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BlueShip - Zwei Männer und viel Meer: Eine ungewöhnliche Weltumseglung
BlueShip - Zwei Männer und viel Meer: Eine ungewöhnliche Weltumseglung
BlueShip - Zwei Männer und viel Meer: Eine ungewöhnliche Weltumseglung
eBook370 Seiten4 Stunden

BlueShip - Zwei Männer und viel Meer: Eine ungewöhnliche Weltumseglung

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Über dieses E-Book

Die Reiseroute von Hubertus Sprungala und Richard Radtke beginnt klassisch, dennoch läuft nicht alles so, wie in Lehrbüchern beschrieben. Die ersten Pannen erleben sie schon in der Ostsee. Auch die Jahreszeit ist eher ungewöhnlich: Im Winter über die Biskaya, das macht nicht jeder – und beileibe kein Fahrtenseglernovize.
Doch die Freunde lassen sich nicht unterkriegen, lernen ihr Schiff zu beherrschen und landen wohlbehalten in Südamerika. Dort schließen sie Bekanntschaft mit Ureinwohnern und deren Rauschmitteln, mit Krokodilen und einer netten Mitseglerin, bevor es ums gefährliche Kap Hoorn geht. Sie verlieben sich in die Natur Patagoniens, besteigen einen Gletscher und erleben allerlei verrückte Dinge – nicht zuletzt bei den diversen Flugversuchen mit ihren motorisierten Paraglidern, die immer wieder für Blessuren sorgen. Auch der Pazifik und die Südsee halten jede Menge Überraschungen bereit: Haie, Piraten, heimtückische Riffe und der Umgang mit Insulanern fernab jeder Zivilisation.
Spannend und erfrischend unterhaltsam berichten sie von ihren Erlebnissen, über die so mancher sicherlich den Kopf schütteln wird, die aber auch vermitteln, was ihnen wichtig ist: Sie sind jung, fest entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen und wollen vor allem eins: das ultimative Abenteuer!
Die Maritime E-Bibliothek von Delius Klasing
Alte Schätzchen neu aufgelegt: Aus einer Zeit, in der es noch keine E-Books gab, stammen die meisten der Titel der Maritimen E-Bibliothek von Delius Klasing. Nun erhalten Sie diese – inzwischen nicht mehr lieferbaren – Bücher auch als E-Books. Direkt zum Download, direkt zum Loslesen!
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Okt. 2016
ISBN9783667104045
BlueShip - Zwei Männer und viel Meer: Eine ungewöhnliche Weltumseglung

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    Buchvorschau

    BlueShip - Zwei Männer und viel Meer - Hubertus Sprungala

    Auf Leinen los geht’s los

    Der Kauf der BLUESHIP, ohne Zweifel ein echtes Schnäppchen, konfrontierte uns plötzlich mit der Tatsache, daß wir zwar dreizehn Jahre von einer Weltumseglung geträumt hatten, aber weder mit einer Yacht dieser Größe auf hoher See gesegelt waren noch uns in irgendeiner Weise auf eine derartige Reise vorbereitet hatten. Für uns war das Träumen bis in die letzten „Erlebnisdetails" stets wichtiger, als uns mit Ausrüstung, Route, Seekarten und Motorenkunde zu befassen. Zwei Dinge standen nun jedoch unverrückbar fest: Wir hatten ein Boot gekauft, und wir wollten in spätestens zehn Wochen los, um an der ARC teilzunehmen.

    Die ARC oder Atlantic Rallye for Cruisers wollten wir in jedem Fall mitmachen, um bei unserer ersten Ozeanüberquerung nicht allein auf weiter See zu sein. Und das Boot? Dies war nicht irgendeine Yacht. Es war unser Traumboot: die BLUESHIP, Baujahr 1989, ein 14,70 m langer Katamaran, die mit acht Metern so breit war wie andere Schiffe lang. Sie wurde bei Jeantot-Marine produziert und hörte dort auf den Werksnamen Privilège 14,70. Jahrelang war diese Yacht das Objekt unserer Begierde gewesen und schien unerreichbar. Ein Hochseekatamaran der Spitzenklasse, gebaut von einer Werft, deren Schiffe regelmäßig auf der Miami Boat Show den Titel „Schiff des Jahres" errangen. – Wie aber kam es nun dazu, daß wir dieses Prachtstück unser eigen nennen konnten? Wir haben einfach zugegriffen, als sich eine halbwegs günstige Möglichkeit ergab. In Holland, nahe Amsterdam. Nach zweimaligen Besuch, Gutachterkopfnicken und einem letztmaligen Preisnachlaß hatten wir den obligatorischen Handschlag getan. Der Preis lag weit unter den Angeboten, die wir seit Jahren für dieses fantastische Boot gesehen hatten.

    Seit geraumer Zeit hatten wir auch schon einen Namen für unser Schiff. Das Spekulieren an der Börse war schon seit Beginn unseres Studiums unsere liebste Beschäftigung und sollte eigentlich maßgeblich zur Finanzierung unseres Traumes beitragen. So war es kein außergewöhnlicher Geistesblitz, der zu dem Namen „BLUECHIP" führte, der Bezeichnung für erstklassige Aktien. Doch im Frühjahr 1992 tappten wir in eine Falle, die zu einer marginalen Änderung des Namens führte. Wir handelten damals bevorzugt Blue Chips und wollten unser Glück erzwingen, doch wir mußten herbe Verluste hinnehmen und unseren Traum wieder einmal um ein paar Jahre verschieben. Die Verärgerung über unser Börsenengagement war so groß, daß wir auf keinen Fall als Börsianer die Welt umrunden wollten.

    „BLUECHIP muß ja auch nicht sein. Warum denn nicht einfach BLUESHIP?" – Der Name war gefunden und wurde ein Renner. Einfach, einprägsam und international.

    Wir hatten tatsächlich unterschrieben. Immerhin mit einer vierwöchigen Zahlungsfrist. Das Geld würden wir in dieser Zeit wohl zusammenkriegen.

    Aber alles weitere? Wie erzähl ich’s meiner Freundin? Wo kommt das Riesending hin? Was ist mit unseren Jobs? Hast du eigentlich alle Führerscheine? Fragen ohne Ende. Aber ein Jahr warten und erst in gut zwölf Monaten zur ARC starten, um in Ruhe alles vorzubereiten, das kam nicht in Frage. Wir waren unseres Erachtens eh schon ziemlich alt mit 29 und 30, um nach dem Ausstieg wieder einen guten Einstieg zu finden, und außerdem tickte die „imaginäre Zins- und Verlustuhr".

    Inklusive aller Vorbereitungen sollte unser Abenteuer zwei Jahre dauern, dann wollten wir unsere Liebe wieder verkaufen, und alles sollte so sein wie vorher. Ein Leben im Leben leben – wir liebten nicht nur diesen Satz, sondern meinten es damit auch verdammt ernst.

    Die Eltern und die diversen überzeugten Mahner hatten uns unmißverständlich klar gemacht, daß ein normales Leben nach einer solchen Tour nicht mehr möglich sei. Nie würden wir einen Einstieg finden, da waren sich alle ganz sicher. Wenigstens konnten sie uns nicht den Zeitverlust der geplanten zwei Jahre vorhalten, denn wir wollten uns beide die Quälerei antun, neben dem Beruf unser Hauptstudium an der Fernuniversität zu absolvieren.

    Auch wir hatten natürlich inzwischen längst festgestellt, daß die überwiegende Mehrheit der Weltumsegler anschließend das Leben auf See nicht mehr eintauschen wollte gegen die Monotonie des Alltagslebens. Aber das waren momentan ungelegte Eier. Erst mal losfahren und das Hier und Jetzt genießen, mit der Zukunft konnten wir uns auch in Zukunft noch befassen. Und im übrigen war unser damaliges Leben weder monoton noch in irgendeiner Form langweilig.

    Die „Weltuntergangspropheten", die nach dem Bootskauf in gehäufter Form auftraten, spornten uns geradezu an. Denn eines hatten wir beide schon an der Börse gelernt: Wenn die Propheten zu einer These gehäuft auftreten, haben sie mit hoher Wahrscheinlichkeit alle unrecht. An der Börse nennt sich dieses Phänomen Hausfrauenhausse. Und unter unseren Ratschlaggebern war kein einziger dabei, der schon mal die Welt umsegelt hatte. Wir gingen also mit einer gesunden Mischung aus Trotz und Vorsicht an die Vorbereitung. Außerdem waren wir uns sicher, daß wir vor Ort jeweils echte Experten, Einheimische und Fischer, finden würden, um uns weiterzuhelfen. Denn in allen Regionen dieser Erde, auch in den schwierigsten Seegebieten, findet man Fischer, die bei Wind und Wetter, tagein tagaus, ihr Brot verdienen müssen. Dies waren die Leute, auf deren Rat wir hören wollten.

    Der schwierigste Part war zunächst die Tatsache, daß wir von der Weltumseglung immer nur als Zweier-Team geträumt hatten. Unsere Weltumseglung sollte eine Zäsur im Leben auf dem Übergang von der Jugend zum Mann bzw. Vater sein. Um dieser Zäsur auch das nötige Gewicht zu verleihen, wollten wir unsere Jugend noch einmal so richtig ausleben. Mit Abenteuern und allem was dazugehört. Das Segeln im fröhlichen Pärchenboot paßte so gar nicht in dieses Bild. Und wer garantierte uns bei dieser Konstellation eigentlich die Fröhlichkeit? Richi und ich kannten uns sehr gut und unsere Fehler schon seit der Gymnasialzeit, wohingegen sich unsere beiden Liebsten noch nicht einmal besonders mochten. Wie sollte das erst auf einer kleinen Insel, sprich Yacht, im großen, weiten Ozean werden? Der Beschluß stand fest, wir blieben dabei: Wenn, dann nur zu zweit, wir und das Boot, unsere BLUESHIP – und viel Meer… Es wurde ernst.

    Wie sag ich’s Leines?

    Wir waren beide mit unseren Freundinnen schon länger zusammen. Es war auch nicht so, daß wir vor unseren Partnerninnen unseren Traum geheimgehalten hatten. Die Weltumseglung wurde, speziell in hitzigen Diskussionen, sogar das eine ums andere Mal aufgegriffen: „… wenn’s dir nicht paßt, dann hau doch ab und geh endlich mit deinem Freund Richi auf Weltumseglung." Diese oder ähnlich klingende, meist zornig vorgebrachten Äußerungen waren natürlich nicht ernstgemeint, doch es kann wirklich niemand behaupten, wir hätten nicht mit offenen Karten gespielt. Die Weltumseglung war eben ein Lebenstraum, wie ihn viele Menschen haben. Eine Vision, ein fernes Ziel, an dem man immer ein wenig weiterspinnt.

    Barbara, meine Freundin, hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, daß wir irgendwann dazu übergehen könnten, unseren Traum wahr werden zu lassen. Das erste vorsichtige Herantasten schlug gründlich fehl. Dabei hatte ich mir wirklich Mühe gegeben, es ihr schonend beizubringen: Es war ein wunderschöner Sommerabend. Ich arbeitete zu dieser Zeit als Unternehmensberater und war die ganze Woche über unterwegs. Freitags war ich dafür aber immer schon vor Babs zu Hause. An diesem besonderen Tag hatte ich lange die Tomaten ausgesucht, extra beim Italiener vorbeigeschaut, um den Büffelmozzarella zu holen, französisches Baguette und dicke Gambas zum Grillen im KaDeWe eingekauft. Selbst beim Wein hatte ich mich nicht lumpen lassen und mich zu einem wirklich guten Gavi entschlossen. Alles war vorbereitet und der Grill glühte bereits, als meine bessere Hälfte zur Tür hineinschneite. Vielleicht hätte ich es besser mit trocken Brot versuchen sollen. Jedenfalls schlug die Nachricht ein wie eine Bombe. Die gerade servierten Shrimps flogen in hohem Bogen über das Geländer unserer Dachterrasse und mir die Bemerkung entgegen, daß ich mir die Würmer doch sonstwo hinschieben soll.

    Bei Richi verlief die erste Annäherung nicht viel anders. Er besuchte Sina, die als Stipendiatin zu der Zeit in Japan studierte, in Kioto. Er hatte mit viel Reiswein und gutem Sushi versucht, das spanische Temperament seiner Freundin zu dämpfen, doch es half nichts. Wie er sagte, konnte er nicht mal den Gedanken zu Ende bringen, kassierte eine Backpfeife und sah Sina zwei Tage bis kurz vor seinem Abflug nicht mehr. Länger bleiben konnte er nicht, denn er wollte auf dem Rückflug noch Kunden in London besuchen – als Investmentbanker hatte er auch nicht gerade einen streßfreien Job.

    Die Gemüter beruhigten sich zwar ein wenig, aber es blieb die Frage, warum nicht zu viert gestartet werden konnte. Platzmangel war auf unserem Luxusschiff nicht so ganz das richtige Argument, doch das Glück war uns insofern hold, als Barbara schon im Hafen seekrank wurde. Da brauchte sich das Schiff noch nicht mal zu bewegen. Die Frage des Mitsegelns war für sie somit geklärt. Richi hatte dadurch ein griffiges Argument gegenüber Sina. Denn zu dritt, das mußte jeder verstehen, war an einen Frieden an Bord gar nicht zu denken.

    Sina sah das dennoch anders. Sie ist eine hochintelligente Frau und hatte auch keine besondere Haarfarbe, wonach man ihr vielleicht böswillig hätte eine gewisse Einfachheit zuschreiben können. Aber in dieser Frage schien ihr logischer Verstand auf verständnishemmende Neuronen zu stoßen. Was sicherlich auch mit ihren stolzen spanischen Genen zusammenhing. Ihr war es bei einer Testfahrt an Bord blendend gegangen und die Enttäuschung war riesengroß, als sie hörte, daß es zu dritt in unseren Augen nicht ging. Aber unser Entschluß stand fest.

    Kaum hatten wir diesen menschlich so schwierigen Part hinter uns gebracht, offenbarte sich schon die nächste Hürde. Was, wenn die Hasen jetzt zu den schönsten Häfen der Welt kommen? Eine grauenvolle Vorstellung. Das durfte einfach nicht geschehen.∗ Nach unendlich langer Zeit auf See allein steht die Liebste wartend an Land? Eigentlich ja eine schöne Vorstellung. Doch war sie auch realistisch? Jemandem, der nicht segelt, aber viel Verständnis hat, kann man eine Verspätung von einem Tag oder zweien noch erklären. Aber was ist, wenn die Herzliebsten ihren Urlaub für wundervolle zwei Wochen geplant haben – der Jahresurlaub soll ja für viele Besuche reichen – doch der Schatz kommt fünf Tage zu spät und murmelt was von Flaute oder widrigen Winden und so…?

    War das unser Jugendtraum? Sollten wir den nun mit schlechtem Gewissen erleben, weil die Liebste allein zu Hause sitzt? Nein, das hatten wir nicht vor. Und überhaupt, wie würden die Telefonate sein? „Hallo, Schatz, wir sind gerade in eine wunderschöne Lagune eingelaufen. Schneeweißer Sandstrand und Palmen, Kokosnüsse und … äh. Wie geht es dir?"

    „Ja…(kurze Pause)…gut soweit. Komm gerade aus dem Büro. Hab zwei geschlagene Stunden im Stau gestanden. Berlin versinkt im Schnee. Letzte Nacht war die kälteste Nacht dieses Winters. -18 Grad. Schön, daß es dir gut geht."

    Klare Sache, es ging einfach nicht. Eine saubere Trennung vorab: Ging auch nicht. Das war einfach zu herzlos. Letztendlich hat sich das Problem dann von selbst gelöst. Die ersten Anrufe von Les Sables, Las Palmas oder nach der Atlantiküberquerung aus der Karibik verliefen wie in unseren schlimmsten Träumen, siehe oben. Ich bekam einen Brief. Richi und Sina hörten nichts mehr voneinander.

    Einige Leser werden sich jetzt entsetzt abwenden. Ich werde nicht versuchen, diesen Leserkreis einzuengen, z.B. in geschiedene Sozialpädagoginnen oder so, um mich dann bei diesen speziell zu entschuldigen. Wir konnten nicht anders.

    Der 10-Wochen-Countdown

    Eine gewisse Dynamik und Chaotik kann man der Vorbereitungszeit angesichts der Fülle der Aufgaben sicher nicht absprechen. Und es gab natürlich reihenweise Fettnäpfchen, in die wir alle brav hineinstolperten.

    So zum Beispiel, als wir in Warnemünde einen Tag nach Übergabe des Bootes das Schaltpult ausprobierten. Ein französisch beschriftetes, großes Schaltpult. Unter „pompes zu wissen, welche Pumpe mit „cale bâbord gemeint war, mußte ausprobiert werden. Gab es doch allein vier Pumpen auf der Backbordseite. Also anmachen und Ohren gespitzt. Es dauerte eine Weile, bis wir die Pumpe geortet hatten, aber bevor ich noch Richi die Position mitteilen konnte, kam Jan, einer unserer Freunde, der zu Besuch war, in die Lounge gestürzt: „Hey, Jungs. Kommt mal schnell raus. Ich glaub, da is was faul."

    Netter hätte man es kaum ausdrücken können. Es war ein wunderschöner Spätsommertag, und die Leute spazierten an der Warnow entlang. Aber nicht alle spazierten. Einige, und es wurden immer mehr, standen um BLUESHIP herum, glotzten, tuschelten, und ein paar zeigten schon mit ihren langen Fingern auf uns. Anderen stand die Drohgebärde ins Gesicht geschrieben oder sie guckten uns mit einer Mischung aus Entsetzen, Abscheu und Unverständnis an. Auf der anderen Seite fuhr eines von diesen urgemütlichen Ausflugsschiffen vorbei. Vollgepackt über drei Decks, und alle standen sie auf einer Seite, uns zugewandt.

    BLUESHIP lag nicht mehr in der Warnow. Unsere good new Lady lag in einer Öllache. Und diese Öllache hatte Ausmaße, die vermuten ließen, die EXXON VALDEZ sei eingelaufen. Ich wollte gerade in den Chor der Umweltverschmutzerbeschimpfer einstimmen, als die ersten mutigen Rufer mir bewußt machten, wer der Adressat dieser Schimpf-und-Schande-Aktion war. Obwohl schon fast die gesamte Warnoweinfahrt mit einem dicken Ölfilm bedeckt war, konnte man doch anhand des Windes und der Ausbreitung schnell ausmachen, daß der Verursacher die „pompes – cale bâbord" war.

    Bei der anschließenden Diskussion mit den Beamten von der Waschpo (Wasserschutzpolizei) gab es dann noch eine Lehrstunde in „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht", und der Richter schickte uns kurz vor Leinen los eine Rechnung für einen Liter Altöl. DM 3.000,–.

    In den nächsten Wochen haben wir dann geklotzt und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Zu viel war noch zu tun. Vom Toiletteneinbau bis zur Maststufenanbringung wollte alles erledigt sein. Täglich kamen irgendwelche Teile aus England an. Das Pfund war zu dieser Zeit sensationell billig, und wir bestellten was das Zeug hielt – Sicherheitsequipment ohne Ende. Wir sind zwar etwas chaotisch und nicht gerade risikoavers, aber das Motto lautete: Mach das Risiko kalkulierbar.

    Unsere BLUESHIP kam an Land und wurde von einem befreundeten Graffiti-Sprüher ordentlich bunt gesprüht, was uns natürlich auf dem Werftgelände viele Kopfschüttler einbrachte. Wir bauten eine Werkstatt ein und überholten alles von den Seeventilen bis hin zum Windex im Masttopp. Und obwohl wir bis zum Umfallen schufteten, schafften wir es nicht.

    Richi hatte nicht mal mehr Zeit, seinen Segelschein abzuholen, den er kurz vor Abfahrt aus Versicherungsgründen noch in einer Hauruck-Aktion gemacht hatte. Wir hatten einen Termin mit dem WDR einzuhalten, der zu Dreharbeiten in den Hafen von Oostende kommen wollte, und die Zeit lief uns davon, wir mußten los. Doch dann gab es noch ein Problem, das wir alle übersehen hatten: Mitten in der Nacht fiel uns auf, daß Freitag der 13. vor der Tür stand. Allein das Lossegeln an einem Freitag ist unter Seglern verpönt. Aber dann auch noch Freitag der 13.? Und das als Beginn einer Weltumseglung? Das ging nun wirklich nicht. Wir mußten ablegen, jetzt gleich und ohne weitere Verzögerung.

    „Aber wir haben doch noch gar keinen Diesel gebunkert."

    „Wir sind ja auch ein Segelboot."

    „Na, ja. Aber ein bißchen Diesel sollten wir schon haben, oder willst du bei der Flaute los und drei Tage in der Warnow hängen?"

    „Dann aber schnell, wir holen uns den Diesel eben mit Kanistern von der Tanke."

    – Es war gar nicht so einfach einen Taxifahrer zu finden, der sich in seinen Kofferraum 120 Liter Diesel packen läßt. Der erste ging stiften, doch der zweite verstand glücklicherweise den Ernst der Lage.

    In der Nacht vom 12.10.95 um fünf vor zwölf lief unsere BLUESHIP aus, vollbeladen mit unausgepackten Kisten nicht eingebauter Teile. Aber Leinen los zur Weltumseglung ohne vorher noch mit Champagner angestoßen zu haben, ging nicht. Champöserchen verfehlte auch nicht seine Wirkung nach mehreren durchgearbeiteten Tagen. Heiter und beschwingt packten wir alles unter Deck, dann ging’s raus aus der Warnow und rein in die Ostsee. Hinein die tiefdunkle, neblige Nacht.

    Erste Hochseeerfahrungen

    Die Gefühle beim Auslaufen aus der Warnow sind wie ein gelungener Cocktail aus gespannter Erwartung, freudiger Erregung und ein die Müdigkeit und Erschöpfung überdeckendes Glücksgefühl. Wir haben es tatsächlich geschafft. Allen Unkenrufen zum Trotz haben wir uns von unserem fest eingefahrenen Leben gelöst und die Leinen losgeworfen. Das Gefühl, noch einmal auszubrechen aus dem schon scheinbar vorgezeichneten Weg, die ganze Sicherheit zu ignorieren und gegen Unbestimmtheit und Gefahr einzutauschen, hat etwas Rebellisches. Ab jetzt werden wir jeden Tag etwas Neues erleben und das Leben mit einer Intensität fühlen, wie es eben nur Entdeckern vergönnt ist. Wie lange werden wir weg sein? Hoffentlich kommen wir wieder.

    Wir haben zwei Wachen eingeteilt. Mein Bruder Markus, genannt Muck, mit Richi und Helmut und ich. Muck hat das große Glück, gerade seinen Arbeitgeber zu wechseln, was ihm einen außerplanmäßigen Urlaub von drei Monaten beschert. Er kennt Richi seit Jahren und hat uns Helmut empfohlen, den er als Skipper auf einem Mittelmeerchartertörn kennengelernt hatte.

    Die Einteilung ist nicht optimal, denn Helmut – über das gemeinsame Arbeiten an der BLUESHIP zu einem Freund geworden – hat sicherlich die meiste Erfahrung, und ich habe, begünstigt durch die Aufgabenteilung, BLUESHIP immerhin schon dreimal gesegelt. Richi und Muck sind hingegen das erste Mal mit unserer Lady auf See.

    Helmut haben wir nicht nur zur eigenen Beruhigung, sondern auch unseren Müttern zuliebe mitgenommen. Sie hätten uns sicher in die Klapse geschickt, wenn wir Helmut nicht hätten präsentieren können – „Sieh mal Mutti, segeln ist doch ganz einfach, und wenn’s mal schwierig wird, ist ja Helmut da"…

    Wir motoren durch dichten Nebel. Kein Lüftchen regt sich, und draußen ist absolut nichts zu sehen. Der Radar läuft und vermittelt ein Cyberspacefeeling. Segeln auf dem Monitor, wie abgefahren. Doch ganz so einfach wie im Computerspiel ist es nicht. Es gehört viel Erfahrung zum richtigen Umgang mit dem empfindlichen Gerät. Zunächst müssen die vielen, kleinen Rädchen so eingestellt werden, daß nicht jeder Wassertropfen oder etwa nur ein Öltanker ein Echo erzeugt. Wenn dann die Einstellungen stimmen, wollen die Echos auch noch interpretiert sein.

    Um halb sechs morgens ist Wachwechsel. Todmüde packen wir uns in die Kojen. Kaum liegt mein Kopf auf dem Kissen, da knallt’s draußen. Ein Lärm, der mich ruckartig hellwach macht. Ein langgezogenes Krachen. So laut, daß ich das Gefühl habe, das Boot bricht auseinander.

    „Wir haben die Brücke gerammt."

    „Wie? Was?"

    BLUESHIP war schon bei der Überführung aus Amsterdam unter der Fehmarnsundbrücke durchgefahren, wieso haben wir sie jetzt gerammt? Wir müssen von der Fahrrinne abgekommen sein und es zwischen den falschen Pfeilern versucht haben. Richi hat unsere Lady Gott sei Dank nur unter ganz langsamer Fahrt voraus fahren lassen. Eine Entmastung wäre uns sonst sicher gewesen. Das Ende nach noch nicht einmal vollen zwölf Stunden – da hätten sich all die Unkenrufer aber gefreut! So ist „nur die Rollanlage der Genua geknickt, was nicht nur unschön aussieht, sondern uns später auch noch viele Probleme bereiten sollte. Wir beschließen, die Insel Fehmarn zu umfahren. Na, ja. Ist ja auch inzwischen Freitag der 13. Trotzdem Glück gehabt und haarscharf an der Schmach vorbeigeschlittert. Das Einschlafen geht trotz der Aufregung sehr schnell. Noch schneller allerdings ist der Wecker. Im Unterbewußtsein denke ich: „Viel zu früh, und „…wie einfallsreich, ein Signalhorn."

    Ein Signalhorn. Wieso Signalhorn? Zum zweiten Mal aufwachen, während ein eiskalter Schauer über den Rücken läuft und alle Bodyhärchen aufgerichtet sind. Draußen ist die Hölle los. Ruder verklemmt. BLUESHIP fährt den sechsten Vollkreis, und ständig tönt dieses unangenehm laute Nebelhorn. Selbst bei kürzester Radardistanz scheint das Echo direkt, aber wirklich direkt auf uns zu sitzen. Wir hatten gerade unseren ersten near miss, wie die Kampfflieger sagen. Zu gerne würde ich Mäuschen spielen auf der Brücke des anderen Schiffs. Eins ist klar, die denken, wir sind ein Boot mit der Besatzung von „Einer flog übers Kuckucksnest". Im Kreis zu fahren beim Ausweichmanöver, das schaffen nur die Blues Brothers, Dick und Doof und wir.

    Besser hätten wir gar nicht beginnen können. Auf den ersten 70 Seemeilen von geplanten 35.000 einen Brückenrammer und ein Beinah-Zusammenstoß. Das ist ’ne Leistung. Das macht uns so schnell keiner nach.

    Es ist nicht einfach, den verstörten Helmut wieder zu beruhigen. Er stammelt immer wieder etwas von: „…diese Verantwortung kann ich nicht tragen, und „so geht das nicht … ich muß von Bord, das ist mir zu gefährlich bei euch… und so weiter.

    Doch damit nicht genug, Freitag, der 13., ist definitiv nicht unser Tag. Unser Mut der Ahnungslosen hat schwer gelitten. Wir suchen dann noch ungefähr eine Stunde nach der Einfahrt des Nord-Ostsee-Kanals, obwohl wir direkt davor sind. Alles nicht so einfach mit der christlichen Seefahrt.

    Nachdem wir uns aus der Elbe rausmanövriert haben, sind die Gemüter an Bord wieder ein wenig abgekühlt. Wir machen noch einen Stop in Oostende und dann geht’s Richtung Englischer Kanal.

    Bei der Ausstattung für die Reise hatten wir peinlich genau darauf geachtet, daß unter der Rubrik Spielzeuge nichts fehlt. Unsere beiden Paraglider haben wir mit zwei Rucksackmotoren ergänzt, die uns zwar nicht erlauben, von Bord aus zu starten, aber immerhin von jedem sonstigen freien Platz, der nicht mal abschüssig sein muß. Nach fünf Schritten up, up in the air. Des weiteren sind da die Tauchgeräte mit Kompressor, die Harpunen, die Armbrust, das Luftgewehr, unser superschnelles Zodiak-Beiboot mit 40 PS sowie eine lagunentaugliche Stereo-Außenanlage mit über 200 CDs. Und selbst zwei Wasserspritzpistolen und eine Steinschleuder sind an Bord.

    An diesem denkwürdigen Abend ist ein Spielzeug der ganz besonderen Art angesagt: der erste Test des BLUESHIP-Cinemas. Auf der internationalen Funkausstellung in Berlin hatten wir einen Videoprojektor gekauft. Seitdem träumen wir davon, unsere Bilder nicht auf die Leinwand, sondern ins Segel zu projizieren. Überall auf dieser Welt wollen wir unser BLUESHIP-Hafenkino betreiben und uns damit ein wenig Geld verdienen. Video-Shops gibt es schließlich überall, so daß wir uns sicher sind, auch in der entsprechenden Landessprache Filme zu finden.

    Wir segeln im Schmetterling mit guten acht Knoten durch den Kanal. Backbord bläht sich das Vorsegel und steuerbord das Großsegel. Ein wunderschönes Bild. Zunächst projizieren wir unseren Film in die Genua und anschließend, als wir den Schmetterlingskurs verlassen müssen, ins Groß. Funktioniert ganz prima. Alles läuft fantastisch. Riesenleinwand auf dem Segel. Bei traumhaftem Segeln Kino gucken. Das gibt’s eben nur auf BLUESHIP. Doch warum kommen diese Frachtschiffe alle so nah? Zielsicher decken sie die Startschwierigkeiten unseres Kinos auf: Wir haben keine Videofilme dabei. Die hatten wir mit gutem Grund von der Liste der mitzunehmenden Dinge gestrichen. Auf einer Weltumseglung jeden Abend einen Spielfilm zu sehen oder gar Fernsehen an Bord zu haben, ist für uns undenkbar. Wir wollen das Lesen wieder entdecken und haben uns, von Müttern und Vätern beraten, eine „Klassikerbibliothek" angelegt.

    Alles wunderbar soweit. Nur, was gucken wir dann im BLUESHIP-Cinema? Natürlich eigene Filme. Davon gibt’s bisher nur leider nicht soviel. Wir sind schließlich erst am Beginn unserer Reise. Aber da haben wir doch noch diese Filmchen auf Video 8 zur Überbrückung… Die mit nicht viel Handlung aber vielen Bildern… Wahrscheinlich wären bei unseren eigenen Streifen die anderen Schiffe auch nicht so nahe gekommen. Aber Blue-Movies auf BLUESHIP, das ist augenscheinlich zu viel. Glücklicherweise haben wir die dicken Pötte selten wieder so dicht gesehen. Einer von diesen Liebchen kommt so nah ran, daß wir unser Oversea-Cinema leider schließen müssen. Denn wegen eines schlechten Filmchens in den Sog eines Frachters zu gelangen, muß ja nun wirklich nicht sein.

    Biskaya im Winter oder was?

    Les Sables liegt etwas oberhalb von La Rochelle und beide haben gemeinsam, daß sie in der Biskaya liegen. Das ist an sich noch nichts besonderes. Die Atlantikküste ist in dieser Region ausgesprochen schön, und wenn man sich über den Landweg der Biskaya nähert, kann man sie auch genießen. Sollten Sie aber je vorhaben, in der Biskaya zu segeln, dann empfehlen wir, die Wintermonate definitiv zu meiden. Diese Empfehlung ist grundsätzlich überflüssig, denn kein normaler Mensch segelt in den Wintermonaten durch die Biskaya, es sei denn er muß…so wie wir.

    Wir haben zwar einen gehörigen Respekt vor der Biskaya, fühlen uns aber dank Helmut recht gut gewappnet. Er ist schließlich erfahrener Segler und hat schon einige Stürme erlebt. Wir haben mit unserer Waffe „Helmut" auch all diejenigen bekämpft, die berechtigterweise an unserem Verstand zweifelten. Das Triptichon Katamaran, zwei Greenhörner hinterm Ruder und Biskaya im Winter ergibt ein wunderschönes Horrorbild, an dem sich einige gar nicht satt sehen können. Ist uns ja eigentlich auch ziemlich egal. Nur recht kriegen dürfen sie nicht.

    So haben wir denn ein etwas eigentümliches Gefühl, als

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