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When Your Dreams Are Falling In The Dust: Wenn das Leben Wellen schlägt
When Your Dreams Are Falling In The Dust: Wenn das Leben Wellen schlägt
When Your Dreams Are Falling In The Dust: Wenn das Leben Wellen schlägt
eBook645 Seiten8 Stunden

When Your Dreams Are Falling In The Dust: Wenn das Leben Wellen schlägt

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Über dieses E-Book

In diesem Buch erzählt der Autor Eric Chapmann die Geschichte von Thomas Zenger, der in Nürnberg geboren wurde und in Eckental (Mittelfranken) aufwuchs. In dieser Biographie schildert er alle Höhen und Tiefe seines Lebens, seine vielen Begegnungen und Erlebnisse. Die eigenwillige, stellenweise mundartgeprägte Erzählweise wird den Leser fesseln, ihn zum Nachdenken, Lachen, Träumen oder auch vielleicht zum Weinen anregen. Das Leben von Thomas Zenger: eine Komödie, eine Tragödie und doch auch eine unheimlich schöne "Cinderellastory", wie sie nur das wahre Leben schreiben kann. Mit "WHEN YOUR DREAMS ARE FALLING IN THE DUST – Wenn das Leben Wellen schlägt" möchte der Autor den Leser dazu bringen, für einen kurzen Moment innezuhalten, um einmal wieder zu realisieren, was um ihn herum passiert und vielleicht wieder mit offenen Augen durch das Leben zu gehen. Dieses Buch möchte unterhalten, zum Nachdenken anregen, zeigen, dass das Leben trotz allem immer weitergeht, und trösten. Vielleicht hilft es ein wenig, sich zu besinnen und sich wieder auf die wahren Werte, die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu konzentrieren. Denn Leben ist, was einem begegnet, während man auf seine Träume wartet.
SpracheDeutsch
HerausgeberWagner Verlag
Erscheinungsdatum15. Juli 2013
ISBN9783866838932
When Your Dreams Are Falling In The Dust: Wenn das Leben Wellen schlägt

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    Buchvorschau

    When Your Dreams Are Falling In The Dust - Eric Chapmann

    When your dreams are falling in the dust

    Wenn das Leben Wellen schlägt

    Eric Chapmann

    Ein Buch aus dem WAGNER VERLAG

    Lektorat: Hilke Bemm, Affing

    Umschlaggestaltung: A. Königseder

    Titelfoto: A. Königseder

    1. Auflage

    ISBN: 978-3-86683-893-5

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

    Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind

    im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Die Rechte für die deutsche Ausgabe liegen beim

    Wagner Verlag GmbH,

    Zum Wartturm 1, 63571 Gelnhausen.

    © 2011 by Wagner Verlag GmbH, Gelnhausen

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    Alle im Buch enthaltenen Angaben, Ergebnisse und so weiter wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt. Sie erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Verlages. Er übernimmt deshalb keinerlei Verantwortung und Haftung für etwa vorhandene Unrichtigkeiten.

    Prolog

    Das neue Jahr war erst wenige Tage alt, dennoch hatte das verschneite, fast schon an ein Wintermärchen erinnernde Frankenland seinen ersten Todesfall zu beklagen.

    Einige Krähen zogen am Himmel, der ein tristes fast schon schmutziges Grau trug, und ließen sich auf den nackten, kahlen Ästen der Bäume nieder. Vereinzelte Schneeflocken tanzten verloren durch die Luft. Langsam, aber bestimmt bahnte sich die eisige Kälte ihren Weg durch die Mäntel der Anwesenden auf dem Friedhof. Es war nur eine kleine Trauergemeinde, die dem verstorbenen die letzte Ehre erwies, dennoch war diese Beisetzung eine der außergewöhnlichsten, der ich je beiwohnen durfte.

    Die Predigt des Pfarrers fiel sehr ausführlich, würdevoll und für meinen Geschmack etwas zu lang aus. Zu meinem Erstaunen wurde nicht wie gesungen. Nur der Posaunenchor spielte an vorgegebenen Stellen erst „One Moment in Time, später „True Colors und beim Ausmarsch, als der schwere dunkelbraune Massivholzsarg mit den glänzenden Messinggriffen, von dem gut zwei Drittel durch ein gewaltiges Bouquet aus dunkelroten Rosen und weißen Lilien verdeckt wurden, zum Grab eskortiert wurde, erklang: „I will always Love You".

    Die Anwesenden schienen merklich ergriffen, da es sich um die Lieblingsstücke des Verstorbenen handelte, die eine sehr große Bedeutung in seinem Leben gehabthatten. Wir bekundeten den Hinterbliebenen unser Beileid, dann löste sich die Trauergemeinde langsam auf. Auch für mich war es nun an der Zeit, dieses Kapitel abzuschließen und nach Hause zu fahren.

    Doch Manchmal kommen Sie wieder, was auch ich einige Wochen später feststellen musste, als auf einmal ein Buch mit dem Titel: „Zenger – Always & Forever" für Furore sorgte und Herrn Zenger, den wir ja beerdigt hatten, zu einem sagenhaften Comeback verhalf.

    Die Kritiker überschlugen sich, da es so etwas in dieser Form noch nie gegeben hatte, und Zenger, der nun in aller Munde war, erreichte das letzte Ziel, welches er sich zu Lebzeiten gesetzt hatte.

    Nun war die ganze Wahrheit Schwarz auf Weiß für jedermann erhältlich, und schnell verstummten die Spekulanten sowie jene, die haltlose Gerüchte und Vermutungen in die Welt gesetzt hatten.

    Dieser Mann schaffte es, mich sowie viele andere sogar noch nach seinem Tod zu überraschen, denn niemand wusste, dass sich in einem der drei Ordner auf seinem Regal seine wahre Geschichte verbarg. Diesmal keine erfundene, geschönte, aus den Fingern gesogene Cinderella-Story.

    Nein, eine wahre Erzählung, die das Leben schrieb, nach dem Motto: Der böse Wolf brennt mit der Großmutter durch und zündet vorher den Wald an!

    An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass diese Geschichte auf einer wahren Begebenheit beruht. Aus daten- und personenschutzrechtlichen Gründen wurden alle Namen der beteiligten Personen geändert.

    Ich bin Eric Chapmann und wünsche Ihnen gute Unterhaltung bei der Lebensgeschichte: „ZENGER –Always & Forever", die ich Ihnen nun erzählen möchte.

    Hauptteil

    Seit 15 Jahren bin ich nun schon als Anstaltspfarrer bei einer Justizvollzugsanstalt in Mittelfranken beschäftigt. Mancher fragt sich jetzt wohl, wie man an so einem unwirklichen Ort wie einem Gefängnis über so viele Jahre arbeiten kann. Sicher, es ist kein Traumjob, aber der Mensch findet sich mit so vielem im Leben ab, außerdem hatte ich hier ja eine Aufgabe zu erfüllen. Ein wesentlicher Bestandteil meiner Arbeit lag darin, den Insassen seelischen – manchmal auch moralischen Beistand zu leisten. Was im Gottesdienst, bei Gesprächs- beziehungsweise Bibelkreisen und Einzelbesuchen auf Verlangen einzelner Gefangener umgesetzt wurde.

    Es muss in der Vorweihnachtszeit gewesen sein, als ich auf meinen Streifzügen durch die Gänge der JVA jemanden in einem der Hafträume einen wie er es nannte „Schwank aus seiner Jugend" erzählen hörte. Hier wurde gelacht, gejohlt, ausgelassene Stimmung herrschte, keine Spur vom tristen Knastalltag, und es wurde um eine Tafel Schokolade gewürfelt.

    Diese drei waren ein nicht alltägliches Bild, da sich die meisten der Häftlinge eher zurückziehen und auf ihren Zellen lieber diverse Talkshows verfolgen. Egal, wann ich in diesem Gang an diesem Haftraum vorbeikam, hier waren Stimmung und Party angesagt. Die Würfel flogen und eine Geschichte, die offensichtlich aus dem richtigen Leben stammte, jagte die nächste. Sie wurden stets vom selben Häftling mit voller Begeisterung und Hingabe erzählt, diese wie er sagte Crazy Little Memorys. Sein Repertoire schien unerschöpflich, und er war ein Meister was Mimik und Gestik betraf, mit denen jener Gefangene manche Passagen unterlegte. Mich faszinierte diese unglaubliche Leichtigkeit, fast wie bei einem Schauspieler auf der Bühne, mit der er die anderen beeinflusste, manipulierte und allen suggerierte, was sie gut zu finden hatten oder was nicht. Allerdings beeindruckte mich auch seine Einstellung, die er allen unverblümt aufs Auge drückte, frei nach dem Motto: Wenn dir nicht passt, was ich sage, dann schwirr ab!

    Da ich an diesem Nachmittag nicht in Eile war, stand ich neben der Tür und hörte dem munteren Treiben zu. Kurz darauf machte der Geschichtenerzähler eine Pause, und die Titelmelodie eines Films lief im Hintergrund, als einer der drei meinte: ,Boah, geil, das kenn ich. Das sind Survivor!

    Der Zweite darauf: ,Ja, the Weiber!

    Beide lachten kurz über diesen Gag bis der Dritte, also der Geschichtenerzähler, der die anderen ungläubig ansah, feststellte: ,Du bist ja vielleicht ein abgefucktes Arschloch! Nein, ein hässliches, unwürdiges, dummes, abgefucktes Arschloch! Survivor? Tut so viel Blödheit nicht weh? Ey Alter, das ist America mit The last unicorn, die haben auch A horse without no name gesungen. Halt doch einfach dein Maul wenn du schon rein gar nix weißt, oder!

    Er schüttelte den Kopf.

    Der andere fügte hinzu: ,Du bist ja so blöd, ey, Amerika, des weiß man doch!

    Ein finsterer Blick traf auch ihn: ,Sei du mal ganz ruhig! Du kleiner, drogensüchtiger Stricher bist ja noch blöder als der hier, also halt dein Maul und würfel endlich!

    Das Spiel ging weiter, als ob nichts gewesen wäre, denn jetzt waren ja auch alle durch den Geschichtenerzähler informiert, was Sache ist. Offensichtlich schien dieser zu gewinnen, denn als ich in die Tür trat und meinte: ,Hier geht’s ja zu wie im Casino. Wer gewinnt? sah er mich nur kurz an und meinte zu seinen Jungs: ,Oh, habt ihr Tunten schon den Pfarrer für eure Beerdigung bestellt?

    Alle Blicke waren auf mich gerichtet, alle schwiegen und er wendete sich mir zu: ,Na, Pastor, hast du dich verlaufen, wartest du auf den Bus oder willst du uns vielleicht bekehren? Wenn Letzteres, kein Bedarf! Ach ja, das hier ist eine Privatparty–und Tschüss!

    Mit diesen Worten hat er mich voll abblitzen lassen, also zog ich es vor, zu gehen.

    Nachdem sich die Würfelrunde kurz vor dem Einschluss auflöste, kam einer der beiden Mitspieler zu mir und klärte mich auf: ,Machen Sie sich nichts daraus, der Zenger hat gerade eine Trennung hinter sich, dann war heute so ein Tag, wo alle mit ihren Problemen zu ihm gerannt sind, weil er ja in der Gefangenenmitverantwortung der Sprecher für unser Haus ist und als Vorarbeiter in einem Saal mit dreißig Verrückten hat er es auch nicht gerade leicht.

    Ich nickte zustimmend, und er fuhr fort: ,War eben ein schlechter Zeitpunkt, sonst ist er nicht so drauf. Ein Tipp von mir: Wenn du mit ihm über Gott oder die Kirche reden willst, dann lass es lieber. Thomas Zenger sagt von sich selbst: Ich suche mir aus verschiedenen Glaubensrichtungen das heraus, was mir gefällt, wie zum Beispiel. Ostern, Hanukkah, Weihnachten und so weiter. Alles andere tut er ab mit Worte wie: Ich glaube nur an das, was ich sehen, spüren oder anfassen kann, und alles, was dazwischen liegt, mag eine schöne Metapher sein, aber auch nicht mehr.

    Er sah mich erwartungsvoll an und ich fragte: ,Wie kommt man denn zu dieser Einstellung? Ich meine, er ist höchstens dreißig, aber mit Sicherheit nicht älter.

    Darauf er: ,Thomas ist siebenundzwanzig Jahre alt. Draußen war er ein Selbstständiger und hat schon einiges durchmachen müssen. Hm ... ein Lächeln machte sich in seinem Gesicht breit und er fuhr fort ,letzte Woche hatten wir eine Diskussion mit ihm über das Christkind und den Weihnachtsmann beziehungsweise die die wahre Figur des Weihnachtsfestes ist. Was er gesagt hat, war sehr ergreifend, da Thomas uns durch diese Aussage die für ihn wahre Bedeutung von Weihnachten vor Augen hielt, die wir längst vergessen hatten. Ich glaube, er sagte es ungefähr so: Für mich ist es egal, ob Santa Claus, der Weihnachtsmann oder das Christkind das echte Symbol der Weihnacht ist. Alle drei, so verschieden sie auch sind und interpretiert werden, tragen doch dieselbe Botschaft in sich. Vielleicht glaube ich nicht an viel, aber trotzdem bin ich überzeugt, dass es ein Leben nach dem Tod und einen Gott gibt. Weil die Menschen schon damals unfähig und selbstzerstörerisch waren, tat Gott in seiner unermesslichen Güte ein Wunder, um für die Menschheit ein Zeichen zu setzen und um sie wieder auf den rechten Weg zurückzubringen. Am vierundzwanzigsten Dezember wird der Welt der Retter und Erlöser durch die Jungfrau Maria geboren. Gottes Sohn, der Messias, als Zeichen des Friedens, der Liebe und Hoffnung für die Menschen auf Erden. Ähm ...

    Offensichtlich hatte er hier den Faden verloren und kam ins Stocken, als plötzlich aus dem Hintergrund zu vernehmen war: ,Und was macht die Menschheit mit dem Sohn Gottes ihrem Erlöser? Sie nageln ihn ans Kreutz in ihrer unergründlichen Stumpfsinnigkeit.

    Hinter uns lehnte Herr Zenger an der Wand und führte die Erzählung fort: ,Vielleicht sind uns damals unsere Sünden vergeben worden, aber was ist noch übrig von Freude, Frieden, Liebe und Hoffnung?

    In Zeiten von Arbeitslosigkeit, Hartz IV, Aids, Krieg, Amokläufern und Kindesmissbrauch? Die Menschheit richtet sich selbst zugrunde, ohne es zu merken. Weil es früher schon schwer war, einfach an etwas zu glauben, schufen sie sich vor langer Zeit Figuren. Symbole der Weihnacht, die die Sehnsüchte, Erinnerungen, Wünsche, Hoffnungen und Träume der Menschen in sich trugen.

    Wieso brechen bei der Eröffnung des Weihnachtsmarktes, wenn ein Mädchen als Nürnberger Christkindl, einem Symbol für das Gute in der Welt, seinen Prolog spricht, Menschen aller Altersgruppen vor Freude oder auch Ergriffenheit in Tränen aus? Hatte Gott, der allmächtige Vater, nicht seinen Sohn, einen Jungen zu den Menschen geschickt?

    Was haben der Weihnachtsmann, Santa Claus und seine Rentiere damit zu tun? Sie sind alle die Boten der Weihnacht. Jener Nacht, in der der Welt der Retter geboren wurde. Zeugen der Geburt von Gottes Sohn, dem höchsten Fest aller Christen überall auf der Welt. Sie wecken Erinnerungen in den Menschen, bringen ihnen Freude und Zuversicht, lassen sie wieder glauben und hoffen. Weihnachtliche Figuren als Sinnbilder höchster Reinheit und der Gnade Gottes, als Träger der Sehnsüchte, Wünsche und Träume der Menschheit. Santa Claus, Weihnachtsmann oder Christkind–jeder überbringt auf seine Art und Weise die Botschaft und den Geist der wahren Weihnacht an jene, die an sie glauben. Denn wenn die Menschheit eines Tages aufhört oder nicht mehr fähig sein wird, zu hoffen oder an etwas zu glauben, dann ist sie zur ewigen Verdammnis bestimmt und auf alle Zeit verloren.

    Mit diesen Worten endete Herrn Zengers Erzählung. Er schlenderte zufrieden in seine Zelle und schloss die Eisentür hinter sich.

    So langsam wurde es spannend für mich, also nahm ich mir vor, herauszufinden, warum Herr Zenger, der so gar nicht in das Bild dieser JVA passte, hier war. Wobei einige der sonst so üblichen Haftgründe in diesem Fall von vornherein für mich auszuschließen waren.

    Er sah nicht aus wie einer, der mit Drogen, Betäubungsmitteln und deren Konsumenten zu tun hatte, für so was war sich Herr Zenger eindeutig zu fein. Körperverletzung schloss ich auch aus, da er sich mit Sicherheit nicht selbst die Hände schmutzig machen würde. Diebstahl oder Schwarzfahren auch eher unwahrscheinlich für ein solches Format.

    Alle meine Vermutungen ließen sich auf keinen Fall dieser Person zuordnen, da jede Logik dagegen zu sprechen schien, also sah ich mich gezwungen, die Initiative zu ergreifen und mit ihm zu reden.

    Hier siegte meine Neugierde, aber ob ich dazu auch die nötige Courage haben würde? Das würde sich zeigen.

    Am Tag danach sollte es dann so weit sein. Ich wartete im Gang, bis Herr Zenger von der Arbeit aus dem Betrieb kam, und fragte, ob er vielleicht etwas Zeit für mich hätte, da ich mit ihm reden wolle.

    Ein musternder Blick traf mich, gefolgt von: ,Oh, Pfarrer, wenn du mir jetzt die Story von deiner Kirche, der Bibel oder Gott erzählen willst, das läuft bei mir nicht!

    Dann ließ er mich eiskalt stehen und verschwand in seiner Zelle.

    Das konnte ich mir nun wirklich nicht bieten lassen, folgte ihm und meinte: ,Erzählen Sie mir doch mal eine Geschichte, zum Beispiel, warum Sie hier sind.

    Was schon recht mutig war, denn der ein Meter neunzig große und locker über hundert Kilo schwere, dunkelhaarige Typ mit Schnauzbart, der nun mit dem Rücken zu mir stand, hätte sich auch umdrehen und mir ohne Vorwarnung eins auf die Fresse geben können.

    Spannung lag in der Luft. Er blieb mit dem Rücken zu mir stehen und seufzte: ,Warum schaust du nicht einfach in meiner Akte nach oder fragst so eine dumme Wachtel hier vom Haus?

    Dieses Thema schien ihn offensichtlich zu langweilen, also sagte ich: ,Okay, dann erzählen Sie mir eine andere Geschichte.

    Herr Zenger drehte sich zu mir um, zündete sich eine Zigarette an und sagte: ,Ja, genau. Ich steh früh um sechs Uhr auf, geh um Viertel vor sieben auf Arbeit, zieh mir mittags den Schlangenfraß hier rein, halb fünf am Nachmittag ist Feierabend, zwanzig Uhr ist Einschluss und um dreiundzwanzig Uhr geh ich ins Bett, wie jeden Tag. Noch Fragen, oder war´s das? und schaute mich erwartungsvoll an.

    ,Ich meinte eine Geschichte aus Ihrem Leben draußen.

    Er schmunzelte. ,Was ist denn mit dir los? Hast du selber kein Leben, oder warum willst jetzt unbedingt was aus meinem hören? Packst du das überhaupt, wenn ich dir mal erzähl, was da wirklich abgegangen ist? Nicht, dass du noch Alpträume bekommst oder nachts nicht mehr schlafen kannst.

    Im Radio lief ein Titel, der bei Herrn Zenger den Ausspruch: ,Oh geil, PCD-Hush; Hush! hervorbrachte.

    Er spielte mit mir, hatte sichtlich Freude an meiner Unsicherheit, die er offensichtlich zu spüren schien.

    Also fing ich an: ,Wissen Sie, ich bin ehrlich und bewundere Ihre Einstellung. Sie haben sicherlich schon einiges in Ihrem Leben mitgemacht, haben also etwas zu erzählen, und das würde ich gerne hören, oder ist das ausschließlich Ihren Kollegen vorbehalten?

    Er drückte die Zigarette aus, sah aus dem Fenster. ,Es schneit wieder.

    Er überlegte eine Weile und sagte dann: ,Das wäre ja gar nicht mal so dumm. Okay, morgen um neunzehn Uhr, du bekommst eine Stunde, und ich erzähl dir mal ein bisschen was.

    Sein Gesicht verfinsterte sich wieder. ,Noch ein Tipp: Sei pünktlich, und jetzt raus hier, ich geh jetzt duschen!

    Diese etwas schroffe Art, mich loszuwerden, kam mir eigentlich ziemlich recht, schließlich hatte ich eine Zusage, also genau das, weswegen ich gekommen war.

    Wie es eben so ist, wenn man sich auf etwas freut, verging die Zeit am Tag darauf extrem langsam. Es muss einer der längsten Tage in der Geschichte der Menschheit gewesen sein, und es dauerte noch so lange.

    Entweder hatte ich heute wirklich vergleichsweise wenig zu tun oder erledigte alle meine Termine und Aufgaben extrem schnell. Aber egal, kurz vor neunzehn Uhr machte ich mich auf den Weg.

    Auf dem Gang herrschte ein reges Treiben und da Herr Zenger nicht in seinem Haftraum war, fragte ich einen Mitgefangenen, wo er sich wohl aufhalten würde.

    Dieser antwortete kurz: ,Na, wo wird der wohl sein? Der ist in der Küche und verarscht unsere zwei Fetten und ging weiter.

    Tatsache! Er saß in der Küche auf einem Tisch, was mich irgendwie an meinen fünfjährigen Sohn erinnerte, der dies auch mit Vorliebe tat, und meinte: ,Jetzt ist mir wieder eingefallen, an was ihr zwei mich erinnert! Kennt ihr den Film: King Kong und Godzilla zerstören Tokio?

    Alter, ich schwör, wenn ich so fett wäre wie ihr, was ich ja Gott sei Dank nicht bin–ich mein, ich bin ja auch fett, aber ned so fett wie ihr!

    Das ist überhaupt der Hammer, wie ihr durch die Gegend rennt, eure Outfits fallen ja schon unter sexuelle Belästigung! Ich würd‘ ja nicht so rumlaufen, aber weil ich ja nicht so bin, geb ich euch ‘nen Tipp: Wenn ihr schon so absolut sexy rumrennen müsst, dann besorgt euch wenigstens mal ‘nen BH oder besser gleich zwei!

    Dies schien ihm zu gefallen, und nach einem flüchtigen Blick auf seine Uhr stellte er fest: ,Oh, schon so spät! Ich muss los, hab noch ein Date und für euch zwei: Zieht doch mal Klamotten in eurer Größe an, falls die auf diesem Planeten überhaupt verfügbar sind.

    Also, Leute, ich muss los! Tschaui- Waui!

    Er sprang vom Tisch und verschwand laut lachend in seiner Zelle.

    Nach einem kurzen Klopfen an der Tür meinerseits war zu vernehmen: ,Wir kaufen nichts–wir haben schon alles! und als ich eintrat entgegnete mir ein äußerst gut gelaunter Herr Zenger: ,Ach, du bist‘s und pünktlich noch dazu. Ich finde ja, Zeit beziehungsweise Pünktlichkeit ist ein sehr guter Indikator für Zuverlässigkeit, und so was schätze ich sehr. Kaffee?

    Ich nahm auf dem Bett Platz. ,Ja, gerne und sah mich um.

    Herr Zenger meinte: ,Bin gleich wieder da, ich muss nur schnell ‘ne zweite Kaffeetasse besorgen! und schon war er verschwunden.

    Nicht dass ich etwas anderes von ihm erwartet hätte, aber diese Zelle war nicht nur ordentlich, sondern auch so sauber, dass sie fast schon steril wirkte.

    Ein Hauch von Zitrone lag in der Luft und vermischte sich langsam mit dem Duft des frisch gebrühten Kaffees auf dem Tisch.

    Auf dem Wandregal standen drei Ordner, sechs mit verschiedenen Motiven beklebte Tabakdosen, die wie bei einer Wurfbude auf der Kirmes aufgetürmt waren, darunter Servietten mit weihnachtlichen Motiven, daneben ein Würfelbrett mit Becher. Neben dem Fernseher eine sagen wir „Auswahl" an Duschgels, rechts daneben das Modell einer Villa aus Karton mit großen, angedeuteten Glasflächen, gelber Fassade, grünen Balkonen, Garagentoren und Dächern.

    Die meisten der Zellen, die ich von meinen Besuchen her kannte, waren trist, schmutzig, nur mit dem Nötigsten bestückt, und die kahlen Wände sowie die komplette Zelle strahlte eine – nennen wir es Trostlosigkeit aus.

    Nicht so hier, hier wurden Kreativität und Improvisationstalent gezeigt. Herr Zenger legte offensichtlich sehr viel Wert auf das Erscheinungsbild seines Haftraums. Alles hatte hier seinen Platz, machte einen sauberen, gepflegten, fast schon gemütlichen Eindruck.

    Als ich mich der sehr reichlich und sehr eigenwillig dekorierten Pinnwand zuwenden wollte, kam Herr Zenger mit der Kaffeetasse zurück. Er setzte sich, schenkte den Kaffee ein, lächelte kurz und sagte: ,So, jetzt hast du sie dir angeschaut, aber hast du auch die Aussage der Bilder beziehungsweise der kompletten Pinnwand verstanden?

    Ich überlegte kurz: ,Naja, wie es aussieht, sind Sie ein Autofan, und die Postkarten werden wohl von Freunden und Ihrer Familie sein.

    Nach einem kurzen Nicken zündete er sich eine Zigarette an. ,Und weiter?

    Das war mir jetzt fast schon peinlich, denn egal wie sehr ich mich auch bemühte, diese Bilder anzuordnen, um ihre Aussage zu finden, es gelang mir einfach nicht.

    ,Hm, ich fürchte, da müssen Sie mir helfen. Für mich ergibt das keinen Sinn, weil manche Bilder einfach nicht zusammenpassen. Okay, dass das alles koreanische und japanische Pkw sind, ist klar. Lucy von den Peanuts, auch klar. Der heilige Bonifatius neben der nackten Tatiana Gsell oder hier die heilige Familie und darunter ein Bild von Pamela Anderson, die lediglich einen Hauch von nichts trägt! Mag wohl sein, dass so was Geschmackssache ist, aber ich verstehe es nicht.

    Herr Zenger sah mich an. ,Ich würde es so sagen: Es sind einfach Bilder, die mir gefallen, aus verschiedenen Bereichen und ohne speziellen Zusammenhang. Wenn ich die Pinnwand als gGnzes anschaue, dann ist es wie im Leben. Es sind oft die kleinen Komponenten, die auf den ersten Blick nicht zu passen oder stimmig zu sein scheinen, doch genau dieses Gegensätzliche macht das Leben als Ganzes einzigartig und interessant. Genau wie diese Pinnwand.

    Darauf wäre ich mit Sicherheit nicht gekommen und war von dieser Aussage wirklich beeindruckt. Im Radio lief von Roxette Almost unreal, als es kurz an der Tür klopfte und ein junger, dunkelhaariger Mann mit Kinnbart, der einen äußerst geknickten Eindruck machte, im Türrahmen stand.

    Herr Zenger musterte ihn kurz. ,Mei Hannes, arme scharfe Schnecke. Was kann ich für dich tun?

    Der junge Mann erwiderte: ,Ich muss mal mit dir reden, wenn du Zeit hast.

    Offensichtlich war hier Herrn Zengers Rat gefragt, also entschuldigte ich mich und wartete außerhalb der Zelle neben der Tür.

    Da Zenger eine recht laute und durchdringende Stimme besaß, hätte ich auch gleich im Raum bleiben können, da man auch außerhalb den Inhalt dieses Gespräches laut und deutlich mitbekam. Der Dialog zwischen den beiden lief so ab.

    Zenger: ,Du schaust ja furchtbar aus. Was ist denn wieder los?

    Der Typ: ,Ach, ich hab heute sechs Briefe bekommen, da war einer von meiner Freundin dabei, und der hat mich runtergezogen.

    Zenger: ,Wie lange bist du denn schon mit ihr zusammen?

    Er: ,Sechs Monate, und jetzt ist sie ganz alleine draußen!

    Zenger: ,Meinst du, sie macht Schluss?

    Er: ,Vielleicht? Ich weiß es nicht.

    Zenger zündete sich eine Zigarette an. ,So, und jetzt sag ich dir mal was. Schau mich an und versuch mal, nicht wie ein geprügelter Hund auf den Boden zu starren. Wenn ich mit jemandem rede, dann schaue ich demjenigen dabei in die Augen, und genau das erwarte ich jetzt auch von dir.

    Ich weiß wie es ist, das erste Mal im Knast zu sein, bin ja selbst ein Erstmaliger, also brauchst du mir nichts vormachen. Dir bleiben, was das angeht, nur zwei Möglichkeiten: Entweder du machst so weiter wie gehabt, bist bloß noch deprimiert, tust dir selber leid und lässt dich von allem und jedem herunterziehen, oder du überdenkst mal deine Einstellung. Junge, du hast nur zehn Monate abzusitzen. Ich bin schon zwanzig Monate hier und häng nicht so durch wie du! Es ist ganz einfach mit der Tussy, und du weißt dann auch, wie du mit der dran bist. Entweder sie wartet, bis du entlassen wirst, weil du ihr etwas bedeutest, oder sie macht Schluss, weil sie ein Flittchen ist, lieber durch andere Betten fliegt und du ihr nicht annähernd so wichtig bist, wie du gedacht hast. Kommst mit sechs Monaten Beziehung doch noch gut weg, meine letzte hat vier Jahre gedauert und war objektiv gesehen völlig für den Arsch. Verstehst du was ich damit sagen will?

    Leise antwortete der junge Mann: ,Ja, schon, aber …

    Zenger unterbrach ihn: ,Hannes, hier gibt’s kein Aber, glaub es mir! Denk mal drüber nach! Du hast sechs Briefe bekommen von Leuten, denen du was bedeutest, sonst hätten sie dir wohl kaum geschrieben, oder? Du hast deine Familie und deinen Job noch draußen, besser kann es doch gar nicht laufen oder?

    Nach kurzem Nachdenken äußerte Hannes: ,Trotzdem bin ich hier alleine!

    Zenger schüttelte den Kopf. ,Ist doch nicht wahr! Wenn du wirklich alleine wärst, warum bist du dann hier bei mir? Überleg mal, ob du deinen Leuten draußen nicht was schuldig bist. Mach dir mal Gedanken, ob du die Zeit hier nicht sinnvoll nutzen kannst. Vielleicht gibt es ja was, für das du draußen nie die Zeit gehabt hast? Oder denk mal über eine Fort- oder Weiterbildung nach?

    Der junge Mann sah ihn an. ,Meinst du, ich könnte hier den Quali nachmachen?

    Zenger: ,Warum nicht? Gute Idee! Mach den Quali nach und vielleicht stellst du dich einfach mal hin und überlegst, ob es nicht sinnig ist, was ich zu dir gesagt habe. Du solltest deine Zeit hier als Chance nutzen. Zieh ein Resümee, überleg einfach, was du an dir selber ändern solltest, damit es dann nach deiner Entlassung für dich besser läuft. Dann setz dir ein Ziel, wie eben den Quali für hier drinnen, und arbeite darauf zu. Wenn du etwas tust, dann mach es für dich und für keinen andern sonst. Halt dich an die Regeln und behalte dein Ziel stets vor Augen! Ich weiß, dass es gerade für dich schwer ist, dir einzugestehen, dass du nicht alleine weiterweißt, aber dir muss auch klar sein: Egal was los ist, ob du Hilfe oder jemanden zum Reden brauchst oder ein Problem hast, meine Tür steht jederzeit für dich offen. Was ich dich schon immer mal fragen wollte, hast du ein Problem damit, dass ich zwei Jahre jünger bin als du?

    ,Na ja, am Anfang schon aber …

    Der Meister unterbrach hier: ,Kein Aber! Ich habe mit einundzwanzig Jahren damals Fünfunddreißig- bis Vierundvierzigährige zu Assistant-Managern ausgebildet.

    Die sind sich echt blöd vorgekommen, haben dann aber geschnallt: Der hat’s drauf und weiß was er tut! Alter ist relativ und die Lebenserfahrung macht’s. Wenn etwas ist, dann sag ich dir, was ich davon halte oder was ich tun würde. Was du am Ende daraus machst, ist deine Sache. Ich bin im Leben schon oft auf die Schnauze gefallen und jedes Mal wieder aufgestanden, und falls eine Aussage von mir, die du berücksichtigt hast, das bei dir fördert, dann habe ich mein Ziel erreicht!

    Er schmunzelte und setzte fort: ,Ich sag es dir gleich – kann sein, dass ich dir manchmal Dinge reindrücke, die dir überhaupt nicht passen. In solchen Augenblicken solltest du dann darüber nachdenken, ob ich es bei genauerer Betrachtung nicht doch einfach nur gut mit dir meine. Das ist eben hin und wieder meine Art. Wie schaut’s jetzt bei dir aus? Bist du immer noch alleine?

    Hannes stand auf. ,Nein, aber ich muss jetzt los und einen Antrag wegen dem Quali schreiben!

    Zenger fragte: ,Machst du das für dich, oder weil du weißt, dass ich das für eine gute Idee halte?

    Der junge Mann erwiderte: ,Das mache ich nur für mich, weil ich meine Entscheidungen für mich selbst im Leben treffen muss, und mir geht’s jetzt auch besser. Es wird zwar noch etwas dauern, bis ich alles umsetzen kann, was du mir gesagt hast, aber ich habe verstanden, dass mein Leben das ist, was ich daraus mache, und jetzt werde ich für mich das Beste daraus machen.

    So ganz überzeugt klang er noch nicht.

    Zenger lächelte. ,Optimal, nimm dir ruhig Zeit. Wenn etwas ist, ich bin da, und so langsam musst du los.

    Hannes ging, wieder merklich motiviert, seiner Wege und ein äußerst zufriedener Herr Zenger lehnte neben mir am Türrahmen.

    ,Ja, so sind meine Kärwabuben, aber mein Hannes hat es halt schwer. Der ist ja noch so klein, jung und weiß noch nicht, was läuft.

    Wir gingen wieder in die Zelle und ich fragte nach: ,Wie haben Sie das mit ‚noch so klein‘ gemeint? Sie müssten doch fast im selben Alter sein?

    Er zündete sich eine Zigarette an. ,Ich bin zwei Jahre jünger als er. Aber egal, draußen kommt er sicher einwandfrei klar und hat fast alles unter Kontrolle, weil da auch sein gewohntes Umfeld ist. Hier drinnen schaut das etwas anders aus, man muss sich erst an das Eingesperrt- und Alleinsein gewöhnen. Das macht ihm heut’ noch gewaltig zu schaffen, aber er hat allen anderen gegenüber einen Vorteil, und das weiß er auch. Ich glaub’, es ist gerade in seiner Situation extrem wichtig, dass zumindest einer da ist, der ihm sagt, was läuft, ihm zuhört, manchmal hilft, ihn wieder aufbaut, wenn er am Boden ist.

    Eben eine Art Vertrauensperson, auf die er sich verlassen kann. Als Erstmaliger kennt sich der arme Kerl halt nicht so aus, da ist alles neu und furchtbar.

    Darauf ich: ,Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie diesen Part übernommen haben?

    Ein überraschter Blick traf mich. ,Logisch, wer sonst? Der arme Kerl war ja total fertig mit der Welt, als er gekommen ist. Wir haben uns dann mal unterhalten, und weil er ja so nett, total knuffig und traurig war, bin ich eben sentimental geworden. Jetzt ist der Bub auf dem richtigen Weg. Wer weiß, was hier mit dem alles passiert wäre, wenn ich ihn den Freaks hier überlassen hätte, da darf ich gar nicht dran denken!

    Ich wunderte mich. ,Was hätte denn schon passieren können?

    Ungläubig antwortete er: ,Du lebst in einer Welt mit Blumen und Elfen oder, wo alles total super ist und man die Augen vor der Realität verschließt richtig? Schau doch mal raus auf den Gang, was da für ein Gesindel unterwegs ist! Das sind teilweise Freaks vom Feinsten!

    Er schüttelte fassungslos den Kopf. ,Wie bist du denn drauf? Bei mir ist das was anderes. Wenn es einer von denen wissen will, dann geht’s hier ab! Frei nach dem Motto: Du läufst zu mir rüber und wenn du viel Glück hast, dann kannst du vielleicht noch zurückhumpeln. Weil ich äußerst fair bin, hab ich das übrige Gesindel von vorneherein schon mal informiert: Sollte der Hannes eine Schramme oder auch nur den kleinsten Kratzer haben beziehungsweise irgendwer auch nur versuchen, den Buben anzugehen oder anzufassen, so wird das dem Gesundheitszustand der betreffenden Person nicht besonders zuträglich sein, und mit hundertprozentiger Sicherheit kommt dann jede Wachtel und jeder Schließer zu spät. Volle Rückendeckung, sonst wäre er sicher schon öfter mit einem Veilchen rumgecheckt. Ich kenn doch die Freakshow hier. Da sind zwei bis drei Mann dabei, mit denen geht alles klar, voll gut drauf, die Jungs aber den Rest kannst absolut in die Tonne treten.

    Ich fragte weiter: ,Kann es sein, dass Sie sich da vielleicht etwas zu sehr reinsteigern?

    Zenger wandte sich mir zu: ,Natürlich nicht! Ich will nur, dass er hier klarkommt, seinen Job als Hausarbeiter gut macht, die Situation unter Kontrolle hat, seine Zeit hier drinnen sinnvoll nutzt, nach Zweidrittel auf Bewährung rauskommt und dann unbeschadet sein Leben in Freiheit weiterführen kann. Das ist das, was zählt, und da funkt mir keiner dazwischen!

    Darauf ich: ,Weiß er das denn?

    Er schnaufte kurz aus: ,Nein, und das bleibt auch so. Er weiß, dass er sich auf mich verlassen kann. Dass ich nie etwas zu seinem Nachteil tun würde und dass ich es gut mit ihm meine. Mehr muss er auch gar nicht wissen. So, und jetzt ist dieses Thema vom Tisch!

    ,Gut, dann reden wir jetzt über Sie, deswegen bin ich ja schließlich gekommen.

    Herr Zenger setzte einen äußerst erhabenen Gesichtsausdruck auf, der keinen Zweifel daran aufkommen ließ, dass er die Situation bestens unter Kontrolle hatte. Er fragte: ,Stellst du dir etwas Spezielles vor oder bleibt es mir überlassen?

    Ich nippte an meinem mittlerweile kalt gewordenen Kaffee. ,Wie Sie wollen, das ist ihre Entscheidung. Ich bin da nicht festgelegt, außerdem steht es mir nicht zu, Ihnen Vorgaben bezüglich eines speziellen Themas zu machen.

    Er lachte. ,Gute Antwort! und drehte die Lautstärke des Radios etwas höher.

    ,Das ist Jennifer Rush mit Destiny – also eines unserer Lieder von damals. Wenn ich schon die freie Auswahl habe, dann fangen wir am besten in den neunziger Jahren an.

    Herr Zenger überlegte kurz und angestrengt. Drehte sich eine Zigarette, lachte kurz, nahm noch einen schnellen Schluck aus seiner Kaffeetasse und begann sichtlich vergnügt zu erzählen: "Okay, kommt jetzt total krass. Die dicke Maria ist die Kusine meines Vaters und seiner Schwester Renate. Sie wohnt in einem Hinterhaus, das vor Urzeiten ihre Mutti mal gekauft hatte. Der Maria ihr Typ hieß Joe, und die pummelige Tochter der beiden Lisa. Offiziell war der Joe ständig auf Montage, inoffiziell wohl eher im Knast, München Stadelheim, wo ihn seine Perle öfter besuchte.

    Irgendwann, so mit einunddreißig Jahren, brauchte die dicke Maria unbedingt einen Führerschein, um am Wochenende an der Tankstelle die sexy Boy’s, von der ‚VWler-Gang‘ klarzumachen, die sich dort immer trafen, und laufen oder mit dem Fahrrad hinfahren war sogar für die Marie zu uncool!

    Also schnell zu Mutti gecheckt, weil, dafür arbeiten ja noch uncooler als Radfahren ist, und sich die Kohle besorgt. So nach dem sechsten oder siebten Anlauf bei der praktischen Fahrprüfung hatte dann die Marie also einen Führerschein. Tja, weil Führerschein auch uncool ist, wenn man kein Auto hat, schauen wir bei Mutti vorbei und verklickern ihr, dass wir sofort ein Auto brauchen! Dafür arbeiten? Immer noch uncool und nicht mit Marias Maniküre verträglich! Das ‚La Sabine‘ bekommt einen dunkelgrünen achtziger Audi von der Mutti – kein Thema! Weil die Maria so toll ist und sich gern selber feiert, braucht sie natürlich ein Wunschkennzeichen. Klar braucht sie das, oder?

    Sie hatte dann ERH-SM 31 auf dem Auto. SM heißt SUPER MARIE meinte Sie.

    Ich schwöre, spätestens wenn die mit ihrer Leggins ausgestiegen ist war jedem klar, in echt heißt das Saufette Marie!

    Das durften auch die VWler-Boy’s von der Tankstelle feststellen. Ich mein’, da denkst du an nichts Böses, hängst cool mit deinen Kumpels an der Tanke ab und man redet über Motoren oder sonst was, dann fährt das Mariamobil vor. Dann steigt da etwas aus, das aussieht wie Godzilla mit Leggins an und rollt in den Shop. Okay, alle Anwesenden rätseln, wie es sein kann, dass so ein riesiges Etwas in so ein kleines Auto passt. Das Marie checkt mit einer Dose Red Bull zu denen rüber und meint: ‚Ey, Servus! Ich bin die Marie, wast scho!‘ Als Nächstes sieht man nur noch eine riesige Staubwolke, und als sich die wieder legt, ist der Parkplatz – wo vorher fünfzehn VWs standen – leer. Nur die Marie steht mit ihrer Red-Bull-Dose noch da. Das würde mir zu denken geben Der Maria nicht!

    Die hat kurz darauf herausgefunden, dass der Dorfmetzger jetzt belegte Brötchen verkauft. War total geil für die Marie. Weil, Brötchen selber belegen ja auch fast schon so was wie Arbeit, und Arbeit ist uncool! Da gehen wir lieber ins Solarium, malen uns unsere Krallen an oder versuchen, uns zu schminken, frei nach dem Motto: Man hört immer wieder, wie viele Leute auf dem Weg oder bei der Arbeit verunglückt sind! Ich geh da ja auf Nummer sicher. Oder habt ihr schon jemals gehört, dass jemand beim Fernsehen auf der Couch einen Unfall hatte?‘

    Mei, man war halt nicht zum Arbeiten geschaffen. Ist ja auch total scheiße, wenn man früh aufstehen muss, also nicht bis Mittag im Bett liegen kann, deswegen scheiße drauf ist und dann auch noch körperliche Arbeit leisten soll! Das geht ja mal gar nicht! Das überlebt weder die Frisur, noch die Maniküre, geschweige denn die Marie länger als fünfzehn Minuten am Tag!

    Ach, wir waren ja bei den Wurstbrötchen! Gut, das Maria düst in ihrem Mariemobil bei offenem Fenster mit einem Wurstbrötchen in der Hand durch die Gegend, bis ihr das belegte Brötchen in den Fußraum gefallen ist. Jeder andere hätte angehalten. Marie nicht. Sie fährt weiter und sucht das Ding im Fußraum. Diese Aktion ging so lange gut, bis die Maria voll in einen Rentner beziehungsweise dessen hundertneunziger Mercedes rein gedonnert ist. Wie kann der es auch wagen, zu bremsen, wenn das Mariemobil hinter ihm ist und die Dicke ihr Wurstbrötchen sucht?

    Zum Glück gab es ja Mutti. Die hat das dann geregelt, denn Mutti weiß genau: Entweder Maria bekommt was sie will und sucht ihr dann mal ein hübsches Altersheim aus oder sie kann arbeiten bis sie tot umfällt!

    Wenn du das jetzt schon witzig findest, dann schnall dich mal an! Ich hab noch zwei original Tante-Renate-Storys. Pass auf, geht los! Man stelle sich die komplette Familie beim Griechen zum Geburtstagsessen vor. Die Schwägerin von der Renate, nennen wir sie einfach mal Ingrid, hielt sich für extrem wichtig und war Vegetarierin, die einzige, ultrawichtige und absolut extreme Vegetarierin, natürlich, und drückt dir rein: ‚Du bist ein Luder, weil du das isst, und schuldig bist du auch, weil es nur wegen dir jetzt tot ist!‘

    Nicht, dass sie noch das Heulen angefangen hat. Weil die Renate auch auf Spaß ansteht und Scampi hatte, außerdem der Ingrid genau gegenübersitzt, steckt sich die böse Renate die Köpfe der Scampi auf Mittel und Zeigefinger und meint: ‚Ingrid, schau mal‘, wedelt der Ingrid mit den Dingern vorm Gesicht rum und schreit: Laddl, laddl, laddl!‘ Ingrid kreischt, hat fast ’ne Herzattacke, und der Abend war gelaufen, weil die Ingi keinen Spaß versteht!

    Eine hab ich noch: Renate und die Neigleins Hedwig checken ins ‚Boom–DiscoPoint‘ weil da ‚Construction‘ auftreten. Die haben damals Mitte der Neunziger Oh, Girl gesungen und alle waren voll geil auf die, vor allem die Hedwig. Heute kennt die Gruppe kein Schwein mehr, aber das waren halt die Neunziger. Auftritt läuft, die singen: ‚Oh Girl, come spend some time wich me, blah, blah, blah‘ und die Hedwig muss unbedingt backstage in die Garderobe, weil, da wohnen die ultimativen Souvenirs!

    Also wird der Securitytyp erst mal a bissl scharf gemacht und mit fünfzig Mark schließlich aus dem Weg geräumt. Jetzt läuft die ultimative Renate-und-Hedwig-Garderobenfilze auf der Suche nach Souvenirs! Hedwig kreischt los: ‚Renate, geh her! Schnell!‘, wedelt mit Handtüchern wie verrückt rum ‚Oh Gott, die ham sich da die Hände dran abgetrocknet! Die darf man nie mehr Waschen!‘ Dann hat sie sämtliche Handtücher eingepackt, ein paar Haare aus dem Abfluss sichergestellt und war selig. Leider kennt heute keine mehr Construction, also vermute ich, die Handtücher sind zu Putzlappen umfunktioniert worden oder der Hund schläft jetzt darauf. Natürlich habe ich auch eine Theorie was aus den Haaren geworden ist, aber das erzähl ich jetzt besser nicht. Ich kann ja nicht verantworten, dass du heute Nacht noch Alpträume bekommst."

    Herr Zenger konnte sich kaum halten vor Lachen, zündete sich eine Zigarette an und fuhr fort: „Es muss so schrecklich für einen Klassikfan sein, wenn er sich die Walküre reinzieht und mitten im Stück kommt Waterloo von ABBA! Das totale Grauen!

    Wir lebten im Zeitalter von Schallplatten und Musikkassetten und wo unser Dad mit Vorliebe auf seinem Mono-Kassettenrekorder – das Ding hat er heute noch! – vom Radio seinen ‚Sound‘ aufgenommen hat. Er fand es toll, wir total schrecklich!

    Kann sich einer vorstellen, wie es ist, von Eckental in Mittelfranken bis nach Gatteo Mare, Italien, in einem Passat mit Stereoradio, sich stundenlang eine Dadkassette geben zu müssen, wo alle fünfzehn Minuten Mango Jerry In the Summertime jault?

    Der Moment der Rache war da, als ich zu Weihnachten einen Kassettenrekorder samt Mikro bekommen habe. Wir waren die Milli-Vanilli- und MC-Hammer-Generation. Laut ist gut, lauter noch besser!

    ‚Mach die Affenmusik aus!‘ oder ‚Was ist das denn für ein Sound? Das ist ja zum Davonlaufen!‘, war also an der Tagesordnung. Und wir haben gelernt: Entweder stehst du auf coole Musik wie unsere oder du bist total out, und unsere Eltern waren in dieser Hinsicht so was von out, das konnte man sich gar nicht vorstellen!

    Dazu fällt mir jetzt grad noch was aus meiner Schulzeit ein: Auch in der Hauptschule muss man Geburtstage feiern. Es war zwar bekannt, das es aus versicherungstechnischen Gründen untersagt war, das Schulgelände zu verlassen, aber Nicole, Birgit und mir war das so was von egal, das konnte sich keiner vorstellen.

    Gegenüber waren das „Boom – DiscoPoint und die „Lagune mit einer Terrasse hintendran, wo wir natürlich heimlich geraucht haben. Nur Loser rauchen im Fahrradkeller und lassen sich vom Hausmeister dabei erwischen! Brave Schüler bleiben auf dem Schulgelände, böse nicht. War ja klar der Gruppe wir angehörten oder? Hey, wir waren jung also raus aus dem Schulbus und rüber auf die Terrasse!

    Im Sommer hatte Nicole Geburtstag, und wir als korrekte Kumpels hatten zwei Flaschen Asti besorgt, die wir drei vor Unterrichtsbeginn auf unserer Terrasse weggeknallt haben. Birgit und mir ging es gut. Bis auf spontane Lachanfälle war alles super, aber Nicole war voll wie ein Haus. Okay, wir haben es dann geschafft, sie ins Klassenzimmer zu schleppen und sie dann auf ihren Stuhl zu wuchten. Hatte ich schon erwähnt, dass Nicole zuvor in den Schulbrunnen auf dem Pausenhof gekotzt hatte? Gut, erste Stunde. Englisch war angesagt, und Nicole war so abgrundtief scheiße in Englisch, das konnte man sich gar nicht vorstellen, aber ‚Fuck you‘ und ‚Bitch‘ konnte sie – kein Thema!

    Der Unterricht beginnt, Nicole wird immer blasser, auch der Lehrer Hoffman hat gecheckt, dass da was nicht stimmt, und fragt Nicole, ob alles in Ordnung ist. Die schaut ihn an, meint: ,Boah, it‚s so hot here!‘ und fällt von Stuhl. Ich schau Birgit an.

    ‚Du, die kann Englisch!‘, darauf Birgit: ‚Scheiße, wir sind tot, und etz hauts die blöde Kuh auch noch vom Stuhl runter!‘

    Derweil ist Nicole wieder aufgestanden, hat ihre Sachen gepackt und ist mit den Worten: ‚Ich muss heim! Ich hab meine Tage!‘ zur Tür rausgewankt.

    Der Hoffman war ratlos, uns hat es vor Lachen fast zerrissen und sind nur haarscharf an einem Schulverweis vorbeigerauscht.

    Ach ja, ich hatte damals von einer Bekannten ein Pärchen dzunarische Zwerghamster bekommen. Diese Sorte hatte damals noch kein Zoogeschäft, und weil es ja Zwerghamster waren, lief nix mit in einem normalen Hamsterkäfig einsperren. Also wurde ein altes Aquarium umfunktioniert. Hamsterhaus, Äste, Spielzeug, und was ein Hamster sonst noch so braucht, rein. Eine Fotorückwand dahinter und die Sache war auch noch dekorativ!

    Meinen zwei Hamstern hat es darin so gut gefallen, dass sie sich explosionsartig vermehrten. Langsam wurde der Nachwuchs etwas ‚to much‘, aber ich konnte diesen ja im Zoofachgeschäft abgeben. Was die Inhaberin sehr freute, da diese Zwerghamster sonst nicht zu bekommen waren. Derweil produzierten meine Hamster wie besessen Nachwuchs. Dann musste ich in der Schule ein Referat halten und hatte einen meiner Hamster als Anschauungsmaterial dabei. Ja logisch, weil die so klein und niedlich sind, will jeder einen haben. Kein Thema, Hamster für alle! Alle wollten und brauchten unbedingt solche Hamster!

    Auch Steffi Vogel braucht einen. Leider hatte ich ihr nicht nur das mit meinem umfunktionierten Aquarium erzählt, sondern auch, dass ich meine Hamster in einen Eimer setze und dann die Einstreu mit dem Staubsauger aus dem Aquarium sauge. Ein paar Wochen später ruft mich eine total hysterische und weinende Steffi Vogel an. Sie hat

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