Winterferien mit Penny
Von Lise Gast und Nikolaus Moras
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Über dieses E-Book
Weihnachtsferien bei Tante Trullala in Hohenstaufen! Etwas Herrlicheres kann Ursula sich gar nicht vorstellen. Hier trifft sie ihre beste Freundin Penny wieder. Beide unternehmen lustige Schlittenfahrten und toben mit den Hunden durch den Schnee. Das Weihnachtsfest und die Silvesternacht lassen sich hier, außerhalb der Großstadt, mit Punsch und lustigen Spielen viel schöner feiern. Nur über ihren Bruder Til und die Zwillinge Rolf und Roland muss sich Ursula von früh bis spät ärgern. Besonders Til ist manchmal recht ungezogen zu den Erwachsenen. Den Mädchen gegenüber spielt er sich großspurig und streitsüchtig auf. Doch eines Tages beweist Til, dass er nicht nur ein lästiger jüngerer Bruder, sondern ein kameradschaftlicher und hilfsbereiter Freund sein kann.
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Buchvorschau
Winterferien mit Penny - Lise Gast
Brüder zu haben, das ist so eine Sache. In meiner Klasse sind Mädchen, die haben überhaupt keine Geschwister, weder Schwestern noch Brüder, und die meinen, Brüder sind etwas Herrliches. Ältere vielleicht, die mögen ganz nett sein. Solche, die einem bei den Schularbeiten helfen oder das Fahrrad flicken oder sonst nützlich und hilfreich sind, wenn man nicht weiter weiß. Jüngere aber…
Til ist zehn, also ungefähr zwei Jahre jünger als ich. Und ich hatte gedacht, wir hätten uns im letzten Sommer sozusagen zusammengerauft, als wir zwei bei Tante Trullala in Hohenstaufen waren. Das stellte sich aber leider als Irrtum heraus. Er wird immer frecher und naseweiser, und da ist es kein Wunder, daß Ralf und Roland, jetzt fast acht, mit mir genauso umspringen wie er. Und unser Jüngstes ist nun auch wieder ein Junge geworden, ich nenne es deshalb immer noch „das Baby", da merkt man es nicht gleich. Ich hätte so gern eine Schwester gehabt! Ein einziges Glück, daß es Penny gibt.
Penny heißt eigentlich Penelope und ist Tante Trullalas Pflegetochter; Pennys Mutter ist gestorben, und ihr Vater ist dauernd auf Reisen. Ich konnte Penny erst nicht ausstehen, aber jetzt habe ich sie schrecklich lieb, sie ist ein wundervoller Kamerad und sehr unternehmungslustig, immer fällt ihr etwas ein. Neulich in der Schule wurden wir gefragt, was für Eigenschaften wir bei einem Menschen gar nicht mögen. Unsere Lehrerin erwartete wohl, daß wir schrieben: Zanksucht, Faulheit, Liederlichkeit oder ähnliches. Sie war jedenfalls sehr erstaunt, als sie las, was ich, dreimal unterstrichen, hingeschrieben hatte, nämlich: Langweiligkeit.
„Erstens ist das eigentlich kein Wort, sagte sie, etwas mühsam nach dem richtigen Ausdruck suchend, „oder doch eins, das du erfunden hast. Ich habe es jedenfalls noch nie irgendwo gelesen. Meinst du wirklich, das sollte man als erstes nennen? Ist Lügenhaftigkeit oder etwas ähnliches nicht viel häßlicher?
„Häßlicher vielleicht, aber Langweiligkeit ist das Schlimmste, beteuerte ich und setzte mich wieder. Wenn sie schon nach meiner Meinung fragt, muß ich auch antworten. Hätte ich „Faulheit bei den Schularbeiten
hingeschrieben, so wäre ich lügenhaft gewesen, aber sie hätte mich gelobt…
Nun, dies alles hat mit Til nichts zu tun, von dem ich gerade erzählen wollte. Ich mußte mich am schönsten Tag des Jahres, am Heiligen Abend, schrecklich über ihn ärgern und für ihn schämen. Dabei sollte es ein wunder-, wunderschönes Weihnachten werden, unser erstes in Hohenstaufen. Eigentlich wollten wir wie immer daheim feiern, und am ersten Feiertag sollte ich dann zur Tante fahren. Penny aber bettelte und bettelte, bis Tante uns alle, die ganze Familie, schon für das Fest zu sich einlud. Am zweiundzwanzigsten bekamen wir Ferien, und sofort nach der Schule fuhren wir los, mit Mann und Maus und allen Weihnachtsgeschenken und Überraschungen für groß und klein.
„Nur den Baum braucht ihr nicht mitzubringen, sagte Tante am Telefon, „dafür sorgen wir, Penny und ich. Und ein bißchen sonst was wird auch noch da sein…
.
Was bei Tante Trullala „ein bißchen sonst was bedeutet, konnte ich mir vorstellen. „Aber gebt ja der Eisenbahn die Sporen, damit sie sich beeilt; ich werde bestimmt eine Stunde vorher schon auf dem Bahnsteig stehen und mir die Nasenspitze erfrieren vor lauter Sehnsucht und Vorfreude.
Ja, das sah Tante Trullala ähnlich! Auf dem Bahnhof stehen, eine Stunde vor Ankunft des Zuges, der doch nie eher, meist sogar später kommt! Aus lauter Sehnsucht und Vorfreude! Tante Trullala gibt’s nur einmal auf der Welt!
Wir sind also eingetrudelt, ohne Verspätung, und ihr in die Arme gesunken, und Onkel Albrecht hatte aus seinem Kleinlieferwagen die hinteren Sitze herausgenommen und ein dickes Schaffell auf den Boden gelegt. Nun stellte er die Kofferraumklappe hoch und warf einen nach dem anderen von uns hinein; es gab ein Geschrei und Gequietsche und ein Durcheinander von zappelnden Beinen und verrutschten Pudelmützen, kaum fand man sich selbst wieder. Mutter mit dem Baby mußte auch hinten einsteigen, bekam aber einen kleinen ledernen Sitz, auf dem sie es bequemer hatte. Mit einem Kind auf dem Schoß soll man nicht vorn sitzen. Da thronte Tante Trullala, aber sie saß immer um sich selbst gedreht wie eine Schillerlocke und sprach unausgesetzt mit Mutter und uns, während der Onkel vom Bahnhofsplatz aus die ansteigende Straße hinauffuhr, die sehr bald in den Wald führt. Und dieser Wald war ein richtiger Weihnachtswald, dick beschneit wie in Bilderbüchern.
„Wenn es nur bis übermorgen nicht taut", sagte Mutter, und Tante Trullala fügte hinzu:
„Nicht wahr! Damit der Weihnachtsmann nicht im Regenmantel mit Gummistiefeln kommen muß und das Christkind sich erkältet! Und dann schrie Mutter auf einmal: „Halt! Halt! Wir haben Vater verloren! Du mußt umdrehen, Albrecht!
Der Onkel lachte laut.
„Er wollte laufen, hast du das nicht gehört? Er meinte, nach seiner vielen Schreibtischarbeit wäre ein zweistündiger Spaziergang das Allerschönste. Und so ist er gar nicht mit eingestiegen. Wenn ihr euch nicht so furchtbar wichtige Dinge erzählen müßtet, ob man die Gans mit Salbei oder mit Majoran brät, hättet ihr…"
„Wir haben gar nicht über Rezepte gesprochen, ereiferte sich Tante Trullala, die sofort glaubte, er meinte es ernst. „Wir haben nur…
„Gegackert, unterbrach Onkel Albrecht, zog aber den Kopf zwischen die Schultern. Gegen Tante kommt er nicht auf, aber beim Autofahren erlaubt er sich manchmal, etwas zu sagen, was er sich sonst nicht traut. „Ich fahre in den Graben, ich fahre in den Graben!
schreit er dann wie in höchster Angst, und sie streichelt und beruhigt ihn und gibt ihm in allem recht. Dann aber ist sie sofort wieder ohne Übergang mit Mutter im Gespräch. Ja, die beiden haben es gut! Schwestern zu haben, muß wirklich schön sein.
Na, ich hatte ja jetzt Penny. Sie stand vor dem Haus, als wir um die Ecke bogen, und hopste von einem Bein aufs andere, während sie mit beiden Armen winkte. Sie könnte wirklich Tante Trullalas richtige Tochter sein, was das Temperament angeht, sie ist genauso lebhaft. Sonst aber – o nein, da ist keine Ähnlichkeit. Dünn wie ein Hering, schwarzhaarig mit pechdunklen Augen. Seit ihr im Herbst die Haare abgeschnitten wurden, weil sie so lange im Krankenhaus lag, trägt sie sie kurz. Früher waren es lange, verfilzte Zotteln, die ihr in die Augen hingen und von keinem Kamm der Welt zu durchfurchen waren. Insofern war es ein Glück, daß sie ins Krankenhaus mußte.
Manches ist ein Glück, was vorher wie ein Unglück aussieht. Zum Beispiel, daß ihr Vater keinen Beruf hat, bei dem er immer da ist. Er ist Zauberkünstler und dauernd in aller Welt unterwegs. Erst war das scheußlich für Penny, und dann wurde alles gut. Jetzt gehört sie zu Tante Trullala.
Penny konnte es kaum abwarten, bis ich ausgestiegen war. Sie packte mich bei der Hand und riß mich mit sich fort. Ich mußte mit ihr durchs ganze Haus rennen, treppauf, treppab, in „unser" Zimmer hinauf und hinunter in die Werkstatt, wo die Streifenhörnchen hausen und die Katzen Junge kriegen, und in den Stall. Dort stand im Sommer einmal das Lama Lydia, das wir zur Pflege hatten.
„Weiß du noch, wie die Lydia den Rupert vollgespuckt hat?" fragte ich atemlos. Penny nickte stürmisch und riß die Tür zum Zwinger auf, und jetzt stand ich stumm und staunend. Ja, darauf war ich allerdings nicht vorbereitet gewesen!
„Das ist Boss, stellte Penny vor, „Boss, mein Hund, verstehst du, meiner! Ich hab’ einen Hund bekommen!
Ich war völlig verblüfft.
„Weißt du, Rex war ja schon alt, und diesen Herbst ist er gestorben. Wir hatten ihn sehr lieb, Onkel und Tante und ich, aber als er immer schwächer wurde, da hat Tante gesagt, ich sollte jetzt ein eigenes Tier bekommen. Und da haben sie mir Boss geschenkt."
Ich war noch immer sprachlos. Erstens, weil Rex nicht mehr lebte – ich kannte ihn von vielen Ferien her und hatte ihn natürlich lieb gehabt. Er war ein gelber Schäferhund mit einem buschigen Schwanz. Boss gehörte einer anderen Rasse an, und ich habe später in Tierbüchern nachgelesen und diese Rasse nie gefunden, deshalb ist mir Boss aber nicht weniger lieb. Er ist groß und dick, und größer als Rex. Sein Fell ist ganz schwarz bis auf einen hellen Ring um die Schnauze, der ihm sehr gut steht. Es ist lang und liegt in Wellen, also nicht so stachelhaarig wie manche Dackel und auch nicht gelockt wie Pudel. Es glänzt, wenn man es bürstet, und Penny bürstet es mit Eifer, sagte sie und machte es auch gleich vor.
„Er ist ein Eskimohund, weiß du, erklärte sie eifrig, „so ein Schlittenhund, wie man sie da oben hat. Und er kann bestimmt einen Schlitten ziehen, auf dem wir beide sitzen, wir probieren es nachher gleich. Ich hab’ ihn noch nicht lange, aber Tante Trullala meinte, ganz ohne Hund…
, sie sprudelte weiter, und in meinem Herzen fand ein Zweikampf statt. Penny ging es bis vor einem halben Jahr, als sie zu Tante kam, nicht sehr gut. Die Mutter war tot und ihr Vater benahm sich so seltsam. Manchmal kam sie ganz verheult und hatte rote Striemen an den Armen. Wenn ich sie fragte, woher das komme, antwortete sie nicht. Aber meistens fragte ich gar nicht, das war besser.
Aber jetzt hatte sie es doch wirklich gut, war einziges Kind bei Onkel und Tante und durfte jeden Tag in dem geliebten Haus in Hohenstaufen sein, was für unsereins nur Ferien bedeutet und Ausnahme und langersehntes Ziel…! Und nun hatte sie auch noch einen eigenen Hund, und was für einen schönen!
Neid ist etwas Häßliches. Und ich beneidete sie auch nicht direkt.
Ich fühlte richtig, wie die beiden Muschs in mir miteinander rangen, die häßliche, neidische, aber so hundeliebe Musch und die andere, die immerzu sagte: „Gönn’ es ihr doch, gönn’ es ihr! Sie ist ein armer Kerl! Oder war lange Zeit einer…" Nicht nur rangen, sondern boxten, kämpften, einander unterzukriegen versuchten.
Gottlob, die zweite siegte. Die neidische Musch wurde kleiner und kleiner, und die Musch, die Penny den Hund