Perry Rhodan Neo 191: Pilgerzug der Posbis
Von Oliver Plaschka
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Über dieses E-Book
2058 sind die Menschen nach schwerer Zeit mit dem Wiederaufbau ihrer Heimat beschäftigt und finden immer mehr zu einer Gemeinschaft zusammen. Nur vereint können sie den Bedrohungen aus den Tiefen des Alls trotzen.
Nachdem Rhodan einen Angriff der sogenannten Bestien abgewehrt hat, haben diese sich in die Außenbereiche des Solsystems zurückgezogen. Aber noch haben die Gegner und vor allem ihr Befehlshaber ANDROS ihre unheilvollen Pläne nicht aufgegeben.
Fieberhaft suchen Perry Rhodan und seine Gefährten nach Wegen, die Bestien endgültig zurückschlagen zu können. In dieser angespannten Lage tauchen fremde Raumschiffe beim Pluto auf – die Menschen treffen offenbar auf den mysteriösen PILGERZUG DER POSBIS ...
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Buchvorschau
Perry Rhodan Neo 191 - Oliver Plaschka
Band 191
Pilgerzug der Posbis
Oliver Plaschka
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Cover
Vorspann
Prolog
Teil I – Ankunft: 15. September 2058
1. Edwina Kerpen
2. Nathalies Tagebuch
3. Edwina Kerpen
4. Ras Tschubai
Teil II – Gedenken: 15.–16. September 2058
5. Belle McGraw
6. Perry Rhodan
7. Ras Tschubai
8. Reginald Bull
9. Die Posbis
10. Perry Rhodan
11. Reginald Bull
Teil III – Aufbruch: 16. September 2058
12. Belle McGraw
13. Eric Leyden
14. Perry Rhodan
15. Eric Leyden
Teil IV – Zwischen den Welten
16. Perry Rhodan, Sedna
17. Forschungsschiff AURORA
18. Belle McGraw, Mimas
19. Eric Leyden, Kuipergürtel
20. Perry Rhodan, Sedna
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. Damit öffnet er den Weg zu den Sternen – ein Abenteuer, das der Menschheit kosmische Wunder offenbart, sie aber auch häufig in höchste Gefahr bringt.
2058 sind die Menschen nach schwerer Zeit mit dem Wiederaufbau ihrer Heimat beschäftigt und finden immer mehr zu einer Gemeinschaft zusammen. Nur vereint können sie den Bedrohungen aus den Tiefen des Alls trotzen.
Nachdem Rhodan einen Angriff der sogenannten Bestien abgewehrt hat, haben diese sich in die Außenbereiche des Solsystems zurückgezogen. Aber noch haben die Gegner und vor allem ihr Befehlshaber ANDROS ihre unheilvollen Pläne nicht aufgegeben.
Fieberhaft suchen Perry Rhodan und seine Gefährten nach Wegen, die Bestien endgültig zurückschlagen zu können. In dieser angespannten Lage tauchen fremde Raumschiffe beim Pluto auf – die Menschen treffen offenbar auf den mysteriösen PILGERZUG DER POSBIS ...
Prolog
Unrein, sagte die Stimme zu Molinari. Sie klang ein bisschen wie die Stimme seiner Großmutter, wenn diese in seiner Kindheit Anstoß an seinem Zimmer oder der Haushaltsführung seiner Mutter genommen hatte. Er wusste kaum, wer er eigentlich war in jenen Minuten, aber dieser eine Gedanke stand überdeutlich in seinem umnachteten Geist: Schmutz. Unrein. Überall Schmutz.
Ja, dachte Molinari beim Anblick der öligen Wände und versuchte, seinen Kopf zu klären, das war absolut richtig. Die TORTUGA war ein schmutziges Schiff. So voll. Eng. Wahrscheinlich war sie immer schon schmutzig gewesen ... Er massierte seine Schläfen, wollte sich auf die Mission konzentrieren.
Natürlich war die TORTUGA keine blitzende Jacht – Raumfahrzeuge in Privatbesitz waren nach wie vor die Ausnahme im Sonnensystem, denn Raumschiffe waren teuer, selbst die schmutzigen. Aber Dimitri Roganoff hatte seine Kanäle zur General Cosmic Company, und die GCC hatte Kanäle bis nach KE-MATLON, und ein altes Beiboot der Mehandor kostete auf diesen Kanälen nur etwa so viel wie ein Flugzeugträger und war damit für jemanden wie Roganoff leicht erschwinglich.
Schmutz, sagte die Stimme, drückte abermals wie eine schwarze, kalte Granitplatte auf seinen Kopf und trieb ihn voran. Unrein.
Sie hatte wirklich recht, dachte Molinari dumpf, während er auf wackligen Beinen den fleckigen Flur zu den Rettungskapseln betrat. Dort war der Druck ein wenig besser zu ertragen. Dimitri Roganoff war Abschaum – ultrareich, trotzdem Abschaum. Vor gut zwanzig Jahren hatte sich der Menschheit die Weite des Alls aufgetan. Für Männer wie Roganoff war es die Weite der interstellaren Märkte gewesen. Früher hatte es noch Grenzen gegeben, wie reich ein einzelner Mann werden konnte. Seit es möglich war, per Hyperfunk an den Börsen von Archetz und anderen Welten mitzuverdienen, gab es diese Grenzen nicht mehr. Die Gesetzgeber konnten gar nicht so schnell neue Regeln erlassen, wie Männer wie Roganoff Wege fanden, sich zu bereichern.
Du bist Dreck, sagte die Stimme. Ihr alle seid Dreck.
Stimmt, dachte Molinari, als er die erste Rettungskapsel erreichte. Er arbeitete für Roganoff, so wie jeder an Bord, also war er nicht besser als sein Arbeitgeber. Nur ärmer. Früher waren bloß seine Hände dreckig gewesen; da hatte er noch ehrliche Arbeit verrichtet. Mittlerweile wusste er kaum noch, wo der Dreck überall klebte. Er fühlte sich schlecht. Richtiggehend übel war ihm. Vielleicht würde es besser werden, wenn er den Dreck loswurde.
Weg mit dem Schmutz!, sagte die Stimme. Spül ihn fort!
Molinari aktivierte die Startsequenz der leeren Kapsel. Ein rotes Licht erstrahlte, und mit einem heftigen Ruck löste sich die Kapsel aus ihrer Verankerung. Dann zündete ihr Antrieb und schoss sie ins All hinaus.
Schon besser. Molinari konnte die Erleichterung fast spüren. Als hätte man die erste Last von einem alten, gebeugten Tier geschnitten. Jetzt die andere!
Saurer Geschmack stieg in seiner Kehle auf. Er ging rasch weiter zur zweiten Kapsel und wiederholte den Vorgang.
Ein Alarm gellte los. Molinari presste die Hände an die Ohren.
Der Schmutz!
Jemand oder etwas hatte ihn entdeckt. Jemand oder etwas wollte nicht hinweggespült werden ...
Der Alarm fräste sich in sein Gehirn und ließ sein Herz rasen. Einen Augenblick lang unterdrückte das Adrenalin sogar die Stimme, und Molinari wusste wieder, wer er war.
Paolo Molinari, Bordingenieur der TORTUGA auf einer mit privaten Mitteln finanzierten Expedition in den Kuipergürtel. Auf dem Zwergplaneten Sedna hatten sich geheimnisvolle Aliens versteckt, und eine oder mehrere Space-Disks mitsamt ihrer Ausrüstung waren dort abgestürzt. Natürlich alles Eigentum der Terranischen Flotte, aber eine reiche Beute ...
»Zentrale an Molinari«, hörte er die Stimme des Kapitäns über Funk. »Was treiben Sie dort unten? Die Positronik zeigt an, dass Sie die Rettungskapseln ...«
Der Dreck klammert sich an seine Existenz.
Der Moment der Klarheit war vorüber. Der saure Geschmack in Molinaris Kehle kehrte zurück. Übelkeit übermannte ihn, und gestützt an die Wand, beugte er sich vor und übergab sich.
Wieso mussten Raumschiffe und Menschen nur so schmutzig sein ...? Der Gedanke daran, wie sie mit irrwitzigen Geschwindigkeiten dahinrasten und ihren Schmutz überall verbreiteten, machte ihn krank ...
Zeit, sich um den Antrieb zu kümmern.
Er taumelte weiter.
Die Antriebssektion befand sich im Heck des kleinen Walzenschiffs. Er zwängte sich durch die engen Gänge, in denen entgegen jeder Vorschrift Werkzeug und Essensverpackungen auf dem Boden lagen, und ignorierte den Alarm und die zunehmend aufgebrachteren Rufe über Kom.
Es ist zu heiß. Zu schmutzig. Zu laut. Zu schnell.
Molinari öffnete das rostfleckige Schott und betrat das von flackernden Holos erhellte Halbdunkel der Antriebssektion. Sedna war Sperrgebiet. Um die Systemverteidigung nicht zu alarmieren, flog die TORTUGA derzeit nur mit Unterlichtgeschwindigkeit. Also reichte es, den Impulsantrieb zu desaktivieren. Als Bordingenieur hatte Molinari die nötige Autorisierung. Er brauchte nur manuell die Verbindung zur Zentrale zu kappen und den Antrieb in den Wartungsmodus zu versetzen.
Leg ihn still. Bring ihn zur Ruhe.
Er gab seinen Kode ein. Die Anzeigen des Kontrollpults wechselten zu einem dunklen Blau. Erst als das allgegenwärtige Dröhnen erstarb, das er schon kaum noch gehört hatte, bemerkte er, was für eine Pein es gewesen war, wie herrlich diese neue Stille war. Das Raumboot trieb nun antriebslos im All. Der Druck um seinen Kopf ließ abermals ein wenig nach – oder vielleicht spürte er ihn nur nicht mehr, war taub geworden unter dem drückenden Schmerz.
»Molinari! Was auch immer Sie da tun, ich befehle Ihnen ...«
Wie lange schrie der Kapitän schon auf ihn ein? Molinari riss sich den Stecker aus dem Ohr, wünschte, er könnte die komplette Funkanlage außer Betrieb nehmen.
Es ist immer noch zu schmutzig. Zu heiß.
Die Stimme klang nun nicht mehr wie seine Großmutter. Sie klang gieriger. Sie wusste genau, was sie wollte. Sie wollte absolute Ruhe, Ordnung, Kontrolle. Kalte Schönheit – Perfektion.
Er musste weiter. Musste die Ruhe, die Kälte, die Sauberkeit über das gesamte Schiff bringen. Wer sonst sollte es tun? Er war der Säuberer. Er war der Auserwählte.
Gerade wollte er die Antriebssektion verlassen, als das Schott ihm entgegenschlug und ein anderes Besatzungsmitglied sich ihm entgegenstellte. Es war Johansen. Groß, nach Schweiß stinkend, der dunkle Vollbart voller Dreck. Molinari hatte Johansen nie gemocht. Und nun hatte Johansen ihn verraten, sich auf die Seite des Schmutzes gestellt.
Molinari packte Johansen und schleuderte ihn gegen die Wand. Der größere Mann war sichtlich überrascht von der Schnelligkeit und Wucht des Angriffs. Ehe er wieder zu Sinnen kommen konnte, hatte Molinari sich einen schweren, keulenförmigen Feldleitungskalibrierer gegriffen und hieb ihn Johansen mit aller Gewalt auf den Kopf.
Gut. Das ist gut. Beende es! Räume auf!
Molinari aber schrie aus Leibeskräften – denn je länger er auf den reglosen Körper einprügelte, desto heißer wurde ihm, und desto mehr schmutziges Blut spritzte über die Wände, über das Schott, seine Hände, seine Brust, sein Gesicht. Der Schmutz war überall.
Es ist nötig. Nur so kannst du es beenden.
Molinari wünschte sich nichts sehnlicher, als dass es endete. Also schrie er weiter und schlug und schrie und schlug.
Als er wieder zu sich kam, stand er in einem Flur wie dem der Rettungskapseln, bloß auf der falschen Seite des Raumboots. Hinter ihm lagen die Mannschaftsquartiere. Er konnte sich nicht erinnern, jenseits der Mannschaftsquartiere je einen solchen Flur gesehen zu haben. Er war sich nicht einmal mehr sicher, ob die TORTUGA über zwei oder vier Fluchtvehikel verfügte. In jedem Fall waren beide Kapseln ausgeworfen – also taumelte er weiter.
Wie viel Zeit war vergangen? Was war geschehen? Undeutlich war er sich eines fernen Alarms und flackernder Lichter bewusst. Irgendwo fiel ein Schuss, doch der Sturm seiner gequälten Sinne wurde immer wilder, wie sollte er da sagen, was wirklich war und was nur Illusion? Selbst der Boden kippte unter seinen Füßen, als wäre er auf krummen Gelenken gelagert.
Er erreichte das Schott, hinter dem sich die Lebenserhaltungssysteme verbargen.
Es ist zu heiß.
Tatsächlich war er schweißgebadet. Sein ganzer Körper klebte vor Nässe. Der Ekel, den er vor sich selbst empfand, war unerträglich.
Wenn er die Lebenserhaltung desaktivieren könnte, wäre es besser. Dann wäre es kälter. Dann wäre es vorbei ...
Hinter dem Schott nahm er ein Wimmern wahr.
Molinari zischte. Er hätte den Feldleitungskalibrierer mitnehmen sollen. Doch er konnte nicht mehr umkehren. Er musste es beenden.
Er öffnete das Schott. Ein beißender Gestank stach ihm in die Nase. Etwas brannte und nur die Notbeleuchtung der Sektion funktionierte noch, er konnte in dem rauchverhangenen Zwielicht nichts erkennen.
Bring es zu Ende ...
Dann erspähte er sie: Decauville, die Kopilotin, die auf einem der wackligen Regulatorentürme saß wie ein Cowboy beim Rodeo auf einem Stier. Sie hatte sich die Haare bis auf ein einziges, unförmiges Büschel rasiert, und sie war blass und hatte blutunterlaufene Augen, sodass sie aussah wie eine Strahlenkranke. Mit der Rechten reckte sie einen Thermoschweißer wie eine Siegestrophäe empor.
Als sie ihn erblickte, stieß sie einen wilden, trällernden Schrei aus und sprang von dem Regulator. Molinari verstand erst gar nicht, was er sah. Er hatte mit Widerstand gerechnet, aber nicht ...
Meine Kinder. Reinigt das Schiff! Lasst die Kälte ein! Öffnet der Stille das Tor! Ergebt euch der reinen Perfektion!
»Hörst du sie auch?«, schrie Decauville mit sich überschlagender Stimme. Ihre geröteten Augen waren riesengroß vor Erregung. »Ich erfülle ihr Werk! Hörst du sie? Hörst du sie?«
Auf einmal fühlte Molinari sich schlaff und antriebslos, als hätte die aufgedrehte Pilotin alle Energie von ihm abgezogen. Er war nicht der Einzige. War nicht der Auserwählte. Sie hörte die Stimme ebenfalls – und sie hatte ganze Arbeit geleistet.
Er schaute sich um. Die Lebenserhaltungssysteme standen in Flammen. Schon fielen die ersten Regulatoren aus. Funken sprühten von einer Konsole wie Frühjahrsregen.
Das Werk war getan. Er wurde nicht mehr gebraucht.
Ergebt euch mir.
»Hörst du sie?«, schrie die Wahnsinnige ein letztes Mal.
Als Molinari keine Antwort gab, stieß sie ihm den Thermoschweißer in die Brust und betätigte den Zünder.
Unfassbarer Schmerz entflammte in seinem Leib. Halb bewusstlos taumelte er zurück, nur fort, zurück in den Flur. Er hörte noch Decauvilles schnelle Schritte, die sich entfernten, dann fiel auf einmal die künstliche Schwerkraft aus, und er begann zu schweben.
Mit zittrigen Fingern packte er einen Vorsprung und hielt sich fest; es war der Rahmen eines Glassit-Bullauges.
Ein letztes Seufzen fuhr durch den Gang. Die leise Symphonie der Pumpen, deren Zischen und Rauschen sonst die Räume erfüllte, erstarb. Schon schien es ihm, als wäre auch die Temperatur gefallen. Allein die fahle Notbeleuchtung verweigerte sich noch dem Unvermeidlichen.
Ein Knarren durchdrang das Raumfahrzeug, wie das Ächzen eines sehr alten Baumstamms im Sturm.
Molinari schloss die Augen.
Das ist das Ende. Die Reinheit. Die Perfektion.
Aus der Weite glaubte er, einen klaren Klang zu vernehmen, wie schwingender Kristall.
Er kam noch einmal zu sich, ehe es vorbei war. Seine Finger, mit denen er sich nach wie vor am Fenster festhielt, waren schon blau und ohne Gefühl. Die Schmerzen im Rest seines schwebenden Körpers waren gnadenvoll fern.
Er wandte den Kopf.
Und mit seinem letzten Atemzug erhaschte Paolo Molinari draußen vor dem Fenster, eingefasst in die segensreiche Schwärze des Alls, einen Blick auf die blutrote, betörende Geometrie der reinen, makellosen Perfektion.
Teil I
Ankunft: 15. September 2058
1.
Edwina Kerpen
Die Space-Disk verließ den Planetenschatten und gewann an Höhe, bis Pluto und sein Primärmond unter ihr im Sonnenschein glänzten: pastell- und erdfarbene Flächen aus Stickstoff-, Methan- und Wassereis, gespickt mit vereinzelten Kryogeysiren und alten Eisvulkanen.
Vieles an diesem Bild stimmte nicht: Pluto war kein