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D9E - Die neunte Expansion: Im Schatten der Hondh
D9E - Die neunte Expansion: Im Schatten der Hondh
D9E - Die neunte Expansion: Im Schatten der Hondh
eBook288 Seiten3 Stunden

D9E - Die neunte Expansion: Im Schatten der Hondh

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Über dieses E-Book

Die Herrschaft der Hondh ist nicht so absolut, wie es den Anschein hat und im Schatten regt sich Widerstand. Doch es fehlt an einer gemeinsamen Linie.
Shelwin Klime und seine Begleiter erreichen eine Welt, auf der es zu ersten Kontakten kommt – möglicherweise fruchtbare Kontakte – wenn Ängste und Misstrauen auf beiden Seiten überwunden werden können. Und sie gelangen zu Erkenntnissen, die in den richtigen Händen eine Wende im Krieg gegen die Hondh herbeizuführen vermögen.
Doch zunächst einmal müssen sie sich selbst retten, ehe sie daran gehen können, die freien Welten zu retten.
SpracheDeutsch
HerausgeberWurdack Verlag
Erscheinungsdatum15. Sept. 2016
ISBN9783955560645
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    Buchvorschau

    D9E - Die neunte Expansion - Holger M. Pohl

    Epilog

    Was bisher geschah

    Shelwin Klime, ein ehemaliges Besatzungsmitglied der Interceptor, der sich von seinen Gefährten getrennt hatte, weil er den Krieg gegen die Hondh hinter sich lassen wollte, möchte sein Leben auf Uwardu, einem unbedeutenden Planeten, in Ruhe genießen.

    Malcolm Davies, ein Beauftragter des Den-Haag-Instituts, spürt ihn auf, denn er weiß genau, wer sich hinter dem Decknamen Norman Dark verbirgt. Er bringt Klime dazu, an einem waghalsigen Unternehmen teilzunehmen, das nur ein Ziel hat: mehr über die Hondh zu erfahren.

    Denn eine neue Expansion der Hondh steht bevor und wenn man nicht bald mehr über den Gegner in Erfahrung bringen kann, wird eine Gegenwehr so erfolglos sein wie bei allen anderen Expansionen zuvor, und die Hondh werden ihr Reich weiter ausdehnen.

    Zusammen mit Delilah Lux, einer Loganerin, dem Computerspezialisten Menom Dalbert, Pelungart, einem Hoc und wohl der letzte seiner Art, und dem Karman Ganges fliegt Klime nach Angmar, um dort heimlich an Bord eines Tributschiffes zu gehen. Auf Angmar wird MELK produziert, ein mehrfach Exonium legierter Kunststoff, auf den es die Hondh besonders abgesehen haben.

    Das Vorhaben gelingt, und als sich das Tributschiff seinem Ziel nähert, beobachten sie den Abflug einer großen Flotte hondhscher Jäger. Ihnen ist klar: Die neue Expansion hat bereits begonnen.

    Prolog

    Klime stand hinter Pelungart, der vor den Kontrollen des Beiboots saß. Der Hoc prüfte zum wiederholten Mal alle Funktionen.

    »Und, wie sieht es aus?«, wollte Klime wissen.

    »Ich denke, dass ich soweit alles verstanden habe«, erwiderte Pelungart. »Ich kann das Schiff sicher zu Boden bringen.«

    Klime nickte zufrieden. Er sah auf den Bildschirm. Das Tributschiff schwenkte in den Orbit der Zielwelt ein. Er ging davon aus, dass der Entladevorgang anschließend schnell beginnen würde. Diesen Zeitpunkt wollten sie nutzen, das Tributschiff zu verlassen. Es würde um den Frachter herum zahlreiche kleine Schiffe, Shuttles oder Schlepper geben, die die Frachtcontainer aufnahmen. Das kleine Beiboot, das sich vom Schiffe entfernte, würde unter ihnen nicht auffallen. Dalbert hatte mithilfe von Little Netty dafür gesorgt, dass die Kontrollen des Hangars sie nicht verrieten. Ähnlich wie die Kameras im Frachtraum hatte er sie manipuliert.

    Er drehte sich um. Delilah und Ganges saßen im kleinen Passagierraum, zwischen sich ihren Gefangenen. Er hatte bereits vor einiger Zeit das Bewusstsein wieder erlangt, aber kein Wort gesagt, keine ihrer Fragen beantwortet. Widerstandslos hatte er sich an Bord des Rettungsboots bringen lassen. Vielleicht lag das an den Waffen, die auch jetzt noch auf ihn gerichtet waren. Möglicherweise wollte er aber auch einfach auf eine günstige Gelegenheit warten, sich zu befreien. Sein Blick schweifte hin und her. Stumm saß er da und beobachtete alles mit seinen dunkelgrauen Augen.

    Dalbert saß hinter ihnen und beschäftigte sich mit Little Netty. Er sah nur kurz auf, als ob er Klimes Blick auf sich spürte. Sein Gesichtsausdruck war teilnahmslos wie immer.

    Diese Warterei zehrte an Klimes Nerven.

    »Wir haben den Orbit erreicht«, sagte Dalbert im selben Augenblick. »Die Frachtluken werden entsichert. Wenn ich die Informationen richtig deute, soll umgehend mit dem Entladen begonnen werden.«

    »Pel?«

    »Ich bin bereit.«

    »In Ordnung! Menom, Schleuse auf!«

    Es dauerte ein paar Augenblicke, dann begannen die Schleusenschotte des Hangars auseinanderzufahren. Gleichzeitig erlosch das Licht und lediglich die Innenbeleuchtung des Beiboots war noch an. Klime betrachtete den Weltraum mit seinen Sternen. Vom Planeten oder seiner Sonne war nichts zu sehen.

    Plötzlich ging ein Ruck durch das kleine Raumfahrzeug.

    »Halterungen sind gelöst«, meldete Pelungart. »Manövrierdüsen haben gezündet.«

    Langsam flog das Beiboot auf die offene Schleuse zu. Dann war es durch. Fast gleichzeitig zündete Pelungart die Haupttriebwerke und brachte das kleine Schiff auf den Weg in Richtung Planet. Klime unterließ es, ihm irgendwelche Befehle zu erteilen. Sie hatten abgesprochen, was zu tun war, und der Hoc würde sich daran halten.

    Das Tributschiff war schnell umflogen und die Zielwelt kam in Sicht. Meere, Berge, Grün, Wolkenformationen, weiße Polkappen.

    Plötzlich leuchtete ein Licht auf dem Kontrollpult auf und zugleich ertönte ein schrilles Piepen.

    »Man ruft uns«, erklärte Pelungart nach ein paar Augenblicken. Mit einer schnellen Bewegung aktivierte er das Funkgerät über ein Sensorfeld.

    Die Stimme aus den Lautsprechern klang automatenhaft. Etwa zehn, fünfzehn Sekunden lang war sie zu hören. Klime wollte schon aufatmen, als die Stimme erneut erklang. Wenn er sich nicht täuschte, waren es dieselben Worte wie zuvor, in der melodiösen Sprache der Unbekannten. Er drehte sich um und sah ihren Gefangenen auffordernd an. Und zum ersten Mal zeigte sich so etwas wie eine Regung in dessen Miene. Er lächelte. »Es ist die Aufforderung einen Code zu senden.«

    »Woher weißt du das?«

    Das Lächeln des anderen wirkte trotz seines grob geschnittenen Gesichtes außerordentlich feinfühlig. »Im Gegensatz zu euch spreche ich diese Sprache. Würdet ihr sie kennen, dann hättet ihr sofort beim ersten Aufruf den Antrieb deaktiviert. Da ihr das aber nicht habt …«

    »Näherkommendes Schiff, Shelwin«, unterbrach Pelungart. »Es kommt vom Boos-Frachter und hat eindeutig uns zum Ziel. Den Ortungsdaten nach ist es kein Shuttle. Eher ein Raumjäger.«

    »Wann wird er uns einholen?«

    »Kurz nach Eintritt in die Atmosphäre, aber ich befürchte ...«

    »So lange wird er nicht warten«, unterbrach ihr Gefangener den Hoc. Seine Stimme klang ruhig, beinahe gelassen.

    »Warten?«

    Ein harter Ruck durchfuhr das kleine Schiff.

    »Er hat das Feuer eröffnet«, sagte Pelungart. »Ein Raumtorpedo ist vor unserem Bug explodiert. Ein Warnschuss, denke ich.«

    Klime dachte einen winzigen Augenblick nach: »Höchstbeschleunigung, Pel. Du musst uns runterbringen. Irgendwie!«

    »Wir sind dann aber zu schnell für einen Atmosphäreneintritt.«

    »Du musst das hinbekommen!«

    »Ich versuche mein Bestes!«

    Dem Warnschuss folgten weitere Raumtorpedos. Ihr Raumfahrzeug besaß zwar einen Schutzschirm, doch immer wieder erschütterten harte Schläge das Beiboot, die es nicht so einfach wegsteckte. Klime hörte, wie Glas zerbrach. Dann einen Schmerzschrei von Dalbert, als das Schiff zur Seite geworfen wurde. Im Heck begann es zu dröhnen und beißender Gestank erfüllte den Raum.

    »Er scheint noch nicht ernst zu machen«, kommentierte ihr Gefangener. »Einen direkten Treffer werden wir nicht überstehen.«

    Klime verzichtete darauf, ihn zu fragen, wie er zu dieser Ansicht kam. Er hatte alle Hände voll damit zu tun, sich festzuhalten und verfolgte Pelungarts Bemühungen, ihr Raumschiff auf einem wilden Zickzackkurs und mit größtmöglicher Geschwindigkeit dem Planeten näher zu bringen.

    Schließlich aber musste der Hoc das wilde Hin und Her aufgeben, denn sie näherten sich den obersten Schichten der Atmosphäre.

    »Ich muss jetzt verzögern und den Landeanflug einleiten.« Trotz ihrer Lage blieb die Stimme des Hoc ruhig. Er zwang das Beiboot in eine enge Kurve und die Andruckabsorber reagierten zu langsam. Für Sekundenbruchteile lastete ein ungeheureres Gewicht auf ihm und er wurde tief in seinen Sitz gepresst.

    »Ich …« Ein furchtbarer Ruck ließ Klime verstummen.

    Alarmsignale leuchteten auf und Töne lagen in der Luft, die an Sirenen erinnerten.

    »Haupttriebwerk 1 ausgefallen.« Immer noch klang Pelungarts Stimme ruhig. »Noch so ein Treffer und es ist vorbei!«

    »Das Beiboot hat Rettungskapseln«, ließ sich ihr Gefangener vernehmen.

    »Darin werden wir nicht sicherer sein«, gab Klime zurück.

    »Wenn ihr das Schiff dicht an den Planeten heranbringt und sie absprengt, wird unser Jäger sich entscheiden müssen, welche er verfolgt.«

    »Niemand wird sich opfern!«, widersprach Klime.

    »Außerdem ist das auch gar keine Option mehr«, kam es von Pelungart. »Mit dem Triebwerk sind auch die Kontrollen über drei der Rettungskapseln ausgefallen. Ich befürchte …« Eine weitere Erschütterung ließ ihn kurz innehalten, dann fuhr er unbeeindruckt fort: »… sie sind nicht mehr zu benutzen.«

    »Aber es ist die beste Wahl, die ihr noch habt. Der Jäger wird das Beiboot verfolgen. Um die Rettungskapseln werden sich andere kümmern. Drei von euch können überleben.«

    Klime sah, wie der Hoc den Kopf drehte. Auch wenn Pelungart keine Augen besaß – jedenfalls keine, die zu erkennen waren – so war der Terraner doch sicher, dass es ein fragender, wahrscheinlich sogar drängender Blick war, den Pelungart ihm zuwarf.

    Er schnallte sich los und stand auf, auch wenn die Gefahr bestand, dass der nächste Treffer ihn durch das Raumfahrzeug schleudern würde. »Delilah, Ganges, Menom. Ihr nehmt die Rettungskapseln.« Dalbert erhob sich wortlos, ebenso die Loganerin. Der Blick, dem sie ihm dabei zuwarf, war sorgenvoll.

    Der Karman hingegen blieb sitzen. »Ich bleibe an Bord, Mr Klime.«

    »Das war ein Befehl, Ganges!«

    »Und ich verweigere diesen Befehl«, erwiderte Ganges. »Ich besitze einen Robotkörper und der ist wesentlich robuster als der Ihre. Der Angreifer will das Beiboot möglicherweise gar nicht zerstören. Und wenn wir abstürzen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich überlebe, erheblich größer als bei Ihnen.«

    »Wenn ihr noch lange diskutiert, dann überlebt keiner«, ließ sich ihr Gefangener wieder vernehmen. Täuschte Klime sich oder lag so etwas wie Belustigung in seinen Worten? Aber der Mann hatte Recht. »Dann du, Pelungart!«

    »Nein, Shelwin«, erwiderte der Hoc. »Ich bin der einzige, der dieses Ding noch einigermaßen sicher zu Boden bringen kann.« Nach einer winzigen Pause fügte er hinzu. »Vielleicht.«

    Ein mörderischer Schlag riss Shelwin Klime von den Beinen. Er schlug sich den Kopf und drohte für einen Augenblick das Bewusstsein zu verlieren. Dann fühlte er sich hochgerissen und starrte in Delilahs Gesicht.

    »Wir sollten verschwinden!« Sie sah ihn aus ihren blauen Augen entschlossen an.

    Benommen nickte Klime und ließ sich von ihr in Richtung Heck ziehen. Dort waren die Rettungskapseln angedockt.

    Dann verschwamm die Welt endgültig vor seinen Augen.

    »Wir erreichen gleich die Atmosphäre.« Pelungart erstattete Meldung, als seien noch alle seine Passagiere da, dabei hielten sich nur noch Ganges und ihr Gefangener in der Kabine auf.

    Er sah auf die Kontrollen und Anzeigen. Wie befürchtet, waren sie viel zu schnell. Wenn sie mit dieser Geschwindigkeit in die dichteren Schichten der Atmosphäre eindrangen, konnte es das Boos-Beiboot zerreißen. Und falls nicht, dann würde es trotz Schutzschirm verglühen. Also blieb nur eine Option.

    »Ich werde unseren Kurs ändern«, sagte er. »Wir werden die Atmosphäre nur streifen und wie ein Stein von der Wasseroberfläche abprallen. Wenn wir das ein paar Mal wiederholen, sollten wir langsam genug sein, um eine Landung mit nur einem intakten Triebwerk riskieren zu können.«

    »Aber wird das unseren Verfolger nicht näher an uns heranbringen, Mr Pelungart?«, wollte Ganges wissen.

    »Möglich«, gab der Hoc zurück, »aber wenn ich es nicht versuche, erleben wir den nächsten Tag so oder so nicht. Ich werde die Kapseln absprengen, sobald wir das erste Mal Berührung mit der Atmosphäre haben. Mehr können wir für Klime und die anderen nicht tun.«

    »Werden sie es überleben?«

    »Eher als wir, Ganges.« Doch ganz so sicher war Pelungart sich nicht. Die Rettungskapseln waren nicht für einen Atmosphäreneintritt mit derart hoher Geschwindigkeit konzipiert. Aber es war immer noch die beste Chance, die Klime und die anderen hatten. Das Beiboot würde den Planeten in einem noch schlechteren Zustand erreichen – wenn überhaupt. Die Erschütterungen durch den permanenten Beschuss, die Auswirkungen der Treffer, die Beschädigungen und Zerstörungen ... das Beiboot des Boos-Frachters war eigentlich nur noch ein fliegendes Wrack, eine sichere Landung war damit nicht mehr durchzuführen. Pelungart wusste das. Ganges auch. Und zweifellos auch ihr Gefangener.

    Als die Anzeigen signalisierten, dass sie die ersten dünnen Schichten der Atmosphäre erreicht hatten, zögerte Pelungart keinen Augenblick und löste den Absprengmechanismus der Rettungskapseln aus. Er war sich des Risikos bewusst. Ihr Verfolger konnte sich dafür entscheiden, den Rettungskapseln zu folgen. Die anderen mussten sich dann keine Gedanken mehr darüber machen, ob sie die Oberfläche erreichten oder nicht. Aber er hoffte, dass der Jägerpilot die Kapseln den Einheiten überlassen würde, die auf der Oberfläche warteten. Um die Entscheidung des Mannes, der Frau oder wer auch immer an den Kontrollen des Jägers saß, zu beeinflussen, beschleunigte er das Beiboot, sobald die Kapseln abgesprengt waren, und zwang es in eine Kurve, die auf einer engen Umlaufbahn um den Planeten führen musste. Ihr Verfolger sollte merken, dass an Bord des Beibootes noch jemand an den Kontrollen saß.

    Pelungart atmete auf, als er sah, dass der Jäger ihnen auf den Fersen blieb und die davonrasenden Rettungskapseln ignorierte. Damit waren deren Insassen zwar noch nicht gerettet, aber ihre Chancen hatten sich deutlich erhöht.

    Während der ganzen Zeit hatte der Hoc nicht auf den Weltraum vor sich oder über sich geachtet. Es hatte ihn nicht interessiert, was sich dort abspielte. Daher wurde er von Ganges’ Ruf überrascht: »Was ist das, Mr Pelungart?«

    Es dauerte einen Augenblick, bis der Hoc sich orientiert hatte und entdeckte, was der Karman meinte. In einem Orbit vor ihnen schwebte ein gewaltiges ... Etwas. Und sie steuerten direkt darauf zu.

    »Gute Frage, Ganges. Ich weiß es nicht!«

    Zum ersten Mal seit einiger Zeit sagte ihr Gefangener wieder etwas: »Das ist der Grund, warum ich hier bin.«

    Delilah Lux

    Schmerzen. Jede Faser ihres Körpers schmerzte. Die Hondh – oder wer auch immer für das, was ihr angetan wurde, verantwortlich war – kannten so etwas wie Gnade nicht. Sie wollten Wissen. Und ihnen war jedes Mittel recht, an dieses Wissen zu gelangen.

    Schmerzen ...

    Delilah Lux wälzte sich mühsam herum. Ihre Zelle war taghell erleuchtet. Nein, mehr als taghell. Es war eine grelle, schier unerträgliche Helligkeit. Teil ihrer täglichen Folter. Ob draußen, in der Freiheit, tatsächlich Tag war, spielte keine Rolle. In ihrer Zelle war immer Tag.

    Sie wusste, dass man sie beobachtete. Doch mittlerweile war ihr das völlig gleichgültig. Ihr war auch egal, dass sie ganz bestimmt nicht mehr das Bild der verführerischen Loganerin abgab, das sie in einem anderen Leben so kultiviert hatte.

    Wie lange war es her, dass sie in Gefangenschaft geraten war? Sie konnte sich nicht erinnern. Irgendwann hatte sie es aufgegeben, so etwas wie Tage zählen zu wollen. Denn es war immer Tag. Ein endloser Tag voller Fragen, Folter und Schmerzen.

    Sie wusste nicht einmal, ob sie immer vom gleichen Mann – war es ein Mann? Sie hatte ihn doch nie richtig gesehen! – verhört wurde.

    Wer bist du? Woher kommst du? Was ist deine Absicht auf Hardan? Wer hat dich geschickt?

    Sie konnte sich nicht erinnern, ob sie ihm seine Fragen beantwortet hatte. Ob sie die anderen verraten hatte. Nein, erinnern konnte sie sich nicht. Aber sie war sich sicher, dass sie ihm alles erzählt hatte, was er wissen wollte.

    Bei dem Gedanken an die anderen kamen ihre vagen, im Nebel liegenden Erinnerungen hoch. Erinnerungen an ein anderes Leben, in dem es keinen Schmerz gab.

    Pelungart, der Hoc, mit seinem Kopf, der aussah wie ein gekochtes Ei.

    Menom Dalbert, der hagere Mann mit den langen, ungepflegt erscheinenden Haaren, dessen einzige Leidenschaft Computersysteme waren.

    Ganges, der Karman, dessen Unterwürfigkeit manchmal unerträglich war.

    Shelwin Klime, der Terraner, relativ gesehen über 500 Jahre alt, absolut gesehen aber eine durchaus anziehende Erscheinung. Wie sie um ihn gekämpft und ihn am Ende doch verloren hatte …

    Sie war am Ende ihrer Kräfte.

    Shelwin hing wie ein nasser Sack an ihrer Schulter und sie schleppte sich und ihn weiter. Weg, nur weg von der Rettungskapsel! Der Wald um die Einschlagstelle war in Brand geraten. Glücklicherweise war das Holz und das Laub nass und das Feuer fand nur mühsam Nahrung, aber die Rauchentwicklung würde die Absturzstellen verraten.

    Sie hatte auch nach Dalberts Kapsel gesucht, aber nichts entdeckt. Nur sie und Shelwin schienen nahezu am selben Ort niedergegangen zu sein.

    Sie wusste nicht, wie lange sie unterwegs waren, wie viele Kilometer sie bereits zurückgelegt hatten. Immer wieder musste sie eine Pause einlegen und immer öfter. Der Mann in ihren Armen bekam kaum mit, was um ihn herum geschah. Er hatte an Bord des Beiboots eine auf den Kopf bekommen – im Sinne des Wortes – und war benommen gewesen. Ihr Flug durch die Atmosphäre mit Rettungskapseln, die dafür nicht vorgesehen waren, der Aufprall, das alles musste ein Übriges getan haben. Er brauchte Ruhe; Zeit, um sich zu erholen.

    Aber die brauchte sie auch. Sie war Loganerin, dank ihrer vielfältigen Gen-Manipulationen normalen Menschen überlegen. Doch sie war am Ende auch nur ein Mensch, dessen Kräfte irgendwann erlahmten und schließlich erschöpft waren.

    Außerdem gehörte sie nicht zu den Kreaturen, die von den loganischen Bio-Ingenieuren vor langer Zeit erschaffen worden waren und die noch ganz andere Eigenschaften gehabt hatten als sie. Sie konnte kämpfen, sie war stark, sie hatte Ausdauer, aber das war eben nicht zu vergleichen mit dem, was den Kreaturen zu eigen gewesen war.

    Wenn sie das gewesen wäre, wenn sie aufmerksamer gewesen wäre, wenn sie weniger erschöpft gewesen wäre, dann, ja dann hätte sie sie vielleicht kommen hören. So aber standen die Soldaten mit auf sie gerichteten Waffen plötzlich vor ihr. Zuerst wollte sie kämpfen, aber einer der Männer trat vor. Er war schneller als sie, obwohl sie doch Loganerin war. Er hob die Waffe, drehte sie um und schlug zu. Dann war nichts mehr.

    Als sie erwachte, fand sie sich in dieser Zelle wieder. Ihr Kopf schmerzte und sie war in etwas gekleidet, was wie ein Nachthemd aussah. Man hatte sie ausgezogen! Ihr war zuwider bei dem Gedanken, was sonst alles die Unbekannten mit ihr angestellt haben mochten. Doch ein Gedanke erschreckte sie besonders: Was war mit Shelwin? Lebte er noch? Hatten die Fremden sich um ihn gekümmert oder ihn einfach getötet?

    Stunden, vielleicht sogar Tage vergingen. Sie kam wieder zu Kräften, denn die Unbekannten versorgten sie mit Nahrung und Wasser. Irgendwann war sie so weit, den nächstbesten, der ihre Zelle betrat, anzugreifen und sich den Weg nach draußen zu kämpfen. Doch anscheinend hatten die Unbekannten genau darauf gewartet. Denn an diesem Tag, welcher immer das auch nach ihrer Gefangenschaft war, begann ihre Tortur.

    ER erschien. Sie wusste nur seinen Namen. Lakasta.

    Lebten die anderen noch? Und wenn ja, waren sie ebenfalls Gefangene? Oder waren sie entkommen? Vielleicht sogar tot? Sie wusste es nicht.

    Sie hob den Kopf, als sie hörte, dass die Tür sich öffnete.

    Ein Hüne, sicher zwei Kopf größer als sie, betrat den Raum. Er war in einen Umhang gehüllt, der nur wenig von seiner tatsächlichen Figur erkennen ließ. Über dem Gesicht trug er eine Maske. Lakasta, ihr persönlicher Peiniger.

    »Ich sehe, du bist wohlauf«, drang es dumpf unter seiner Maske hervor. »Gut! Dann können wir ja weitermachen.«

    Jedes Mal dasselbe Ritual. Sie hätte sagen können, dass sie keine mehr Lust hatte, seine Fragen zu beantworten. Doch das wäre sinnlos gewesen. Lakasta ließ sich durch nichts davon abhalten, seine Fragen zu stellen. Es war immer das gleiche Spiel. Monoton und langweilig. Aber doch schien er hinterher jedes Mal mehr zu wissen.

    »Fangen wir also an«, meinte er mit freundlicher Stimme und setzte sich auf den einzigen Stuhl im Raum. Delilah blieb liegen, wo sie war. Sie wusste, dass das Hemd, in das man sie gesteckt hatte, mehr als nur ein wenig Haut zeigte. Doch Lakasta schien das kalt zu lassen. Er schien für ihre loganische Ausstrahlung nicht empfänglich. Vielleicht war er gar kein Mann.

    »Dein Name ist Delilah Lux und du stammst von einer Welt mit Namen Logus.«

    »Das weißt du doch«, presste sie hervor.

    »Ich weiß es«, bestätigte er. »Aber weißt du es auch noch?« Er lachte. »Es passiert manchmal, dass meine Gesprächspartner ihren Namen vergessen. Oder woher sie kommen. Ich muss sie dann daran erinnern.«

    Hätte sie die Kraft gehabt, hätte sie mit den Achseln gezuckt. So aber beließ sie es bei einem Schweigen.

    Weitere Fragen folgten; Fragen, auf die er die Antworten schon kannte; Fragen, die er aber immer wieder gebetsmühlenartig wiederholte. Doch irgendwann kam dann der Zeitpunkt, an dem er völlig unvermittelt eine neue Frage stellte.

    »Wo ist dieser Mann, den du Menom Dalbert nennst, abgeblieben? Du sagtest, ihr seid gleichzeitig mit den Rettungskapseln von dem Beiboot geflohen. Wo ist er?«

    »Wenn du es nicht weißt, woher soll ich es wissen?«, erwiderte sie mit müder Stimme. »Ihr habt doch die Rettungskapseln gefunden.«

    Er nickte. »Ja, das haben wir. Doch leider war seine Rettungskapsel leer und verlassen. »Er hob die Hand, als sie etwas sagen wollte. »Ja, du hast mir erzählt, dass du nicht weißt, wo die anderen sind. Wo ist Menom Dalbert? Wo sind dieser Pelungart, der Karman und der Verräter? Ich glaube dir nicht so richtig, dass du es nicht weißt, Delilah. Ich denke, dass du mir mehr sagen kannst als das, was du mir bislang erzählt hast. Sehr viel mehr.« Er stieß ein freundliches Lachen aus, das dumpf unter der Maske hervorklang. Doch sie kannte Lakasta mittlerweile. Sein Lachen verhieß nie etwas Gutes. »Was hat Ta’Engos euch alles erzählt?«

    Das war die neue Frage.

    »Ta’Engos?«

    »Ja, euer Klon-Freund. Der, der mit euch von Bord des Tributschiffes geflohen ist.«

    »Ich weiß nicht, wie er heißt. Er hat

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