburg und Biedenkopf säumen. Die letzten Strahlen der sinkenden Sonne beschienen prachtvoll die Amöneburg, die im Südosten, etwa ein halbe Stunde von Kirchhain entfernt, auf einem hohen Basaltfelsen das Ohmtal überragt, und brachen sich mit feurigem Glanz in den Fenstern der Häuser, die die Stadtmauer hier und da überragten.

    In den Gassen zwischen den Zelten des Lagers herrschte ein bewegtes Leben. Vor einigen Stunden war ein neuer Heerhaufen niederhessischer Truppen herangezogen und hatte die Hütten in Besitz genommen, die den Tag über für ihre Unterkunft errichtet worden waren. Es war ein lautes und fröhliches Treiben im ganzen Lager, und die rauschhafte, rau-wilde Seite des Soldatenlebens trat hier zwischen den Zelten, in dem freien, zwanglosen Zusammensein des Kriegslagers in den verlockendsten Farben hervor. Es war ein buntes Gemisch aller Truppengattungen. Teils bewaffnet im Dienst, teils in bequemer Feldtracht tummelten sich Hunderte auf dem Rasen zwischen den Zelten herum, während wiederum Hunderte genau dort mit Zurüsten und Putzen beschäftigt waren. Da zog mit leichten Gewehren und runden Spitzhüten eine Gruppe Musketiere ins Lager ein, die in der Nachbarschaft Proviant geholt hatte; kurz darauf folgten Schafe und Rindvieh, gefolgt von mit Stroh und Futter beladenen Wagen unter den lärmenden Rufen der gezwungenen Treiber. Dort stand ein Trupp Pikeniere mit ihren langen Spießen, Piken genannt, gerüstet mit Brustharnisch und Pickelhaube, in eifrigem Gespräch, während die Marketenderin sie bediente. Der Dragoner mit breitem Hut ging Arm in Arm mit dem Kürassier, der, nur halb geharnischt, aber mit starkem Helm und langem Schwert stolz neben ihm her schritt. An einigen Plätzen dampfte der Feldkessel, bedient von Soldatenweibern und lustigen Rekruten und beaufsichtigt von einem bärtigen Veteranen, der schon so manche Feldschlacht gesehen haben mochte. Auf einem freien Platz lagerten Krieger um ausgebreitete Mäntel, auf denen sie würfelten, und aus ihrer Runde schallten Flüche und rohes Gelächter weithin durch die Lüfte. Wieder an anderer Stelle arbeitete sich ein Abteilung Pferde durch das Getümmel, die einmal durch die vorbei fließende Ohm getrieben worden waren. Auf manchem Pferderücken kauerte ein kecker Kirchhainer Knabe, der mit den Soldatenbuben schon vor Tagen Freundschaft geschlossen hatte. Es ist die Art der Jugend, so dem Schlimmsten noch immer eine heitere Seite abzugewinnen. Gar mancher Trupp munterer Buben schlenderte schaulustig im Lager umher, sich am ungewohnten Anblick zerstreuend oder ein Abenteuer suchend, während die Väter und Mütter wohl daheim seufzten und innig für ein Ende des Krieges beteten.

    Vor einem Zelt saß auf einem Heubündel ein schon bejahrter Krieger, in Hemdsärmeln und mit leichtem Hut auf dem Kopf. Es war Balthasar, der Reitknecht des Rittmeisters Augustin Croll. Er mochte über 50 Jahre alt sein, zeigten sich doch deutlich altersgraue Strähnen im sonst dunklen, aber lichter werdenden Haar. Sein Gesicht war tief gebräunt und trug eine mächtige, scheinbar frische Narbe über Stirn und Wange. Er hatte eben eine Faustbüchse gereinigt, die er vorsichtig zwischen sein Füße abgelegt hatte, und hielt einen Säbel in der Hand, an dem er putzend mit einem Lappen auf und nieder strich. Vor ihm stand ein junger Bursche, lässig auf ein Bein gestützt, und sah und hörte ihm zu.

    „Ich sage dir, Stefan, sprach der Alte, „magst du es nun glauben oder nicht, es gibt einen schlimmen Tag für die in Wetter. Es soll dort Proviant und Fourage geholt werden, und ich kenne meine Leute. Wir sind in Feindesland, und ich habe mehr als einmal gesehen, wie die Schweden den Bürger auszupressen verstehen; denn der König lebt nicht mehr. „Sie verdienen‘s nicht besser, die abgefallenen Schelme, versetzte der Junge, „wollen die in Wetter kaiserlich sein, mögen sie sich auch als solche schinden lassen! Ihre eigenen Leute haben’s ihnen nicht besser gemacht, als vor zwei Jahren die Kroaten dort hausten, und die waren doch auch kaiserliche Truppen. „Schlimm genug, versetzte jener, schlimm genug, dass in dieser Zeit Feind und Freund gegen die Wehrlosen wüten! Aber Gewalttat bleibt Gewalttat und Schande bleibt Schande. Ich möchte nicht Teil daran haben. Gott behüte, dass wir morgen nicht reiten müssen! „Aber wir werden früh aufsitzen, entgegnete Stefan, „und dabei sein. Wir gehen als Pressreiter mit, und mir ist’s ganz recht und liegt auch nichts daran, wenn ich einen Kopf einschlage oder eine Baracke anstecke. Das ist Kriegsbrauch, sagt mein Herr, und immer so gewesen! Balthasar horchte auf. „So? Also ihr werdet reiten? ,fragte er nach einiger Überlegung. „Höre, Stefan, das glaube ich nicht. „Doch, doch, erwiderte Stefan lebhaft, „mein Herr hat’s mir selbst gesagt, dass wir nach Wetter reiten werden. „Ich kann’s nicht glauben, sprach Balthasar kopfschüttelnd, „Was will dein Herr dort machen? Dein Graf kommandiert keine Pressreiter! „Ich sage dir, er kommandiert sie! Verstehst du?, fügte er leiser redend bei, „Das Krämerjäckchen war heute bei ihm und hat’s ihm eingeredet. Dort in Wetter, setze er mit pfiffiger Miene hinzu, „dort gibt es schöne Jungfern, verstehst du, und reiche Beute, denn dort ist ein Bürgermeister, der Blech hat. Ich hörte es gut, denn ich lauschte, und darum reiten wir, verstehst du? „Ja, nun verstehe ich, erwiderte Balthasar, der genug gehört hatte, um seinen Herrn zu unterrichten, „Nun glaube ich dir! Ja, dein Herr, der Fähnrich, fuhr er langsam und ernst fort, während er den Säbel hob und ihn anschaute, ob er ordentlich glänze , „Dein Herr ist ein kluger Kavalier und weiß, wo es etwas zu gewinne gibt. Da wird’s gut werden! Er ist auch einer von denen, die den Bauern über die Köpfe sprengen und die Bürger drillen! Der Cornet Julian glaubt nicht an den Katechismus und hat kein Herz im Leibe! „Höre, Balthasar, entgegnete jener, „ich verbitte mir das! Du sollst von meinem Herrn, dem Grafen, mit mehr Achtung sprechen! Was ist denn dein Herr, der schmucke weiße Dragoner? Ein weichmütiger Bursche, der nichts lieber tut, als in seiner grünen Feldbinde paradieren. „Potzblitz! ,fuhr Balthasar auf und hob den Säbel beinahe drohend empor. „Wer sagt das? Gewiss auch dein Herr! He? Dein Herr, der Polack, der Graf, von dessen Gütern aber kein Mensch weiß, wo sie liegen? Freilich, fuhr er fort, „ich weiß längst, dass er den Rittmeister nicht leiden kann, weil der ihm einmal den Wams ausgeklopft hat! Und Balthasar lachte bei diesen Worten still in sich hinein und stand auf, indem er im behaglichen Gefühl der Erinnerung hinzufügte: „Das war eine lustige Geschichte! Sie ist vor deiner Zeit geschehen, und du weißt freilich nichts davon. Aber das glaube mir, fuhr er fort, wobei er Stefan an den Schultern packte und sie zwischen den Fingern presste, dass dieser das Gesicht verzog, „mein Rittmeister ist mehr wert, als ein Dutzend solcher Burschen, wie es jetzt deren gibt, aus Ungarn und aus Polen, die da hofieren und scharwenzeln und denen, die sich etwas verdient haben, das Brot vor dem Maul abschneiden, um Fähnrich zu werden. Das sage ich, der Reitknecht des Rittmeisters Augustin Croll von weißen Dragonerregiment! Mit diesen Worten nahm er den Säbel unter den Arm, hob die Pistole auf und trat ins Zelt. „Du alter Betbruder!, fluchte Stefan hinter ihm her und rieb sich die Achsel, „dich soll der Hagel -! Darauf schlenderte er weiter und summte ein Lied dabei:

    „Wir sind Leut‘ von Qualitäten,

    unter uns ist wenig Beten,

    Fluchen, Lästern, Bauern plagen,

    nicht nach Höll’und Himmel fragen,

    tragen, was nicht gehen kann,

    führen es mit uns davon.

    Was der Bauer lang verborgen,

    macht uns manchen frohen Morgen!"

    Und jubilierend sprang er vor ein Marketenderzelt und mischte sich unter die Zechenden.

    Noch während dieses Zwiegesprächs hatte man in einiger Entfernung ein Getümmel und ein Durcheinander von schreienden Stimmen vernehmen können, das auf eine ungewöhnliche Begebenheit schließen ließ. Jetzt wälzte sich durch die Zeltgasse ein wirres Knäuel müßiggehender Soldaten und Trossknechte, dem sich ein Haufen Kirchhainer Buben angeschlossen hatte. In dessen Mitte wurde eine alte Frau sichtbar, an einem Stock gehend, in einem abgetragenen schwarzen Kleid, aus dessen kurzen weiten Ärmeln schmächtige Arme, umschlossen von etwas längeren weißen Hemdärmeln, hervorragten. Ihr Kopf mit den schon greisen Haaren war von einem kleinen schwarzen Häubchen bedeckt. Ihren Hals und Ihre Brüste umhüllte ein weißes Brusttuch, das sorgfältig gebunden und mit gewissenhafter Genauigkeit um ihren Oberkörper geschlungen war. Sie machte den Eindruck einer ärmlich gekleideten, aber reinlichen und ordnungsliebenden Frau. Soviel man bei einem flüchtigen Anblick wahrnehmen konnte, mochte sie etwa siebzig Jahre alt sein; ihr graues Haar, ihr scharf gezeichnetes von Runzeln durchfurchtes Gesicht, ihre mageren Hände, ihr gekrümmter Rücken, ihr schleichender Tritt ließen ahnen, dass sie dem Ende ihres Lebens entgegen ging. Aber aus den lebhaften dunklen Augen schien noch ein frischer Geist zu leuchten, und eine bemerkenswerte Sicherheit und Ruhe in der ganzen Haltung der gebrechlichen Gestalt ließ es ungewiss, ob es Stumpfsinn und Gefühllosigkeit waren oder bewusste Fassung und Ergebenheit in das Unvermeidliche, die diese begründeten.

    Dieses Wesen war jetzt der Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit geworden. „Stäupt sie aus dem Lager, die Bettlerin, die Fopperin, die Papsttreue!, schrien die einen. „Auf die Hexe! Ins Wasser mit ihr!, tönten einige Rufe dazwischen. „Vogelbärbchen! Armes Vogelbärbchen!, riefen einzelne mitleidige Knabenstimmen: „Lasst sie gehen! Sie ist ein frommes Weib und tut niemandem was zu Leide! „Gebt ihr den Trunk! Hängt sie, die Spionin!", scholl es von einer anderen Seite. Und so schwoll der Tumult durch die aus den Zelten Kommenden immer mehr an und wurde immer drohender, als sich der Haufen einer Kreuzung näherte, an der ein schmaler Weg auf die breite Straße des Lagers traf.

    Da sprengte ein Reiter heran, den alleine die eintretende, erfurchtsvolle Stille, mit der die Anwesenden unter militärischem Gruß Platz machten, als einen Befehlshaber gekennzeichnet hätte, wenn nicht sein breitkrempiger Hut, seine feine Uniform und die grüne Feldbinde den Offizier verraten hätten. Mit heller, aber weithin schallender Stimme rief er, sein Pferd anhaltend: „Was gibt es hier? Lasst das Weib gehen! Schämt euch und habt Achtung vor ihren grauen Haaren! „Sie ist eine Hexe und eine Spionin! Sie schnüffelt im Lager herum!, wurden mehrere Stimmen laut. Andere riefen: „Still! Still! Der Rittmeister hat zu sprechen! „Macht Platz!, sprach der Rittmeister Augustin – denn er war eben von einem Besuch in der Stadt zum Lager zurück gekehrt – „Macht Platz, Kameraden, und lasst das Weib vor mich! Balthasar, sprach er zu diesem gewandt, der bereits an seiner Seite stand, „rufe sofort den Profoss Eberhard! „Wer seid ihr?", sprach er vom Pferd herab das Weib an, das ruhig heranschlich und mit ihren dunklen Augen zu ihm aufblickte. „Wo kommt ihr her?

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