Dana und das Geheimnis des magischen Kristalls
Von Thomas L. Hunter und Azrael ap Cwanderay
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Buchvorschau
Dana und das Geheimnis des magischen Kristalls - Thomas L. Hunter
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Das Findelkind
Kapitel 2
Am Anfang steht immer eine Frage
Kapitel 3
Die Geburtstagsüberraschung
Kapitel 4
Das Museum
Kapitel 5
Aufbruch zu den Höhlen
Kapitel 6
Bedrohung aus dem Dunkeln
Kapitel 7
Ich mich wichtig sein
Kapitel 8
Erogat
Kapitel 9
Die Ausbildung beginnt
Kapitel 10
Eine neue Spur
Kapitel 11
Der Berg ruft!
Kapizel 12
Der magische Kristall
Kapitel 13
Die Höhle der Yetis
Kapitel 14
Die Rüstung des Gehorsams
Kapitel 15
Das erste Teil der Rüstung
Kapitel 16
Der Baumpalast
Kapitel 17
Das Puppenhaus
Kapitel 18
Einfach zu viel Sand
Kapitel 19
Des Königs Geheimnis
Kapitel 20
Die Zwergenmine
Kapitel 21
Licht und Schatten
Kapitel 22
Schöne neue, alte Zeit
Meine Frau gab mir den Anstoß für dieses Buch.
Liebe Leser, ich hoffe,
ihr habt ebenso viel Spaß beim Lesen
und Schmökern,
wie ich beim Schreiben hatte.
Der Autor
Thomas L. Hunter
D a n a
und das Geheimnis des
magischen Kristalls
© 2016 Thomas L. Hunter
https://thomas-l-hunter.de
SOURCES:
https://www.facebook.com/azraelscoverwelten/
Cover design: Azrael ap Cwanderay
Korrektorat: Malte Eppert
Friederun Baudach Jäger
Britta Rose
Renate Lammel
Publisher: Hunter Verlag
Printed in Germany by Createspace
ISBN-13: 9781503253490
ISBN-10: 150325349X
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
inhaltsverzeichnis
Kapitel 1 - Das Findelkind 8
Kapitel 2 - Am Anfang steht immer eine Frage 12
Kapitel 3 - Die Geburtstagsüberraschung 20
Kapitel 4 - Das Museum 32
Kapitel 5 - Aufbruch zu den Höhlen 38
Kapitel 6 - Bedrohung aus dem Dunkeln 52
Kapitel 7 - Ich mich wichtig sein 68
Kapitel 8 - Erogat 80
Kapitel 9 - Die Ausbildung beginnt 97
Kapitel 10 - Eine neue Spur 107
Kapitel 11 - Der Berg ruft! 114
Kapitel 12 - Der magische Kristall 130
Kapitel 13 - Die Höhle der Yetis 139
Kapitel 14 - Die Rüstung des Gehorsams 157
Kapitel 15 - Das erste Teil der Rüstung 173
Kapitel 16 - Der Baumpalast 194
Kapitel 17 - Das Puppenhaus 212
Kapitel 18 - Einfach zu viel Sand 223
Kapitel 19 - Des Königs Geheimnis 234
Kapitel 20 - Die Zwergenmine 248
Kapitel 21 - Licht und Schatten 256
Kapitel 22 - Schöne neue, alte Zeit 269
Glossar: 277
Weitere Bücher des Autors 281
Die Höhle lag im Halbdunkel und viele Magier hatten sich zu einer Zeremonie eingefunden. Sie bildeten einen großen Kreis um ein Pentagramm, das in ihrer Mitte auf dem Boden eingemeißelt war. Jede der fünf Spitzen zeigte auf einen übermannshohen pechschwarzen Monolithen, hinter dem sich jeweils ein weiterer Magier aufgestellt hatte. Sie alle zelebrierten ein mächtiges Ritual, das aus dem Ruder zu laufen begann.
Mit einer gewaltigen, geräuschlosen Explosion wurde die Höhle in gleißendes Licht getaucht. Als das grelle Leuchten erloschen war, stand ein Magier einsam und verlassen in der Mitte des Pentagramms und sah sich verstört um.
»Hallo? Ist hier jemand?«
Kapitel 1
Das Findelkind
Es war ein schöner, lauer Abend. Olo, ein Zwerg in den allerbesten Jahren und vor kurzem 648 Jahre alt geworden, befand sich mit seinem besten Freund und Arbeitskollegen Toben, der gerade einmal zweiundvierzig Jahre jünger war als er, auf dem Weg nach Hause. Sie kamen aus der Altstadt, genauer gesagt aus ihrer Stammgaststätte »Zum goldenen Amboss«. Dort hatten sie wie jeden Abend ihr Feierabendbier genossen und schlenderten nun gut gelaunt und den Abend genießend nebeneinander her.
Die beiden waren schon ewig gute Freunde und Kollegen; sie arbeiteten in der Behörde für Wissenschaft und Forschung, genauer gesagt in der Abteilung für Metalle, Schmiedekunst und Erfindungen, eng zusammen. Dort wurden sie von ihren Arbeitskollegen als hervorragende Mitarbeiter und Tüftler geschätzt.
Jetzt in der Abenddämmerung hatte die »Verwaltungsbehörde für Wetter, Licht und Umweltkontrolle«, von den Zwergen auch kurz WeLiUm genannt, die Laternen eingeschaltet. Sie erhellten mittlerweile die ganze Gegend und tauchten die Umgebung in ein angenehm warmes Licht. In eine anregende Unterhaltung vertieft, überquerten die beiden den großen Versammlungsplatz, der sich vor der Regierungspyramide erstreckte. Auf der einen Seite lagen, derzeit im Dunkeln, ihr Arbeitsplatz und eben die WeLiUm. Auf der anderen Seite erstreckte sich, um diese Zeit hell erleuchtet, das Gewerbegebiet mit seinen kleinen Läden, Gaststätten und Pensionen. Sie unterhielten sich über einige Veränderungen in ihrer Zwergenkolonie, die ein bescheidener Teil eines ausgedehnteren Höhlensystems war.
»Fantastisch, einfach fantastisch.« Toben war stehen geblieben und betrachtete die Decke über seinem Kopf.
Olo hatte nicht mitbekommen, dass Toben ihm nicht gefolgt war, und brummte nur müde: »Was?«
»Was die WeLiUm alles schafft. Schau dir die Höhlendecke an, tausende von Sternen! Ist das nicht immer wieder ein erhebender Anblick? Und erst das Flackern dieser kleinen Dinger! Wie am richtigen Nachthimmel.«
Olo sah genervt nach oben. Er war erschöpft und wollte nur schnell nach Hause. Allerdings musste er Toben recht geben. Es war schon ein herrlicher Anblick. Neben den nun abgeschalteten großen Tageslichtkristallen gab es viele kleine Leuchtkristalle an der Decke, die einem den Eindruck eines echten Sternenhimmels vermittelten. Etwas allerdings war ihm unbehaglich. »Dieses Geflacker … ob das normal ist?« Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken. Etwas Unbekanntes, Bedrohliches braute sich über ihren Köpfen zusammen. Er spürte es in seinen Knochen. Beunruhigt knurrte er: »Komm, lass uns weitergehen. Irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht. Das spüre ich genau. Morgen Abend kannst du ja weiter die Decke anstarren.«
Toben riss sich von dem Anblick los und sah seinem Freund zunächst irritiert hinterher. Dann sputete er sich, um Olo einzuholen. »Was hast du gesagt? ›Hier stimmt was nicht?‹ Was meinst du damit?«, wollte er wissen.
»Nur ein Gefühl. Mehr nicht«, brummte Olo und legte einen Zahn zu. Nachdenklich passte Toben sein Schritttempo dem des Freundes an. Die beiden Zwerge hatten den Platz fast überquert, als sie plötzlich erschrocken zusammenzuckten. Ein heller Lichtblitz hatte sie geblendet. Irritiert blieben sie stehen.
Als Toben sich etwas gefangen hatte, wandte er sich verwirrt an Olo: »Wow! Was war denn das? Ich wusste nicht, dass die WeLiUm in der Lage ist, Blitze zu machen! Kommen jetzt auch noch Donner und Regen hinzu?«
»So’n Quatsch« brummte Olo und sah ihn kurz entgeistert an, ehe er sich umblickte, um die Quelle der Lichterscheinung auszumachen. Sein Blick fiel auf den riesigen Monolithen, ein pechschwarzes, kegelförmiges Objekt, das sich im hinteren Bereich des Platzes genau gegenüber der Regierungspyramide befand. Ein merkwürdiges Glimmen ging vom Fuß dieses Gebildes aus, das dort schon seit Zwergengedenken stand. Die beiden Freunde sahen sich erstaunt an und hörten im selben Augenblick einen ohrenbetäubenden Lärm. Zuerst erschraken sie. Als jedoch der erste Schock überwunden war, bewegten sie sich langsam auf das Geräusch zu. Zwerge waren zwar mutig, konnten allerdings auch sehr vorsichtig sein, wenn es notwendig war. Immer näher kamen sie der Lärmquelle, bis es ihnen vor Erstaunen einen Moment lang die Sprache verschlug und sie hörbar nach Luft schnappten. Damit hatten sie nicht gerechnet!
Ein Körbchen, reich verziert und mit edelster Seide ausgekleidet, stand vor dem Monolithen. Und noch etwas entdeckten sie: ein kleines, goldfarbenes, fliegendes Wesen. Es umkreiste ohne Unterlass den Korb, in dem ein Säugling mit weißblondem Haarschopf, hellblauen Augen und einem weit aufgerissenen Mund lag. Aus diesem kam der ohrenbetäubende Krach.
Immerhin, sie hatten die Quelle des Radaus aufgespürt, der sie hierhergelockt hatte.
Das Kind lag in Samt und Seide gehüllt, schreiend und strampelnd vor den beiden. Zu Füßen des kleinen Wesens erkannten Olo und Toben die Überreste eines zerbrochenen goldenen Eies, die mit Hieroglyphen übersät waren. Am Kopfende über dem Schreihals pendelte ein reich verziertes Medaillon.
Die beiden sahen sich hilflos an, denn sie wussten nicht, was zu tun war. Nur eines war ihnen klar: Dem Winzling musste geholfen werden.
Olo näherte sich vorsichtig dem Korb und hob den stimmgewaltigen Säugling behutsam heraus. Nachdenklich betrachtete er das kleine Wesen, während er versuchte, es zu beruhigen. Da kam ihm die Idee: Woher auch immer das Kleine stammen mochte, er würde es adoptieren und als sein eigenes Kind großziehen. Olo und seine Frau Tala hatten sich immer eins gewünscht – leider war ihre Ehe aber bis heute kinderlos geblieben. Nun aber hatte das Schicksal ihnen ein Baby geschenkt.
Und was für eines …
Kapitel 2
Am Anfang steht immer eine Frage
Es war früh. Sehr früh. Viel zu früh. Dana, ein weißblondes, mit dem heutigen Tag zehnjähriges wunderschönes Mädchen, wurde aus dem Schlaf gerissen. Sie konnte wegen des Drucks, den ein kleines Wesen auf ihre Brust ausübte, und wegen des Krachs, den dieses niedliche Ding veranstaltete, nicht mehr weiterschlafen. Der Lärm, lautstark, disharmonisch und mit einer piepsigen Stimme vorgetragen, entpuppte sich als Geburtstagsständchen.
»Alles Gute zum zehnten Geburtstag,
Dein großer Tag ist heute,
es kommen viele Leute.
Du bist auf dieser Welt das liebste Wesen,
drum schenkt Shari dir auch einen schönen Besen.
Werden blau auch deine Haare
oder lang die kleine Nase,
heut hat Shari dich besonders lieb
und schenkt Dana noch einen kleinen Hieb.
Das Geburtstagsmenü verrät Shari dir nicht –
nun steh auf und tu deine Pflicht!«
Um ihrem Gedicht Nachdruck zu verleihen, knuffte das kleine Wesen Dana zwischendurch sanft auf die hübsche Nase. Shari hieß eigentlich Naya Shari, wurde aber höchstens dann so genannt, wenn sie mal wieder Unfug angestellt hatte. Ihren Namen hatte sich das kleine geflügelte Wesen quasi selbst gegeben: Als sie mit Dana gefunden worden war, hatte sie undeutlich immerzu etwas Ähnliches wie »Naya Shari« gewispert. Da aber alle die Kurzform ihres Namens besser fanden, wurde sie einfach nur Shari gerufen.
Nach der dritten Wiederholung des Geburtstagsständchens entschloss sich Dana, dem gutgemeinten Treiben von Shari ein Ende zu setzen. Sie öffnete die Augen und rief theatralisch: »Aua!«, um dann Shari anzustrahlen und lachend zu sagen: »Danke für das Ständchen – ich wünsche dir ebenfalls alles Gute zum Geburtstag!« Sie rieb sich die malträtierte Nase. »Hast du das selbst gedichtet?«
»Klar«, trällerte Shari und strahlte in einem wundervollen Weiß. Man konnte an der Farbe und der Helligkeit ihres Leuchtens leicht die Stimmung und die Laune des kleinen Wesens ablesen. War sie glücklich und guter Laune, strahlte sie in einem herrlichen weißen Licht. Je schlechter sie sich fühlte oder wenn sie übel gelaunt war, wurde ihr Leuchten immer dunkler, bis hin zu Rot. Bei Dunkelrot war es besser, sie nicht mehr anzusprechen, sondern nur noch den Kopf einzuziehen und in Deckung zu gehen.
Dana ließ ihren Blick durch den Raum wandern und schaute über die Bettkante in die Tiefe der Wohnhöhle, die, wie sie heute fand, recht groß wirkte. Jeder in der Familie hatte seine eigene Schlafbucht, sogar Shari. Natürlich war ihre viel kleiner, aber es war immerhin ihre eigene. Ihr Zuhause war nichts Besonderes: ein Wohnraum mit einer offenen Feuerstelle, einem Bad und einem Durchgang zum Garten. Ein großer Tisch nahm den Großteil des Raumes ein. Die Höhle endete gegenüber von Danas Schlafbucht an einer schweren Holztür, die in die Zwergenstadt führte. Das war es auch schon. Wie gesagt, nichts Umwerfendes, aber sie liebte diesen Ort.
Von der Feuerstelle her zog ein wohlriechender Duft durch den Raum. Tala, ihre Ziehmutter, kochte etwas Leckeres. Sie war klein und grauhaarig, hatte leuchtend silbergraue Augen und trug die typische Zwergenmontur: klobige Schuhe, Lederhose, Lederweste und ein kariertes Hemd. Zwerge hatten es nicht so mit der Mode, Kleidung sollte vor allem praktisch sein. Die Zwergin hatte erst vor kurzem ihren 502ten Geburtstag gefeiert, fühlte sich entsprechend jung und legte besonderen Wert darauf, dass andere dies auch so sahen. Vor fast zehn Jahren, als Olo auf einmal mit dem kleinen Säugling vor der Tür gestanden hatte, hatten sie sich gemeinsam entschlossen, Dana als ihr eigenes Kind aufzuziehen, weil ihnen selbst das Glück eigener Kinder verwehrt geblieben war. Niemand hatte eine Ahnung, woher Dana und Shari gekommen waren oder welcher Art sie angehörten. Man wusste nur, sie waren keine Zwerge.
Tala war gerade dabei, für ihre Geburtstagskinder den Tisch zu decken und das Frühstück vorzubereiten. Über dem Feuer hing ein großer Kessel, dessen herrlich duftender Inhalt leise vor sich hin köchelte. Sie hantierte dort mit Töpfen, Tellern, Tassen und Pfannen und schimpfte wie jeden Morgen leise vor sich hin. »So ein junges Ding … kaum zweihundertzwölf Jahre alt und macht meinen Job – mindestens vierhundert sollte man sein, aber mindestens!« Seit sie aus dem Schuldienst entlassen worden war, wirkte sie unzufrieden und zog immer wieder über ihre Nachfolgerin her, wenn sie meinte allein zu sein. Doch die nun reichlich bemessene Freizeit hatte auch ihr Gutes, denn diese kam nun Danas Ausbildung zugute, die dadurch sehr viel Wissen vermittelt bekam. Dass Tala kaum noch Zeit für sich selbst hatte, störte sie kaum, denn wie jede Zwergenmutter würde sie jederzeit alles für ihre Kinder tun – und ihre Kinder waren eben Dana und Shari.
Olo musste wohl schon zur Arbeit gegangen sein, denn er war nirgends zu sehen. Dana schubste Shari von ihrer Brust herunter und schwang ihre schlanken Beine aus der Schlafbucht heraus auf den schmalen Sims, der vor den Schlafplätzen verlief. Danach balancierte sie, sportlich wie sie nun einmal war, geschickt zu ihren Kleidern hin, die wie gewöhnlich neben ihrer Schlafbucht hingen. Anschließend kletterte sie hinunter zu Tala und fiel ihr um den Hals. Das war nicht allzu schwierig, da die Zwergin fast genauso groß war wie sie.
»Guten Morgen, Ma!« Dana war seit langem bewusst, dass Olo und Tala nicht ihre Eltern waren. Es hielt sie aber nicht davon ab, die beiden Ma und Paps zu nennen. »Was gibt es heute Besonderes?«, erkundigte sie sich nach der stürmischen Begrüßung und verschwand im Badezimmer, ohne die Antwort abzuwarten. „Badezimmer" war vielleicht etwas übertrieben, es war eher ein schlichter Waschraum mit Schüsseln, Kannen, einem winzigen Spiegel und einem Plumpsklo.
Zehn Minuten später saß Dana am Küchentisch. Shari, die dafür natürlich zu klein war, hatte von Olo einen Tisch mit einem Stuhl in Miniaturgröße angefertigt bekommen. Diese Möbel waren so bemessen, dass sie hervorragend auf den großen Tisch passten. So hatte auch Shari alles im Blick. Beide harrten nun der Dinge, die da kommen würden.
Den beiden Geburtstagskindern gegenüber stand ein stattliches, sauber verpacktes Paket. Shari, die sehr neugierig war, wollte es sofort untersuchen. Sie wurde aber zu ihrem Leidwesen immer wieder mit den Worten »Es ist kein Geburtstagsgeschenk!« von Tala verjagt und musste sich zurück an ihren Tisch setzen. Verärgert darüber, dass sie zum x-ten mal auf ihren Platz gescheucht wurde, veränderte sich zusehends ihr Gemütszustand. Ihr strahlendes Leuchten verblasste und wechselte zu einem hellen Grau. Dies bedeutete nichts Gutes: Zusehends verschlechterte sich mit der Farbveränderung die Laune der kleinen Fee.
Zum Glück war Tala eine sehr gute Köchin, so dass Shari abgelenkt wurde und ihr schnell verzieh. Denn was sie heute wieder zubereitet hatte, war einfach königlich. Sie zählte auf:
»Als Vorspeise: Ranunkelsuppe.
Danach als Hauptspeise:
Erdäpfelschnitzel in Honigsoße,
dazu ein besonderes Getränk:
Eiskakao mit Sahne und Schnittlauchröllchenstreuseln.
Als dritter Gang:
Möhrenkuchen mit Erbsenstreuseln.
Und zum Abschluss die Krönung des Ganzen, das Dessert:
Karamellbonbon in Pfefferminzhülle.«
Der Nachtisch entlockte Dana und Shari Jubelschreie, da es solche Süßigkeiten recht selten gab.
Nachdem sie zu Ende gefrühstückt hatten und das Geschirr abgeräumt war, stellte Dana wie schon so oft all die wichtigen Fragen, die ihr schon so lange auf dem Herzen lagen: »Ma, wer bin ich, woher komme ich und warum bin ich nicht so wie die anderen?«
Früher war Tala diesen Fragen jedes Mal ausgewichen. Heute jedoch war sie endlich bereit, ihrer Tochter Rede und Antwort zu stehen. Sie sah ihre Tochter eine Weile schweigend an, räusperte sich dann kurz und begann zu erzählen, während sie anfing, das stattliche Paket von dem Papier zu befreien. »Wie du ja weißt, wurdest du vor fast zehn Jahren unter mysteriösen Umständen von Olo und seinem Freund Toben neben dem großen Monolithen gefunden. Du und Naya Shari, ihr seid zusammen hierher gekommen. Keiner weiß, wie und warum. Wir haben in den Zwergenarchiven nach Anhaltspunkten zu eurer Herkunft geforscht und nichts gefunden. Nur zu deinem Medaillon gab es etwas. Es gehört anscheinend zu einer uralten Zaubererkaste, die vor einigen tausend Jahren eine lange Zeit mit uns zusammen in diesem Höhlensystem lebte. Eines Tages verschwanden sie, ohne eine Spur zu hinterlassen. Du und Shari, ihr scheint eine Einheit zu sein – doch wie ihr zusammengehört? Keiner weiß es … zumindest noch nicht! Vielleicht bekommst du es ja irgendwann heraus.«
Hier legte sie eine kurze Pause ein, bevor sie weitersprach: »So haben wir euch aufgenommen, nachdem der Große Rat der Zwerge uns die Zustimmung gegeben und die Verantwortung für euch übertragen hat. Auf jeden Fall gehören das Medaillon, das kaputte, goldene, mit Hieroglyphen verzierte Ei, aus dem wohl Shari geschlüpft ist, der Korb und du zusammen. Jetzt bist du alt genug, um mehr zu erfahren und die Utensilien deiner Vergangenheit und wahrscheinlich auch deiner Zukunft zu erhalten.«
Nach diesem Vortrag schob Tala Dana einen prächtig verzierten Korb entgegen, den sie mittlerweile ausgepackt hatte. Sofort lag eine greifbare Spannung in der Luft.
Dana wusste schon seit einiger Zeit, dass sie etwas Besonderes war. Kurz nach ihrem neunten Geburtstag waren die ersten Eigentümlichkeiten aufgetreten. So konnte sie zum Beispiel mit Tieren sprechen. Es hatte zunächst mit einem leisen Wispern begonnen. Mit der Zeit hatte sie dann immer besser verstehen können, was Tiere sagten, und schließlich verstand sie deren Sprache so gut wie ihre eigene.
Dana und Shari sahen Tala eine Zeitlang schweigend an. Darauf begannen die beiden Geburtstagskinder, den Inhalt des Korbes behutsam auszupacken. Als Erstes fiel Dana ein wunderschönes Schmuckstück auf, das sie sofort in die Hand nahm. Es fühlte sich warm an und bestand aus einem in Gold eingefassten, pechschwarzen, flachen Stein. »Er scheint dem Monolithen auf dem Versammlungsplatz sehr ähnlich zu sein«, murmelte Dana ehrfurchtsvoll.
Sobald sie es berührte, schien das Medaillon zum Leben zu erwachen. In ihm begannen kleine »Sterne« zu leuchten und zu blinken, verschwanden nach kurzer Zeit wieder, um dann von neuem ihr Lichterspiel zu beginnen. In das Schmuckstück waren zwei Wesen aus purem Gold mit rubinroten Augen eingearbeitet. Man sah einen geflügelten Löwen mit einem Adlerkopf und einen feuerspeienden Drachen, die miteinander kämpften.
Dana sah Tala fragend an. »Darf ich es anlegen?«, wollte sie aufgeregt wissen.
»Aber ja«, flüsterte Tala mit Tränen in den Augen. Irgendwie fühlte sie, dass nun das Leben ihrer Tochter komplizierter und vielleicht auch gefährlicher werden würde. Wer weiß, was Dana in der Zukunft alles erwartete … Sie kannte ihr Kind ja recht gut und wusste um ihre Neugier.
Als Dana das Medaillon anlegte, bemerkte sie unmittelbar eine Veränderung. Sie war nach außen hin nicht zu sehen, doch sie und Shari spürten es sofort: Beide konnten sich jetzt verständigen, ohne auch nur ein Wort laut auszusprechen. Sie waren geistig miteinander verbunden!
Dana hatte sich gewünscht, vielleicht sogar erwartet, dass sie zu ihrem zehnten Geburtstag neue Fähigkeiten bekommen würde – womöglich mit Blumen sprechen zu können oder so etwas. Aber Gedankenvereinigung, das war um einiges besser, als was sie sich erhofft hatte! Eifrig und in freudiger Erwartung packten beide den Korb weiter aus. Abgesehen von den mit Hieroglyphen bedeckten goldenen Eierschalen fanden sie jedoch nicht viel. Da war nur noch ein seidenes, rosafarbenes Kopfkissen mit gleichfarbiger Bettdecke, in dem ein mit goldenen Fäden eingestickter Name stand:
Dana
Tala begab sich schwermütig in die Küche und überließ die Geburtstagskinder sich