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Die Zeitmaschine
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eBook102 Seiten1 Stunde

Die Zeitmaschine

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Über dieses E-Book

... der Zeitreisende war durch die Abenteuer seiner Fahrt in die Zukunft mißtrauisch und nüchtern geworden. ... Er hatte überhaupt einen Widerwillen gegen alle ungarantierten Zeiten gefaßt, wie er sie nannte. Schon das Altertum lehnte er ab. »Man würde«, führte er aus, »meinen Apparat für eine römische Kriegsmaschine halten und mit einem Pfeilregen empfangen. ... Friedells Variante und Parodie der Geschichte von der Maschine.
SpracheDeutsch
Herausgeberidb
Erscheinungsdatum5. Jan. 2017
ISBN9783961503377
Die Zeitmaschine

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    Die Zeitmaschine - Egon Friedell

    Die Zeitmaschine

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    Egon Friedell

    idb 

    ISBN 9783961503377

     Erstes Kapitel

    Zeitreisender startet

    Es war am vierten Mai 1905, als der Zeitreisende seine Fahrt in die Vergangenheit antrat. Ich war über seine Pläne genauer unterrichtet als Mr. Wells, da ich noch am Abend vorher mit ihm eine längere Unterredung gehabt hatte. Er beabsichtigte durchaus nicht, zu den Sauriern zu reisen, obgleich ich etwas dergleichen gern gesehen hätte. Ich bin nämlich in meiner freien Zeit leidenschaftlicher Paläontologe, und da wäre es für mich von höchstem Interesse gewesen, zu erfahren, ob die von mir lebhaft bestrittene Hypothese Mr. Huxleys, das Ursprüngliche seien die wasserbewohnenden Tiere gewesen, sich auf diesem Wege experimentell widerlegen lasse. Ich vertrete nämlich die Ansicht, daß von allem Anfang an sowohl Landfauna wie Meeresfauna bestanden hat und... daß Landleben und Wasserleben zwei große Urtatsachen sind. Es muß also zum Beispiel in der Juraperiode von vornherein sowohl Krebstiere wie Spinnentiere gegeben haben.

    Aber der Zeitreisende war durch die Abenteuer seiner Fahrt in die Zukunft mißtrauisch und nüchtern geworden. Er verwies auf die großen Gefahren einer solchen Unternehmung. Zunächst sei es völlig unsicher, ob er nicht in eine Eisperiode gelangen und sogleich bei seiner Ankunft jämmerlich erfrieren würde, denn die einzelnen Abschnitte des Jura ließen sich bei dem heutigen Stande der Wissenschaft nur mit einer Genauigkeit von zwei- bis dreimalhunderttausend Jahren berechnen. Also sei vielleicht das Turmzimmer seines Laboratoriums, in dem die Zeitmaschine steht, bei seiner Landung ein Eisblock und er mitten drin! (Ich brauche wohl kaum daran zu erinnern, daß sich die Zeitmaschine nur in der Früherspäterdimension bewegt, der Ort, an dem sie sich befindet, aber stets der gleiche bleibt.) Ja, wer verbürge ihm, ob er überhaupt auf Festland träfe? Wisse man denn auch nur annähernd, wie die Gegend von Richmond in der Jurazeit ausgesehen habe? Vielleicht war sie ein Golfstrom, vierhundert Meter unter dem Meeresspiegel. Vielleicht aber auch das Kerngebiet eines aktiven Kraters. Und ob Ertrinken oder Verkohlen dem Erfrieren vorzuziehen sei: das sei eine offene Frage. Und schließlich und vor allem interessiere ihn dieses ganze Spinnenzeug inklusive meiner Theorie überhaupt nicht. Da ich sah, daß er nicht umzustimmen sei, versuchte ich sein Interesse wenigstens auf den ersten Menschen zu lenken. Dies sei doch eine Angelegenheit von höchstens ein- bis zweihunderttausend Jahren. Er brauche bloß mit seiner Maschine in Intervallen von, sagen wir, fünftausend Jahren, das Terrain abzusuchen, bis er auf menschliche Spuren träfe. Und das sei doch gewiß eine Frage, die für jedermann von höchstem Interesse sei.

    »Für jedermann«, ereiferte sich der Zeitreisende, »aber nicht für mich! Glauben Sie, ich habe Lust, mich mit der Rückständigkeit und Rechthaberei der Gelehrten herumzuschlagen? Würde das, was ich ihnen zu berichten hätte, in ihr derzeitiges System passen, so würden sie mit überlegenem Lächeln erklären, das hätten sie ja schon immer gewußt; wenn es nicht hineinpaßt, werden sie es mit demselben Dünkel als ›Dilettantismus‹ ablehnen. Ich aber halte ihre ganze Entwicklungstheorie für Dilettantismus. Natura non facit saltus!«

    Er hatte überhaupt einen Widerwillen gegen alle ungarantierten Zeiten gefaßt, wie er sie nannte. Schon das Altertum lehnte er ab. »Man würde«, führte er aus, »meinen Apparat für eine römische Kriegsmaschine halten und mit einem Pfeilregen empfangen. Und überhaupt gibt es nichts Uninteressanteres als das antike Britannien. Bessere Indianer, weiter nichts! Es war eine unbegreifliche Marotte Julius Cäsars, dieses Land zu erobern, eine fast ebenso rätselhafte wie sein Mangel an Aberglauben, der ihn das Leben gekostet hat. Aber auch das englische Mittelalter kann mir gestohlen werden: lauter Raubrittereien! Und fast noch ärger sah es bei uns zur Zeit der Reformation aus: nichts als stupide und ordinäre Glaubenskämpfe! War man ein frommer Katholik, der dem Papst anhing, so wurde man als Hochverräter enthauptet; war man ein ehrlicher Protestant, der nichts von Zeremonienwesen wissen wollte, so wurde man als Kirchenschänder gehängt; war man ein strenger Calvinist, der die Brotverwandlung leugnete, so wurde man als Ketzer verbrannt. Aber auch die berühmte ›Aufklärung‹ ist mir nicht aufgeklärt genug. Erinnern Sie sich doch nur, was Papin mit seinem Dampfboot passierte! Und wenn man mir meine Zeitmaschine ebenfalls in Stücke schlüge, welcher entsetzliche Gedanke, daß ich den ganzen Rest meines Lebens in einer schweren unsauberen Haarmütze und einem verschwitzten, drahtgesteiften Samtpanzer verbringen müßte, ohne Gabel, ohne Nachthemd, ohne Straßenbeleuchtung, als Bodenbelag eine Mischung aus Kienruß und Bier, und daß ich, der ich gewohnt bin, mit der Zeitmaschine zu reisen, fortan gezwungen wäre, in einer Schneckenkutsche zu fahren, die alle zehn Minuten im Morast steckenbleibt, oder in der dunklen luftlosen Luke eines Segelschiffs, in steter Gefahr, zu stranden, von Piraten überfallen zu werden oder zumindest infolge ausschließlichen Genusses von Pökelfleisch und Dörrgemüse den Skorbut zu bekommen!«

    »Ja, zum Donnerwetter«, rief ich ungeduldig, »warum wollen Sie denn dann überhaupt Ihren Apparat in Bewegung setzen, wenn Ihnen keine Zeit paßt?«

    »Weil ich ins Jahr 1840 kommen will.«

    »Was damals los war, können Sie doch in jeder alten Nummer der ›Times‹ nachlesen. Übrigens war meines Wissens damals gar nichts los.«

    »Doch. In jenem Jahr hat Carlyle seine sechs Vorlesungen über ›Helden, Heldenverehrung und das Heroische in der Geschichte‹ gehalten. Wie oft habe ich mir schon gewünscht, den warmen und harten Prophetenklang dieser Stimme zu hören, diesen breiten schottischen Dialekt, der wie ein Gesang ist, diesen eigentümlich holprigen und feurigen Redefluß, der dahinbraust wie ein Wildbach über Geklüft und Gestrüpp! Da es damals noch kein Grammophon gab, muß ich zur Zeitmaschine greifen.«

    Ich war wie aus allen Himmeln gerissen.

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